Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein sehr ernstes Thema, und ich glaube, dass wir uns dem Thema nicht auf die Art und Weise nähern können, wie Frau Birk das versucht hat. Frau Kollegin Spoorendonk, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie darauf hingewiesen haben, dass Eingriffe in die private Wirtschaft immer auch einen anderen Aspekt haben als den, dass wir uns bestimmte politische Vorstellungen machen. Es sind immer auch Eingriffe in Eigentumsrechte, die einer besonderen Begründung bedürfen. Die von Ihnen, Frau Kollegin Birk, abgegebene Begründung trägt nicht. Das wissen Sie übrigens selbst. Ich kenne Kreisverbände der Grünen, die jetzt versuchen, ein Frauengewinnungsprogramm aufzulegen, weil sie festgestellt haben, dass sie zu 80 % aus Männern bestehen und nicht mehr ausreichend Frauen bekommen, um die eigene Quote zu erfüllen.
- Das kann ich belegen. Das hat nichts mit gesellschaftlichen Problemen zu tun. Es hat etwas damit zu tun, dass eine Vielzahl von Frauen - nicht nur in Parteien, sondern auch in anderen Organisationen nicht das Gefühl haben, dass es sich lohnt, in dieser Organisation in entsprechender Weise tätig zu sein. Es kann auch etwas mit der Frage der Einteilung von Lebenszeit zu tun haben.
- Daran sind wir doch nicht schuld. Wenn die Wählerinnen und Wähler in Schleswig-Holstein besser gewählt hätten, dann hätten wir jetzt zwei Frauen in der Fraktion. An uns hat es nicht gelegen, auf der Liste waren ausreichend Frauen vertreten.
- Frau Kollegin Redmann, wenn wir jetzt bei dieser Form der Debatte sind, die Sie so haben wollen, dann frage ich mich, warum die Sozialdemokraten dieses Landes nicht mit leuchtendem Beispiel vorangehen. Warum gibt Landesvorsitzender Stegner sein Amt nicht an Ute Erdsiek-Rave ab und der Fraktionsvorsitzende Stegner sein Amt nicht an Frau Schümann? Warum geht Martin Hentschel nicht ins zweite Glied zurück, und Frau Birk wird Fraktionsvorsitzende der Grünen? Das wäre doch ein Ausweis.
Und wenn ich es richtig verstanden habe, muss der Kandidat der SPD in Kiel jetzt zurücktreten von seiner Kandidatur, weil wir eine Oberbürgermeisterin in Führungsverantwortung haben, die es wieder werden soll.
Das heißt, den großen Worten müssen auch Taten in den eigenen Reihen folgen, sonst wird man sehr unglaubwürdig.
- Ich gucke sehr gern in den Spiegel. Ich bin, wie ich gesehen habe, lern- und überzeugungsfähig. Ich will trotzdem noch auf eines hinweisen: Der Genosse Stegner, der heute eine Meinungsumfrage zur Kenntnis genommen hat, die ihn nicht beglücken kann, weil sie die SPD auf dem tiefsten Stand seit den 50er-Jahren sieht, hat dazu eine interessante Erklärung abgegeben - ich muss das jetzt einmal machen, denn wenn er etwas sagt, muss man das sofort dementieren, sonst gilt das als zugestanden. Er hat dazu erklärt:
„Gegen die sogenannte ‚Bürgerliche Mehrheit#, von der schwarz-gelbe Funktionäre gerne reden, hat die SPD in ihrer langen Geschichte viele Freiheitsrechte der modernen Demokratie - wie das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Männer und Frauen - durchsetzen müssen.“
Ich will sagen: Liberale waren daran auch beteiligt. Aber ich will wirklich sagen: Niemand von uns hat die Absicht, das Frauenwahlrecht wieder abzuschaffen.
Lieber Herr Kollege Kubicki, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Angelika Birk? - Bitte.
Die erste Zwischenfrage Herr Kollege Kubicki lautet: Gehen Sie so weit zu sagen, dass das norwegische Gesetz einen illegitimen Eingriff in das Eigentum darstellt?
Zweitens: Wie viele Führungskräfte als Fraktionsvorsitzende hat die FDP auf Landesebene? Wir Grünen können in Nordrhein-Westfalen und einer Reihe anderer Bundesländer auf Fraktionsvorsitzende weiblichen Geschlechts verweisen. Mir ist eine Zahl bei Ihnen nicht bekannt.
Ich helfe Ihnen gern weiter, ich muss das aber nicht im Rahmen einer Antwort machen. Wir haben aber beispielweise mit Sicherheit mehr Kreisvorsitzende der FDP als Sie Kreisvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein haben.
Wir haben zwei stellvertretende Landesvorsitzende. Wir haben eine Spitzenkandidatin zur Europawahl, die weiblichen Geschlechts ist.
- Das fällt mir gar nicht jetzt erst ein, ich weiß das. Ich muss damit nicht herumgehen und prahlen.
Meine Töchter, beide 28 Jahre, Zwillingsmädchen eine war heute hier -, würden Ihnen erzählen, wie albern sie Ihre Debatten finden, weil ihre Lebenswirklichkeit völlig anders aussieht als das, was Sie hier heute beschreiben.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Spoorendonk das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe grundsätzlich die Auffassung, dass Missverständnisse in der Kommunikation weiterhelfen. Wenn ich aber so aufgefasst werde, als hätte ich gesagt, dass es um Eingriffe in Eigentumsverhältnisse ging: Das war nicht meine Pointe, das war nicht das, was ich sagen wollte. Ich habe gesagt: In der Bundesrepublik, in Schleswig-Holstein haben wir Gesetze, die Gleichstellung vorschreiben, die Gleichstellung ermöglichen. Das ist nicht das Problem. Unser Problem ist die Umsetzung. Ich habe gesagt, dass auch die Quote hilfreich und notwendig ist. Aber auch die Frauenquote muss umgesetzt werden.
Was mir am Herzen liegt und ich schon bei anderer Gelegenheit gesagt habe: Mir platzt mittlerweile der Kragen, wenn nur Norwegen als Beispiel genannt wird, ohne dass man berücksichtigt, was in Norwegen in den letzten 20 Jahren gelaufen ist. Was in Norwegen erreicht worden ist, ist von allen durch harte gesellschaftspolitische Arbeit erreicht worden. Natürlich kann man das Aktiengesetz in Norwegen nicht ändern, ohne dass dafür die Rahmenbedingungen im Laufe der Jahre geändert worden sind, ohne dass die Aktiengesellschaften von sich aus begriffen haben, wie notwendig das ist.
Das heißt, wir zäumen das Pferd von hinten auf. Wir brauchen viel Fleißarbeit, ehe wir norwegische Verhältnisse bekommen.
Wir müssen jetzt weiter dafür sorgen, dass die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Es ist inakzeptabel, dass Frauen für die Anerkennung ihrer Arbeit immer noch kämpfen müssen.
Dass die alte gewerkschaftliche Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ noch nicht umgesetzt ist, ist doch schrecklich.
Es ist auch schrecklich, dass wir uns immer noch für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzen müssen. Das hat nichts mit Familienarbeit zu tun. Das ist Frauenpolitik. Genau darum geht es. Das ist in Norwegen über die Jahre ganz anders erreicht worden.
Lasst uns bitte schön weiterarbeiten. Wir müssen auch als Parlament unserer Verantwortung gerecht werden und die Landesregierung natürlich bitten, den Gleichstellungsbericht vorzulegen.
Zu einem weiteren Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich der Frau Abgeordneten Angelika Birk das Wort.
Ich möchte auf den Beitrag der Kollegin Spoorendonk eingehen. Wir haben in Deutschland durch den Nationalsozialismus in der Frauenbewegung praktisch 30 Jahre verloren. Die Frauenbewegung bis in die 20er-Jahre war in Deutschland federführend in ganz Europa. Nicht umsonst ist das Frauenwahlrecht in Deutschland europaweit eines der ersten gewesen, und es ist hart erkämpft worden. Neben den Engländerinnen standen die Frauen in Deutschland vorneweg.
Dann kam der Nationalsozialismus, Ermordung, Vertreibung, Enteignung all dessen, was es an Frauenbewegungen gab. Das ist übrigens bis heute nicht entschädigt worden. Natürlich sind uns die Skandinavierinnen Jahrzehnte voraus, auch in der Kleinarbeit vor Ort.
Wenn wir als Grüne nicht bei uns die Quote in der Partei eingeführt hätten, die Parlamente überall, vom kleinsten Dorf bis zum Bundestag und Europaparlament, würden noch sehr viel mehr Männerdominanz haben. Das kann ich Ihnen schriftlich geben! Wir haben hier vorbildlich für andere Fraktionen gewirkt. Das freut uns.
von Familie und Beruf betrifft. Uns muss man bei diesen Pionieraufgaben nicht die Hausaufgaben vorlesen. Wenn hier irgendjemand Fortschritte erzielt und Ziele gesetzt hat, an denen sich andere Parteien orientiert haben, waren wir das in den letzten 20 Jahren.