Protokoll der Sitzung vom 17.06.2009

Zuletzt möchte ich noch an die Kreise und kreisfreien Städte appellieren, das durch die Einführung eines beitragsfreien Kindertagesstättenjahres eingesparte Geld in der Sozialstaffel zu belassen, um Menschen mit einem geringen Einkommen von der Kita-Gebühr zu entlasten. Ich hätte es für sinnvoll erachtet, mit den Kommunen bereits vor Einführung des beitragsfreien ersten Kita-Jahres darüber zu verhandeln; dann wäre vieles einfacher gewesen. Nun sind wir ein Stück weit auf die Kompromissbereitschaft der Kommunen angewiesen.

Ich würde mich freuen, wenn wir diesen Antrag in den Ausschuss überweisen und dann schnell zu den Beratungen und zu einem Ergebnis kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Für die CDU-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Heike Franzen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Sozialstaffelregelungen bei den Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein beschäftigen uns nicht zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode. 2005 haben wir einen Passus in das Kindertagesstättengesetz aufgenommen, der vorsieht, dass bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen für die Heranziehung zu einem Eigenanteil zu den Kita-Gebühren 85 % der Regelsätze der Sozialhilfe berücksichtig werden können.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, warum § 25 des Kindertagesstättengesetzes geändert worden ist. Es ging darum, das Gesetz an die neuen Gegebenheiten aufgrund der Zusammenlegung von Sozialhilfe und Arbeitslosengeld anzupassen und die Zuwendungsempfänger über die Sozialstaffel nicht stärker zu belasten als vor der Zusammenlegung. Die Kreise und kreisfreien Städte befürchteten damals Mehrbelastungen in Millionenhöhe. Der Landesrechnungshof hat sich in seinem Kommunalbericht 2007 mit den Regelungen der Sozialstaffeln befasst, die in der Verantwortung der Träger der Jugendhilfe - also letztlich der Kreise und kreisfreien Städte - liegen. Er hat dabei zu Recht darauf hingewiesen, wie unterschiedlich diesbezüglich verfahren wird.

Nun haben wir das Jahr 2009, und in der Kindertagesstättenlandschaft hat sich einiges getan. Ab August dieses Jahres wird das letzte Kindergartenjahr vor der Schule für die Eltern gebührenfrei sein; das ist bereits eine massive Entlastung für die Eltern.

(Beifall bei CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Sowohl die Bürgerbeauftragte als auch das zuständige Bildungsministerium haben mitgeteilt, dass nur drei der 15 Kreise und kreisfreien Städte in Schleswig-Holstein von der 85-%-Regelung Gebrauch machen. Abgesehen von dem Beispiel im Bericht der Bürgerbeauftragten haben wir keine Erkenntnisse zu den tatsächlichen Auswirkungen auf die betroffenen Eltern. Auch das Bildungsministerium konnte in der Antwort auf meine Kleine Anfrage keine zuverlässigen Angaben machen.

Eine Aufhebung dieser Regelung würde übrigens nicht automatisch dazu führen, dass der Besuch von

(Monika Heinold)

Kindertagesstätten für die Kinder aller Arbeitslosengeld-II-Empfänger kostenfrei wird. Laut Landesrechnungshof erhebt beispielsweise der Kreis Pinneberg, der die 85-%-Regelung nicht anwendet, eine Mindestgebühr von 15,50 € pro Kind. Auf der anderen Seite sind Arbeitslosengeld-II-Empfänger im Kreis Stormarn, der die 85-%-Regelung anwendet, gänzlich von Gebühren für Kindertagesstätten befreit.

Die Grünen fordern in ihrem Antrag, dass zum 1. Dezember 2009 die vollen Regelsätze bei der Bemessung von Einkommensgrenzen für die Sozialstaffelregelungen zugrunde gelegt werden. Die dadurch entstehenden Kosten sollen aus den angeblich frei werdenden Mitteln der Sozialstaffeln aufgrund der Einführung des beitragsfreien letzten Kindergartenjahres gedeckt werden. Die Sozialstaffeln der Kreise und kreisfreien Städte sind aber bereits über den Pakt für Familien in die Finanzierung des letzten Kindergartenjahres einbezogen. Die Gelder sind also bereits ausgegeben, und zweimal werden wir sie nicht ausgeben können!

Darüber hinaus fordern die Grünen eine landesweit einheitliche Sozialstaffel. Das ist aber nicht sinnvoll. Denn wir haben schließlich auch keine landesweit einheitlichen Gebühren für die Kindertagesstätten. Die Sozialstaffeln werden sich immer an den örtlichen Gegebenheiten und an den Besonderheiten des Einzelfalles orientieren müssen.

Die CDU-Fraktion will langfristig weitere Kindergartenjahre für die Eltern beitragsfrei machen, solange wir das nicht über zusätzliche Schulden finanzieren müssen. Bis es so weit ist, sollten wir mit den Kommunen über die Ausgestaltung der Sozialstaffeln in Schleswig-Holstein reden. Dabei müssen wir auch noch einmal die Vorschläge des Landesrechnungshofes diskutieren. Dieser fordert unter anderem eindeutige und nachvollziehbare Handlungsvorschriften, die zum einen zu einer Gleichbehandlung der Antragsteller führen und zum anderen den Verwaltungsaufwand reduzieren können. Daran müssten eigentlich auch die Kommunen ein großes Interesse haben.

Die Voraussetzungen für Leistungen der Sozialstaffeln sollten die örtlichen Träger der Jugendhilfe, auch im eigenen Interesse, enger miteinander abstimmen. Dadurch könnte eine einheitliche Behandlung der Eltern in Schleswig-Holstein gewährleistet werden. Um diesbezüglich weitere Schritte gehen zu können, sollten wir im Ausschuss den kommunalen Landesverbänden Gelegenheit geben, sich zu dem Verfahren der Sozialstaffeln zu äußern. Außerdem schlage ich vor, den Landesrechnungshof im

Ausschuss anzuhören, von dem viele gute Vorschläge zum Umgang mit den Sozialstaffeln in Schleswig-Holstein gekommen sind. Wir brauchen ein einheitlicheres Verfahren in Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der CDU sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Heike Franzen. Für die SPD-Fraktion hat nun Frau Abgeordnete Astrid Höfs das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten hat in ihrem Tätigkeitsbericht 2008, der für uns alle eine wichtige Arbeitsgrundlage ist, auf die Folgen der sogenannten 85-%-Regelung im Kindertagesstättengesetz hingewiesen. In § 25 Kindertagesstättengesetz sind die Grundlagen für die bisher noch gültigen Elternbeiträge festgelegt. Danach können die Kreise mit den Standortgemeinden Vereinbarungen über eine kreisweit geltende Staffelung der Gebühren abschließen. Wenn es diese Vereinbarung nicht gibt, erlässt der Kreis beziehungsweise die kreisfreie Stadt eine Sozialstaffelregelung. Grundsätzlich sind dabei die Bedarfsgrenzen nach SGB XII zu berücksichtigen. Die Kreise haben jedoch die Möglichkeit, davon abweichend nur 85 % der Regelsätze zu berücksichtigen.

Diese Regelung wurde 2005 auf ausdrückliches Verlangen des Landkreistags eingeführt, um die Kreise und kreisfreien Städte von den Folgen des neuen Sozialhilferechts zu entlasten, die eine Mehrbelastung von über 10 Millionen € befürchteten. Allerdings hatten die finanziell schwachen Familien durch die gesetzliche Neuregelung bekanntlich nicht mehr Geld in der Tasche als vorher, sondern müssen aus dem 2004 angehobenen Regelbedarf Rücklagen bilden, um Dinge zu finanzieren, die vorher gesondert beantragt werden konnten. Das hat unter anderem in einem von Frau WilleHandels zitierten Fall dazu geführt, dass ein Ehepaar mit drei Kindern - wie hier bereits angeführt einen Monatsbeitrag von 136 € entrichten soll, was natürlich in keinem Verhältnis zum tatsächlichen finanziellen Spielraum der Familie steht.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Heike Franzen)

Die 85-%-Klausel wird nur von drei Kreisen angewendet - das wurde bereits gesagt -, einige orientieren sich an den 100 % der Regelsätze nach SGB XII oder haben eigene Regelungen entwickelt. In der Regelsatzbemessung nach SGB XII sind allerdings überhaupt keine Aufwendungen für Kinderbetreuung vorgesehen. Eine solche Regelung spricht natürlich unseren gemeinsamen Bemühungen Hohn, möglichst viele Kinder und ganz besonders diejenigen aus sozial schwächeren Familien in die Kindertagesstätten zu bekommen und ihnen Zugang zur vorschulischen Bildung und zur Sprachförderung zu ermöglichen.

Die 2004 beschlossene Revisionsklausel hat im September 2005 zu einer Berichterstattung der Ministerin für Bildung und Frauen an die Ausschüsse geführt, jedoch nicht zu einer Änderung des Gesetzes.

Der Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN fordert Gespräche der Landesregierung mit den Kreisen und kreisfreien Städten, um die Regelsätze zu 100 % bei der Bemessung der Einkommensgrenzen anzusetzen, daraus entstehende Mehrkosten durch die frei werdenden Mittel aus den Sozialstaffeln für das gebührenfreie letzte Kita-Jahr zu decken und ab 2010 eine landeseinheitliche Sozialstaffelregelung durchzusetzen. Ich begrüße es sehr, dass die antragstellende Fraktion nicht einfach einen Antrag zur Gesetzesänderung eingebracht hat, der unweigerlich Konnexität ausgelöst hätte.

Regelmäßige und intensive Gespräche zwischen allen Partnern, die Verantwortung für den quantitativen Ausbau und die qualitative Verbesserung der Betreuung von Kindern unter drei Jahren und derjenigen im Kindergartenalter tragen, sind notwendig und finden auch regelmäßig statt. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer solchen Konsensfindung ist nun allerdings zu berücksichtigen, dass die 85-%-Regelung gerade auf Wunsch eines kommunalen Landesverbandes ins Kita-Gesetz aufgenommen wurde. Die Bereitschaft zu einer grundsätzlichen Neuordnung wird daher äußerst gering sein. Es scheint mir auch eine irrige Annahme zu sein, dass die Neuregelungen zur Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres zu verminderten Kosten der Kreise bei der Ausgestaltung der Sozialstaffel führen.

Was wir uneingeschränkt teilen, ist der Wunsch nach einer einheitlichen und transparenten Sozialstaffel. Diese werden wir auch in Zukunft brauchen, auch dann, wenn wir Mehrheiten für unseren Wunsch nach Kostenfreiheit aller drei Jahre erhalten haben, weil für die Betreuungszeit über fünf

Stunden pro Tag hinaus auch künftig Beiträge erhoben werden. Das Grundanliegen des Antrags der Grünen teilen wir; wir sind nicht davon überzeugt, dass der von ihnen aufgezeigte Weg der richtige ist. Ich schlage deswegen vor, dass wir uns damit im Bildungsausschuss und im Sozialausschuss befassen, und beantrage Überweisung an diese Ausschüsse.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Höfs. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die im Antrag der Grünen erhobene Forderung nach landesweit einheitlichen Rahmenbedingungen für die Sozialstaffel der Kindertageseinrichtungen entspricht seit Langem der Position der FDP. Ich habe zuletzt im Februar 2008 im Rahmen der Diskussion über die Initiative „Kein Kind ohne Mahlzeit“ auf diese Thematik hingewiesen und diese Forderung für meine Fraktion im Landtag erhoben.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Die Sozialministerin und die Bildungsministerin, die beiden zuständigen sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder, haben es aber bislang nicht zustande gebracht, eine solche landeseinheitliche, transparente Sozialstaffelregelung für Schleswig-Holstein einzuführen. Die Initiative der Grünen wird von uns - das ist klar - selbstverständlich unterstützt. Ich möchte aber resümieren: Was wir hier diskutieren, ist wirklich ein Bankrott sozialdemokratischer Politik.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt keine landeseinheitliche Sozialstaffel. Die Beitragshöhe richtet sich nach der Postleitzahl. Ich brauche nur die „Kieler Nachrichten“ von heute mit ihrem Artikel über die Kita-Thematik zu zitieren, dessen Untertitel lautet: „Geringverdiener zahlen die bundesweit höchsten Elternbeiträge“.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holsteins Sozialdemokraten sind damit verantwortlich für die unsozialste Kita-Politik in ganz Deutschland.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

(Astrid Höfs)

Bereits im Februar letzten Jahres hat eine Studie, die die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft gemeinsam mit der Zeitschrift „Eltern“ in Auftrag gegeben hat, im bundesweiten Vergleich dargelegt, dass die schleswig-holsteinischen Kommunen die Bezieher geringer und mittlerer Einkommen um es zu konkretisieren: bis zur Höhe von maximal 25.000 € Jahreseinkommen - am stärksten belasten. Eltern, die ein Kind im Kindergarten haben, zahlen, wenn sie zu dieser Einkommensgruppe gehören, in Baden-Württemberg maximal 80 € im Monat, in Schleswig-Holstein betragen die Kita-Gebühren für sie zwischen 90 und 130 €.

Dazu noch ein konkretes Beispiel, das sich auf die Hansestadt Lübeck bezieht. Dort haben Eltern, die zu dieser Einkommensgruppe gehören, im Jahr für ein Kind Kita-Beiträge in Höhe von 1.692 € zu zahlen - 1.692 €! Bezogen auf das zu dieser Einkommensgruppe zählende maximale Jahreseinkommen von 25.000 € bedeutet das, dass sie 7 % ihres Jahreseinkommens für die Finanzierung der Kita-Gebühren für ihr Kind aufwenden müssen - 7 %!

(Zurufe von der FDP: Für ein Kind!)

- Eines Kindes!

Meine Damen und Herren, wenn frühkindliche Förderung über spätere Chancen im Leben entscheidet - und das ist ja so -, dann sind in Schleswig-Holstein die Hürden für Kinder aus einem Elternhaus mit geringem Einkommen zu hoch.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Chancengleichheit hängt in Schleswig-Holstein vom Wohnort ab: nicht nur bei den Kindergartengebühren, sondern auch bei der Frage, für wie viele Stunden am Tag die Sozialstaffel gilt. In einigen Kreisen, etwa Plön und Ostholstein, sind es nur vier Stunden, in anderen Regionen, etwa Kiel, sind es acht Stunden. Wie sozial ist die Sozialstaffel, wenn ausgerechnet die Kinder aus Elternhäusern mit geringem Einkommen früher nach Hause geschickt werden müssen, weil die Eltern nicht in der Lage sind, einen Kita-Platz für mehr Stunden zu finanzieren?

Chancengleichheit sieht anders aus. Das regelmäßige Beschwören der Chancengleichheit durch den Genossen Stegner bekommt hier einen ziemlich faden Beigeschmack. Immerhin ist die SPD seit 20 Jahren in der Landesregierung für die Bereiche Bildung und Soziales zuständig. Die immer wieder auch an dieser Stelle betonten sozialdemokratischen Forderungen, dass Bildung nicht vom Geldbeutel

abhängen dürfe, entpuppen sich in der Praxis als reine Sonntagsreden, als pure politische Seifenblasen.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine Damen und Herren, wer auf der einen Seite Beitragsfreiheit für alle Kinder in den Kindergärten fordert und auf der anderen Seite nicht einmal in der Lage ist, einheitliche Rahmenbedingungen für alle Kinder bei der Sozialstaffel herzustellen, ist schlicht und ergreifend unglaubwürdig.

(Beifall bei der FDP)