Protokoll der Sitzung vom 26.03.2009

Drittens - und ist das entscheidend - darf das Budgetrecht der Landesparlamente nicht ausgehebelt werden.

(Beifall bei FDP und vereinzelt bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist keine Frage der Selbstkasteiung und auch keine Frage, ein ausgeblasenes Ei zu werden. Entscheidend ist jedoch, dass den Landesparlamenten Entscheidungsbefugnisse nicht nur formal, sondern auch materiell bleiben. Herr Kollege Wadephul hat zu Recht darauf hingewiesen: Solange das Land keine eigenen Steuerfestsetzungskompetenzen bekommt, müssen wir uns um unserer eigenen Existenzfähigkeit willen dagegen verwahren, dass andere darüber befinden, in welcher Form wir Ausgaben generieren.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Der Beschluss der Föderalismuskommission vom 6. März erfüllt allerdings keines dieser drei Kriterien und ist folglich nicht zustimmungsfähig.

Lassen Sie mich zum Schluss noch kurz auf Herrn Kollegen Dr. Stegner eingehen. Herr Stegner, bei aller Liebe zu den netten Ausführungen, die Sie hier tun. Wenn wir bei anderen Ländern Gehör finden wollen, dann brauchen wir ein Argumentationsmuster, das diese auch ernst nehmen können.

Ihre Kollegen aus Hessen haben Ihnen das auch gesagt. Warum soll ein Land wie Hessen, das ohnehin schon sehr viel in den Länderfinanzausgleich einzahlt, noch mehr leisten, wenn in Schleswig-Holstein Ausgaben versprochen und getätigt werden, die sich das Land Schleswig-Holstein eigentlich nicht leisten kann? Herr Kollege Hahn wird mich fragen: Wie soll ich denn meinen Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass wir noch mehr Geld zahlen müssen, damit Schleswig-Holstein Sachen verspricht, die nicht einmal bei uns eingeführt sind?

Wenn wir ernst genommen werden wollen, dann müssen wir mit Bedacht auf diese Argumentation eingehen. Dann reicht es nicht, Klassenkampfparo

(Wolfgang Kubicki)

len in den Saal zu streuen, dass Sie kämpfen wollen für Kinderbetreuung, für eine ausreichende Bezahlung von Polizisten - was Sie als Innenminister nicht getan haben - zulasten der Haushalte anderer Länder.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Dr. Stegner.

Herr Abgeordneter Kubicki, wären Sie so freundlich, dem Hohen Haus zu verraten, welche Partei in Berlin beziehungsweise Bonn den größten Anteil der bisher aufgenommenen Verschuldung hat? Welche Partei war zum größten Teil in Regierungsverantwortung daran beteiligt?

Die Sozialdemokratie. Sie hat mit uns von 1969 bis 1980 und dann seit 1998 wieder regiert. In diesen beiden Phasen sind in Deutschland die meisten Schulden gemacht worden.

(Beifall bei FDP und CDU)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Fraktionsvorsitzende Karl-Martin Hentschel das Wort.

Die längste Zeit hat natürlich die FDP mitregiert, und in dieser Zeit sind auch die meisten Schulden gemacht worden. Lassen wir das aber einmal so stehen. Das Thema ist jedenfalls zu ernst für eine Klamaukdebatte, in der sich einige auf die Schenkel klopfen. Ich kann den Humor, den die CDU vorhin in der Debatte gezeigt hat, nicht teilen.

(Zuruf von der CDU)

Ich habe mir die Ergebnisse der Föderalismuskommission in den vergangenen Tagen durchgelesen, und ich muss sagen, dass sie sich schlüssig und gut lesen, was die Schuldenbremse betrifft. Dass wir mehr als eine Schuldenbremse brauchen, dazu komme ich noch. Die Schuldenbremse selbst liest sich jedoch schlüssig und gut. Es ist gut, dass die Schuldenbremse ins Grundgesetz eingebaut wird. Ich bin natürlich dafür, dass die Schuldenbremse für die Länder in die Landesverfassungen eingebaut

wird. Damit bin ich der gleichen Meinung wie alle anderen Fraktionsvorsitzenden.

(Zuruf von der CDU: Herr Stegner nicht!)

Es ist gut, dass die Schuldenbremse so flexibel ist, dass das Auf und Ab der Konjunktur berücksichtigt werden kann und dass Abweichungen in Krisensituationen möglich sind, auch bei Naturkatastrophen und Finanzkrisen. Das ist explizit erwähnt worden, und dafür gibt es auch einen Regelungsmechanismus.

Es ist gut, dass die Einhaltung der Regularien kontinuierlich durch einen Stabilitätsrat überprüft wird. Es ist sinnvoll, dass die Länder, die aufgrund ihrer hohen Verschuldung zurzeit noch keine ausgeglichenen Haushalte erreichen können, eine Frist bis 2019 bekommen. Es ist gut, dass die schwächsten Länder einen Konsolidierungsbeitrag bekommen. Es ist auch eine kluge Regelung, dass den Ländern, die einen Konsolidierungsbeitrag bekommen, vorgeschrieben wird, dass sie während der zehnjährigen Übergangsfrist jedes Jahr 10 % mehr einsparen müssen. Alle diese Regeln halte ich für vernünftig und gut.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt bei dem Vorhaben aber einen Haken: Schleswig-Holstein ist nach meiner Einschätzung des Haushaltes strukturell nicht in der Lage, diese Bedingungen zu erfüllen. Die Landesregierung hat in den Verhandlungen nicht deutlich machen können, wie die Lage Schleswig-Holsteins ist. Dass ein Land wie das Saarland, das die Größe des Landkreises Rendsburg-Eckernförde hat, viermal so hohe Strukturhilfen bekommt wie Schleswig-Holstein, ist schlicht nicht einzusehen. Ich weiß nicht, was die Vertreter der Landesregierung ihren Kollegen aus den anderen Ländern erzählt haben, dass ein so bescheidenes Ergebnis dabei herausgekommen ist.

Es gibt nun zwei Möglichkeiten, mit den Ergebnissen der Föderalismuskommission umzugehen. Man kann sie ignorieren und den Standpunkt vertreten, dass die Änderung der Bundesverfassung die Länder nicht bindet. Auch ich bin dieser Auffassung, und wir werden dagegen klagen. Aber das hilft alles nichts. Herr Kollege Wadephul hat Recht, wenn er sagt, dass unsere Schulden von einer Klage nicht verschwinden. Unser eigentliches Problem sind die Schulden, nicht die Schuldenbremse.

Es bleibt also nur, sich den Ergebnissen der Föderalismuskommission zu stellen. Ich habe mit Interesse gelesen, was der Landesrechnungshof zu der aktuellen Situation geschrieben hat. Nimmt man es

(Wolfgang Kubicki)

ernst, sieht die Situation folgendermaßen aus: 2011 tritt der Stabilitätsrat zum ersten Mal zusammen und lässt sich die Zahlen vorlegen. Nach dem Plan liegt das Defizit für 2010 ohne Konjunkturmaßnahmen jetzt schon bei 557 Millionen €. Dazu kommen noch 200 Millionen € aufgrund der Steuersenkungen und weiterer Mindereinnahmen der Krise. Im nächsten Jahr liegt das strukturelle Defizit damit bei 800 Millionen €. Wenn der Landesrechnungshof Recht hat, wird das strukturelle Defizit 2011 bei 1 Milliarde € liegen. Nach Artikel 109 a des Grundgesetzes in der neuen Fassung wird der Stabilitätsrat dann zusammentreten und feststellen, dass Schleswig-Holstein verpflichtet ist, im Vergleich zu 2010 10 % weniger Schulden zu machen; das bedeutet für 2011ein Defizit von maximal 720 Millionen €. Um das zu erreichen, muss Schleswig-Holstein bis dahin 6.000 Stellen abbauen.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nein!)

Ist das nicht möglich, muss der Stabilitätsrat nach Artikel 143 d des Grundgesetzes in der neuen Fassung mit Zweidrittelmehrheit der Länder und der Stimme des Bundes eine Verwarnung für Schleswig-Holstein beschließen. Diese Verwarnung hat die sofortige Wirkung, dass Schleswig-Holstein die versprochenen 80 Millionen € für 2011 nicht bekommt, weil es die Einsparziele nicht einhält. Es besteht auch keine Möglichkeit nachzubessern. Das heißt, dass die 80 Millionen € unwiderruflich verloren sind. Das geht dann von Jahr zu Jahr so weiter. Die Schuldenbremse bedeutet in der Konsequenz also, dass Schleswig-Holstein niemals eine Konsolidierungshilfe bekommen wird und damit nicht in der Lage ist, bis 2022 das strukturelle Defizit zu beheben.

Herr Abgeordneter, die Redezeit ist abgelaufen.

Es tut mir leid, ich habe die Redezeit ein bisschen aus dem Blick verloren. Ich mache jetzt Schluss. Der Landesrechnungshof hat vorgerechnet, dass wir bereits im Jahre 2012 ein Defizit von 29 Milliarden € mit der entsprechenden Zinslast haben werden. Man kann sich ausrechnen, was das bedeutet. Die Konsequenz daraus ist, dass wir die Situation aus eigener Kraft nicht werden bereinigen können.

Wir müssen erstens einen Antrag stellen, dass die Länder über ihre eigenen Einnahmen beschließen können.

Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, den letzten Satz zu formulieren.

Entschuldigung, Frau Präsidentin, ich bin im letzten Satz. Es tut mir leid, aber das ist ein so wichtiges Thema. - Zweitens müssen wir ein Sanierungsprogramm beantragen, das eine Eilschuldenregelung enthält, die es Schleswig-Holstein ermöglicht, der Schuldenbremse gerecht zu werden.

Das sind die Forderungen, mit denen der Ministerpräsident antreten muss. Wenn er das tut und daran scheitert, dann müssen wir überlegen, was wir sonst unternehmen können. Dann müssen wir eine Sanierungshilfe für Schleswig-Holstein beantragen.

Herr Abgeordneter, jetzt ist Schluss.

Wenn Sie, Herr Ministerpräsident, das nicht beantragen und sich wieder enthalten, kann ich nur sagen: Gute Nacht, Schleswig-Holstein!

(Glocke der Präsidentin - Beifall bei BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will noch einmal auf unseren Antrag zurückkommen. Wichtig ist, dass deutlich wird, dass es nicht im Interesse unseres Landes ist, wenn die Landesregierung im Bundesrat für die Schuldenbremse stimmt. Es wurde gesagt, dass wir unseren Antrag zurückziehen könnten, weil der gemeinsame Antrag genau das beinhaltet. Ich will aber noch einmal deutlich machen, dass, selbst wenn ein Bundesverfassungsgerichtsurteil in unserem Sinn entscheidet, immer noch die Entscheidung der Föderalismuskommission im Raum steht. Deshalb müssen wir mit Gürtel und Hosenträger gehen.

(Karl-Martin Hentschel)

Es klingt natürlich gut, wenn es heißt, das wir jetzt selbst gefragt sind und eine Staatszielbestimmung in unserer Verfassung bräuchten. Für den SSW wiederhole ich noch einmal, was ich vorhin schon sagte: Es gibt solche und solche Schuldenbremsen. Wir werden auf keinen Fall der Aufnahme einer Staatszielbestimmung in die Verfassung zustimmen, wenn vorher nicht geklärt worden ist, wie das strukturelle Defizit Schleswig-Holsteins beseitigt wird. Wir können uns nicht aus eigener Kraft aus unserem Defizit heraussparen; das ist hinreichend deutlich gesagt worden. Auf weitere Einzelheiten will ich gar nicht eingehen.

Der Finanzminister hat in sehr vielen Reden erklärt, wie es um das strukturelle Defizit bestellt ist. Man kann es nicht einfach wegwischen, auch nicht, indem man jetzt einfach eine eigene Schuldenregelung schafft. Die Hausaufgabe lautet, dass wir auf Bundesebene tätig werden müssen, damit das, was die Landesregierung im Vorfeld richtigerweise eingebracht hat, auch Gehör findet und umgesetzt wird.

(Beifall beim SSW)

Es ist richtig, dass andere Länder offenbar besser verhandelt haben.

Wir müssen unsere Einnahmesituation verbessern. Ich gebe aber auch noch einmal zu bedenken, dass wir im Rahmen der Föderalismusreform immer von einem solidarischen Föderalismus gesprochen haben und keinen Wettbewerbsföderalismus wollten. Das ist aus unserer Sicht immer noch der notwendige Rahmen. Symbolpolitik in Form einer Verfassungsänderung wird uns nicht weiterhelfen.

(Beifall beim SSW)

Für einen weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Vorsitzende der SPDFraktion, Herr Dr. Ralf Stegner, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin nicht gegen eine Schuldenbremse in unserer Verfassung, ich bin aber gegen eine Schuldenbegrenzung auf null in unserer Verfassung. Ich bin übrigens auch nicht wie die anderen Kollegen der Auffassung, dass uns ein Steuerwettbewerb zwischen den ärmeren und den reicheren Ländern helfen würde. Das würde die Unterschiede eher noch vertiefen. Wir werden unsere Haushalte eher sanieren, wenn wir für Verhältnisse sorgen, die