Der Bund kann über den Bundeshaushalt allein entscheiden, und genauso müssen die Länder über ihren Landeshaushalt allein entscheiden können. Allerdings hat der Landtag in einem Bund-LänderStreit nicht die Antragsbefugnis, sodass die Landesregierung die Klage erheben muss. Hier gilt also in besonderem Maße, dass die Landesregierung einen Landtagsbeschluss umzusetzen hat.
Fest steht für den SSW aber auch, dass die Einführung einer Schuldenbremse notwendig und richtig ist. Wenn wir nicht weiter auf Kosten kommender Generationen leben wollen, dann müssen wir mit aller Kraft ausgeglichene Haushalte anstreben. Daran gibt es wirklich keinen Zweifel.
Ich möchte jedoch davor warnen, die rigorose Schuldenbremse des Bundes einfach in unsere Verfassung zu übernehmen. Die bisherigen Vorgaben können wir nicht von heute auf morgen erfüllen. Bisher gibt es keine Berechnungen und keine Konzepte, wie eine Schuldenbremse realisiert werden soll. Klar ist nur, dass ein derzeitiges strukturelles Defizit von jährlich mindestens 600 Millionen € mit 80 Millionen € Konsolidierungshilfe vom Bund nicht abgebaut werden kann. Das Geld reicht vorn und hinten nicht und wird wohl noch nicht mal als Tropfen auf den heißen Stein zu merken sein. Außerdem ist klar, dass es so gut wie unmöglich sein wird, den Schuldenberg von 23 Milliarden € in den nächsten Jahren abzubauen.
Der SSW plädiert daher eindringlich dafür, dass die Idee des Altschuldenfonds wieder aufgenommen wird. Durch eigene Anstrengung allein werden wir uns bis 2020 nicht aus diesem Sumpf ziehen können. Wir können dies auch nicht von heute auf morgen schaffen, wenn wir uns ein finanzpolitisches Korsett anziehen lassen, für das es keinen ausgeglichenen Haushalt als Grundlage oder eine Berücksichtigung der Altschulden des Landes gibt. So können wir nur erdrosselt werden.
Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses wird deutlich, dass es eine Mehrheit für die Verankerung einer Schuldenbremse in der Landesverfassung gibt. Allerdings geht es hierbei um einen Grundsatzbeschluss, der erst in der nächsten Legislaturperiode wirksam wird. Der SSW lehnt es daher ab, schon heute über konkrete Vorgaben oder Konzepte zu reden. Klar ist aber auch, dass genau hier in der nächsten Legislaturperiode angesetzt werden muss. Wir müssen
wissen, wie eine Schuldenbremse umgesetzt werden kann, welche Auswirkungen sie auf den Landeshaushalt und damit auf die Zukunftschancen unseres Landes hat.
Aus Sicht des SSW können wir dieses Land nicht gesundsparen. In unserer Verfassung gibt es bereits Schuldenregelungen, wonach eine Schuldenaufnahme im Haushalt nur zulässig ist, wenn eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt. Meine Damen und Herren, wozu hat diese Schuldenregelung geführt? - Sie hat dazu geführt, dass in den vergangenen Jahren wiederholt Haushalte beschlossen wurden, die nicht verfassungskonform waren und so die Schulden dieses Landes immer mehr in die Höhe getrieben wurden.
Damit möchte ich Ihnen deutlich machen, dass eine Schuldenbremse nicht die Voraussetzung für eine Haushaltskonsolidierung ist. Mit anderen Worten: Wir brauchen eine vernünftige und nachhaltige Realisierung der Schuldenbremse und einen konjunkturellen Aufschwung, in dessen Zuge mehr Steuereinnahmen auch zur Konsolidierung des Landeshaushalts genutzt werden.
Aus Sicht des SSW ist klar, dass die Realisierung einer Schuldenbremse ein riesiger Kraftakt für unser Land wird. Es müssen nicht nur Personaleinsparungen vorgenommen werden, auch die Reduzierung von Verwaltungsaufgaben und die Prüfung der Förderprogramme müssen zu weiteren Einsparungen führen. Hierbei nützt es gar nichts, einfach nur die rein statistische Zahl von 4.800 Stellen in den Raum zu werfen. Der SSW fordert daher ein Konzept, wie die Landesverwaltung künftig aussehen soll. Es muss geklärt werden, wo Doppelzuständigkeiten vorhanden sind und wo Verwaltungshierarchien abgebaut werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist die wichtigste Aufgabe.
Für uns steht weiter fest, dass nicht bei den Schwächsten des Landes gespart werden darf. Das wäre volkswirtschaftlich kontraproduktiv; denn wir müssten für die Folgen doppelt und dreifach zahlen.
Der SSW begrüßt ausdrücklich, dass unsere Forderung nach einem Konzept zur Umsetzung der Schuldenbremse in die Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses aufgenommen wurde.
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat in einer beeindruckenden Stellungnahme beispielhaft vorgerechnet, dass der Teufel
im Detail steckt und welche Schwierigkeiten bei der Realisierung einer Schuldenbremse auf das Land zukommen werden. Hierbei geht es nicht nur darum, dass die restriktive Gestaltung der Haushaltspolitik zu einer finanziellen Abwärtsspirale führen kann. Hierbei geht es vor allem um die rein praktische Umsetzung einer Schuldenbremse. Der Landesrechnungshof hebt in seiner Stellungnahme hervor, dass noch vieles konkretisiert und präzisiert werden muss.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotzdem ist es gut und richtig, dass wir heute die Aufnahme einer Schuldenbremse in unsere Landesverfassung beschließen. Außerdem beschließen wir, dass der Haushalt konsolidiert werden muss; denn ohne dies wird es nicht gehen. Wir vom SSW sind der Auffassung, dass dies nicht zulasten der Kinder und der Schwächsten unserer Gesellschaft gehen darf.
Zusammenfassend halte ich daher fest: Heute geht es um den Grundsatzbeschluss, wie er in der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zum Ausdruck kommt. Alles andere ist Schaumschlägerei, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir wissen alle, was auf uns zukommt. Wir wissen alle, dass die Arbeit nach der Landtagswahl am 27. September zu leisten ist.
Zum Abstimmungsverhalten des SSW: Wie ich im Innen- und Rechtsausschuss bereits angekündigt habe, werden wir uns der Stimme enthalten beim konkreten Antrag der CDU zur namentlichen Abstimmung, nicht um zu kneifen -
- Wenn ich das hervorhebe, dann lade ich Sie natürlich dazu ein, so zu reagieren. Das ist mir sehr wohl bewusst.
Lieber Herr Kollege Sauter, Sie kennen mich gut genug, um zu wissen, dass ich zu meinem Wort stehe. Das tut der SSW im Übrigen immer.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich vor dem Hohen Haus klarstellen, auf welche Weise wir über die Vorschläge des Herrn Landtagspräsidenten zu diesem
Themenkomplex hergefallen sind. Der Einfachheit halber zitiere ich aus dem Protokoll der Plenarsitzung vom 15. Juli. Damals habe ich ausgeführt:
„Herr Kollege Kayenburg, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie durch die Verbindung Ihrer beiden Anträge sehr deutlich gemacht haben, worauf es ankommt: Wenn man das eine tut, muss man vorher das andere auch tun, nämlich in der Verfassung klar regeln, wie wir künftig mit Neuverschuldung umgehen. Eine Klage gegen die Verfassungsregeln im Grundgesetz kann nicht für sich allein stehen, denn wenn sie Erfolg hätte, was ja in breiten Teilen des Hauses vermutet wird, dann würden wir, wenn wir nicht eine eigene Verfassungsregel in unsere Verfassung aufnähmen, ohne eine solche dastehen. Das wäre kontraproduktiv. Das ist nicht gewollt.
Ich persönlich darf hinzufügen, dass es für mich ohnehin fraglich ist - das hat jetzt nichts mit dem rechtlichen Rahmen zu tun -, ob staatliche Organe das Recht haben, in beliebiger Höhe und auf unabsehbare Zeit heute noch nicht geborene Generationen mit Schulden zu belasten, um damit den heutigen Lebensstandard zu finanzieren.“
Meine Damen und Herren, ich denke, das macht sehr eindringlich klar, wie wir über Herrn Kayenburg hergefallen sind.
Herr Kollege Hentschel, ich bin ein erneutes Mal überrascht, wenn Sie darstellen, dass Dänemark bereits vor 15 Jahren diese Schritte gegangen sei, die Sie jetzt vorschlagen. Das muss im Jahr 1994 gewesen sein.
- Seit 1993 sogar. Von 1996 bis 2005 haben Sie gemeinsam mit den Sozialdemokraten in SchleswigHolstein regiert. Sie sind für 60 % der Kapitalmarktschulden des Landes Schleswig-Holstein verantwortlich.
Bei dieser Diskussion, die nicht immer - wie ich finde - den Sachverhalt vollständig wiedergibt, wird außer Acht gelassen, dass es neben den Kapitalmarktschulden eine Reihe weiterer Verschuldungen aus der Gegenwart und der Vergangenheit gibt,
die in die Zukunft reichen, nämlich beispielsweise die Verlagerung der Pensionsleistungen für ausgeschiedene Beamte, ohne dass hierfür Vorsorge getroffen worden ist. Auch ein Ausbau von Infrastruktur ist in die Zukunft verschoben worden. Dies gilt auch für unterlassene Instandhaltungsmaßnahmen bei Vermögensgegenständen, für unterlassene Sanierungen zum Beispiel beim UK S-H und so weiter.
Wenn Sie das summieren, kommen Sie auf Milliardenbeträge, die laufende Haushalte belasten, und zwar nicht etwa mit Aufgaben für die Zukunft, sondern es sind Lasten, die in der Vergangenheit entstanden sind, im Wesentlichen in der Zeit, in der Sie regiert haben. Dies gehört zur Wahrheit der geschichtlichen Darstellung dazu.
Wenn Sie in mehreren Beiträgen darstellen, dass es nicht gehen könne, nun in einem Schnellverfahren eine Verfassungsregel zu dieser Frage in die Verfassung aufzunehmen, dann sage ich: Darüber diskutieren wir bereits seit drei Jahren in der Föderalismuskommission. Bereits zu Beginn ist von Einzelnen in diesem Haus dieses Thema problematisiert worden. Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, dass heute darüber diskutiert wird, wir müssten nun im Schnellverfahren die Verfassung ändern. Nein, meine Damen und Herren, das ist eine völlig unzureichende Darstellung. Wir haben Zeit genug.
Im Übrigen haben wir mit zahlreichen Wissenschaftlern und mit allen politischen Kräften in Deutschland aus den Ländern und dem Bund über die Lösung dieser Frage diskutiert – Sie wissen, dass wir sehr unterschiedliche Lösungsansätze gehabt haben – und sind schließlich zu einer Einigung gekommen. Deshalb glaube ich nicht, dass wir in Schleswig-Holstein die Welt unbedingt noch einmal ganz neu, sozusagen von vorn erfinden müssen, sondern dass hier genügend Ansätze enthalten sind.
Ich halte auch den Vorschlag, zunächst eine Klage einzureichen und für den Fall, dass man sich dann nicht verständigen kann, später eine die Verfassung ändernde Regelung zu machen und die Klage dann wieder zurückzuziehen, für falsch. Das Beispiel, das hier genannt worden ist, ist schlicht falsch. In der Tat haben wir schon einmal eine Verfassungsklage eingereicht, nämlich die, festzustellen, dass der Haushalt des Landes Schleswig-Holstein verfassungswidrig ist, nachdem die Regierung, der Sie angehörten, Herr Hentschel, die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts zunächst einmal proklamiert hat
te. Wir haben die Klage zurückgezogen, nachdem ich hier im Landtag für die Landesregierung demonstrativ und klar erläutert habe: Wir halten den Haushalt 2005 für verfassungswidrig und den für 2006 gleich mit. - Wenn dies dann so festgestellt ist, dann, Herr Kollege Kubicki, muss man dies nicht durch eine Klage in Karlsruhe zusätzlich feststellen lassen. Deshalb haben wir die Klage zurückgezogen.
- Das ist überhaupt keine faule Ausrede. Man muss nicht etwas feststellen lassen, was man selbst schon festgestellt hat.
Meine Damen und Herren, das war allerdings eine sehr wichtige Änderung in der Politik, die im Übrigen auch dazu geführt hat, dass wir innerhalb weniger Jahre alles, was an zusätzlichen Einnahmen in die Landeskasse hineingekommen ist, dazu verwandt haben, genau diesen Sachverhalt zu ändern
- genau diesen Sachverhalt zu ändern -, Herr Kollege Hentschel, nämlich die Neuverschuldung damit zu reduzieren, so, wie es versprochen worden ist. Deshalb haben wir im Jahre 2008 einen Fehlbetrag im Haushalt ausgewiesen vor Risikovorsorge von weniger als 300 Millionen €. Von Ihnen hatten wir 1,7 Milliarden € übernommen. Das war der Weg, den wir gegangen sind.