Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, Platz zu nehmen. Die Pressevertreter bitte ich, sich auf ihre angestammten Plätze zu begeben.
Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle sehr herzlich. Erkrankt ist Herr Abgeordneter Thomas Stritzl von der CDU-Fraktion, dem wir gute Wünsche schicken.
Beurlaubt sind von der Landesregierung Frau Ministerin Erdsiek-Rave, Herr Minister Döring und Herr Minister Hay.
Wir haben ein Geburtstagskind. Holger Astrup, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, hat heute Geburtstag. Die Blumen sind im Anmarsch. Wenn nicht Deutsch unsere Amtssprache wäre, würde ich sagen: Younger than ever. Aber das darf ich nicht. - Lieber Holger, herzlichen Glückwunsch!
Auf der Besuchertribüne begrüße ich sehr herzlich Schülerinnen und Schüler sowie die sie begleitenden Lehrkräfte von der Klaus-Groth-Schule aus Neumünster. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Vorzeitige Beendigung der 16. Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags nach Artikel 13 Abs. 2 der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Für den ersten Antragsteller, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hat deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Ministerpräsident Carstensen, ich habe gesagt, dass ich Sie persönlich sympathisch finde. Dazu stehe ich.
Ich fordere hier nicht Neuwahlen, um Sie zu ärgern. Ich tue das, weil eine Fortsetzung Ihrer Regierung dem Land meiner Meinung nach nicht zuzumuten ist.
Ein kurzer Überblick über die Presse der letzten Tage macht deutlich, dass das nicht nur meine Meinung ist. „Landeszeitung“:
„Die Große Koalition ist tatsächlich am Ende. Sie hat große Projekte wie die Kreisreform und die Haushaltskonsolidierung in den Sand gesetzt. … Da wären Neuwahlen für das Land gar nicht schlecht.“
Nur die „Lübecker Nachrichten“ vermuten sarkastisch hinter der Neuwahldiskussion eine geheime sogenannte „Pippi-Langstrumpf-Strategie“ von Carstensen, immer nach dem Motto:
„… zwei mal drei macht vier, widewidewitt ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Armes Schleswig-Holstein.“
Meine Damen und Herren, die Regierung hatte sich Großes vorgenommen: Personalabbau, Finanzen, Verwaltungsreform, Kreisreform. Nichts davon hat sie hinbekommen.
„Schlie ist in den Ministerien und Behörden gegen Blockadewände gelaufen und nicht wieder aufgestanden.“,
berichtet die „Landeszeitung“. Lange Zeit habe ich dafür Staatssekretär Schlie persönlich die Schuld gegeben. Heute muss ich mich korrigieren: Wenn das gesamte Kabinett herumläuft wie eine Maurerkolonne, die sich einbetoniert, damit bloß nichts verändert wird, dann ist das nicht die Schuld von Herrn Schlie. Das liegt in der Verantwortung des Ministerpräsidenten persönlich.
So ging es mit allem. Kreisreform: Herr Carstensen kapituliert vor dem Aufstand seiner Lokalfürsten. Schulreform: Statt sich zu einigen, macht sich jeder seine eigene Schulform, und die Lehrerbildung wird einbetoniert. Finanzen: Die Häuser lachen sich eins, wenn der Finanzminister vom Sparen redet. Ausgerechnet im Kernressort der CDU, dem Wirtschaftsministerium, haben wir schon den dritten Minister; nun zur Sicherheit einen Parteilosen.
Herr Carstensen, im Grunde geht es Ihnen wie Klinsmann: Sie sind sehr sympathisch, aber immer Grinsen reicht nicht, wenn die Mannschaft sich ständig selbst in die Hacken tritt und keiner mehr Tore schießt.
Es gibt noch einen zweiten Grund für das Scheitern dieser Koalition. Schon Friedrich Schiller formulierte in seinem Werk Wilhelm Tell: „Verrat und Argwohn lauscht in allen Ecken.“ Das könnte gut auf den Kommunikationsstil dieser Koalition bezogen sein.
„Die Flaggschiff-Themen der Union wie Haushaltskonsolidierung, Stellenabbau oder die Entbürokratisierung von Herrn Schlie sind - freundlich ausgedrückt - eher bei den Noten ‚ausreichend’ oder ‚mangelhaft’ anzusiedeln.“
So redet ein Fraktionsvorsitzender über die Arbeit seiner eigenen Regierung. Dem Ministerpräsidenten wirft er „erkennbares Unvermögen“, „Dilettantismus“ und „Großbauernart“ vor, und an anderer Stelle sagt er: In letzter Zeit habe die CDU es eher mit dem „Sangesbruder Roberto Blanco“ gehalten: „Heute so, morgen so.“
„Wer in Krisenzeiten ‚Twitter-Spiele’ veranstaltet, beweist, dass er nicht weiß, wie man das Wort Verantwortung buchstabiert.“
„Politisch Interessierte kann es nur verdrießen, wie mitleiderregend bescheiden die taktischen Fähigkeiten des Kieler Regierungschefs sind.“
Wohlgemerkt, das sagt nicht die Opposition, das sagt der Vorsitzende einer der Regierungsfraktionen. Da fragt sich die staunende Nation: Was ist das für eine Koalition?
„Was da geboten wurde, war der Versuch, im Pepitamuster Schach zu spielen. … Das ist Landespolitik, die noch in der Kreisliga abstiegsgefährdet wäre.“
In der CDU-Fraktion erlebt man derweil eine Mischung aus Galgenhumor und Verzweiflung. Dazu kommen die guten Ratschläge des Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Wadephul, an den eigenen Ministerpräsidenten. Es ist sicherlich frustrierend für den Ministerpräsidenten, wenn er in der Zeitung liest, dass er kein Profil hat. Es ist aber demütigend, wenn selbst seine eigene Fraktion und der Fraktionsvorsitzende ihm das attestieren. Dass bei einem solchen Rosenkrieg nichts mehr entschieden wird, wundert niemanden. Was ich aber schlimmer finde: Sie machen Schleswig-Holstein lächerlich, und das Land nimmt massiv Schaden.
Die katastrophalen Ergebnisse der Föderalismuskommission, die Schleswig-Holstein in eine schier aussichtslose finanzielle Situation manövriert haben, sind die Folge davon. Wenn das viel kleinere Saarland bei gleicher Pro-Kopf-Verschuldung mehr als dreimal so viel Ausgleich bekommt als Schleswig-Holstein, dann haben die verhandelnden Akteure versagt und die Interessen Schleswig-Holsteins an die Wand gefahren.