Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen das Anliegen, jungen Leuten die praktische Möglichkeit zu geben, sich mit politischen Strukturen, Abläufen und Entscheidungsfindungen vertraut zu machen. Wir haben regelmäßig Praktikantinnen und Praktikanten in unserer Fraktion, die entgegen einem weit verbreiteten Glauben nicht zum Kaffeekochen oder Fotokopieren da sind, sondern sich in aller Regel weit über das, was man erwarten kann, in Themen einarbeiten, mit denen sie bisher noch nie konfrontiert waren, und wertvolle Zuarbeit leisten.
Die Grünen schlagen die Möglichkeit vor, das Freiwillige Soziale Jahr auch im politischen Bereich zu absolvieren. Damit würden wir kein Neuland betreten; dieses Modell wird bereits in Sachsen, Sachsen-Anhalt und auch in Niedersachsen ausprobiert, hat sich aber noch nicht sehr weit verbreitet. In Niedersachsen gibt es nur acht von insgesamt 1.500 FSJ-Plätzen in diesem Bereich.
Ich spreche mich im Grundsatz klar dafür aus, dem Vorschlag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu folgen. Ich halte es auch für richtig, dass der Antrag die möglichen Institutionen, bei denen ein FSJ Politik abgeleistet werden kann, auf die politischen Stiftungen, die Verwaltung und Gremien der Parlamente auf Landesebene und kommunaler Ebene und Einrichtungen der politischen Bildung beschränkt. Sachsen-Anhalt schließt hingegen auch die Landtagsfraktionen ein. Der nächste logische Schritt wären dann die politischen Parteien selbst. Da bin ich eher skeptisch und vorsichtig. Bei jeder möglichen Einsatzstelle muss natürlich geprüft werden, ob sie im Sinn des Jugendfreiwilligendienstgesetzes bezuschussungsfähig ist. Das könnte - ich betone könnte - schon die erste unüberwindbare Hürde bei den Parteien und Fraktionen sein, weil sie sich sehr schnell dem Verdacht aussetzen würden, sich auf Kosten des Steuerzahlers mit Arbeitskräften zu versorgen.
Ich habe auch noch eine andere Befürchtung: Im unmittelbar parteipolitischen Bereich ist das Risiko viel größer als in kulturellen, sozialen Einrichtungen oder Umwelteinrichtungen, dass die jungen Menschen mit falschen Erwartungen ins FSJ gehen und dann enttäuscht werden. Politikferne hat oft auch mit Unkenntnis zu tun, Unkenntnis der politischen Strukturen, der Abläufe, Grenzen und Möglichkeiten. Ein FSJ Politik kann natürlich dazu beitragen, gegen diese Unkenntnis zu wirken.
Wir sollten und müssen ganz intensiv darüber diskutieren, wie wir das vorantreiben können. Auf jeden Fall - das finde ich besonders wichtig - sollten wir unsere aktiven Jugendverbände in SchleswigHolstein in diese Diskussion einbeziehen und es nicht allein entscheiden.
Das Freiwillige Soziale Jahr Politik kann nur Bestandteil des FSJ sein, kein Parallelangebot. Ebenso müssen wir schauen, ob wir zusätzliche Stellen ausweisen - das halte ich in der Haushaltslage ausgesprochen schwierig - oder ob wir außer dem jetzi
Ich denke, wir sollten den Antrag der Grünen wenn ich das jetzt so überhaupt noch sagen kann in den Sozialausschuss überweisen, wo wir mit der Landesregierung über die Feinheiten bei der Einrichtung des FSJ Politik reden können. In der augenblicklichen Situation schlage ich vor, die einzelnen Parteien oder Fraktionen wenden sich an die Jugendverbände und diskutieren das.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Nabel! Es gäbe Schlimmeres. Ich glaube, da sind wir uns einig.
Der Erfolg des Freiwilligen Sozialen Jahres und des Freiwilligen Ökologischen Jahres in SchleswigHolstein zeigt ganz deutlich, dass sich junge Menschen gern und vielfältig für gesellschaftliche Belange einsetzen. Ich kann das nur ausdrücklich unterstreichen. Diese vielbeschworene Null-Bock-Generation oder Shopping-Generation ist ein Vorurteil, ein Klischee. Die gibt es so nicht. Das kann man ganz deutlich sagen. Das dokumentiert auch die jüngste Shell-Studie. Jugendliche, die an einem solchen Freiwilligenjahr teilgenommen haben, geben an, neue Erfahrungen gesammelt oder sogar einen ganz anderen Blick auf ihre ursprünglich angestrebte Berufswahl gewonnen zu haben.
Ein Freiwilligenjahr hat ihre Neugier auch für ganz andere Dinge geweckt. Allen gemeinsam ist, dass sie neue Herausforderungen mit mehr Selbstbewusstsein und mehr Selbstständigkeit annehmen wollen. Auffällig ist, dass sich Jugendliche zwar für Politik interessieren, sich aber in unserem demokratischen System irgendwie fremdbestimmt fühlen. Dieses Gefühl dient dann als Begründung dafür, etwa nicht zur Wahl zu gehen. Schlimmer noch: Die Unkenntnis darüber, wie politische Entscheidungsprozesse zustande kommen und welche Möglichkeiten, aber auch welche Grenzen es bei der politischen Gestaltung gibt, hat einen hohen Anteil daran, dass sich Jugendliche bedauerlicherweise viel zu oft von der Politik abwenden.
Anstatt sich nur in Internetforen über den Sinn oder Unsinn politischer Entscheidungen auszutauschen oder zu beschweren, sollten nach Meinung unserer Fraktion Jugendliche deshalb die Gelegenheit bekommen, sich in einem politischen Bildungsjahr aktiv in politische Institutionen einbringen zu können.
Mit der Einführung eines Freiwilligen Sozialen Jahres Politik, das es bereits in Sachsen, SachsenAnhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gibt, können Jugendliche Strukturen, Aufgaben und Arbeitsabläufe politisch relevanter Institutionen kennenlernen. Die dort gesammelten Erfahrungen sind dabei jedenfalls bis jetzt durchweg positiv.
Aus diesem Grund wird von uns der vorliegende Antrag zur Einführung eines solchen politischen Freiwilligenjahres auch unterstützt. Jugendliche erhalten in einem solchen Freiwilligenjahr die Möglichkeit, politische und gesellschaftliche Ereignisse aus der Nähe mitzuerleben. Ich denke, über die Einwände, die Sie, Frau Kollegin Redmann, im Hinblick auf Parteien und Fraktionen erhoben haben, müssen wir im Ausschuss offen diskutieren. Ich finde das Kennenlernen der Fraktionsarbeit grundsätzlich spannend. Deswegen würde ich gern darüber noch einmal diskutieren.
Davon profitieren übrigens beide Seiten. Jugendliche erfahren, wie politische Entscheidungen entstehen. Es sind nicht mehr nur „die da oben“, die doch nur das machen, was sie wollen, und im Zweifel sowieso keine Ahnung haben. Der Umgang mit demokratisch legitimierten Volksvertretern wird für sie selbstverständlich. Hemmschwellen können abgebaut werden. Aber davon profitieren wir auch. Denn Jugendliche haben dann die Gelegenheit, Gleichaltrigen zu erzählen, wie sie die Arbeit in Parlamenten von Volksvertretern, in Stiftungen erlebt haben und erleben dürfen.
Wie sehr beide Seiten davon profitieren, zeigt in Schleswig-Holstein bereits „Jugend im Landtag“. Hier erhalten Jugendliche erste Einblicke in die Arbeit eines Parlaments. Gleichzeitig lernen sie in der politischen Auseinandersetzung Respekt und Toleranz gegenüber anderen Auffassungen.
- Ich finde, das kann man pauschal auch nicht so sagen. Die dann gefundenen Ergebnisse geben dem Landtag zumindest, liebe Sandra Redmann, die Rückkopplung über die Wünsche und Ideen von Jugendlichen an die Politik. Man kann sicherlich noch mehr daraus machen, aber die Rückkopplung besteht schon einmal. Und die Hemmschwelle ist bei den Teilnehmern mit Sicherheit geringer als bei denjenigen, die nicht die Möglichkeit haben teilzunehmen.
Die Einführung eines Freiwilligen Sozialen Jahres Politik ist deshalb ein weiterer Mosaikstein in der politischen Bildung und kann dazu beitragen, dass Politik als ganz prägender Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft verstanden wird und eben nicht nur ein Schattendasein führt, sozusagen als abstraktes Konstrukt nebenherläuft. Damit wird das politische Interesse und die Bereitschaft zur Teilhabe gestärkt.
Der politische Freiwilligendienst ist eine sinnvolle Ergänzung der bereits bestehenden Angebote. Deshalb ist es richtig, angesichts der Haushaltslage ganz ergebnisoffen zu prüfen, ob solche Plätze zusätzlich oder unter der Reduzierung der bisherigen Plätze eingerichtet werden können, ob man also zunächst einmal aus dem Vorhandenen schöpft und daraus Arbeitsplätze schafft, oder ob man zusätzliche freie Stellen anbietet.
Das im Jahr 2009 von CDU und FDP in Niedersachsen beschlossene Freiwillige Soziale Jahr Politik startet am 1. September 2009 mit zehn zusätzlich beschlossenen Einsatzstellen.
Wir sollten deshalb im Sozialausschuss gemeinsam - das müssen wir - mit den Kollegen Finanzpolitikern klären, wie wir ein Freiwilliges Soziales Jahr Politik finanzieren können. Aber darüber, dass es eine gute Sache ist, besteht Einvernehmen. Dann lohnt es sich auch, daran weiterzuarbeiten.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wahrscheinlich hat jeder einzelne von uns schon einmal erlebt, welchen Frust Politikverdrossenheit bei den Bürgerinnen und Bürgern auslösen kann. Da heißt es dann: ,,Das sind die da in Kiel“, oder: ,,Die wissen ja gar nicht mehr, was bei uns eigentlich passiert“. Aufgrund zunehmender Frustration gegenüber den Aufgaben und Strukturen in der Politik gehen viele Menschen nicht mehr zu den Wahlen, interessieren sich nicht mehr für politische Geschehnisse und schon gar nicht für politische Teilhabe. Dieses Verhalten rührt vor allem aus der Unkenntnis vieler Menschen über das politische System, seine Aufgaben, seine Chancen und auch seine Grenzen.
Mit dem von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geforderten Freiwilligen Sozialen Jahr Politik wird aus Sicht des SSW daher ein Instrument geschaffen, um bei der Politikverdrossenheit besonders jüngerer Menschen anzusetzen. Das begrüßen wir grundsätzlich. Gleichwohl haben auch wir einige Anmerkungen zu der Umsetzung dieses Antrags.
Bisher haben wir in Schleswig-Holstein bereits das Freiwillige Ökologische Jahr, das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Soziale Jahr Kultur. Das wissen Sie alle. Damit gibt es verschiedenste Möglichkeiten, einen Dienst an der Allgemeinheit zu tun und bürgerschaftliches Engagement zu erproben. Ziel eines Freiwilligen Sozialen Jahres Politik darf nach Auffassung des SSW aber nicht nur das Kennenlernen von Strukturen, Aufgaben und Arbeitsabläufen in politisch relevanten Institutionen sein. Vielmehr muss das Freiwillige Jahr als ein Bildungs- und Orientierungsjahr gesehen werden, bei dem die persönliche Weiterentwicklung der Jugendlichen und die Entfaltung ihrer Kompetenzen im Vordergrund stehen.
Ich sage noch einmal ganz deutlich: Ein Freiwilliges Soziales Jahr Politik darf unserer Meinung nach nicht zu einer Politikerrekrutierungsanstalt verkommen. Es geht vielmehr um den Prozess der Menschwerdung der Jugendlichen, um die Entwicklung ihrer Persönlichkeit und ihres Verantwortungsbewusstseins durch das Erlernen politischen Handelns.
Unserer Meinung nach sind daher die von den Grünen vorgeschlagenen Institutionen für ein solches Freiwilliges Jahr nicht uneingeschränkt empfehlenswert. Die Kollegin Birk hat ja auch gesagt, darüber könne man noch reden. Das freut mich.
Da es nicht darum gehen kann, kleine Politikerinnen und Politiker auszubilden, sehen wir von den Verwaltungen und Parteien als Institutionen für dieses Freiwillige Soziale Jahr Politik ab. Das wollen wir nicht. Stattdessen sollten vielmehr Einrichtungen wie eben politische Stiftungen, Einrichtungen der politischen Erwachsenenbildung und Gewerkschaften den Rahmen abgeben.
Weiterhin darf die Einrichtung eines FSJ Politik nicht zulasten der bisherigen Plätze des bisherigen Freiwilligen Sozialen Jahres gehen. Es sollen nicht die bestraft werden, die bereits erfolgreich arbeiten. Die Plätze müssen also entweder zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Angebot eingerichtet werden, oder aber die Struktur muss komplett verändert werden.
Die Sparteneinteilung der Freiwilligenjahre wirkt mittlerweile sowieso ein bisschen künstlich. Darum schlage ich vor, dass man diese Einteilung aufhebt und ein allgemeines Freiwilliges Jahr einrichtet, in dem verschiedene Schwerpunkte möglich sind.
Der Landesrechnungshof hat in seinen Bemerkungen 2009 die vielen Plätze in Schleswig-Holstein für das Freiwillige Ökologische Jahr kritisiert. Hier wird sowohl eine Reduzierung der Plätze als auch eine Reduktion der Ausstattung und der Betreuung gefordert. In den letzten Jahren hat sich die Einrichtung der Freiwilligenjahre jedoch nachhaltig bewährt. Zwischen den Bundesländern herrscht ein reger Austausch, ein Geben und Nehmen. Dass Schleswig-Holstein in der Bereitstellung von Plätzen eine Spitzenposition innehat, ist aus Sicht des SSW positiv hervorzuheben, und diese Vorreiterrolle unseres Landes muss auch in Zukunft erhalten bleiben.