Auch ist es richtig, dass mit Investitionsmaßnahmen versucht wird, den konjunkturellen Einbrüchen entgegenzuwirken, und dass es falsch wäre, gegen die Krise ansparen zu wollen.
Dennoch: Auch und gerade in der jetzigen Situation müssen die richtigen Weichen gestellt werden, um den Landeshaushalt zukunftsfest zu machen und um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, entweder die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse durch eigene Kraftanstrengungen umzusetzen zu können oder glaubhaft zu dokumentieren, dass unser hoch verschuldetes Land die Vorgaben der Schuldenbremse ohne weitere Hilfen des Bundes nicht umsetzen kann.
Mit dem Nachtragshaushalt verweigert sich die Große Koalition aber genau dieser Weichenstellung. Alle im Nachtragshaushalt aufgeführten strukturellen Maßnahmen haben keinerlei rechtliche Bindung.
„Die beschriebenen Maßnahmen sind Ausdruck des festen Willens der Landesregierung, den Haushalt weiter zu konsolidieren.“
Man hätte also genauso gut eine Pressemitteilung in dem Nachtragshaushalt mit abdrucken können, das hätte die gleiche Rechtsverbindlichkeit gehabt.
Die Große Koalition hat es in den letzten Jahren versäumt, die notwendigen strukturellen Sparmaßnahmen zu beschließen. Die vollmundigen Ankündigungen der CDU im letzen Wahlkampf haben sich allesamt in Luft aufgelöst. Weder wurde eine Verwaltungsreform umgesetzt, noch wurden Stellen in relevanter Größenordnung gekürzt, und Aufgaben sind auch nicht weggefallen - weder für das Land, noch für die Kommunen.
Nach vier Jahren CDU-Finanzminister, CDU-Entbürokratisierungsstaatssekretär und CDU-Ministerpräsident lässt sich nüchtern feststellen: Die Haushaltspolitik der Großen Koalition ist gescheitert.
Die Ausgaben des Landes sind gestiegen - Herr Kubicki hat es eben genannt -, die Verschuldung ist gestiegen, und der von Rot-Grün umgesetzte konsequente Abbau von durchschnittlich 220 Stellen pro Jahr wurde von der Großen Koalition gestoppt.
Herr Wiegard, hätten Sie unseren Kurs beibehalten, so hätten Sie in dieser Legislaturperiode 1.100 Stellen in der Verwaltung abgebaut. Das ist das Ziel, auf das Sie sich jetzt mühsam im Koalitionsausschuss für 2015 haben einigen müssen. Ich sage nur, was wir gemacht haben, rechne das hoch auf Ihre Zeit und stelle fest: Sie haben selbst dieses nicht weitergeführt.
Dass Ihre Verabredung im Koalitionsausschuss kein Kraftakt ist, wie Sie immer wieder betonen, sondern ein ungedeckter Scheck auf die Zukunft, zeigt auch die Tatsache, dass Sie mit dem Stellenabbau nicht etwa 2009 oder 2010 beginnen wollen, nein, Sie verschieben das auf 2011. Welch durchsichtiges Manöver, sich für Beschlüsse feiern zu lassen, die dann das nächste Parlament umsetzen soll!
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unglaublich!)
Im Nachtragshaushalt finden sich jedenfalls nur acht Stellen - oder auch sieben, sie sind benannt worden. Würde man das Tempo der Großen Koalition - vier Stellen pro Jahr - weiter beibehalten, so brauchten wir bis zum Jahr 3209, um, wie beabsichtigt, die von Ihnen gewünschten und festgeschriebenen 4.800 Stellen abzubauen.
(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Wolf- gang Kubicki [FDP]: So lange bleibt Car- stensen nicht mehr im Amt! - Günter Neuge- bauer [SPD]: Und ich nicht im Landtag!)
Herr Wiegard, schieben Sie nicht immer nur die Schuld auf Ihren Koalitionspartner SPD. Wir haben neun Jahre lang gute Erfahrungen mit der SPD gemacht, wenn es darum ging, die Personalbudgets so eng zu stricken, dass sich daraus ein kontinuierlicher Stellenabbau ergeben hat. Klare Vorgaben statt verbaler Kraftmeierei sind aber auch deshalb zwingend notwendig, weil der Abbau von Stellen kein Selbstzweck sein darf, sondern gut begründet und verantwortbar gestaltet werden muss. Dies hat die von Landespolizeidirektor Hamm eröffnete Diskussion um die Belastung und die Leistungsfähigkeit der Polizei gezeigt. Die Aussage von Teilen der Großen Koalition, man könne mal eben 150 Stellen bei der der Polizei und 140 Stellen bei der Justiz einfach abbauen - und niemand würde es merken -, ist Augenwischerei.
(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Wolfgang Kubicki [FDP] Personaleinsparungen werden sich im Alltag im- mer bei den Betroffenen in den Behörden auswir- ken. Denn auch die Verwaltungsaufgaben bei der Polizei, die Sie jetzt anscheinend nicht mehr durch Polizisten durchführen lassen wollen, müssen erle- digt werden, oder sie werden abgeschafft. - Dann sagen Sie uns, welche überflüssigen Aufgaben es dort gibt. Wer Personal abbauen will, muss deshalb Aufga- benbereiche definieren, die zukünftig wegfallen können. Wir haben dazu einen - wenn auch kleinen - Vorschlag mit den 26 Stellen des Polizeiorche- sters gemacht. Dass Sie selbst diese kleine struktu- relle Maßnahme heute wieder ablehnen werden, zeigt doch, dass Sie es mit Ihrer Vorgabe, tatsäch- lich Stellen einzusparen, überhaupt nicht ernst mei- nen. (Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Dreifache dessen, was sie vorschlagen!)
Meine Damen und Herren, ich frage mich, wenn Sie dies ablehnen: Glauben Sie eigentlich selbst an ihre lauthals verkündeten Ziele?
Wenn bis 2015 in allen Verwaltungsbereichen außer Polizei, Justiz, Steuern und Schulen zusätzlich noch 1.100 Stellen abgebaut werden sollen, heißt das, dass künftig in diesen Bereichen mindestens jede zweite Stelle wegfallen muss, die durch Altersabgang frei wird. Es werden nach den Zahlen der Landesregierung in allen Verwaltungsbereichen bis 2015 aber nur insgesamt 1.859 Stellen überhaupt durch Altersabgänge frei. Das alles scheint Ihnen gar nicht klar sein, wenn Sie Ihre Beschlüsse laut verkünden.
Der Nachtragshaushalt dokumentiert deshalb in erschreckender Weise das Versagen der Großen Koalition in den letzen vier Jahren. Strukturelle Weichen wurden und werden nicht gestellt. Verwaltungsreform - Fehlanzeige! Stellenabbau - Fehlanzeige! Kürzungen bei den Förderprogrammen Fehlanzeige!
Es ist schon dreist, die komplette zusätzliche Neuverschuldung im Nachtragshaushalt schlicht als konjunkturell bedingte Nettokreditaufnahme zu bezeichnen. Meine Damen und Herren, was haben Sonderausgaben für die Folgen der Schweinegrippe oder auch Einnahmeausfälle bei der Oberflächenwasserentnahmeabgabe mit konjunkturellen Entwicklungen zu tun? - Gar nichts!
Weil die Bilanz der großen Koalition nach vier Jahren gemeinsamer Haushaltspolitik so peinlich und so ernüchternd ist, hat die CDU in den letzten Wochen noch einmal schnell versucht, der SPD komplett die Schuld dafür zu geben. Die SPD würde alle Sparbemühungen unterwandern, so diskutiert die CDU das mehr oder weniger öffentlichkeitswirksam. Letzte Woche legte die Union dann noch einmal nach und streute das Gerücht, man würde auf Drängen des Ministerpräsidenten nun tatsächlich an Sparlisten arbeiten, es sei nur noch nicht genug im Topf, weil die SPD-Ministerin mal wieder blockieren würden. 100 Millionen €, so ließ die Union laut Presse durchsickern, müssten im ersten Anlauf in den Spartopf kommen. Diesmal seien die Vorgaben wirklich ernst gemeint. Der Herr Ministerpräsident drohte einmal wieder mit Koalitionsbruch, was ja ein regelmäßiges Ritual zu werden scheint.
Was der ganze Zauber soll, erschließt sich uns aber nicht, denn der Finanzminister selbst hat ja im Fi
nanzausschuss deutlich gemacht, dass er überhaupt keinen weiteren Nachtragshaushalt plant, um etwaige Sparlisten, die dort scheinbar erarbeitet werden oder auch nicht, in Form eines Nachtragshaushalts umzusetzen. Das nenne ich kraftvoll und entschieden das Ruder herumreißen, Herr Finanzminister!
Der Landesrechungshof hat im Finanzausschuss schon einmal angemahnt, dass nun tatsächlich gehandelt werden müsse, damit - so Präsident Altmann; ich hoffe, ich zitiere Sie richtig - „der Finanzminister nicht wieder erfolglos wegdümpelt.“
Wie wenig kraftvoll die Absichtserklärung der Großen Koalition ist, dokumentieren die beabsichtigten strukturellen Maßnahmen im Vorwort des Nachtragshaushaltes.
„Durch eine Reduzierung der Aufgaben im kommunalen Bereich in Form von Aufgabenverzicht, Deregulierung und Umwandlung von Aufgaben soll die kommunale Ebene nachhaltig von Kosten entlastet werden.“
Meine Damen und Herren von der CDU, haben Sie nicht genau für diese Aufgabe vor vier Jahren einen Entbürokratisierungsstaatssekretär eingestellt, bezahlt und beschäftigt, damit er genau diese Aufgabe macht? Wo ist das Ergebnis? - Fehlanzeige. Stattdessen wieder Lyrik im Vorwort des Nachtragshaushalts.
Meine Damen und Herren, der heute zur Abstimmung stehende Nachtragshaushalt ist eine Dokumentation des Scheiterns dieser Großen Koalition. Deshalb wird meine Fraktion dem nicht zustimmen.
Für die Abgeordneten des SSW des Schleswig-Holsteinischen Landtags erteile ich der Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nicht möglich, den heute zu beschließenden Nachtragshaushalt isoliert zu betrachten. Denn wichtiger noch als das konkrete Zahlenwerk sind die Begleitumstände dieses 2. Nachtragshaushalts. Auch die beiden vorhergehenden Tagesordnungs
punkte hängen eng mit dem Nachtragshaushalt zusammen. Dazu gehören aber auch die Krise unserer Wirtschaft nach dem Kollaps der Finanzmärkte und die düstere Realität der Mai-Steuerschätzung. Für 2009 führt dies alles zu einem Defizit von mehr als 526 Millionen € und für 2010 zu einem zusätzlichen Minus von rund einer Milliarde €. Das Land muss somit seine Kreditaufnahme in diesem Jahr auf über 1 Milliarde € und im nächsten Jahr auf 1,6 Milliarden € erhöhen.
Hinzu kommen Veränderungen im Landeshaushalt, die teils auf weniger Einnahmen, zum Beispiel aus der Spielbank-Abgabe, und teils auf steigende Ausgaben, zurückzuführen sind. Zu Buche schlägt zum Beispiel, dass das Land wegen der sogenannten Schweinegrippe zusätzliche Grippe-Medikamente im Wert von 3,9 Millionen € vorhalten muss. Dass auch die weitere Umsetzung des Konjunkturprogramms des Bundes einen Nachtragshaushalt rechtfertigt, sei in diesem Zusammenhang nur am Rande bemerkt. Im Ergebnis verbleibt eine Deckungslücke, die nicht nur einen Anstieg der Nettokreditaufnahme, sondern auch eine steigende Zinsbelastung bedeutet.
Geschätzt werden laut Finanzministerium Mehrausgaben von 10 Millionen und 40 Millionen € in 2009 und 2010. Damit ist der beschlossene Doppelhaushalt von 2009 und 2010 auch nicht mehr verfassungskonform. Denn im Sinne der Landesverfassung ist das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Schleswig-Holstein nachhaltig gestört. So auch sehr detailliert nachzulesen in den Bemerkungen zum Nachtragshaushalt.
Zu den neuen Rahmendaten des Landeshaushalts gehören weiterhin, dass Schleswig-Holstein ein jährliches strukturelles Defizit von derzeit 600 Millionen € vor sich herschiebt, das sich durch die neuen steuerpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung deutlich erhöhen wird. Vor diesem Hintergrund begrüßt der SSW, dass Finanzminister Wiegard dem Bürgerentlastungsgesetz des Bundes im Bundesrat nicht zugestimmt hat, weil dies erhebliche Einnahmeverluste für das Land bedeutet.
Ich will aber auch nicht verhehlen, dass mich die Entschlossenheit des Finanzministers, hier gegen den Strom zu schwimmen, nicht wirklich überzeugt hat, zumal wir es bei dem genannten Gesetz im Kern mit der Umsetzung eines Urteils zu tun haben, das das Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung bis 2010 aufgetragen hat. Dabei geht es unter anderem um die bessere Absetzbarkeit von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Landesregierung hätte also schon sehr viel früher in
Aktion treten müssen, wenn es darum geht, dem Bund deutlich zu machen, dass derjenige, der die Musik bestellt, sie auch zu zahlen hat. Ich kann mich noch an frühere Zeiten erinnern, in denen die CDU auch die Einführung eines Konnexitätsprinzips auf Bundesebene forderte.
Dann stünden wir vielleicht viel besser da als heute, wo wir uns zum Abbau unseres strukturellen Defizits mit Konsolidierungshilfen von 80 Millionen € zufrieden geben müssen. Richtig ist aber, dass sich für Schleswig-Holstein die Auswirkungen von Bundesgesetzen im kommenden Jahr auf mehr als 300 Millionen € summieren. Das strukturelle Defizit des Landes wird damit um nahezu 50 % erhöht, weil diese Wirkungen dauerhaft sind. Die fehlenden Einnahmen müssen mit anderen Worten durch die Aufnahme zusätzlicher Schulden finanziert werden, was wiederum deutlich macht, auf welch tönernem Fundament die Schuldenbremse des Bundes steht.
Hinzu kommt, dass es bisher keine Absprache zwischen Bund und Ländern gibt, die regelt, wie die Aufnahme von Krediten durch die öffentliche Hand künftig gestaltet werden könnte oder sollte. Soll heißen, weil der Bund von den Ratingagenturen besser beurteilt wird als die meisten Bundesländer, erhält er Kredite zu besseren Konditionen als zum Beispiel Schleswig-Holstein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das war auch ein Thema der vorhin vom Finanzausschussvorsitzenden genannten Informationsreise des Finanzausschusses, wo wir uns die Finanzkrise in Frankfurt und Wiesbaden ansehen wollten.