Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

den, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? – Damit ist der Antrag Drucksache 16/2676 einstimmig angenommen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 22 auf:

Ladenöffnungszeiten in der Kieler Innenstadt an ausgewählten Sonntagen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2671

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit dem Antrag werden ein mündlicher und ein schriftlicher Bericht in dieser Tagung erbeten. Im Ältestenrat ist vereinbart worden, dass der mündliche Bericht in der heutigen Sitzung gegeben wird. Ein schriftlicher Bericht soll zur nächsten Tagung vorgelegt und ohne Aussprache an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden.

Wer mit dieser Vorgehensweise einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.

Für die Landesregierung erteile ich dem Herrn Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr, Dr. Jörn Biel, das Wort für den mündlichen Bericht.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nun kommen wir zu einem viel nüchterneren Thema. Aber dieses Thema hat in der Vergangenheit ebenfalls schon für einige Aufregung gesorgt.

Die Landeshauptstadt hat in jüngster Vergangenheit mehrfach darum gebeten, die Bäderverordnung des Landes auf die Kieler Innenstadt auszudehnen. Getragen ist der Antrag von der Hoffung und Erwartung, dass die Kreuzfahrtpassagiere die Kassen des Einzelhandels künftig auch sonntags kräftig klingeln lassen.

Nach einer aktuell vorgelegten Untersuchung der Lübecker CIMA GmbH ist in der Zeit von April bis September ein zusätzliches Kaufkraftpotenzial von knapp 250.000 € pro verkaufsoffenem Sonntag durch die Schiffspassagiere zu erwarten.

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine generelle Vorbemerkung. Ich gehöre zu den glü

(Olaf Schulze)

henden Befürwortern eines äußerst liberalen Ladenschlussgesetzes.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut!)

Denn niemand kennt den Markt und die Umsatzmöglichkeiten besser als der Einzelhandel selbst.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und vereinzelt bei der CDU)

Doch den Versuch, die Ladentüren der Kieler Innenstadt über den Umweg der Bäderregelung aufzustoßen, halte ich für untauglich.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Beim Gutachten der CIMA handelt es sich um eine Untersuchung allein aus Sicht des Einzelhandels. Dem steht das Ladenöffnungszeitengesetz gegenüber, und zwar mit dem im Grundgesetz verankerten Gebot, wonach Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen geschlossen bleiben müssen. Die Bäderverordnung stellt eine Ausnahme von diesem Grundsatz dar. Danach darf das Land durch Verordnung bestimmen, dass in anerkannten Kur- und Erholungsorten sowie in Gemeinden oder Gemeindeteilen, die - so wörtlich - „von besonders starkem Urlaubstourismus geprägt sind“, die Läden an Sonn- und Feiertagen geöffnet sein dürfen. In Kiel wurde diese starke Tourismusprägung bislang nur für Schilksee und den Falkensteiner Strand anerkannt.

Somit komme ich zur ersten Frage im Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, wie die Landesregierung das Gutachtenergebnis der CIMA bewertet. Die Expertise stellt, wie gesagt, eine belebende Wirkung von Sonntagsöffnungen auf den Innenstadteinzelhandel fest. Aber das greift zu kurz. Denn der Aspekt der sogenannten Versorgungsbedürfnisse von Touristen am Sonntag als zwingende Anforderung des Ladenschlussgesetzes bleibt völlig außer Betracht. Unter Versorgungsbedürfnissen versteht der Gesetzgeber, dass Feriengäste, die beispielsweise am Sonntag von weit her anreisen, in die Lage versetzt werden müssen, sich noch am selben Tag mit sogenannten Dingen des täglichen Bedarfs zu versorgen. Insbesondere auf diesen Versorgungsaspekt, der auf Kreuzfahrttouristen nun wahrlich nicht zutrifft, wurden die Bäderregelungen der vergangenen Jahre gestützt. Aspekte wie die Förderung des Tourismus oder die Attraktivitätssteigerung bestimmter Regionen spielen keine Rolle.

Meine Damen und Herren, um die zweite Frage des Antrags klar zu beantworten: Nein, die Einbeziehung der Kieler Innenstadt in die Bäderverordnung

kann, auch während der Kreuzfahrtsaison, nicht erfolgen. Die Kieler Innenstadt ist kein Gemeindeteil, der von besonders starkem Urlaubstourismus geprägt ist. Die rechtliche Grundlage für die Bäderverordnung und somit die Bäderverordnung selbst gelten nur für Gebiete, für die die Tourismuswirtschaft von herausragender Bedeutung ist. Der in § 9 des Ladenöffnungszeitengesetzes als Voraussetzung genannte Begriff des Urlaubstourismus impliziert den sogenannten Übernachtungstourismus, bei dem allein das Versorgungsbedürfnis der Urlauber besonders hoch ist, und nur in diesem Fall wäre es zu rechtfertigen, den grundgesetzlich gesicherten Schutz der Sonn- und Feiertage einzuschränken. Entsprechend führt dies auch die Begründung des vom Landtag im Jahr 2006 verabschiedeten Gesetzes aus.

Die Touristen von Fährlinien und Kreuzfahrtschiffen sind demgegenüber in aller Regel Tagestouristen, für die ein besonderes Versorgungsbedürfnis nicht besteht. Ich darf, auch wenn es lange vor meinem Amtsantritt war, daran erinnern, dass der Landtag dies bereits im Jahr 2005 im Rahmen der Beratung zur Bäderregelung umfassend diskutiert hat. Seinerzeit hat sich eine deutliche Mehrheit gegen eine Einbeziehung der Innenstädte und Oberzentren ausgesprochen. Würde man für größere Städte wie Kiel weitere Ausnahmemöglichkeiten schaffen und diese mit der Belebung des Einzelhandels oder der Steigerung der Attraktivität begründen, so würde die Bäderverordnung insgesamt ihren Charakter als Ausnahmeregelung verlieren. Sie wäre in Gefahr, rechtlich angreifbar zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, das schleswig-holsteinische Recht bietet neben der Bäderverordnung weitere Ausnahmemöglichkeiten. In § 5 des Ladenöffnungszeitengesetzes sind generelle Öffnungsmöglichkeiten an bis zu vier Sonn- und Feiertagen im Jahr vorgesehen, die die Gemeinden eigenverantwortlich festlegen können. Die Landeshauptstadt Kiel wäre insoweit frei, diese verkaufsoffenen Sonn- und Feiertage in die Hauptkreuzfahrtsaison zu legen.

Lassen Sie mich abschließend zu den letzten beiden Fragen des Berichtsantrags kommen, ob und unter welchen Voraussetzungen das Land durch Verordnung zusätzliche Sonntagsöffnungen für den Einzelhandel der Kieler Innenstadt erlauben würde und ob es möglich ist, den Begriff „Kieler Innenstadt“ per Verordnung so zu definieren, dass diese räumlich von der Altstadtinsel bis zum Sophienhof reicht

(Minister Dr. Jörn Biel)

und damit nur Geschäfte öffnen dürfen, die fußläufig von den Gästen zu erreichen sind.

Das Land hat nur eine Möglichkeit, durch Verordnung eine Sonntagsöffnung in der Kieler Innenstadt zuzulassen, und zwar nach § 9 des Ladenöffnungszeitengesetzes, nämlich durch eine Aufnahme in die Bäderverordnung. Die ablehnende Haltung meines Hauses hierzu habe ich bereits ausgeführt. Dagegen besteht sehr wohl die grundsätzliche Möglichkeit, Sonntagsöffnungen auch für einzeln zu benennende Gemeindeteile zuzulassen, also unter Umständen für den im Antrag genannten Bereich zwischen Altstadtinsel und Sophienhof. Hiervon haben wir in der Bäderverordnung Gebrauch gemacht, um touristisch geprägte Gemeindeteile in die Ausnahmeregelung aufnehmen zu können, wenn die Stadt insgesamt die Anforderungen nicht erfüllt.

Ich würde es begrüßen, wenn wir hierüber in den Ausschüssen weiterdiskutieren könnten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Wirtschaftsminister für seinen Bericht und teile den Fraktionen mit, dass für sie eine zusätzliche Redezeit von einer Minute und vierundvierzig Sekunden entstanden ist.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der Frau Abgeordneten Monika Heinold von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister, vielen Dank für diesen ersten mündlichen Bericht, in dem Sie deutlich gemacht haben, wie schwierig es ist, eine Ausnahme für Kiel zu finden. Aber wenn ich Ihren letzen Satz richtig verstanden habe, haben Sie nicht gesagt, es sei gar nicht möglich, sondern Sie haben gesagt, dass wir im Ausschuss darüber beraten und noch einmal ausloten können, was möglich ist. Das werden wir auch tun, wenn der schriftliche Bericht vorliegt.

Hintergrund unseres Antrags ist, dass wir den vielen Kreuzfahrerinnen und Kreuzfahrern, die nach Kiel kommen, attraktive Möglichkeiten, auch Shopping-Möglichkeiten, bieten wollen, und Hintergrund ist auch unser Anliegen, dass wir in Debatten um Ladenöffnungszeiten immer in den Vordergrund gestellt haben: Die Öffnung von Läden kann und muss auch zur Strukturpolitik genutzt

werden, um die Innenstädte zu stärken, lebendig und interessant zu machen und um das Leben in der Stadt lebens- und liebenswert zu machen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass wir in den letzten Jahren rund um die großen Städte große Einkaufszentren zugelassen, sie genehmigt und gebaut und dort kostenlose Parkplätze zur Verfügung gestellt haben, führt dazu, dass die Innenstädte Stück für Stück ausbluten und für die Menschen, die dort wohnen, immer weniger interessant sind. Deshalb sagen wir, dass man alles, was man über die Strukturpolitik zur Stärkung der Innenstadt tun kann, auch über das Ladenöffnungsgesetz tun sollte.

Mit 126 einlaufenden Kreuzfahrtschiffen und über 220.000 Passagieren haben wir in Kiel ein großes Potenzial. Hinzu kommen die anlaufenden Fährschiffe und die jeweiligen Besatzungsmitglieder. Aus unserer Sicht ist das tatsächlich ein Pfund für die Stadt, mit dem sie wuchern kann und wuchern muss.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich freue mich auf die Ausschussdebatte.

Ein Punkt ist uns zentral wichtig: Wenn wir eine Ausnahmeregelung finden, sollte sie nicht so weit gehen, dass auch Ikea und andere große Einkaufsmärkte einbezogen werden. Die Ausnahme muss tatsächlich begrenzt bleiben. Es ist soeben schon darauf hingewiesen worden, dass im Rahmen der Bäderregelung eine Begrenzung auf einzelne Teile der Gemeinde möglich ist. Lassen Sie uns insofern noch einmal ergebnisoffen darüber diskutieren.

Ich war ein bisschen verwundert über die IHK zu Kiel, die gleich gesagt hat, dass sie den Vorschlag nicht begrüße, weil das letztlich mehr koste, als es einbringe. Auch die Gewerkschaften haben sich kritisch geäußert; das war aber absehbar.

Gefreut haben wir uns über ein letztes kleines schwarz-grünes Bündnis in Kiel. Die ehemalige Oberbürgermeisterin hat uns sehr dafür gelobt und gesagt, die IHK könne sich ein Beispiel an der Wirtschaftsfreundlichkeit der Grünen nehmen. Das lassen wir einfach mal so stehen.

Entscheidend ist, dass wir die Debatte tatsächlich zielgenau führen und dass wir überlegen, was wir umsetzen können. In dem Sinne sollten wir auf den schriftlichen Bericht warten und dann darüber im Ausschuss debattieren.

(Minister Dr. Jörn Biel)

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Für die CDU-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Johannes Callsen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Berichtsantrag der Grünen zum Ladenschluss und die Ausführungen, die wir soeben gehört haben, sind schon ein kleines Kuriosum. Ich muss gestehen, dass ich zweimal nachsehen musste, wer denn Antragsteller ist. Ich habe mich bei der netten Kollegin Heinold noch einmal erkundigt, ob ich auch alles richtig verstanden habe. Aber es ist in der Tat so.

Ich will daran erinnern: Am 29. November 2006 haben CDU und SPD beschlossen, die Ladenöffnungszeiten zu liberalisieren. In diesem Hohen Haus fand das Gesetz breiten Rückhalt. Alle Fraktionen und der SSW waren und sind sich nach wie vor darüber einig - auch wenn unser Koalitionspartner nach seinem Parteitag in Elmshorn offenbar wieder einmal den Rückwärtsgang einlegen will. Alle Fraktionen stimmten zu - alle, bis auf die Grünen. Am liebsten würde ich mir die Zeit nehmen, Ihre gesamte Rede von damals zu zitieren, Herr Kollege Matthiessen; er ist leider nicht hier.