Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

(Beifall bei der SPD)

Wir werden nach Abschluss des Untersuchungsausschusses also Wege finden müssen, auf denen wir die gewonnenen Erkenntnisse in die parlamentarische Arbeit einführen können.

Ich erwarte eine konstruktive gemeinsame Arbeit und denke, dass wir sehr schnell zu einem vernünftigen und strukturierten Arbeitsablauf kommen werden. Auch wir haben ein Interesse daran, die Untersuchungen zum Ende des Jahres abzuschließen.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, auf der Tribüne nimmt der Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Dr. Robert Habeck, an der Sitzung des Landtags teil. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Nunmehr erteile ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss kostet Zeit

und Geld, bindet viel Kraft und beschäftigt sich über Monate hinweg mit der Vergangenheit statt mit den drängenden Fragen der Zukunft. Deshalb muss seine Einsetzung gut begründet sein. Die Einsetzung des heute von der Opposition gemeinsam beantragten Untersuchungsausschusses ist nicht nur gut begründet, sondern zwingend notwendig.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Herr Koch, ich gehe sogar so weit zu sagen, dass es verantwortungslos wäre, den Untersuchungsausschuss nicht einzusetzen. Durch Missmanagement und hochriskante Kreditgeschäfte ist aus dem größten Vermögen des Landes das größte Haushaltsrisiko aller Zeiten geworden. Unsere ehemals gut aufgestellte Landesbank ist nur haarscharf an einem desaströsen Bankrott vorbeigeschlittert, und im Worst Case sieht das Land keinen Cent der in die Rettung der Bank gepumpten Milliarden wieder. Der Untersuchungsausschuss muss klären, wer dafür verantwortlich ist.

Augenscheinlich sind die Mitglieder des Aufsichtsrats ihrer Aufsichts- und Kontrollpflicht in keiner Weise angemessen nachgekommen und haben sich stattdessen von phantastischen Gewinnmargen und hohen Dividenden blenden lassen. Wie sonst konnte es geschehen, dass die HSH Nordbank in den vergangenen Jahren so viele Risikoaktiva im Verhältnis zu ihrer Bilanzsumme angehäuft hat wie sonst keine andere deutsche Bank?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und SSW)

„Wir waren alle mehr oder minder besoffen von der Idee, dass die HSH Nordbank als Global Player immer satte Gewinne einfährt“, offenbarte die Aufsichtsratsvorsitzende und ehemalige Ministerpräsidentin Heide Simonis. Was für eine Goldgräberstimmung muss im Aufsichtsrat geherrscht haben, dass Frau Simonis solch deutliche Worte fand? Ich bringe gerade dieses Zitat, um deutlich zu machen, dass wir uns im Untersuchungsausschuss schonungslos für Aufklärung einsetzen werden, und zwar unabhängig von der jeweiligen Regierungsverantwortung.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der Ausschuss muss die Geschäftspolitik der HSH Nordbank von ihrer Gründung als privatrechtliche Aktiengesellschaft im Jahr 2003 bis zur Verabschiedung des Rettungspakets in Höhe von 13 Milliarden € im Frühjahr 2009 beleuchten. Es ist schon

(Jürgen Weber)

gesagt worden, dass die Landesbank auch früher schon riskante Kredite aufgenommen hat. Aber die Situation hat sich dramatisch verschärft, als die EU-Kommission im Jahr 2003 auf Druck der Privatbanken die Gewährträgerhaftung als Wettbewerbsverzerrung einstufte und eine Übergangsfrist für die Inanspruchnahme der staatlichen Haftung bis 2005 setzte.

Dies führte zu einer Art Torschlusspanik bei allen Landesbanken; sie nutzten die Übergangszeit, um sich mit günstigen Krediten gnadenlos vollzusaugen. Dies ist auch bei der HSH Nordbank geschehen. Bei den Stammkunden gab es aber gar keinen Bedarf für diese Kredite, und so wurde das frische Geld zu großen Teilen in hoch riskanten Wertpapierspekulationen eingesetzt. An dieser Stelle wäre es die Pflicht des Aufsichtsrats gewesen einzuschreiten. Er hätte die Spekulationsgeschäfte rigoros untersagen und vor allem das staatliche Haftungsrisiko in der Höhe begrenzen müssen. Aber nichts dergleichen ist geschehen. So wurde ein Risikoportfolio in Höhe von 30 Milliarden € aufgebaut, welches jetzt der Bank das Genick zu brechen droht. Der Untersuchungsausschuss muss die Verantwortung für diese hoch riskante Geschäftspolitik der Bank in den Jahren 2003 bis 2008 klären.

Es wird immer deutlicher, dass es durchaus Warnungen gab, dass aus den Expansionsträumen schnell horrende Verluste werden könnten. Herr Kubicki hat bereits angesprochen, dass der EuropaChef von Flowers erst vor wenigen Tagen den unglaublichen Vorwurf erhoben hat, dass er bereits im Sommer 2007 auf eine Reduzierung des riskanten Kreditersatzgeschäftes gedrängt hat und damit bei den Miteigentümern der Bank auf taube Ohren gestoßen ist. Warum hat der Aufsichtsrat diese und andere Warnungen ignoriert? Warum hat der Aufsichtsrat nicht spätestens zu diesem Zeitpunkt darauf gedrängt, das schon damals als mangelhaft erkannte Risikomanagement der Bank schnellstmöglich nachzubessern? Warum hat der Aufsichtrat nicht bemerkt, dass sich in der Bank immer mehr Klumpenrisiken anhäuften? Warum hat der Aufsichtsrat nicht bemerkt, dass die Immobilienblase in den USA zu platzen drohte, obwohl Experten dies bereits wie die Spatzen von den Dächern pfiffen? Es ist kaum zu glauben, aber hat tatsächlich niemand der Verantwortlichen das Marktgeschehen verfolgt? Waren die Verantwortlichen in der New Yorker Außenstelle mit anderen Dingen beschäftigt als mit einem konsequenten Risikomanagement?

Wer zeichnete dafür verantwortlich, dass die Geschäfte der Bank zunehmend in Steuer- und Regu

lierungsoasen verlagert wurden und dass das Kerngeschäft der Bank, die Versorgung der regionalen Wirtschaft mit Krediten, eine immer kleinere Rolle spielte? Wer ist verantwortlich dafür, dass Gewinnmargen von über 15 % vorgegeben wurden?

Es ist doch ungeheuerlich, dass Aufsichtsratsmitglieder jetzt behaupten, sie hätten gar nicht gewusst, dass die Bank 160 ausländische Zweckgesellschaften und Beteiligungen in Steuer- und Regulierungsoasen hatte. Bei der Frage nach den Verantwortlichkeiten werden wir uns nicht damit abspeisen lassen, dass auch andere Banken eine derart verantwortungslose Geschäftspolitik mit den gleichen katastrophalen Auswirkungen betrieben haben. Schließlich kann sich ein Falschparker auch nicht damit herausreden, dass schon andere vor ihm im Halteverbot gestanden haben.

Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss muss sich außerdem mit dem dilettantischen Vorgehen der Landesregierung in den Jahren 2007 bis 2009 beschäftigen. Dem Parlament wurde die desaströse Lage der Bank über Monate verschwiegen. Statt einer transparenten Informationspolitik gab es Schönfärberei und Falschaussagen, es wurde getrickst und getäuscht. Im Glauben, es müsse lediglich die Eigenkapitalquote der Bank verbessert werden, billigte das Parlament noch im Frühjahr 2008 eine weitere Kapitalspritze in Höhe von 1 Milliarde €.

Sogar im Herbst 2008 wurde dem Parlament noch ein rosiges Bild von der finanziellen Situation der HSH Nordbank vorgegaukelt, obwohl schon damals klar war, dass die Geschäfte der Bank hoch risikobehaftet waren und die Finanzmarktkrise dramatische Folgen für die HSH Nordbank haben würde.

Diese skrupellose Desinformationspolitik des Bankenvorstands und der Landesregierung gegenüber dem Parlament und gegenüber der Öffentlichkeit war der Auftakt für eine lange Serie von Fehlinformationen. Es ist doch unsäglich, dass das Parlament aus der Presse erfahren hat, dass der eigenen Landesbank die Schließung durch die Bundesbankenaufsicht gedroht hatte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Herr Finanzminister, warum haben Sie das Parlament damals nicht sofort darüber informiert, sondern in Geheimverhandlungen mit dem SoFFin freimütig die Zusage gegeben, dass das Land das Rettungspaket allein schultern würde? Wie kann es angehen, dass die Landesregierung die von der

(Monika Heinold)

Bank erarbeiteten über 20 Geschäftsmodelle selbst gar nicht kannte und sich blind das für die Bank vorteilhafteste Modell in die Feder hat diktieren lassen?

Meine Damen und Herren, die Landesregierung hat schon lange die Rolle des Kellners übernommen, Küchenchef ist der Vorstand der HSH Nordbank, der unerbittlich den Takt vorgibt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Dementsprechend heftig fiel auch die Kritik von Ex-Wirtschaftsminister Marnette aus, der das amateurhafte Handeln der Landesregierung nicht mehr mitverantworten wollte und sein Ministeramt unter lautstarkem Protest hinschmiss. Herr Marnette hat Finanzminister Wiegard und Ministerpräsident Carstensen vorgeworfen, dass sie ihn massiv daran gehindert hätten, das neue Geschäftsmodell der Bank gründlich und gewissenhaft zu prüfen, und er hat ihnen vorgeworfen, dass all seine Warnungen ignoriert wurden. Dieser Vorwurf wiegt schwer.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Mit Biel wird das nicht passieren!)

Der Untersuchungsausschuss muss nun klären, ob die Landesregierung ihre Sorgfaltspflicht tatsächlich so sträflich vernachlässigt hat.

Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss muss auch klären, warum sich die Landesregierung bis heute beharrlich weigert, eine Sonderprüfung der HSH Nordbank nach Aktiengesetz einzuleiten, obwohl diese längst überfällig ist. Was gibt es zu vertuschen?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Meine Damen und Herren, in diesem Untersuchungsausschuss geht es nicht um Peanuts, es geht um Milliarden. Diejenigen, die den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern diese kostspielige Suppe eingebrockt haben, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Der Untersuchungsausschuss muss sich gründlich mit allen Vorwürfen und mit allen Tatsachen beschäftigen sowie die offenen Fragen klären.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Für die Abgeordneten des SSW hat jetzt Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gemeinsam stellt die Opposition heute einen Antrag zur Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur HSH Nordbank. Um zu verstehen, wie es so weit kommen konnte und warum die Opposition dieses scharfe Schwert zieht, muss man sich anschauen, was eigentlich in den letzten Monaten geschehen ist. Der Landesregierung sei nämlich versichert, es hätte nicht zu einem PUA kommen müssen - aber sie hat es herausgefordert.

Ein PUA ist nicht nur ein unentbehrliches Instrument der parlamentarischen Kontrolle, sondern auch ein Instrument, um sich mit politischen Geschehnissen im Fokus der Öffentlichkeit auseinanderzusetzen. Den Sinn und die Notwendigkeit eines PUA zur HSH Nordbank sieht der SSW nicht darin, die Mitglieder der Landesregierung in den verschiedenen Gremien der HSH Nordbank vorzuführen und ihren Rücktritt zu fordern.

Es geht uns stattdessen erstens darum aufzuklären, wie es dazu kommen konnte, dass die HSH Nordbank ohne erhebliche staatliche Kapitalaufstockungen und Garantiegewährungen heute mitten in einem Insolvenzverfahren stecken würde.

Zweitens geht es uns darum aufzuklären, wieso die Mitglieder der Landesregierung in den verschiedenen Gremien nicht frühzeitig gemerkt haben, dass diese Bank völlig aus dem Ruder läuft, und so lange gewartet haben, bis die schlechteste Lösung für Schleswig-Holstein - laut Landesregierung - die einzige Lösung war.

Um Ihnen allen die Dimensionen noch einmal klarzumachen: Wir reden hier nicht über Peanuts. Wir reden über 2 Milliarden € Kapitalaufstockung durch Hamburg und Schleswig-Holstein im Frühjahr 2008. Wir reden über 3 Milliarden € Kapitalaufstockung durch die beiden Länder genau ein Jahr später. Wir reden über 10 Milliarden € Garantien durch die beiden Länder und dann noch einmal 30 Milliarden € Garantien durch den SoFFin des Bundes.

Als wenn diese Summen nicht schon längst unsere gesamte Vorstellungskraft und unser Verständnis sprengen, kann noch niemand sagen, welche weiteren Summen möglicherweise noch auf unser Land zukommen, um der HSH Nordbank in Zukunft ihre miserable Geschäftspolitik zu finanzieren. Die Landesregierung hat in den letzten Monaten nämlich sehr deutlich gemacht, dass sie auch bei weiteren Verlusten der HSH Nordbank kein Interesse daran

(Monika Heinold)

hat, die Hilfeangebote des Bundes völlig in Anspruch zu nehmen.

Schon frühzeitig wurde vor verschiedenen Geschäften der HSH Nordbank und ihren Auswirkungen gewarnt. Nicht nur der ehemalige Wirtschaftsminister, Herr Marnette, hat zeitig kritische Nachfragen gestellt und Informationen eingefordert. Wie am Montag im „Flensburger Tageblatt“ nachzulesen war, hat auch die Investorengruppe um J. C. Flowers frühzeitig auf Probleme hingewiesen und immer wieder einen Kurswechsel angemahnt. Trotzdem hat dem Anschein nach in den entscheidenden Gremien niemand verstehen wollen, was eigentlich passiert. Mit der Finanzkrise ließen sich die Gefahren der riskanten Geschäftspolitik der HSH Nordbank aber nicht mehr verhehlen und sind nun völlig außer Kontrolle geraten.

Die Landesregierung trägt die Verantwortung für das Land Schleswig-Holstein in den verschiedenen Gremien der Bank. Ihre Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass diese private Geschäftsbank in überwiegend öffentlicher Trägerschaft ihre besondere Verpflichtung wahrnimmt und dementsprechend handelt.

(Beifall bei SSW und [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])