Protokoll der Sitzung vom 26.02.2009

anderem die Einführung flächendeckender Mindestlöhne, ein verbindliches Gesetz zur Gleichstellung in der Privatwirtschaft, eine quotierte Besetzung von Aufsichtsratsposten und ein diskriminierungsfreies Steuerrecht.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine zweite zentrale Stellschraube ist der Zugang zu Macht. In der Tat haben wir in Schleswig-Holstein mit dem Gleichstellungsgesetz schon sehr früh die rechtlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Frauen den gleichen Zugang zu Entscheidungspositionen in der Verwaltung und in Gremien erhalten wie Männer. Das betrifft nicht nur die Gremien, die das Land zu besetzen hat, sondern auch solche, die durch die Fraktionen des Landtags besetzt werden, und dort - das haben wir explizit durch den Wissenschaftlichen Dienst des Landtags prüfen lassen gilt ebenfalls das Gleichstellungsgesetz mit der gleichberechtigten beziehungsweise alternierenden Besetzung.

Wenn man dafür wirbt, dass Frauen in Entscheidungsgremien im gleichen Maße Einfluss erhalten wie Männer, geht es um Macht. Wer die menschliche Gesellschaft will, muss die männliche überwinden, heißt es im Hamburger Grundsatzprogramm der SPD. In kaum einen anderen Bereich gibt es so viele Hindernisse zu bewältigen wie beim gleichberechtigten Zugang zu Geld und Macht.

Männer, denkt dran, dass wir noch eine Fraktionssitzung haben.

Ich will nicht verhehlen, dass wir Sozialdemokratinnen uns seinerzeit für ein Gleichstellungsgesetz für die Wirtschaft eingesetzt haben und dass wir damit leider keinen Erfolg hatten. Wir Politikerinnen sollten weiter dazu stehen, dass zu den materiellen Ressourcen, von denen die Existenzsicherung abhängt, die gesellschaftliche Repräsentation kommen muss: Teilhabe an Entscheidungen, die unsere Gegenwart und unsere Zukunft betreffen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das schleswigholsteinische Gleichstellungsgesetz muss vollständig umgesetzt werden, und dazu ist auch die Landesregierung verpflichtet.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Die SPD-Landtagsfraktion hat im vergangenen Jahr mit ihrer Großen Anfrage zur Frauenpolitik eine Bilanz des Erreichten abgefragt. Im Sozialausschuss werden wir uns im April mit den wirtschaftlichen Aspekten, die sich aus unserer Großen Anfrage zur Frauenpolitik ergeben, auseinandersetzen. Aus mei

ner Sicht spricht vieles dafür, die Repräsentation von Frauen ebenfalls in den Fachausschüssen zu thematisieren. Ich freue mich auf die weitere Diskussion.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der FDP hat der Herr Abgeordnete Günther Hildebrand das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frei nach Heinz Erhardt, der in der vergangenen Woche 100 Jahre alt geworden wäre, erlauben Sie mir zum heutigen Antrag der Grünen die hintersinnige Anmerkung, dass wir es hier wahrlich mit einem Juwel einer parlamentarischen Initiative zu tun haben. Man kann diesen Antrag wirklich nur mit Fassung ertragen.

(Beifall bei der FDP)

In der Zielsetzung stimmen wir Ihnen dabei ohne Weiteres zu. Ja, wir brauchen mehr weibliche Führung in Europa. Ja, wir wollen und wir müssen die Führungsverantwortung von Frauen in Wirtschaft und Politik noch weiter verbessern, ebenso die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Wer aber zum Erreichen dieser Ziele so viele Unterstellungen und Behauptungen aufstellt, wie sie im Antrag von Frau Birk und der grünen Fraktion zum Ausdruck kommen, der ist in der Realität aktueller Frauenpolitik schlicht noch nicht angekommen; denn wahre Frauenpolitik heißt Gleichberechtigung, aber nicht Ergebnisgleichheit. Es wäre so ungeschickt wie ungerecht, in dem Bemühen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, nur Frauen zu unterstützen. - Dieser Satz ist nicht von mir. Er ist von Gertrude Lübbe-Wolf, Richterin am Bundesverfassungsgericht, zitiert aus der Festschrift zum Symposium „20 Jahre Frauenministerium in Schleswig-Holstein“, druckfrisch vom Januar dieses Jahres.

Ich ergänze: Damit Frauen und Männer Gleichstellung mehrheitlich als eine wichtige Errungenschaft, besser noch als einen gesellschaftlichen Wert begreifen, müssen sie gleiche Startbedingungen und gleiche Rechte haben. Weder mit einer Bevorzugung der einen Seite noch einer Benachteiligung der anderen Seite lässt sich etwas gewinnen. Es muss selbstverständlich sein, geeignete Frauen ganz gezielt ebenso zu fördern, wie dies früher nur bei

(Sandra Redmann)

geeigneten und nicht selten auch bei ungeeigneten Männern der Fall war.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Im öffentlichen Dienst ist dies heute schon ein gutes Stück weit gelungen, zwar nicht überall, aber der positive Trend ist unübersehbar.

Das Gleichstellungsgesetz, auf das die Grünen im Rahmen ihres Antrags immer wieder pochen, hat dazu ganz ohne Frage einen guten Teil beigetragen. Gleichwohl warne ich davor, derartige Regelungen auf den Bereich der Wirtschaft übertragen zu wollen. Sie haben hier nichts, aber auch gar nichts zu suchen.

Die FDP-Fraktion lehnt jeden Versuch, Betriebe und Unternehmen zwangsweise mit Frauenförderung oder Quotenregelungen beglücken zu wollen, mit aller Entschiedenheit ab.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das wertvolle Potenzial gut ausgebildeter, hoch motivierter und aufgeschlossener Frauen ist von der Wirtschaft längst erkannt worden. Claudia Funke, Direktorin bei McKinsey, hat dies - ebenfall nachzulesen in bereits genannter Festschrift - sehr eindrucksvoll beschrieben. Ich zitiere: Erstens. Wir wissen, dass die demografische Entwicklung es erforderlich macht, die Erwerbstätigenquote von Frauen erheblich zu steigern, wenn wir in Deutschland und Europa wettbewerbsfähig bleiben wollen. Zweitens. Gemischte Teams aus Männern und Frauen produzieren bessere Ergebnisse. Drittens. Unternehmen in Amerika und in Europa, die einen höheren Anteil von Frauen in Spitzenposition haben, produzieren quantitativ bessere Ergebnisse im Sinne von Eigenkapitalrendite und Wachstum.

Claudia Funke führt aber auch sehr deutlich aus, dass nicht die Erwerbstätigenquote maßgeblich für den Anteil von Frauen in Führungspositionen ist, sondern es ist die Gesamtarbeitszeit. Teilzeitarbeit kann sich negativ auf das Erreichen einer Führungsposition auswirken. Zum Karrierekiller für Frauen wird sie gleichwohl nur dann, wenn nur Frauen sie in Anspruch nehmen.

Ihr Vorschlag für eine Lösung ist deshalb keine Quote, sondern flexible Arbeitszeitmodelle für Männer und Frauen.

(Beifall bei FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die Wirtschaft ist also schon sehr viel weiter, als Sie sich, sehr geehrte Frau Birk, überhaupt vorstellen können.

Die Politik ist folglich gut beraten, in diesem Bereich ausschließlich dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen stimmen: qualifizierte Ausbildung für alle, keine geschlechterspezifische Beschäftigungshemmnisse und immer und immer wieder aufs Neue gute Kinderbetreuung für Kleinkinder, für Kinder im Kindergartenalter und - ich betone - in der Schule.

Wo ich gerade bei diesem Thema bin: Vielleicht sollten sich die Grünen lieber mit dem gleichen Elan, mit dem sie sich für sanktionsfähige Quotierungsregelungen im Aktiengesetz einsetzen, für Männer in Erziehungsberufen starkmachen. Das wären jedenfalls ein ernsthafter Beitrag zum Abbau eines Rollenklischees, wie es im Antrag der Grünen leider zum Ausdruck kommt.

(Beifall bei FDP, SSW und vereinzelt bei der CDU)

Für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Papierlage ist eigentlich gut, denn bereits 1994 trat das Gleichstellungsgesetz in Kraft, das ausdrücklich die gerechte Beteiligung von Frauen an allen Lohn-, Vergütungs- und Besoldungsgruppen erreichen will. Dennoch sind Frauen in Führungspositionen in schleswig-holsteinischen Behörden und Institutionen immer noch unterpräsentiert. Dazu nur zwei Beispiele: Im richterlichen und staatsanwaltschaftlichen Dienst werden Frauen und Männer zwar seit mehreren Jahren zu gleichen Teilen eingestellt. Trotzdem wirkt sich das nicht auf die Besetzung von Beförderungsämtern aus. Ebenso stellen Professorinnen an schleswig-holsteinischen Hochschulen auch im Jahr 2009 eine Minderheit, obwohl die Verbesserung der Gleichstellung und damit die Erhöhung des Anteils an weiblichen Wissenschaftlerinnen in den Zielvereinbarungen zwischen dem Land und den Hochschulen erneut festgeschrieben wurde.

Ernüchtert muss man also feststellen, dass die ehrgeizigen Ziele der Gleichstellung im öffentlichen Dienst bisher nicht erreicht wurden. Es hapert also ganz offensichtlich an der Umsetzung. Die Frauen

(Günther Hildebrand)

sind unterrepräsentiert - trotz Frauenförderung, Zukunftswerkstätten und Ausschreibungen aller Führungspositionen.

Dies wurde auch vor drei Wochen in Genf deutlich, als sich die Berichterstatter der Bundesregierung herbe Kritik der UN-Frauenrechtskommission gefallen lassen mussten. Diese warfen Deutschland vor, ihre eigenen Gesetze und Verordnungen zum Gender Mainstreaming nicht umzusetzen. Hier wie dort also das gleiche Bild: Die gesetzlichen Rahmenbedingungen, um Frauen den Zugang zu allen Positionen zu eröffnen, sind da, werden aber nicht konsequent realisiert.

Das ist umso bedauerlicher, weil mit der Existenz von Frauenförderprogrammen immer wieder argumentiert wird, um die Kritik an der fehlenden Gleichberechtigung zwischen Frauen und Männern zurückzuweisen. Frauenförderprogramme verstärken das kollektive Gefühl, dass genug oder sogar schon zu viel für Frauen getan wird. Dies ist aber wirklich nicht der Fall.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Wir brauchen nach wie vor Statistiken, wir brauchen Berichte und vor allem auch Konzepte zur Gleichstellung von Frauen und Männern. Sie müssen aber auch umgesetzt werden.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Sandra Red- mann [SPD])

Hierbei ist zum Beispiel die Einführung von Quoten ein legitimes Hilfsmittel. Das reicht aber nicht, um die Rahmenbedingungen für ein gleichberechtigtes Miteinander der Geschlechter zu schaffen. Als Stichwort seien hier nur die Forderung nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf genannt.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Sandra Redmann [SPD])

Ich bin davon überzeugt: In dem Moment, in dem es uns gelingt, diese beiden Rahmenbedingungen umzusetzen, werden wir sehr viel weiter kommen, auch wenn es darum geht, Frauen in Führungspositionen zu sehen. Erst wenn diese Rahmenbedingungen realisiert sind, kann die Gleichstellungspolitik in Zukunft in Schleswig-Holstein und Deutschland wirklich vorangetrieben werden.

Norwegen als Vorbild zu nennen, nutzt uns daher momentan sehr wenig. Dort gab es seit den 80erJahren einen sehr intensiven gesamtgesellschaftli

chen Veränderungsprozess, der auch von unten gewachsen ist und den wir so in Deutschland bisher noch nicht gehabt haben. Man kann nicht alles mit Gesetzen machen, das habe ich versucht darzulegen. Gesetze müssen gewollt und umgesetzt werden. Darum glaube ich nicht, dass wir mit dieser isoliert erhobenen Forderung nach einer Änderung des Aktiengesetzes momentan weiterkommen. Es gibt noch andere Baustellen, die erst einmal - wenn nicht beseitigt, dann doch - bebaut werden müssen.

Was wir im Landtag bewegen können, ist, die Landesregierung immer wieder auf ihre Verantwortung hinzuweisen, nachzufragen und Versäumnisse auch zu veröffentlichen. Denn - wie ich mehrfach versucht habe, deutlich zu machen - die Gesetzeslage ist klar. Die Gesetze sind da. Wir müssen sie umsetzen. Das ist unsere Aufgabe. Das ist auch die Aufgabe des Parlaments und aller Institutionen und aller in dieser Gesellschaft, die für die Gleichberechtigung eintreten. Das steht allemal im Grundgesetz.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und der Abgeordneten Sandra Red- mann [SPD])

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki das Wort.

Frau Kollegin! Frau Präsidentin!