In Schleswig-Holstein ist Kinder- und Jugendbeteiligung gelebte Politik. Wir wollen auf diesem Wege fortfahren und werden auch in Zukunft die Jugend mitreden lassen, sodass sie sich einmischen, ihr Lebensumfeld und ihre Zukunft aktiv mitgestalten kann.
Wir werden das Wahlalter 16 auch bei Landtagswahlen umsetzen, um Jugendlichen mehr Mitspracherecht zu ermöglichen.“
Leider werden wir wohl dasselbe vermutlich auch in unser Landtagswahlprogramm 2010, zunächst wieder nur als Planziel, hineinschreiben können und müssen,
denn was für Kommunalwahlen schon seit 1998 gilt, Herr Kollege Kubicki, wird in dieser Legislaturperiode schon aus zeitlichen Gründen wegen der erforderlichen Wahlvorbereitungsfristen für die Landtagswahl 2010 nicht mehr umsetzbar sein. Auch die bisherige und eben wieder zur Kenntnis genommene Skepsis unseres Koalitionspartners lässt uns zurzeit jedenfalls nur die Hoffnung auf veränderte Mehrheiten nach dem 9. Mai 2010.
Vielleicht ist aber auch die Hoffnung auf veränderte Einsichten bei unserem Koalitionspartner gerechtfertigt und nicht ganz vergebens. In einer Information zur Kommunalwahl 2008 auf Initiative unseres Landtagspräsidenten Martin Kayenburg mit dem Landesjugendring Schleswig-Holstein heißt es:
„Wir wollen mehr Mitbestimmung, bessere Schulen, Hochschulen, Ausbildungsplätze, mehr Platz und Geld für die Kinder- und Jugendarbeit!“
Die politische Entscheidungskompetenz für genau diese Handlungsfelder liegt aber nun einmal - teilweise originär, teilweise zumindest auch - hier bei uns im Landtag, sodass es nur folgerichtig wäre, auch das Landtagswahlrecht für jüngere Leute freizugeben.
Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, geben Sie sich ja im Ausschussverfahren, in den Beratungen dort im Sinn der Initiative Ihres und unseres Landtagspräsidenten noch einen Ruck. Für die Jugend in unserer Gesellschaft und für unser demokratisches Miteinander wäre es ein Gewinn.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun deren Vorsitzender, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Wahlrecht ist eine der tragenden Säulen der Demokratie. Das Recht auf freie Wahlen stellt sicher, dass die Souveränität des Volkes gewahrt bleibt. Das Wahlrecht ist ein Privileg, um welches heute noch Millionen von Menschen rund um den Erdball kämpfen. Zu einer freiheitlichen Gesellschaft gehört das Recht, sich ein Parlament und damit auch eine Regierung selbst wählen zu dürfen. Wer wählt, bestimmt aktiv mit, wer die Geschicke eines Landes für eine gewisse Zeit lenken kann. Wer wählt, der übernimmt damit Verantwortung. Das genau ist der Kern unserer heutigen Debatte.
Es geht bei der Frage um das Wahlalter auch um die Frage, wer wann welche Verantwortung übernehmen soll oder übernehmen kann. Ich gebe zu, dass wir uns in der FDP-Fraktion die Antwort auf diese Frage nicht leicht gemacht haben. Wir haben diskutiert und sind zu dem Schluss gekommen, dass es bei dem heutigen Wahlalter für Landtagswahlen bleiben soll. Auch künftig soll man in SchleswigHolstein erst als Volljähriger - also erst mit 18 Jahren - den Landtag wählen. Der Kollege Lehnert hat darauf hingewiesen: Liebe Freunde von den Grünen, es wird schwer zu begründen sein, warum man wählen, aber nicht gewählt werden darf.
Vielerorts wird behauptet, man sei mit 16 noch nicht reif, eine entsprechende Entscheidung zu treffen. Immer wieder wird angeführt, man sei mit 16 oft noch zu leicht beeinflussbar. Es ist erstaunlich, dass es - wenn man die Berichterstattung der Jugendredaktion der „Eckernförder Zeitung“ zu diesem Thema betrachtet - zumeist Jugendliche selbst sind, die genau diese Zweifel hegen. Ich teile diese Auffassung dennoch nicht, und die Einwände, ob der eine oder andere Volljährige nicht auch unter mangelndem Urteilsvermögen bei seiner Wahlentscheidung leidet, sind durchaus berechtigt.
Es gibt einen Unterschied zwischen einem Minderjährigen und beispielsweise einem Mittfünfziger. Letzterer wird für seine Handlungen voll haftbar gemacht. Das ist bei einem Minderjährigen nur begrenzt der Fall. Verantwortung zu übernehmen, bedeutet in der Konsequenz nicht nur, mehr Rechte zu genießen. Es bedeutet auch, dass man für die Folgen der eigenen Handlungen einsteht. Wer also auf der einen Seite Minderjährigen mehr Rechte zugesteht, der muss sich die Diskussion darüber gefallen lassen, warum er sie möglicherweise nicht auch zu mehr Verantwortung verpflichtet, wenn es darum geht, für seine Handlungen einzustehen.
Damit wären allerdings Tür und Tor für eine Diskussion geöffnet, die beispielsweise ins Jugendstrafrecht hineinführt. Das ist eine Diskussion, die meine Fraktion auf jeden Fall so nicht will.
Auf kommunaler Ebene haben wir in SchleswigHolstein bereits das Wahlrecht mit 16 Jahren. Dort ist es auch vertretbar. Kommunen sind die Keimzellen der Demokratie. Dort kann man unmittelbar erkennen, welche Auswirkungen die eigene Wahlentscheidung auf die Ausstattung von Schulen, Kindergärten und so weiter haben kann. Dort kann man erlernen, wie Entscheidungen in den kommunalen Vertretungen und in den Ausschüssen ablaufen. Vielerorts kann man sich über entsprechende Jugendbeiräte aktiv in die Kommunalpolitik einbinden und sie mit gestalten. Daher haben wir uns entschieden, das kommunale Wahlrecht in unserem gemeinsamen Gesetzentwurf mit den Grünen auch nicht wieder an die Volljährigkeit anzupassen.
Auf die Wahlen für Landesparlamente ist dies nicht übertragbar. Zumindest sind die bisher hierfür in der öffentlichen Diskussion genannten Argumente
aus unserer Sicht nicht stichhaltig. Wer wie beispielsweise Sie, Frau Kollegin Heinold, darauf hinweist, dass Jugendliche mit 16 Jahren bereits strafmündig sind, der muss konsequenterweise auch das Wahlalter auf 14 Jahre senken wollen, wie die Grünen in Niedersachsen das beispielsweise vorgeschlagen haben. Was machen wir mit denjenigen in Ihrer Partei, in meiner Partei, mit denjenigen aus den Reihen der Sozialdemokraten und der christlich Unionierten, die auch für das Kindeswahlalter eintreten, wahrgenommen durch die Eltern der Kinder?
Frau Kollegin Heinold, ich gebe Ihnen in einem anderen Punkt recht: Die Frage, wann junge Menschen das Wahlrecht erhalten sollen, ist eine politische Entscheidung. Diese muss aber auch ausreichend begründet sein, und die sozial-liberale Koalition unter Willy Brandt hat zwar das Wahlrecht von 21 auf 18 Jahre herabgesenkt, in der Folge wurde aber auch die Volljährigkeitsgrenze gesenkt. Darüber hinaus ist auf 18-Jährige grundsätzlich auch das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden.
Ich sage Ihnen voraus: Wenn wir das Wahlalter für die gesetzgebenden Organe auf 16 Jahre senken, dann wird in der konsequenten Folge darüber zu diskutieren sein, warum jemand zwar Parlamente wählen darf, aber nicht wählen kann, ob er zu Hause wohnt oder auswärts. Das bedeutet, wir werden die Diskussion darüber bekommen, die Strafbarkeitsgrenzen heraufoder herabzusetzen, je nachdem. Das wollen wir nicht. Wir können nicht im Jugendstrafrecht die besondere Bedeutung des Heranwachsens betonen und mit Jugendlichen in besonderer Art und Weise umgehen und gleichzeitig sagen, sie seien voll berechtigt und voll mündig, an Wahlentscheidungen über die Parlamente teilzunehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Diskussion wird uns mit Sicherheit noch länger beschäftigen. So wurde in Österreich erst kürzlich entschieden, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Wir sollten die Entwicklung dort und die dort gemachten Erfahrungen aufmerksam im Auge behalten und weiterverfolgen. Herr Kollege Puls, ich denke, die nächste Legislaturperiode wird ausreichend Gelegenheit dazu geben, sich mit dieser Frage noch einmal neu zu beschäftigen. Wir werden jedenfalls für die Phase bis 2010, wenn wir erst dann wählen, den gemachten Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen.
Ich danke Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki. - Für den SSW im Landtag hat nun Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wissenschaftliche Untersuchungen wie die Shell-Studie haben es belegt, und auch in Gesprächen habe ich es festgestellt: Junge Erwachsene können im Alter von 16 oder 17 Jahren die Folgen ihrer Entscheidungen abwägen. Sie entscheiden besonnen und fundiert.
Die Fähigkeit zur Entscheidung ist das entscheidende Kriterium, um das Wahlalter zu senken. Daraus ergeben sich alle anderen Aspekte, die diskutiert wurden und werden müssen. Wäre der SSW nicht überzeugt von der Entscheidungsreife der Minderjährigen, hätten wir niemals der Herabsetzung des Wahlalters bei Kommunalwahlen zugestimmt. Wir sind hundertprozentig davon überzeugt, dass junge Menschen entscheiden können. Davon überzeugen uns nicht zuletzt die Jugendlichen, die sich auch in unseren Gremien zu Wort melden. Darum wollen wir ihnen auch die Möglichkeit einräumen, die Geschicke des Landes, in dem sie leben, mitzubestimmen.
Der Anteil junger Menschen in unserer Gesellschaft wird in den nächsten Jahren dramatisch sinken. Die Alten könnten die Jungen dann schlicht und einfach mit ihrer Masse erdrücken. So weit darf es gar nicht kommen. Wir sehen allerdings zwei grundsätzliche Probleme bei der Wahlrechtsänderung: Erstens. Das aktive und das passive Wahlrecht stimmen nach einer Wahlaltersenkung nicht mehr überein. Zweitens. Der Landtag hat im Gegensatz zur kommunalen Ebene gesetzgeberische Kompetenzen, was die Herabsetzung der Mündigkeitsgrenzen implizieren könnte. Für beide verfassungsrechtlichen Probleme besteht ein eindeutiger Beratungs-, Informations- und Diskussionsbedarf. Alle anderen Einwände, die gegen die Wahlalterherabsetzung ins Feld geführt werden, sind dagegen zweitrangig.
Wir müssen diese Fragen von der Diskussion über die gewünschten und nicht gewünschten Effekte trennen, die sich aus einer Herabsetzung des Wahlalters ergeben. Die Effekte möchte ich nur kurz anreißen, denn sie lassen sich auf jeder Seite politischer Jugendorganisationen nachlesen, die sich bereits seit geraumer Zeit für eine Herabsetzung des
Wahlalters in verschiedenen Bundesländern einsetzen. Ich denke vor allem an das Hauptargument der Gegner, nämlich dass die jungen Menschen scharenweise den extremen Parteien in die Arme laufen würden. Die einzigen Erfahrungen, die vorliegen, kommen aus Österreich, wo bereits seit zwei Jahren auch 16-Jährige bei den Nationalratswahlen zugelassen sind.
- Lieber Kollege Kayenburg, von der Alpenrepublik ist in dieser Richtung bisher nichts bekannt. Das Gleiche gilt übrigens für die hiesigen Kommunalwahlen. Das Argument der vermeintlich rechts- und linksradikalen Jungwähler impliziert, dass junge Menschen unreif seien und dass die Radikalen aus dieser Unreife Kapital schlagen. Doch genau andersherum wird ein Schuh daraus. Rechtsradikal wählen ist kein Zeichen von Unreife, die sich irgendwie auswächst. Es ist vielmehr ein Ausdruck von Gegnerschaft zur Demokratie. Das ist ein Problem aller Alterstufen, dem wir nur mit stichhaltigen Argumenten und mit Akten gelebter Demokratie beikommen können.
Demokratie muss nämlich jeden Tag neu erlebt und errungen werden. Es gibt keine Lorbeeren, auf denen wir uns ausruhen können. Darum setzt sich der SSW dafür ein, dass die Herabsetzung des Wahlalters mit einer qualitativen Reform der Politik einhergehen muss, bei der die jungen Wählerinnen und Wähler ihre Interessen effektiv einbringen und vertreten können. Zweimal ein Kreuz machen, und zwar alle fünf Jahre, ist beileibe nicht genug. Das wäre ein Zeichen für eine seelenlose Demokratie der Zahlen und Statistiken.
Ich bin fest davon überzeugt, dass aus der Beteiligung der jungen Erwachsenen eine intensive Beschäftigung mit jugendlichen Lebenswelten auch und gerade seitens des Landtags folgen muss. Wir als gewählte Abgeordnete werden umlernen müssen. Wir werden den Kindern und Jugendlichen noch weitere Beteiligungsrechte einräumen müssen. Ich sage ganz deutlich: Wir als SSW sind für diese Diskussion, die über die reine Wahlrechtsänderung hinausreicht, auch sehr offen. Was die Senkung des Wahlalters angeht, so sind wir dafür. Wir nehmen aber auch die verfassungsrechtlichen Bedenken sehr ernst. Wir müssen uns das sehr genau angucken. Es wäre schön, wenn wir das bis zur nächsten Landtagswahl schaffen würden, die ja
möglicherweise schon in ein paar Monaten kommt. Es wäre schön, wenn wir dieses Problem bis dahin lösen könnten. Wenn wir das nicht schaffen, dann nehmen wir uns das in der nächsten Wahlperiode wieder vor.
Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Lothar Hay das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass der Kollege Harms - zumindest was Wahltermine anbetrifft - noch Träume hat. Wie man auch aus einem Zwischenruf von Frau Sandra Redmann entnehmen konnte, setzt der Gesetzentwurf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Diskussion fort, die sich bereits vor zwölf Jahren abzeichnete. Damals erhielten Jugendliche das Recht, bereits mit 16 Jahren an Kommunalwahlen teilzunehmen. Die Absenkung des aktiven Wahlrechts war das Ergebnis einer breit geführten parlamentarischen Diskussion. Mit dem aktiven Wahlrecht sollten Jugendliche an die Politik herangeführt und einer wachsenden Politikverdrossenheit entgegengewirkt werden. Es wurde die Auffassung vertreten, dass die Entscheidungen auf kommunaler Ebene für die Jugendlichen am ehesten erfassbar und zu beurteilen seien, weil man sie aus der täglichen Anschauung am besten kennen würde.
Die Landesregierung hat stets die Auffassung vertreten, dass es richtig ist, die Mitwirkungsrechte Jugendlicher zu erweitern. Ich nenne als Beispiel die Möglichkeit Jugendlicher, an Einwohnerfragestunden teilzunehmen, das Recht, einen Einwohnerantrag zu stellen, sowie die Möglichkeit, Kinder und Jugendliche an Planungen und Vorhaben in den Gemeinden zu beteiligen. Das ist nach meinem Kenntnisstand auf großes Interesse in den Kommunen gestoßen, auch bei den Jugendlichen.
Deswegen ist aus meiner Sicht die Einführung des Wahlrechts mit 16 Jahren zur Kommunalwahl nur ein erster Schritt in Richtung weiterer Überlegungen zur Partizipation von Jugendlichen am politischen Geschehen. Die Herabsetzung der Altersgrenze für das Wahlrecht zu Landtagswahlen hat allerdings eine andere Bedeutung. Bei Kommunalwahlen geht es um klar abgegrenzte Angelegenhei
ten innerhalb einer Kommune, beim Landtagswahlrecht geht es um die politische Willensbildung des Volkes auf Landesebene, und damit um Entscheidungen mit deutlich größeren Auswirkungen.
Wer 16- und 17-Jährigen das Landtagswahlrecht einräumt, gibt ihnen zugleich auch das Stimmrecht bei Volksentscheiden sowie das Recht, sich an Volksinitiativen und Volksbegehren auf Landesebene zu beteiligen. Politisch halte ich es für geboten, dass eine solche Entscheidung - das betone ich ausdrücklich - in einem breiten politischen Konsens getroffen wird, denn es geht auch darum, dass sich in dieser Entscheidung auch eine Akzeptanz in der Bevölkerung widerspiegeln sollte.