Protokoll der Sitzung vom 08.05.2009

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die letzte Sitzung der 43. Tagung. Ich teile Ihnen mit, dass die Abgeordneten Heike Franzen und Thomas Stritzl weiterhin erkrankt sind. Wir wünschen ihnen von dieser Stelle aus gute Besserung.

(Beifall)

Beurlaubt für die heutige Sitzung sind der Abgeordnete Günther Hildebrand sowie Minister Dr. Christian von Boetticher.

Mit der Begrüßung der Besucher warten wir, bis sie alle Platz genommen haben.

Aus diesem Grund rufe ich jetzt Tagesordnungspunkt 29 a auf:

Bericht über die aktuelle Lage der HSH Nordbank

Antrag der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2655

(Unruhe)

- Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind bereits in die Tagesordnung eingetreten.

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Mit dem Antrag wird ein Bericht in dieser Tagung erbeten. Ich bitte zunächst um Abstimmung über den Berichtsantrag. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Einstimmig ist dem so zugestimmt worden.

Ich bitte daher den Herrn Finanzminister Rainer Wiegard, den Bericht zu geben.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ratingagentur S&P hat fünf Landesbanken zurückgestuft. Die beiden Agenturen Moody’s und Fitch sehen dafür offensichtlich derzeit keine Veranlassung.

Ich denke, dass die Entscheidung der Ratingagentur aus folgenden Gründen sehr intensiv zu hinterfragen sein wird: Wir haben ein Restrukturierungskonzept beschlossen. Die Trennung von Kernbank und Konsolidierungsbank ist eingeleitet. Alle Anteilseigner unterstützen dieses Konzept. Der SoFFin hat Liquiditätsgarantien bewilligt. Hamburg und

Schleswig-Holstein werden eine Risikogarantie übernehmen und Eigenkapital in der notwendigen Größenordnung zuführen. Der SoFFin steht für gegebenenfalls notwendige Kapitalmaßnahmen für die neue Kernbank zur Verfügung. Darüber hinaus hat der Bund inzwischen seinen Widerstand aufgegeben, neue Strukturen für Konsolidierungsbanken zuzulassen, wie es seit langer Zeit unsere Forderung ist. Zugleich beraten Länder gemeinsam mit dem Bund über neue Strukturen der Landesbanken. Deshalb ist die Entscheidung von Standard & Poor's sehr sorgfältig zu hinterfragen.

Natürlich hat ein Downgrade Auswirkungen, wenn auch noch nicht im Augenblick. Ich denke, es wird einen Abfluss von bestehenden Einlagen und eine Verschlechterung der Refinanzierungskonditionen geben. Das kann im Augenblick durch die beantragten und bewilligten Liquiditätsgarantien des SoFFin ausgeglichen werden.

Aber auch wenn es kurzfristig möglicherweise keine Auswirkungen geben wird, auch nicht auf das Restrukturierungskonzept, so ist doch völlig klar, dass alles das, was wir derzeit an Maßnahmen ergreifen, was an Beschlüssen gefasst wurde und was derzeit diskutiert wird, das Ziel hat - und haben muss -, die Bank wieder zum A-Rating zurückzuführen. Dies gilt im Übrigen gleichermaßen für die anderen Landesbanken. Deshalb ist die zügige Umsetzung des Restrukturierungskonzeptes und damit Schaffung der Rahmenbedingungen ebenso unabdingbar wie die Herstellung neuer Konsolidierungsbankstrukturen auf der Bundesebene.

Zum zweiten Fragenkomplex: Alle Anteilseigner, auch Flowers und der SGV, unterstützen das Restrukturierungskonzept. Alle Anteilseigner, auch Flowers und der SGV, begrüßen, dass Hamburg und Schleswig-Holstein Risikogarantien abgeben. Auch Flowers und der SGV begrüßen, dass wir Eigenkapital in der beträchtlichen Größenordnung von 3 Milliarden € zuführen.

Herr Senator Freytag und ich haben in der vergangenen Woche noch einmal bilaterale Gespräche geführt und, Herr Kollege Hay, auch im Aufsichtsrat die anderen Anteilseigner ausdrücklich eingeladen, sich an den von Hamburg und Schleswig-Holstein beschlossenen Maßnahmen zu beteiligen. Wir haben Herrn Flowers ausdrücklich gebeten, möglichst vor dem 30. Juni noch einmal darüber nachzudenken, ob er sich nicht in der Größenordnung seines Anteils von knapp 26 %, also etwa 800 Millionen €, auch an der Eigenkapitalmaßnahme beteiligen möchte.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er applaudiert wahrscheinlich!)

- Er hat jedenfalls nachdenklich genickt. Ich hoffe, dass das kein Bruch der Vertraulichkeit von Aufsichtsratssitzungen ist.

Die Anfechtungsklage wird nach Auffassung der Bank, der Länder und unserer Rechtsvertreter nicht von Erfolg gekrönt sein. Ich bitte um Verständnis, dass wir über die Abwehrmaßnahmen, die wir vorgesehen haben, nicht öffentlich diskutieren.

Wir haben mit der Änderung des Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetzes erwirkt - anders, als der Bund dies zunächst wollte -, dass auch wir in der Lage sein werden, auf der Hauptversammlung mit der Mehrheit der Anteile Entscheidungen zu treffen; die Sperrminorität ist außer Kraft gesetzt. Ich sage sehr deutlich: Es geht hier um die Festlegung des Preises für die Aktien. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn von den Ländern verlangt wird, unter sehr hohem Aufwand Eigenkapitalmaßnahmen zu beschließen und Risikogarantien abzugeben, während diejenigen, die sich nicht daran beteiligen, davon besonders profitieren wollen. Wir werden über den Aktienpreis selbstverständlich ausgleichen, was wir an besonderem Aufwand leisten. Das ist derzeit der Unterschied in der Bewertung. Darüber werden wir mit den anderen Anteilseignern bis zum letzten Tag diskutieren. Ich sage sehr klar: Wir werden im Sinne des Landes Schleswig-Holstein und seiner Bürgerinnen und Bürger entscheiden. Es gibt keine Bevorteilung von Anteilseignern, die sich nicht beteiligen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die dritte in dem Antrag formulierte Frage stellt sich am Ende der Diskussion, wie die Landesbankenstruktur nach dieser Finanzkrise aussehen wird. Deshalb ist es heute schlicht und ergreifend zu früh, über Rechtsformen zu philosophieren.

Meine Damen und Herren, die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein vertreten massiv die Interessen zur Sicherung ihrer Vermögenswerte - unserer Vermögenswerte! Ich habe die herzliche Bitte, dass alle an diesem Verfahren Beteiligten - auch das Parlament, alle Fraktionen, auch die Opposition

(Beifall bei der CDU)

an dieser Maßnahme mitwirken.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sie wollen doch nur eine Bestätigung Ihres Kurses. - Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und das, was möglicherweise durch das Downrating an Abfluss von liquiden Mitteln erfolgen könnte - was niemand genau vorhersagen kann -, das erfolgt in demselben Umfang auch, indem in aller Öffentlichkeit permanent diese Bank in eine Diskussion gebracht wird, die sie aus Sicht der Einleger sehr kritisch bewerten lässt.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Völliger Quatsch!)

- Herr Kubicki, das ist kein Quatsch, sondern das sind Fakten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Finanzminister für seinen Bericht. Es ist ein Mehr an Redezeit von zwei Minuten für die Fraktionen entstanden, die wir sofort eingeben werden.

Ich möchte die Aussprache eröffnen und erteile das Wort für die antragstellende FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist bedauerlich, Herr Finanzminister, dass wir immer aus der Presse erfahren müssen, was wir dann abfragen müssen, ohne dass das Parlament und ich gehe davon aus, Sie haben Kenntnis - von Ihnen unterrichtet worden ist, in welcher Form auch immer. Wir haben eine ganze Reihe von Gremien, in denen Sie Entwicklungen, die für die Bewertung der künftigen Aussichten der Positionierung der HSH Nordbank relevant sind, mitteilen könnten. Das machen Sie nicht. Sie mahnen hier die Mitwirkung der Opposition an. Wir sind dazu gern bereit und haben das immer schon erklärt. Die wollen Sie doch aber gar nicht. Sie verfolgen einen Kurs, den Sie nicht hinterfragen lassen wollen. Sie geben öffentlich Erklärungen ab, die eine Halbwertzeit von wenigen Tagen haben, und appellieren an uns, dass wir dazu schweigen sollen, wenn eine Entwicklung eintritt, die wir im Hinblick auf die Risikotragfähigkeit unseres Landeshaushalts für bedenklich halten.

Ich habe schon einmal gesagt: Wir sind als Parlamentarier gewählt, um den Landeshaushalt im Auge zu behalten und nicht, um Interessenlagen Einzelner in der HSH Nordbank zu befriedigen.

(Minister Rainer Wiegard)

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich darf Ihnen sagen, dass die öffentlichen Erklärungen, die Sie hier abgeben, Standard & Poor’s mit Sicherheit nicht bewegen wird, ihr Rating der HSH Nordbank eine Stufe nach oben oder unten zu verändern. Das können Sie übrigens den Erklärungen von Standard & Poor’s selbst entnehmen, die gesagt haben, dass die unterschiedlichen Einstufungen aus den unterschiedlichen Herausforderungen der einzelnen Banken resultieren, dass der Kapitalbedarf und die Geschäftsaussichten die entscheidende Rolle spielen und dass die Unterstützung der Landesbanken durch die Eigentümer bereits durch einen Bonus von drei bis fünf RatingStufen berücksichtig worden sei.

Wo stünde die HSH Nordbank eigentlich, wenn wir diese Entschließung nicht getroffen hätten, die in diesem Hohen Haus mit Mehrheit getroffen worden ist?

(Zuruf von der CDU: Ohne Sie!)

Haben Sie uns nicht vor einem halben Jahr noch dauernd erklärt, die HSH Nordbank sei eine erfolgreiche Geschäftsbank - der öffentliche Eigentümer würde eigentlich stören - mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell mit herausragenden Aussichten? Sie müssen doch heute zur Kenntnis nehmen, dass der Markt - es sind nicht nur die Ratingagenturen diese Ihre Behauptung schlicht und ergreifend hinterfragt und negativ bewertet hat. Das können Sie auch daran sehen, dass die Versicherungsprämien, die Sie für Einlagen der HSH Nordbank zu zahlen haben, heute mit zu den höchsten der Welt gehören. Das ist doch das Gegenteil von einem erfolgreichen Geschäftsmodell.

Wenn wir hören, dass es ein Downrating gibt, dann müssen wir uns doch fragen, welche Auswirkungen das hat. Und dann müssen Sie uns doch sagen wenn nicht im Parlament hier, dann vielleicht in einem der Ausschüsse -, ob die Planungen der HSH Nordbank bezogen auf die Jahre 2009, 2010, 2011 und 2012 Bestand haben. Ich sage das noch einmal: Wenn der Vorstandvorsitzende im November dieses Jahres kommt und erklärt, bedauerlicherweise sei man überrascht von der weiteren Entwicklung, und er brauche weiteres Eigenkapital, wird er erhebliche Probleme bekommen. Deswegen fragen wir uns, welche Auswirkungen das auf die Tragfähigkeit der HSH Nordbank hat. Denn Sie und wir als Parlamentarier insgesamt müssen den Menschen dieses Landes dann erklären, wie wir uns verhalten haben und wie wir uns weiter verhalten wollen.

Herr Minister, Ihre Behauptung, Moody’s habe die HSH Nordbank nicht downgeratet ist schlicht und ergreifend falsch. Das wissen Sie. Die haben das nur schon vorher gemacht. Am 23. April 2009 hat Moody’s das HSH-Rating downgeratet. Ich kann Ihnen das zeigen, Sie können das in „Boerse.de“ nachlesen. Auch Fitch ist beispielsweise bereits im März, was die Schiffsfinanzierung angeht, mit einem Downrating an das Licht der Öffentlichkeit getreten. Das ist also keine Neuentwicklung.

Aber wir fragen uns auch, wenn wir hören und lesen, was in Berlin passiert - das haben wir schon versucht, vorgestern zu erfragen -, wie es mit der weiteren Entwicklung eigentlich aussieht. Deshalb ist die Frage des Rechtsformenwandels eine sehr zentrale, denn die grundsätzlichen Entscheidungen sollen bis Ende Juni dieses Jahres fallen. Selbstverständlich werden Sie erleben, dass der private Aktionär Flowers, der sich mit der Maßgabe eines Börsengangs an der Bank beteiligt hat, keiner Entwicklung zustimmen kann und auch nicht wird, die darauf hinausläuft, eine Landesbankenstruktur mit einer oder mehreren Landesbanken in Deutschland in allein öffentlicher Trägerschaft zu schaffen.

Das ist Wegfall der Geschäftsgrundlage. Der wird zu Ihnen kommen und sagen: Lieber Finanzminister Wiegard, Sie dürfen mir jetzt das Geld wiedergeben, das ich in diese Bank investiert habe. Und auch darauf müssen wir uns im Zweifel einrichten. Denn unabhängig von dem Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz werden Sie einen Rechtsformenwandel ohne Zustimmung von Herrn Flowers nicht hinbekommen. Und eine Fusion oder eine Verschmelzung von Landesbanken mit unterschiedlichen Rechtsformen wird schlicht und ergreifend nicht möglich sein. Auch das sage ich Ihnen. Das können Ihnen Ihre Juristen, die Sie im Haus haben, vielleicht noch bestätigen.

Deshalb steht für uns auch die Frage im Raum - der 30. Juni ist nicht mehr so weit hin -: Was passiert eigentlich auf dem Feld, und wie richten Sie sich darauf ein? Welche Gespräche führen Sie jetzt bereits in welche Richtung? Ich würde Sie nur auffordern, diese Gespräche frühzeitig aufzunehmen, wenn sie noch nicht begonnen worden sind, damit wir nicht am Ende vor einem Scherbenhaufen von Entscheidungen stehen, die wir nicht mehr beeinflussen können.

Die nächste für mich zentrale Frage ist: Wenn es stimmt, was Herr Steinbrück gestern den Fraktionen von SPD und CDU im Bund vorgetragen hat, dass jedenfalls bis zur Abwicklung der Zweckge

(Wolfgang Kubicki)

sellschaften über eine Laufzeit von 20 Jahren Ausschüttungen nicht mehr stattfinden werden, müssen Sie uns schon erklären, Herr Finanzminister, wie wir das mit den 40 Millionen € Zinsen jedes Jahr machen sollen, die wir für die 1 Milliarde € Eigenkapitalzuführung an die HSH Nordbank im Jahre 2008 dann dauerhaft zahlen. Was ist mit Ihrer Erklärung, dass die HSH Nordbank AG für den Landeshaushalt Schleswig-Holstein nach wie vor eine herausragende Position einnehmen könnte, dass im Jahre 2011 Gewinne erwirtschaftet werden, wenn es trotz der erwirtschafteten Gewinne zu einer Auszahlung an die Anteilseigner über eine Laufzeit von 20 Jahren nicht kommen kann?

Dann ist die nächste spannende Frage: Was ist mit Ihrer wunderbaren Erklärung des Vermögenserhalts bei Fusionierungen? Glaubt denn wirklich jemand ernsthaft, dass, wenn die Landesbanken Bayern, Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein fusionieren, von dem Vermögenswert, den Schleswig-Holstein eingebracht hat, irgendetwas übrig bleibt, dass wir irgendetwas davon zurückbekommen? Ist diese Annahme in diesem Haus vorhanden? Und wenn sie nicht vorhanden ist, müssen wir auch diese Frage beantworten: Was machen wir auf Dauer mit den anderthalb Milliarden €, die an frischem Kapital durch Schleswig-Holstein zugeführt werden, und mit der Garantieerklärung des Landes Schleswig-Holstein? Auch das ist eine Frage, die beantwortet werden muss, denn Sie haben erklärt, der Steuerzahler sei nicht belastet worden. Er wird auf diese Weise in erheblicher Weise belastet.