Protokoll der Sitzung vom 17.07.2009

Wir sind nicht so gutgläubig und irrezuführen wie dieser Mann, sondern wir sind diejenigen, die eine nüchterne Analyse dessen durchführen, was in dieser Koalition noch möglich ist, in einer Lage, wo dieses Land handlungsfähig sein muss. Die HSH Nordbank hat uns hier mehrfach miteinander beschäftigt, und es ist mitnichten sicher, dass es nicht neue Probleme dort gibt. Die Wirtschafts- und Finanzkrise - das sagen wirklich alle voraus - wird von uns äußerste Kräfte und Entschlossenheit verlangen und nicht Kabinettsvorlagen wie diejenigen, die für den 3. Juli zugesagt waren und dann letztlich das Papier nicht wert waren, auf dem sie geschrieben waren, sondern sie wird Einschnitte verlangen, die wir einer Bevölkerung zu erklären haben, die erwartet, dass eine Landesregierung und eine Koalitionsmehrheit zusammenstehen. Das können wir in dieser Lage nicht mehr erwarten. Das ist die nüchterne Analyse, die aufseiten der Union zu dem Trennungsbeschluss geführt hat und die jetzt

(Dr. Johann Wadephul)

von der SPD fordert, dass sie springt. Hier ist Rhodos, hier muss gesprungen werden, spätestens am Montag.

Ich kann Sie nur auffordern: Stellen Sie sich der Situation, in der Sie sich befinden! Lesen Sie das durch und hören Sie sich an, was bundesweit - sogar international - zu dieser Lage gesagt wird! Um es mit Tom Buhrow zu sagen: Eine Zwangsregierung macht wirklich keinen Sinn. - Deswegen: Geben Sie den Weg frei für Neuwahlen! Geben Sie den Weg frei für eine Auflösung dieses Landtags! Haben Sie den Mut, als Herausforderer anzutreten! Haben Sie die Zuversicht in die eigenen Möglichkeiten, und stellen Sie sich der Auseinandersetzung mit den Wählerinnen und Wählern am 27. September diesen Jahres.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich appelliere ausdrücklich an die sozialdemokratische Fraktion: Lassen Sie sich hier nicht in Geiselhaft nehmen,

(Lachen bei SPD und SSW)

sondern befreien Sie sich, und machen Sie den Weg frei für eine ordentliche Herbeiführung eines Wahltermins am 27. September dieses Jahres.

(Anhaltender Beifall bei CDU und FDP)

Für die Fraktion der SPD erhält der Fraktionsvorsitzende, Herr Abgeordneter Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich gleich zu Beginn feststellen: Der amtierende Ministerpräsident und die CDU-Landtagsfraktion haben mutwillig den Koalitionsvertrag gebrochen. Es wird über kurz oder lang Neuwahlen in Schleswig-Holstein geben müssen, denn dieses Land braucht eine auf allen Positionen handlungsfähige Landesregierung und Regierungsfraktionen, die nicht ihr Parteiinteresse über das Wohl des Landes stellen.

(Beifall bei der SPD)

Diesem Ziel wird sich die SPD-Landtagsfraktion im Landtag in keiner Weise verweigern, und mit uns wird es keine Lähmung in der Landespolitik geben. Im Weg sind wir allerdings ganz anderer Auffassung als Sie.

Ein Antrag, der mit der angeblichen Unzuverlässigkeit der SPD in der Politik der Regierungskoalition begründet wird, kann und wird nicht unsere Zustimmung finden, denn für ein solches parteitaktisches Schauspiel wird sich die SPD in diesem Haus nicht hergeben.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich etwas zurückgehen. Erinnern Sie sich noch an die Vorkommnisse im Frühjahr dieses Jahres kurz nach dem famosen Sparkassenschirm für Schleswig-Holstein? Da gab es schon einmal ein inszeniertes Wochenendspektakel, bei dem der Landesvorsitzende der Union behauptete, die SPD würde Neuwahlen wollen, und dem werde sich die CDU nicht verschließen. Da eine einfache telefonische Nachfrage offensichtlich nicht möglich war, brauchte es eine Zeit mit gewissem Medienecho, bis die Frage geklärt war. Dann ruderte der Ministerpräsident zurück und behauptete, natürlich würde er auch er viel lieber zum Wohle Schleswig-Holsteins weiter wirken. Er wolle eigentlich keine vorgezogenen Wahlen. Die Minister würden alle eine gute Arbeit machen, und eine unechte Vertrauensfrage würde er auch nicht stellen; das sei ja Trickserei.

Was ist danach eigentlich geschehen? Inzwischen haben wir den dritten CDU-Wirtschaftsminister und einen neuen Regierungssprecher. Die Wirtschaftskrise hat sich verschärft. Immer mehr Firmen und Beschäftigte werden in den Sog hineingerissen.

Was macht diese Koalition? - Sie einigt sich auf den von Uwe Döring und der SPD im Koalitionsausschuss vorgeschlagenen Pakt für Beschäftigung, Qualifizierung und Wachstum, indem sie unter anderem ihre Förderpolitik auf das Beschäftigungsziel konzentrieren will, weil wir jetzt ganz aktuell etwas für die Menschen in diesem Land, für die Betriebe und für die Beschäftigten tun müssen.

(Beifall bei der SPD)

Sie einigt sich, nachdem ein paar Ladenhüter aus alten Anträgen entfernt wurden, auf die Stützung von kleinen und mittleren Unternehmen, weil wir uns jetzt ganz aktuell um diese Unternehmen kümmern müssen. Vor allem aber einigt sie sich auf einschneidende Sparmaßnahmen bei den Personalausgaben, die vorgestern im Nachtrag und in einem gemeinsamen Entschließungsantrag noch einmal bekräftigt werden sollten. Sie einigt sich auch auf die lang erwartete Neuregelung der Kreisordnung.

(Dr. Johann Wadephul)

Wir, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben den Antrag eingebracht, ihn beraten und ihm zugestimmt. Wir haben den Nachtrag eingebracht und ihm zugestimmt. Wir haben den Antrag zu kleinen und mittleren Unternehmen eingebracht und verabschiedet. Die Kreisordnung hatte ihre erste Lesung. Die SPD-geführten Ressorts bereiten die personellen und organisatorischen Veränderungen vor. Sie haben weitere Vorschläge zu den Förderprogrammen eingereicht. Und, ja, wir haben uns auch bei aller Kritik an einer Schuldenbremse null im Grundgesetz und unzureichenden Hilfen für Schleswig-Holstein ausdrücklich dazu bekannt, dass wir alles dafür tun, diese nun einmal geltende Verfassungsvorgabe einzuhalten. Das sind die Fakten.

(Beifall bei der SPD)

Die Arbeit läuft also, und doch: Es scheint nicht zu reichen. Warum ist das so?

Ihre erste Begründung, die offizielle Begründung des amtierenden Ministerpräsidenten und des Fraktionsvorsitzenden Dr. Wadephul, die SPD wolle die Haushaltskonsolidierung nicht mittragen, erledigt sich für jeden neutralen Beobachter aufgrund des eben Gesagten von selbst.

Zweitens. Die halboffizielle Begründung, dass es bei Herrn Carstensen und mir an der rechten Zuneigung fehle, hat weder Neuigkeitswert und ist unabhängig vom Wahrheitsgehalt nicht wirklich von Interesse. Politische Verhandlungen für dieses Land und die Dinge, die wirklich wichtig sind, werden wohl erwartet werden können. Das bedeutet, dass persönliche Befindlichkeiten in den Hintergrund zu treten haben. Hier geht es um Aufgaben, die zu erledigen sind, und um Mindeststandards von Professionalität.

(Beifall bei der SPD)

Damit wir uns nicht falsch verstehen. Ich bekenne mich auch ausdrücklich dazu, dass auch ich bei der Arbeit der Regierungskoalition in den vergangenen Jahren selbst Fehler gemacht habe. Die Entscheidung dieser Koalition nach der schmerzlichen Niederlage von Heide Simonis im März 2005 - ich habe noch Ihre Gesichter vor Augen - hat mir wehgetan, und ich habe sicherlich sprachlich nicht immer den richtigen Ton gefunden. Das alles stimmt. Selbstkritik ist übrigens für jeden Menschen und erst recht für Politiker in Führungsverantwortung wichtig und notwendig.

Lieber Herr Kollege Dr. Wadephul, ein Stückchen Selbstkritik hätte ich in Ihrer Rede auch nach vielen

Vatikanbesuchen doch erwartet und nicht diese Mischung aus Halbwahrheiten, Verdrehungen und Verleumdungen.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ihre politische Generalformel „Alles ist gut, und es gibt auch gute Sozialdemokraten“, die sie dann immer falsch zitieren, aber „Stegner ist an allem schuld“, so wie zuletzt heute Morgen im Deutschlandfunk, Herr Ministerpräsident, das mag auf Ihren Parteitagen ankommen und für Geschlossenheit sorgen. Es bleibt aber ein Armutszeugnis ohne Niveau, und es kann mich nicht treffen.

(Zurufe von der CDU)

Drittens. Ihre dritte Begründung von der angeblichen Unzuverlässigkeit der SPD in der Regierungskoalition ist falsch. Im Kabinett ist es Uwe Döring, der für jeden Arbeitsplatz in Schleswig-Holstein kämpft, während zur gleichen Zeit der Wirtschaftsminister bei Danfoss in Flensburg wie ein Unternehmenssprecher den Abbau von Arbeitsplätzen rechtfertigt.

(Beifall bei der SPD - Zuruf des Abgeordne- ten Dr. Heiner Garg [FDP])

Es ist dieser Justizminister, dessen Justizreform gerade von der Union blockiert wird. Es ist Gitta Trauernicht, auf deren strenge Atomaufsicht sich die Menschen trotz aller Vorfälle des Pannenmeilers Krümmel und des notorisch inkompetenten Betreibers Vattenfall verlassen können, während der erklärte Befürworter länger laufender Atomkraftwerke, der amtierende Regierungschef, per Interviews ankündigt, beim nächsten Mal persönlich quasi über dem Gesetz -für die Stilllegung von Krümmel sorgen zu wollen.

Es ist die Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave, die die Kinderbetreuung und den vereinbarten Schulumbau voranbringt, der immer wieder aus den Reihen der CDU-Landtagsfraktion infrage gestellt wird. Es ist der Innenminister Lothar Hay, der nach erfolgreicher Ämterreform vom Koalitionspartner an einer konsequenten Verwaltungsstrukturreform gehindert wird. Aus Höflichkeitsgründen verzichte ich darauf, auf den Herrn Entbürokratisierungsstaatssekretär hier einzugehen.

(Zuruf der SPD: Gibt es den noch?)

Es ist Lothar Hay, der dafür garantiert, Herr Kollege Wadephul, dass verabredete Stellenkürzungen bei der Polizei eben nicht den von Überstunden geplagten Vollzug treffen. Auch wenn solche Absich

(Dr. Ralf Stegner)

ten vom Koalitionspartner bestritten werden, dienten doch Ihre Vorschläge dazu, genau dies dem Innenminister abzuverlangen und damit in die Schuhe zu schieben.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das ist schlicht falsch!)

Es ist dieser Landtag, der das Tariftreuegesetz, das vorbildliche Kinderschutzgesetz und vieles andere beschlossen hat, was unsere Handschrift trägt und das Leben der Menschen hier in Schleswig-Holstein verbessert hat.

Es ist die Landtagsfraktion der SPD, die Initiativen für drei schwierige Anträge zur HSH Nordbank ergriffen und mit der CDU-Fraktion zusammen eingebracht hat, um die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler in Schleswig-Holstein zu wahren, während das Krisenmanagement des Finanzministers und seines Hamburger Kollegen in dieser Angelegenheit immer katastrophaler ausfällt.

(Zuruf von der CDU)

Der Hamburger CDU-Mittelstand heute im „Abendblatt“ zu lesen - wirft dem Senat in der HSH-Nordbank-Affäre Unfähigkeit vor. - Nein, von Unzuverlässigkeit der SPD kann nun wirklich keine Rede sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich zu den wahren Gründen für diesen mutwillig herbeigeführten Koalitionsbruch kommen, denn sie liegen auf der Hand:

Erstens. Sie wollen schon seit Monaten gemeinsam mit der Bundestagswahl wählen, weil Sie gestützt auf die Hoffnung aus den Umfragewerten auf schwarz-gelbe Mehrheiten hoffen, sich aber offenkundig den Sieg in einer Schleswig-Holstein-Wahl aus eigener Kraft nicht zutrauen. Deshalb wollen Sie kurz nach den Ferien und im Schatten der Kanzlerin mit möglichst wenig Krümmel und HSH wählen in der Hoffnung, dass es dann für ein schwarz-gelbes Bündnis reicht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir können mit viel „Krümmel“ wählen! Mit ganz viel „Krüm- mel“!)

Zweitens. Sie wollen davon ablenken, dass Sie bei der skandalösen Millionen Sonderzahlung an HSHChef Nonnenmacher das Parlament wissentlich falsch informiert haben. Wenn der „Panorama“-Bericht von gestern Abend zutrifft, dann soll der Landtag hier sogar weiter an der Nase herumgeführt werden.

Drittens. Sie wollen aus begründeter Furcht vor den Ergebnissen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses diesen vermeiden,

(Lachen bei der CDU - Zurufe von der CDU)