Protokoll der Sitzung vom 16.09.2009

- genau diesen Sachverhalt zu ändern -, Herr Kollege Hentschel, nämlich die Neuverschuldung damit zu reduzieren, so, wie es versprochen worden ist. Deshalb haben wir im Jahre 2008 einen Fehlbetrag im Haushalt ausgewiesen vor Risikovorsorge von weniger als 300 Millionen €. Von Ihnen hatten wir 1,7 Milliarden € übernommen. Das war der Weg, den wir gegangen sind.

(Beifall bei CDU und FDP)

Nur sage ich sehr deutlich: Alle Fraktionen haben in der Sache ja bekundet, dass sie die Signale eigentlich verstanden haben. Wenn man die Aufzählung der Schuldenentwicklung - und wenn man noch hinzunimmt, was ich an heimlicher Schuldenentwicklung dargestellt habe - zum Anlass nimmt, zunächst einmal eine Schuldengrenze, eine neue und - von allen so bekundet - anerkannte Schuldengrenze zu bekämpfen, statt sie erst einzuführen, dann entbehrt das doch einer ganzen Menge Logik. Es gibt genauso die Möglichkeit, den Beschluss über eine Klage in Karlsruhe gegen die grundgesetzliche Regelung erst dann herbeizuführen, wenn die Landesverfassung tatsächlich in entsprechender Weise geändert wird.

(Minister Rainer Wiegard)

Ich sage Ihnen sehr deutlich, was meine Sorge ist: In den im Föderalismusverfahren vereinbarten Konsolidierungshilfen für Schleswig-Holstein geht es um 720 Millionen €. Wir haben uns hier schon über kleinere Beträge miteinander gestritten.

Diese Konsolidierungshilfen sind klar und eindeutig an die Regelungen in Artikel 109 GG gebunden. Wenn wir dies nun bekämpfen, kann ich Ihnen nur sagen: Ich glaube nicht, dass wir eine Verhaltensveränderung mit dem Bund über diese Konsolidierungshilfen erreichen, wenn wir gleichzeitig eine Klage dazu anstrengen, ohne dass wir eine mindestens gleichwertige, gleichgewichtige Regelung in der Landesverfassung verankert haben, um demonstrativ zu dokumentieren, dass dieses Land Schleswig-Holstein bereit ist, diesen Weg zu gehen.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Absichtserklärungen haben Sie auch in früheren Jahren dazu abgegeben, eingehalten haben Sie sie nie.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie: Nehmen Sie diese Sorge ernst!

(Beifall bei der CDU)

Ich erteile Herrn Abgeordneten Martin Kayenburg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, ich habe ein in sich konsistentes Antrags- und Gesetzespaket - Entwürfe - hier vorgelegt, und ich habe an jeder Stelle betont, dass die Schuldenbremse für mich unabdingbar ist. Aber ich habe auch - und das schon im Februar - gesagt, dass über die Ausgestaltung dessen, was ich vorgelegt habe, sicher noch diskutiert werden könne und dass ich nach den Ausführungen in der ersten Sitzung sehr viel näher bei der FDP sei, was die Einzelheiten anbelangt.

Ich bin der Auffassung, dass man auch Teile von Antragspaketen, Gesetzentwürfen sukzessive verabschieden kann. Es ist eine Frage des Vertrauens, ob ich das, was zugesagt ist, dann von anderen vollenden lassen kann.

(Beifall der Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Das gilt insbesondere dann, wenn der Wechsel einer Legislaturperiode ansteht. Insofern hätte ich da überhaupt keine Bedenken, diesen Weg so zu gehen, wie er von Teilen des Hauses heute vorgeschlagen worden ist. Ich bestätige Herrn Finanzminister Wiegard gern, dass er damals wie zitiert gesprochen hat. Lediglich bei Ihnen stand, Herr Wiegard, aber auch die kleine Formulierung, dass vorher die Schuldenbremse in die Landesverfassung hineingenommen werden sollte. Das ist im Übrigen nach meiner Erinnerung nicht diskutiert worden.

Ich glaube, man muss hier etwas differenzieren. Die Frage ist doch: Haben wir hier nicht auf der einen Seite von den Grundsätzen her, die von allen betont worden sind, eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Grundgesetzänderung vorzunehmen und auf der anderen Seite gleichwohl, weil das auch unsere Absicht war, in unsere Verfassung eine - in Klammern: wie auch immer geartete - Schuldenbremse aufzunehmen? Ich glaube, hier wird von einigen ein bisschen eine haushaltspolitische Notwendigkeit, die ich auf jeden Fall unterstreiche, mit verfassungsrechtlichen Bedenken vermischt.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ja, die verfassungsrechtlichen Bedenken werden abhängig gemacht von der haushaltspolitischen Notwendigkeit, und diesen Weg halte ich nicht für richtig.

Im Übrigen, Herr Kollege Wadephul, ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie haben in etwa gesagt, Herr Kubicki wollte die Klage dann später zurücknehmen, wenn unsere Landesverfassung geändert sei. Dies halte ich für falsch, weil: Es geht ja um das Grundgesetz. Es geht um die Änderung, die uns nach unserer Meinung übergestülpt worden ist und die wir hier zurückweisen müssen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Im Übrigen hat auch der Ministerpräsident zu Protokoll des Bundesrats gegeben, dass er wegen dieser Grundgesetzänderung Bedenken habe. Das ist also gar nichts Neues. Da muss auch kein Wahlkämpfer in Berlin nun plötzlich erschrecken. Er hat außerdem ausgeführt, dass wir der Meinung sind, dass eine Schuldenbremse zwingend erforderlich sei. Insofern ist da gar nichts Neues mehr hinzuzufügen, mit einer kleinen Einschränkung, und deswegen habe ich mich auch noch einmal gemeldet. Da ist formuliert worden, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag dies so gesagt habe. Weiter wird formuliert: „Dessen Auffassung sei …“ - Nein, es

(Minister Rainer Wiegard)

war unsere gemeinsame Auffassung, und ich habe die Bitte, dass auch dieser Weg in der nächsten Legislaturperiode, Herr Hentschel, von denen, die als uns Nachfolgende dann Verantwortung tragen, weitergegangen wird.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Ich will mir nicht vorstellen, dass die CDU heute deswegen Bedenken hat, weil sie glaubt, dass man dann, nach der Wahl, einen solchen Beschluss leichter zurücknehmen könnte, wenn man heute nicht zugestimmt hat; denn anders, als das hier eben formuliert worden ist: Wir hätten auch die Klage gegen den nach unserer Auffassung - nach meiner Auffassung immer noch - nicht verfassungskonformen Haushalt, den letzten Haushalt der letzten Wahlperiode, nicht zurücknehmen müssen. Dann wäre nämlich entweder festgestellt oder widerlegt worden, ob er denn verfassungskonform war oder nicht. Ich habe die Überzeugung, aber es ist etwas anderes, ob ich meine subjektive Äußerung hier mitteile oder ob ich eine verfassungsrechtliche Auskunft darüber habe.

(Beifall beim SSW)

Genau deswegen bin ich der Auffassung: Wir sollten diesen Weg gehen.

(Beifall bei SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Für einen Kurzbeitrag erhält Frau Abgeordnete Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal für den Antrag sprechen und dafür werben, dass wir ihn hier gemeinsam beschließen. Es geht um die Resolution, die aus fünf Punkten besteht, die der Innen- und Rechtsausschuss beschlossen hat und wo wir vor allem sehr klar sagen, dass es ein Konzept dieser Landesregierung geben muss. Mir ist es deshalb so wichtig, dass wir diesen Punkt hier beschließen, weil wir doch gemeinsam feststellen müssen, dass es uns allen gemeinsam; da hilft überhaupt keine Schuldzuweisung - in den letzten Jahren nicht gelungen ist, anhand eines klaren Finanzkonzepts Ausgaben zu reduzieren und den Einnahmen anzupassen.

Deshalb brauchen wir ein Konzept, was klar benennt, wie es denn gehen kann. Wenn man sich ein

mal die Zahlen anschaut, Herr Wiegard, dann sieht man doch, dass auch das, was Sie sich vorgenommen hatten, überhaupt nicht gelungen ist. Sie sind 2005 angetreten und haben gesagt, Ihre Partei hat gesagt: 50 Millionen € weniger jährlich an Ausgaben! Haben Sie sich einmal angeguckt, was passiert ist? Im Vergleich zu 2005 geben Sie inzwischen 1 Milliarde € mehr aus. Was ist das denn für eine Bilanz? Das ist doch katastrophal.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wenn Sie sich die prozentualen Steuereinnahmen ansehen - ich habe die Liste hier -, stellen Sie fest: Wir hatten in den Jahren 2006 plus 7,2 % und im Jahr 2007 plus 8,7 %. Da frage ich mich: Wenn das nicht eine gute Einnahmesituation ist, die Ihrem Anspruch entspricht, zukünftig keine Schulden mehr zu machen, wie soll es denn dann gehen? Deshalb sage ich: Es helfen nicht fromme Appelle, sondern wir müssen ein Konzept haben, wir müssen gemeinsam und ehrlich miteinander aufschreiben, ob es gehen kann und wie es gehen kann. Im Grunde ist es doch eine Schande - das will ich auch so offen bekennen -, dass wir die Drohung des Bundesgesetzgebers brauchen: „Wir drücken euch eine Schuldenbremse auf“, damit wir selbst nach Jahrzehnten endlich den Schritt wagen, das in unserer Landesverfassung zu verankern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - Zurufe von der CDU)

Wir haben doch alle Verantwortung dafür zu übernehmen. Wir haben regiert und haben es probiert, Sie haben regiert und haben es probiert. Deshalb müssen wir beide es machen. Wir brauchen die Schuldenbremse in der Landesverfassung. Wir haben den ersten Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Auch wenn der jetzige nicht dem entspricht, was wir wollten, sind wir heute bereit, ohne Wenn und Aber zuzustimmen.

Aber damit ist es doch nicht getan. Deshalb fordere ich Sie noch einmal auf, dass auch Sie über Ihren Schatten springen und dem zweiten Antrag zustimmen, weil der zwangsläufig dazugehört und uns sozusagen eine Konzeption aufdrängt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wenn hier gesagt wurde, die Sommerpause sei nicht genutzt worden, frage ich natürlich auch die Landesregierung: Warum hat denn die Landesregie

(Martin Kayenburg)

rung die Sommerpause nicht genutzt, um einmal ein Konzept vorzulegen, um uns davon zu überzeugen, dass es mit dieser Schuldenbremse gehen kann?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gute Frage! - Dr. Ralf Stegner [SPD]: Schattenkabinett nennt sich das! - Weitere Zurufe von der SPD)

Ich will nichts dazu sagen, dass Sie personell etwas dünn besetzt sind.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte dafür werben, dass wir alle gemeinsam der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zustimmen. Das wäre das richtige Signal. Denn aus dieser Beschlussempfehlung geht eindeutig hervor, was der Wille des Landtags ist und was er auch sein sollte.

Natürlich kann man in dieser Situation jetzt auch noch weitere Vergangenheitsbewältigung betreiben. Man könnte zum Beispiel anführen, dass der schleswig-holsteinische Haushalt über Jahrzehnte in Beton gegossen war, dass der finanzpolitische Spielraum des Landtags immer sehr gering gewesen ist und heute noch geringer ist. Man könnte anführen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag Anfang der 90er-Jahre aus eigenen Mitteln die Elektrifizierung der Bahn getragen hat. Man könnte anführen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag den Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz Anfang der 90er-Jahre aus eigenen Mitteln finanziert hat. Man könnte anführen, dass es auf Bundesebene eine Unternehmensteuer - von RotGrün beschlossen - gegeben hat, die in unserem Landeshaushalt ein großes Loch hinterließ.

Ich habe mir aus ganz anderen Gründen einmal die Haushaltsdiskussion in den 80er-Jahren angeguckt. Das Déjà-vu-Erlebnis war bestechend. Die Arbeitslosenzahlen Ende der 80er-Jahre waren fast wie heute, die Probleme die gleichen. Damit meine ich: Das strukturelle Defizit, das wir vor uns hertragen und worüber es in diesem Landtag keine zwei Meinungen gibt, ist ein altes Problem Schleswig-Holsteins. Ich behaupte, dass die Landesregierung und

nicht zuletzt auch der Landtag über die Jahre immer wieder versucht haben, diesem strukturellen Defizit Herr zu werden, indem über Kredite das finanziert wurde, was in anderen Bundesländern auch ohne machbar war. Das ist eine These, an der sehr viel dran ist. Ich sage das nicht als Entschuldigung für das, was man in früheren Jahren hätte machen müssen - was auch von uns immer wieder kritisiert worden ist. Die Zeiten für populistischen Schlagabtausch sollten vorbei sein. Wir kommen nicht weiter, wenn wir nur Schuldzuweisung betreiben. Wenn wir sagen, wir haben eiserne Prinzipien und Sie diese nicht wollen, dann haben wir auch noch andere.

Die Situation ist heute so, dass wir in unserer Landesverfassung eine Schuldenbremse brauchen und dass der Weg so sein muss, wie er auch in der Beschlussempfehlung des Innen- und Rechtsausschusses zum Ausdruck kommt.

Liebe Kollegin Heinold, darum wird sich der SSW bei der namentlichen Abstimmung der Stimme enthalten. Denn man kann nicht auf der einen Seite sagen, die Landesregierung wird aufgefordert, einen Entwurf zur Änderung der Verfassung vorzulegen, und auf der anderen Seite sagen, dass alles schon geleistet ist. Das passt wirklich nicht zusammen.