Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

Wir brauchen die freie Wahlmöglichkeit für alle Regionen Deutschlands, sich als gentechnikfreie Region rechtssicher festzulegen.

Eine überwältigende Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher lehnt gentechnisch veränderte Lebensmittel ab und wird sie nicht kaufen. Daher müssen einerseits die Systeme zur Kennzeichnung gentechnikfreier Lebensmittel ausgebaut und transparent dargestellt werden, andererseits liegen in der Ausweisung als gentechnikfreie Region und in der entsprechenden Verbraucherinformation große Chancen, die schnell genutzt werden sollten.

Wir wollen die gentechnikfreie Produktion zu einem Markenzeichen für Schleswig-Holstein machen und damit für unsere landwirtschaftlichen Produkte neue Marktchancen schaffen. Wir waren in Schleswig-Holstein in der rot-grünen Regierungszeit bundesweit führend beim Thema gentechnikfreie Landwirtschaft und haben das Netzwerk gentechnikfreier Regionen dafür genutzt. Wir haben die gentechnikfreie Erzeugung von landwirtschaft

lichen Produkten immer als eine Art schleswig-holsteinisches Reinheitsgebot betrachtet. Auch das, lieber Kollege Ehlers, ist eine freiwillige Bindung, das Reinheitsgebot.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ein Schreiben aus dem Ministerium aus dem Jahr 2005 hat diese sinnvolle Mitarbeit der Region, in dem Bündnis beendet. Lassen Sie uns heute aus dem Plenum ein politisches Zeichen setzen, dass wir uns wieder aktiv am Netzwerk gentechnikfreier europäischer Regionen beteiligen wollen. Wir werden diesem Antrag zustimmen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Das Wort für die FDP-Fraktion erhält Herr Abgeordneter Günther Hildebrand.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Grünen sind berechenbar. Mir war sofort klar, dass - nachdem hier gentechnisch veränderte Leinsamen entdeckt wurden - die Grünen dies zum Anlass nehmen würden, hier im Landtag dazu noch eine Debatte zu führen. Insofern hat uns das überhaupt nicht überrascht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gut, dass es eine Partei gibt, auf die Verlass ist!)

Hierzu nur Folgendes: Sie waren nicht zugelassen und damit verboten. Ich glaube, damit ist alles dazu gesagt.

Wir haben in der Mai-Debatte einen Beschluss gefasst, dass eine nähere und intensivere Beratung im Ausschuss erfolgen sollte. Diese Beratung und auch eine Anhörung hat im Ausschuss nicht stattgefunden. Insofern gibt es deshalb auch keine neuen Erkenntnisse und für uns keinen Grund, dies hier zu diesem Zeitpunkt noch zu diskutieren. Wir lehnen diesen Antrag ab, damit hat sich die Sache erledigt. Wir sind leider nicht zu einer entsprechenden Anhörung im Ausschuss gekommen.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das Wort für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag erhält der Herr Abgeordnete Lars Harms.

(Dr. Henning Höppner)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um Landwirten die Möglichkeit zu geben, sich für einen gentechnikfreien Betrieb zu entscheiden, braucht es bestimmte Voraussetzungen. Die Entscheidung eines Landwirts ist nämlich dann hinfällig, wenn sich sein Nachbar für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen entscheidet. Gentechnik in der Landwirtschaft findet eben nicht in einem geschlossenem System statt. Es sind Freilandversuche oder Freilandaussaaten, sie sind keine Laborversuche, und es besteht die Gefahr der unkontrollierten Ausbreitung. Man kann sich also nicht dagegen wehren, wenn das Ganze zunächst einmal erlaubt ist. Um derartige Konflikte zu vermeiden, brauchen wir möglichst großflächige Regionen, die als gentechnikfrei ausgewiesen sind. Nur das ist die sicherste Voraussetzung, um langfristig eine garantiert gentechnikfreie Produktion zu gewährleisten.

Aus Sicht des SSW hat die traditionelle gentechnikfreie Landwirtschaft Vorrang vor dem Anbau von GVOs. Es kann hierbei kein harmonisches Nebeneinander geben. Daher muss das Bewährte Schutz vor dem Risikobehafteten haben. Niemand kann heute sagen, wie sich die Ausbreitung von GVOs auf Mensch und Natur langfristig auswirkt. Auch Mindestgrenzen darf es hierbei nicht geben, denn genverändert ist genverändert, und eine Koexistenz ist nicht möglich.

Wenn wir uns für eine traditionelle Landwirtschaft entscheiden - sei sie nun konventionell oder ökologisch -, dann brauchen wir entsprechende Regelungen, die den Schutz vor GVOs gewährleisten. Dieser Schutz dient letztlich nicht nur der gentechnikfreien Landwirtschaft, er schützt auch den Verbraucher. Zum einen muss der Verbraucher die Möglichkeit der freien Entscheidung haben, und zum anderen können Gesundheitsrisiken durch gentechnisch veränderte Lebensmittel derzeit nicht ausgeschlossen werden. Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist dabei die klare und sichtbare Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebensmitteln. Hier muss der Schwellenwert so niedrig wie möglich sein.

Der Einsatz von GVOs weist derzeit keinen wirklichen Nutzen für die Landwirtschaft auf. Zwar wird vonseiten der großen Konzerne damit geworben, dass der Anbau einfacher sei und er eine höhere Wirtschaftlichkeit mit sich bringe, was aber verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass sich Landwirte in die Abhängigkeit von diesen Konzernen begeben und den Kostendruck von Patentgebüh

ren zu spüren bekommen. Profiteuere der grünen Gentechnik sind somit nur die Agrarkonzerne.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Die Mehrheit der Bevölkerung spricht sich gegen die grüne Gentechnik aus. Daher ist die Ausweisung gentechnikfreier Regionen ein deutliches Signal an die Bevölkerung und natürlich auch an die Agrokonzerne.

Was wir daher machen können, ist, die Etablierung von gentechnikfreien Regionen zuzulassen und vor allem zu fördern, damit zumindest in bestimmten Regionen die Sicherheit besteht, dass gentechnikfrei produziert wird.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dafür muss aber vor Ort geworben werden, und den Landwirten müssen die Vorteile der Gentechnikfreiheit für die Vermarktung regionaler Produkte deutlich gemacht werden. Das, meine Damen und Herren, kostet Geld, und dieses Geld muss auch von uns zur Verfügung gestellt werden. Die Ausweisung als geschütztes Gebiet muss als Chance gesehen werden und nicht als Bedrohung.

Die grüne Gentechnik ist immer noch sehr umstritten. Solange wir aber keine genauen Folgenabschätzungen für den Einsatz von genveränderten Pflanzen haben, muss die Sicherheit für Mensch und Natur Vorrang haben. Deshalb unterstützt der SSW den Beitritt zum europäischen Netzwerk gentechnikfreier Regionen und wird dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms und erteile für die Landesregierung dem Herrn Minister Dr. Christian von Boetticher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich könnte mich ruhig zurücklehnen und sagen: Lass sie ihren Antrag beschließen, ein solches Netzwerk mit diesem Titel gibt es nicht. Das gibt es in der Tat nicht, weil man in Europa wesentlich klüger war als die antragstellenden Fraktio

nen im Landtag. Man hat das Netzwerk „Netzwerk der europäischen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften für Koexistenzen“ genannt. Diese Koexistenz sagt genau das Gegenteil von dem aus, was Sie hier gerade wollen.

Koexistenz heißt eben nicht, dass eine Region entscheidet, ob sie gentechnischen Anbau haben will oder nicht, sondern heißt, dass der Unternehmer entscheiden können muss, ob er entsprechend anbaut oder nicht. Das ist europäische Koexistenz. Das Spannende ist, dass in der grandiosen Abstimmung im Ministerrat der Agrarminister damals Frau Künast gesessen hat und sich in einem gloriosen Akt von Entscheidungsfreudigkeit enthalten hat. Seitdem versuchen wir, in Deutschland diese Koexistenz umzusetzen.

Sie ignorieren das jetzt alles, wie man das im Wahlkampf so schön macht. Sie sagen den Leuten: Wählt uns, dann kommt hier nichts hin, weil wir in ein entsprechendes Netzwerk eintreten. Ich verweise auf das Rechtsgutachten aus dem Bundestag der Bundestagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Stärkung der gentechnikfreien Region“, das an der Stelle noch einmal eindeutig zu der Auffassung kommt, dass ein Bundesland sich eben nicht rechtsfolgewirksam zu einer gentechnikfreien Region erklären darf. Darum noch einmal: Sie können uns auch auffordern, dem Club der Sonnenanbeter beizutreten,

(Konrad Nabel [SPD]: Darin sind Sie doch schon lange!)

aber wenn Sie dann durchs Land laufen und erzählen, dass deswegen die Sonne länger scheint, dann wissen die Leute, dass sie von Ihnen verhohnepipelt werden.

(Beifall bei der CDU - Zuruf von der SPD: Das ist Ihr Job!)

1996 gab es in der Tat unter Ihrer Regierung - auch unter der Regierung der Grünen und der SPD hier im Land - noch gentechnisch veränderte Pflanzen, die an mehreren Standorten angebaut werden konnten. Aber ich sage auch: Wir hatten seitdem und haben heute immer noch eine gut organisierte Aufsicht. In Schleswig-Holstein wurden in diesem Jahr 31 % aller bundesweit durchgeführten Untersuchungen beim Rapssaatgut auf GVO-Bestandteile und damit mit Abstand die meisten Untersuchungen in diesem Bereich durchgeführt. Das ist auch Aufgabe einer seriösen Aufsicht. Allein die Tatsache, dass wir nichts gefunden haben, zeigt, dass die hier im Land ansässigen Saatgutunternehmen alles unternehmen, dass ihr Rapssaatgut keine Anteile gen

technisch veränderter Organismen enthält. Das heißt, eine solche Region brauchen wir noch nicht einmal inhaltlich.

Ich nehme auch das Beispiel mit dem Leinsamen aus Kanada gern auf; denn das hat uns sehr gut gezeigt, dass die Überwachungssysteme funktionieren, um eine solche Verbrauchertäuschung auch aufzudecken. Auch in Schleswig-Holstein hat die Lebensmittelbehörde Proben gezogen, die derzeit noch im Landeslabor untersucht werden. Das zeigt aber auch, dass vergleichbare Anstrengungen in den Exportländern unternommen werden müssen, damit nicht zugelassene GVOs nicht in Lebensmittel und Futtermittelkästen gelangen können.

Lassen Sie mich noch eine Anmerkung machen zu dem sehr häufig vorgetragenen Argument, die Industrie, die Forschung - um es mit Namen zu nennen, Monsanto - würden ja ganz bewusst sozusagen an den wichtigen Forschungsvorhaben der Welt vorbeiforschen, sondern ausschließlich für ihren kommerziellen Bereich. Warum ist das so, warum reden denn die Leute über einen Monopolisten Monsanto? - Weil wir diese Unternehmen, die wirklich ihre Macht gnadenlos ausüben, wie das in anderen Bereichen zum Beispiel Microsoft auch macht, zugelassen haben. Die haben wir am Ende erst ermöglicht dadurch, dass wir kleinen mittelständischen Unternehmen in Deutschland, die vorher unter einem sehr scharfen gesetzlichen Vollzug standen, die observiert worden sind, die einen Mittelstand aufrechterhalten haben, durch unsere Gesetzgebung den Hahn abgedreht haben. Und heute wundern wir uns darüber, dass Monopolisten wie Monsanto entstanden sind, und beschweren uns darüber. Das ist die Doppelzüngigkeit, die ich hier höre.

Hätten wir mit unseren mittelständischen Unternehmen vernünftig auf eine kontrollierte Gentechnik gesetzt, mit denen man auch Ziele hätte vereinbaren können, die durchaus der Allgemeinheit gedient hätten, dann wäre Gentechnik heute in ganz anderen Fragen nicht in der Lebensmittelproduktion einsatzfähig. Wir haben das hier im Land mit unserer Debatte unterbunden. Ich glaube, dass wir damit nicht nur unseren kleinen mittelständischen Unternehmen einen Bärendienst erwiesen haben, sondern am Ende haben wir mit dieser Politik Monsanto erst ermöglicht. Darum sollten Sie mal darüber nachdenken, ob das in die richtige Richtung geführt hat.

(Beifall bei der CDU)

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Ich danke dem Herrn Minister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratungen.

Es ist beantragt worden, über den Antrag Drucksache 16/2646 in der Sache abzustimmen. Wer zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 16/2646 mit den Stimmen der Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und der Gruppe des SSW gegen die Stimmen der Fraktionen von CDU und FDP mehrheitlich angenommen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 26 auf:

Einheitliche Sozialstaffel für Kindertageseinrichtungen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2859

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2669 (neu)

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Mit der Drucksache 16/2859 wird beantragt, den Beschluss des Landtags über die Ausschussüberweisung des Antrags Drucksache 16/2669 aufzuheben und über den in modifizierter Fassung vorgelegten Antrag Drucksache 16/2669 (neu) in der Sache abzustimmen. Ich lasse über diesen Antrag vorab abstimmen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.