Protokoll der Sitzung vom 17.07.2009

Diese schleswig-holsteinische SPD und diese SPDFraktion sind regierungsfähig und regierungswillig. Neuwahlen brauchen wir nicht zu fürchten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wer soll Sie denn wählen? -Weitere Zurufe von CDU und FDP)

Wir sind zuversichtlich, dass die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner, die kluge Menschen sind,

(Beifall bei CDU und FDP - Claus Ehlers [CDU]: Ja, genau!)

für faire Bildungschancen ohne Gebühren, für eine Energiewende ohne Atom und für gute Arbeit, von der man leben kann, eintreten.

(Beifall bei der SPD)

Wir sind ganz sicher, dass die schwarz-gelbe AntiMindestlohn-, die Atom- und die Studiengebührenpolitik von gestern nicht mehrheitsfähig ist.

Wir haben Zukunftskonzepte, die Innovation und Gerechtigkeit verbinden. Und wir trauen uns sogar zu, bei der dringend erforderlichen Haushaltskonsolidierung durchgreifende Verwaltungsreformen zu beschließen, auch wenn das Parteifunktionären nicht gefällt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der bequeme Weg, dass sich der Landtag selbst auflöst, wenn der Ministerpräsident gescheitert ist, gibt es in diesem Haus mit den Sozialdemokraten nicht.

(Beifall bei der SPD)

In der aktuellen wirtschaftlichen Situation, in der es Tausende Kurzarbeiter gibt, viele Menschen vor ihrer Entlassung stehen, um ihren Arbeitsplatz fürchten, in der Unternehmen vor dem Aus stehen, in der Steuereinnahmen einbrechen und die Sozialabgaben steigen, darf sich diese Regierung nicht einfach vom Acker machen und aus der Verantwortung stehlen. Sie, Herr Carstensen, Sie, Herr Kollege Wadephul, flüchten aus der Verantwortung.

(Beifall bei der SPD)

Seit Björn Engholm und Heide Simonis haben wir Regierungsverantwortung immer anders verstanden und diesem Land und seinen Menschen gedient, und das gilt auch in der erzwungenen Großen Koalition, in der wir mit Schulreform, Pflegereform, kostenfreiem Kita-Jahr und vielem anderen mehr Gutes bewirkt haben. Ja, ich sage auch - das sage ich ausdrücklich trotz der Stimmung heute in diesem Haus -, dass nach Jahrzehnten buchstäblicher Feindschaft zwischen den großen Parteien eine Große Koalition in Schleswig-Holstein durchaus auch ein Beitrag zur parlamentarischen Normalisierung hätte sein können.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ohne Sie, schon! - Weitere Zurufe)

Nun aber wollen Sie, Herr Carstensen und Herr Dr. Wadephul, mit diesem Koalitionsbruch vermeiden, dass darüber ernsthaft Bilanz gezogen wird.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Un- glaublich!)

Der klarste Weg, Herr Ministerpräsident, wenn Sie nicht mehr können oder wollen, ist Ihr Rücktritt von diesem Amt.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Dann wird doch das Parlament nicht aufgelöst! Was sind Sie für ein Verfassungs- jurist!)

Wenn Sie diesen Weg nicht gehen - ich kann ja verstehen, dass Sie das nicht wollen -, dann sollten Sie sich der anderen Möglichkeiten bedienen, die zur Neuwahl führen, auch wenn dann der schöne Schein ein paar Kratzer mehr bekommt, und das wird so sein.

(Dr. Ralf Stegner)

Ihr Antrag wird am Montag keine Mehrheit finden, und es wird dann in der nächsten Woche rasch zu klären sein, wie der Weg zu vorgezogenen Neuwahlen erfolgen kann. Der Ball ist in Ihrem Spielfeld. Die Sozialdemokraten haben diese Situation nicht herbeigeführt. Neuwahl ja, aber bitte verschonen Sie uns mit solchen Anträgen und unredlichen Begründungen.

(Beifall bei der SPD)

Die noch so treuherzige Rhetorik des amtierenden Ministerpräsidenten kann über die parteitaktische und längst kalt vorbereitete Inszenierung von heute nicht hinwegtäuschen.

(Zuruf von der CDU: Das ist falsch!)

Ich sage Ihnen: Die SPD-Landtagsfraktion wird am Montag Ihren Antrag geschlossen zurückweisen.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Oppositionsführer und Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort. - Gleichzeitig darf ich auf der Tribüne den Landesvorsitzenden der FDP und Bundestagsabgeordneten Jürgen Koppelin begrüßen.

(Beifall - Wolfgang Kubicki [FDP]: Dr. Jür- gen Koppelin! - Heiterkeit)

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Rede des Fraktionsvorsitzenden der SPD ist mir klar geworden, warum die „Lübecker Nachrichten“ Psychotherapeuten beschäftigen, um sein Verhalten zu erklären.

(Beifall bei der FDP)

In einer unglaublichen Art und Weise hat er den Ministerpräsidenten dieses Landes und den CDUTeil der Regierung attackiert, um gleichzeitig der schleswig-holsteinischen Öffentlichkeit zu erklären, dass er diese Koalition erfolgreich fortsetzen wolle.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das nennt man partielle - nein, Schizophrenie nicht - Störungen im Bewusstseinsbild.

Um mit dem Märchen aufzuhören, hier spiele Parteitaktik eine Rolle, will ich daran erinnern, Herr Dr. Stegner, dass wir bereits im Mai dieses Jahres auf der Grundlage eines Antrags von FDP, BÜND

NIS 90/DIE GRÜNEN und SSW in diesem Landtag - das sind die Oppositionsfraktionen

(Jürgen Weber [SPD]: Eben!)

den Landtag haben auflösen wollen, weil wir festgestellt haben - wie mittlerweile mehr als 75 % der Bevölkerung -, dass diese Koalition zu einem gemeinsamen Handeln auf vertrauensvoller Basis nicht mehr in der Lage ist.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich darf aus dem damaligen Debattenbeitrag zur Erinnerung zitieren - manche von Ihnen waren draußen, haben es nicht ernst oder nicht zur Kenntnis genommen, was ich damals in Richtung des Kollegen Dr. Wadephul gesagt habe -:

„Wir erleben einen Abtanzball der Eitelkeiten statt Tatkraft. Wir erleben persönliche Angriffe, wie sie in einer Konstellation, die eigentlich eine Partnerschaft sein sollte, nur zur Kenntnis genommen werden muss, wenn die Scheidung unmittelbar bevorsteht. Und selbstverständlich, da Sie auch historisch vorgebildet sind, nehme ich den Satz: Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten!, den Sie sozusagen für die schleswigholsteinische Landschaft übersetzt haben, interessiert zur Kenntnis.

Sie wollen Beispiele für die Zerrüttung? Sie bekommen Beispiele! Da benotet der SPDFraktionsvorsitzende Dr. Stegner die Arbeit der Christdemokraten in der Koalition mit ‚ausreichend’ bis ‚mangelhaft’, obwohl auch die SPD Teil dieser Landesregierung ist.

Da weist Dr. Stegner - wohl bewusst - in seinem Twitter auf einen Kommentar hin, der die taktischen Fähigkeiten des Ministerpräsidenten als ‚mitleiderregend bescheiden# tituliert.

Da legt er im sh:z nach und wirft dem Ministerpräsidenten erkennbares ‚Unvermögen und Dilettantismus’ und ‚Großbauernart’ vor - was auch immer diese Titulierung beinhaltet.

Und dieser Dr. Stegner hat nun erklärt, er wolle keine Neuwahlen. Dabei, lieber Herr Kollege Dr. Stegner, haben Sie doch selbst in Ihren vielfachen Statements bereits mehrfach die Gründe für Neuwahlen genannt. Wer erklärt, dass der Regierungschef ein Dilettant und unvermögend ist, kann doch nicht eine

(Dr. Ralf Stegner)

Politik unter diesem Ministerpräsidenten fortsetzen wollen. Das ist doch kaum noch zu erklären.“

(Beifall bei der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in SchleswigHolstein eine Reihe historischer Daten, die uns bundesweit berühmt oder berüchtigt gemacht haben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Wir hatten die Waterkantgate-Affäre, wir hatten die Schubladen-Affäre, und wir hatten die traurige Gewissheit, dass die sozialdemokratische Fraktion eine Ministerpräsidentenkandidatin in vier Wahlgänge geschickt hat, obwohl klar war, dass es dafür keine erforderliche Mehrheit gibt, weil in ihren eigenen Reihen - Herr Dr. Stegner, ich spreche Sie jetzt an - jemand saß, der der Ministerpräsidentin Heide Simonis die Stimme verweigert hat.

(Zurufe von der SPD)