Protokoll der Sitzung vom 03.04.2009

die faire und konstruktive Zusammenarbeit. Die vielen Diskussionen waren meines Erachtens trotz der unterschiedlichen Auffassungen von Verantwortungsbewusstsein und Sorgfalt geprägt. Sie waren der Bedeutung der Entscheidung geschuldet.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Landesregierung Herrn Ministerpräsident Peter Harry Carstensen das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte es am Anfang gleich klipp und klar sagen: Wir stehen vor einer Entscheidung, die uns keiner abnimmt. Wir können vor dieser Entscheidung auch nicht weglaufen. Wir tragen Verantwortung; die Landesregierung trägt Verantwortung, und der Landtag trägt Verantwortung. Jeder und jede einzelne Abgeordnete in diesem Hohen Haus trägt Verantwortung. Dazu haben uns die Bürgerinnen und Bürger den Auftrag erteilt.

Eine Stabilisierung der HSH Nordbank ist eine Entscheidung von enormer Reichweite. Sicher, wir hätten gern noch mehr Zeit für solch eine Entscheidung gehabt, doch die Entwicklung auf den Finanzmärkten und die Bankenaufsicht drängen, die Zeit drängt. Heute müssen wir die Entscheidung treffen, das ist unsere Pflicht. Ich weiß, dass es eine schwierige Entscheidung ist. Es ist wohl die schwierigste Entscheidung, die Verantwortliche für dieses Land jemals zu treffen hatten, und doch führt an ihr kein Weg vorbei. Es ist nicht nur Teil meines Amtseides; wir alle haben die Pflicht, von Schleswig-Holstein Schaden abzuwenden. Ich will dieser Aufgabe gerecht werden. Wenn Sie alle dieser Aufgabe gerecht werden wollen, dann kann die Entscheidung heute nur lauten: Wir stützen eine systemrelevante Bank. Wir stützen die HSH Nordbank. Wir stützen unsere Bank im Interesse unserer Wirtschaft und im Interesse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben.

Ich sage Ihnen offen und ehrlich: Seit Monaten treibt mich nur eine wirkliche Sorge um. Das ist die Frage: Wie stabilisieren wir unsere Landesbank, um Vertrauen zu schaffen, um Arbeitsplätze zu sichern und um das Vermögen des Landes zu erhalten? - In der Tat, es geht um das Vermögen der Bürgerinnen und Bürger. Das ist die Sorge, die mich umtreibt.

Deshalb bin ich Tag für Tag in Verhandlungen. Ich habe in dieser Krise manch schlaflose Nacht gekannt. Zugleich setze ich mich mit ganzer Kraft und aus tiefster Überzeugung für eine Entscheidung ein, die dieses Land auch tragen kann. Herr Dr. Marnette hat seine Schlüsse gezogen. Ich bedauere das. Eine Alternative zur Stabilisierung der Bank hat er nicht angeboten. Das konnte er auch nicht, er hat es selbst gesagt: Eine Alternative zu unserem Kurs gibt es nicht.

Wir haben die bestmögliche Lösung für unser Land hart erarbeitet. Die Bankenaufsicht und der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung haben uns das bestätigt, und viele von Ihnen waren im Ausschuss dabei und haben die Ausführungen von Herrn Dr. Rehm gehört. Der Sprecher des SoFFin hat uns attestiert, dass wir bei der HSH Nordbank zügig gehandelt haben. Er sagte: Andere Banken sind nach den Beobachtungen, die wir machen können, noch nicht so weit. Er hält das neue Geschäftsmodell der HSH Nordbank prinzipiell für tragfähig und für zukunftsfähig. Auch für diejenigen, die zugrunde gelegte Rahmenbedingungen infrage stellen, hatte er eine Antwort parat. Er sagte: Es gibt im Moment keine andere deutsche Bank, die mit anderen Wahrscheinlichkeiten operieren kann als den hier annoncierten. Das sagt der Sprecher des SoFFin, und wer will an seinem Sachverstand ernsthaft zweifeln?

Die Entscheidung ist schmerzhaft, sie kann einem Bauchschmerzen bereiten, und trotzdem bleibt die Entscheidung eine Kopfsache. Sie verlangt auch einen kühlen Kopf. Wir alle kennen die dramatische Lage unseres Haushalts nur zu gut. Mit Hamburg zusammen 3 Milliarden € Eigenkapital nachzuschießen und Garantien über weitere 10 Milliarden € zu geben - ich mache aus meinem Herzen keine Mördergrube, wenn ich das sage -, das fällt auch mir wahrlich nicht leicht.

Der SoFFin hat dies aber für seine Hilfe und für seine Garantien über 30 Milliarden € zur Bedingung gemacht. Da gibt es, und da gab es keinen Handlungsspielraum.

Die Risiken aus dem Altgeschäft sind unsere Angelegenheit, und zuerst müssen wir unsere Hausaufgaben machen. Die machen wir, wenn wir heute positiv entscheiden. Ich habe mich in der Abwägung dazu durchgerungen, denn es steht weit mehr auf dem Spiel. Wenn wir aussteigen, wenn diese Bank fällt, dann sind die Folgen nicht absehbar. Wir können uns einen zweiten Fall Lehman Brothers nicht leisten, zumal die Haftungsansprüche gegen uns bleiben, ob wir die Bank nun sofort li

(Günter Neugebauer)

quidieren oder sie geordnet abbauen. Beides käme uns wesentlich teurer.

Meine Damen und Herren, Sie alle wissen das, und ich denke, über einen Mangel an Informationen können sich die Entscheidungsträger in diesen Wochen wirklich nicht beklagen. Darauf hat auch der Kollege Neugebauer hingewiesen.

Die Abgeordneten, die Mitglied im Beteiligungsausschuss sind, haben Einsicht in höchst vertrauliche Unterlagen nehmen können - da waren alle Fraktionen und der SSW vertreten -, und jede und jeder Abgeordneter aus dem Finanzausschuss hatte außerdem Zugang zu vertraulichen Unterlagen. Sie haben sich ein Bild machen können und haben das auch getan.

Auch im Kabinett haben wir die Turbulenzen um die HSH Nordbank seit September vergangenen Jahres sechsundzwanzig Mal erörtert. Eine ganze Reihe von Informationsveranstaltungen kommt hinzu. Der Landtag hat das Thema mehrmals im Plenum und in den Ausschüssen behandelt. Der Finanzausschuss und der Beteiligungsausschuss haben intensiv dazu getagt. Das heißt, wer sich informieren wollte, der konnte dies auch tun und hat dies auch getan.

Herr Neugebauer, ich bedanke mich nochmals bei Ihnen als Vorsitzender des Finanzausschusses, dass Sie auf die Beratung so viel Zeit und Sorgfalt verwandt haben, und ich bedanke mich auch bei den Mitgliedern. Ich habe Respekt vor dieser Leistung, die auch die große Verantwortung des Parlaments widerspiegelt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Auch ich nehme meine Verantwortung wahr, Schleswig-Holstein durch diese Krise zu steuern. Dieser Verantwortung bin ich bislang nachgekommen, und dieser Verantwortung werde ich weiter nachkommen. Ich tue das, weil ich an dieses Land und an seine Menschen glaube und weil ich fest davon überzeugt bin, dass wir alles tun müssen, was in unserer Kraft steht. Es ist eine Entscheidung, vor der wir nicht weglaufen können, und es ist eine Entscheidung, die wir auch nicht aufschieben können.

(Anhaltender Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der FDP hat der Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Superlative zur heutigen Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Landtags - betreffend das angebliche Rettungspaket zur HSH Nordbank, in Wirklichkeit aber die Ermächtigung der Regierung, über eine neu einzurichtende Anstalt öffentlichen Rechts Milliardenbeträge der HSH Nordbank mit erheblichem Verlustrisiko zur Verfügung zu stellen - sind bereits öffentlich benannt. Ich will sie nicht wiederholen. Aber es ist eine Entscheidung, die nicht nur Bauchschmerzen, Herr Ministerpräsident, sondern auch Kopfschmerzen verursacht.

Nach den Beratungen der letzten Wochen bin ich sicher, dass diese Entscheidung von allen Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtags nach bestem Wissen und Gewissen getroffen wird und sich niemand vorhalten lassen muss, er handele verantwortungslos, gleich ob er zustimmt oder ablehnt.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Es gibt für die jeweilige Haltung gute, zumindest aber vertretbare Gründe. Herr Ministerpräsident, verantwortungslos haben diejenigen gehandelt, die die HSH in diese Krise geführt haben, denn die ist nicht vom Himmel gefallen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die FDP-Fraktion hat sich, seitdem ich sie führe, keine Entscheidung so schwer gemacht wie die heutige. Ich will begründen, warum wir, und zwar jeder einzelne Abgeordnete für sich, zu der Entscheidung gelangt sind, dem Antrag der Landesregierung trotz der beachtlichen, gleichwohl hilflosen Resolutionsbeschlüsse der Großen Koalition unsere Zustimmung zu versagen.

In seiner Rücktrittserklärung hat der ehemalige Wirtschaftsminister Dr. Marnette, für dessen Tätigkeit zum Wohle des Landes Schleswig-Holstein ich ihm im Übrigen an dieser Stelle ausdrücklich danke,

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW sowie vereinzelt bei der SPD)

erklärt, das Krisenmanagement bei der Bewältigung der Probleme der HSH Nordbank, insbesondere durch den noch amtierenden Finanzminister Rainer Wiegard, sei unprofessionell gewesen. Ich will das an dieser Stelle nicht weiter bewerten. Ich will nur die weitere Erklärung Dr. Marnettes, es ha

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

be erhebliche Kontroll- und Sorgfaltspflichtverletzungen gegeben, näher beleuchten und zu diesem Zweck auf die beachtliche und wohlbegründete Strafanzeige des Kollegen Dr. Gerhard Strate aus Hamburg vom 31. März 2009 zurückgreifen.

Rechtsanwalt Dr. Strate begründet seinen Vorwurf einer schweren Untreue mit der Verletzung der in § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG normierten Verpflichtung der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, bei deren Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Für die Mitglieder des Aufsichtsrats gilt dieser Maßstab gemäß § 116 AktG entsprechend.

Vorstand und Aufsichtsrat haben erkennbar - so Gerhard Strate - gegen die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters verstoßen, als sie sich auf ein Kreditersatzgeschäft mit einem Volumen eingelassen haben, das in keinem Verhältnis zu den sonstigen geschäftlichen Aktivitäten der Bank stand, für das es keine ausreichende Risikoanalyse und kein ausreichendes Risikomanagement gegeben hat und das insgesamt nicht mit den Aufgaben einer mit Steuergeldern finanzierten und staatlich abgesicherten Bank in Einklang steht.

Dass es eine zentrale Erfassung des Kreditersatzgeschäftes mit Derivaten bei der HSH Nordbank nie gegeben hat, ebenso wenig eine zentral gesteuerte Risikokontrolle hinsichtlich der im Kreditersatzgeschäft erfassten Wertpapiere, ist bereits ein von wenig Verantwortung durch den Vorstand gezeichnetes Geschäftsgebaren. Denn dass das Kreditersatzgeschäft mit Derivaten mit erheblichen Risiken verbunden war, war bereits seit Mitte der 90erJahre bekannt und hat dazu geführt, dass der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht seine Richtlinien für das Risikomanagement im Derivatgeschäft herausgegeben hat, in denen es hinsichtlich des Risikomanagements bei derartigen Geschäften heißt:

„Wie bei allen risikobehafteten Tätigkeiten sollte das Risikoengagement im Derivatgeschäft vollständig durch eine angemessene Eigenkapitalbasis unterlegt sein. Das Institut sollte sich vergewissern, dass seine Eigenkapitalbasis stark genug ist, um alle Derivatrisiken auf vollständig konsolidierter Basis zu tragen, und dass in allen Konzerneinheiten, die im Derivatgeschäft tätig sind, angemessene Eigenmittel vorhanden sind.“

Dass das Verhältnis zwischen dem Eigenkapital in Höhe von 7,17 Milliarden € in 2006 und einem CIP-Portfolio in Höhe von allein 30 Milliarden €

auch im Hinblick auf eine Bilanzsumme von 189 Millionen € 2006 - nicht stimmt, war von vornherein erkennbar.

Die Missachtung der Vorgaben des Baseler Ausschusses und die mangelnde Berücksichtigung der seit Mitte Mai 2005 einsetzenden Warnungen hinsichtlich der Immobilienblase in den USA ging bei den Mitgliedern des Vorstands der HSH Nordbank AG, ebenso bei den Mitgliedern des Aufsichtsrats, einher mit der bewussten Negierung der Aufgaben und Verpflichtungen einer Landesbank, die eben nicht Global Player, nicht größter Finanzierer der Welt für was auch immer ist, sondern Kreditversorger der regionalen Wirtschaft.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Dass sich diese „Schrottpapiere“ auch in den Bilanzen anderer Banken wiederfinden, dass es andere ebenso gemacht haben, hilft nicht weiter, vor allen Dingen macht dies unsolides Handeln nicht zu einem sorgfältigen, weil die Mehrheit der Banken sich eben gerade anders verhalten hat. Im „Handelsblatt“ vom 1. April 2009 wird vermerkt, dass nach Schätzungen von Finanzexperten in den Bilanzen deutscher Banken Risikowertpapiere mit einem Volumen von mehreren Hundert Milliarden Euro noch „schlummern“. Und es heißt dort weiter:

„Nach Ansicht von Steinbrück sind in Deutschland im Wesentlichen nur Landesbanken und wenige private Institute wirklich betroffen. Eine Bilanzbereinigung allein auf Kosten des Steuerzahlers lehnt der Finanzminister entschieden ab.“

Genau so soll jetzt aber beschlossen werden. Weder Flowers noch die Sparkassen werden zur Kasse gebeten.

Wir haben - dies haben wir bereits in der Vergangenheit mehrfach erklärt und auch untermauert jegliches Vertrauen in den Vorstand der HSH Nordbank und den Aufsichtsrat verloren. Sie haben die HSH Nordbank in die Krise geführt, in der sie sich gegenwärtig befindet. Wir glauben nicht, dass ihre Vorstellungen wirklich geeignet sind, die Krise zu meistern. Sie dienen überwiegend der Verschleierung der eigenen Fehler der Vergangenheit.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Da wir auch einen Brandstifter nicht mit der Leitung von Löscharbeiten des von ihm angezündeten Hauses betrauen würden, kann es keine Zustimmung zu dem uns präsentieren Vorschlag geben.

(Wolfgang Kubicki)

Dies gilt umso mehr, als jedes Entgegenkommen zugleich als Genehmigung des ursprünglichen Fehlverhaltens und als Mithaftung für all das erklärt und gedeutet wird, was im Vollzug an weiteren Fehlentscheidungen passiert. In diesem Zusammenhang ist die Aussage des Finanzsenators der Freien und Hansestadt Hamburg, Freytag, anlässlich der Bürgerschaftsdebatte am 1. April 2009 bezeichnend, zitiert nach dem „Hamburger Abendblatt“ vom 2. April 2009. Zitat:

„Auch Sozialdemokraten hätten 2003 der Fusion der Landesbanken aus Hamburg und Kiel zur HSH Nordbank zugestimmt, und das beinhaltete die Entscheidung, ‚dass die HSH Nordbank nicht die nette Regionalbank von nebenan sein soll’, dass auch riskantere Geschäfte getätigt werden sollten. Freytag: ‚Das sind die Produkte, die uns jetzt um die Ohren fliegen. Und Sie sind genauso verantwortlich wie alle anderen’.“

Dass CDU und SPD es darüber hinaus ablehnen was wir für völlig unverständlich halten -, jedenfalls zunächst eine Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2008, für das wir nunmehr mit 3 Milliarden € einstehen sollen, zu verweigern, tut ein Übriges.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)