Danke schön. - Ich lasse über den Wahlvorschlag abstimmen und schlage Ihnen dafür eine offene Abstimmung vor. Widerspruch höre ich nicht. Dann werden wir so verfahren. Ich weise darauf hin, dass für die Wahl die Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich ist.
Wer dem Wahlvorschlag zustimmen möchte, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Ich stelle fest, dass damit die erforderliche Zweidrittelmehrheit für die Annahme erreicht ist. Damit ist Herr Dr. Birger Brandt zum Präsidenten des Finanzgerichts gewählt.
Antrag der Fraktionen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2811 (neu)
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für die Abgeordneten des SSW dem Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn es um die Diskussion über faire Löhne geht, geht es nicht ausschließlich darum, ein absolutes Minimum - wie bei der Debatte um den gesetzlichen Mindestlohn - abzusichern. Vielmehr geht es darum, auch die tarifarisch ausgehandelten Löhne abzusichern, damit die Menschen einen fairen Lohn erhalten und gleichzeitig ihre Unternehmen eine faire Chance im Wettbewerb erhalten.
Diese Zielsetzungen hat das Tariftreuegesetz, und es hat diese Zielsetzungen auch erfüllt. Erst seitdem die damalige schwarz-rote Landesregierung dieses Gesetz einseitig mittels eines Erlasses außer Kraft
gesetzt hat, haben wir hier bei uns wieder ungeregelte und für unsere Unternehmen und Beschäftigten unzufriedenstellende Zustände.
Nachdem der Europäische Gerichtshof entschieden hatte, dass nur noch gesetzlich festgelegte oder aber allgemeinverbindliche Tariflöhne per Tariftreueerklärung eingefordert werden können, hat die damalige schwarz-rote Landesregierung nicht etwa die Praxis an diese Rechtsprechung angepasst, sondern sie ist gleich Sturm gegen das Tariftreuegesetz gelaufen. Ein Erlass wurde herausgegeben, der nicht nur vorsah, dass das Land das Gesetz nicht mehr anwendet, sondern auch gleich die Empfehlung aussprach, dass auch die Kommunen es nicht mehr anwenden sollten. Damit wurde von SchwarzRot regelrecht gegen faire Löhne und gegen gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen entschieden.
Wir als SSW hatten schon gleich nach Bekanntwerden des Urteils darauf hingewiesen, dass es noch breite Möglichkeiten für die Einforderung von Tariftreueerklärungen gibt. In einem Antrag hier im Landtag haben wir deshalb dazu aufgefordert, das Gesetz weiterhin anzuwenden und darauf hinzuwirken, dass Tarifverträge in Zukunft als allgemeinverbindlich erklärt werden. Die damalige Mehrheit hier im Hause hat dem Antrag nicht zustimmen wollen, wodurch viele Ausschreibungen seitdem ohne Tariftreue abgewickelt wurden, und zwar mit den entsprechenden negativen Auswirkungen für Beschäftigte und Betriebe.
Heute starten wir - gemeinsam mit SPD und Grünen - einen zweiten Anlauf, um unsere damaligen Anregungen umzusetzen. Das Tariftreuegesetz des Landes Schleswig-Holstein kann heute schon auf allgemeinverbindliche Tarifverträge angewandt werden. Das heißt, dass diese eingefordert werden können. Zum Beispiel sind die Tarifverträge des Baugewerbes, des Elektrohandwerks, des Malerund Lackiererhandwerks und auch des Dachdeckerhandwerks bundesweit allgemeinverbindlich. Diese können also weiterhin eingefordert und vor allem auch im Rahmen des Gesetzes überprüft und Vergehen hiergegen sanktioniert werden.
Wenn das Tariftreuegesetz wieder angewendet wird, gäbe es sogar einen Anreiz, dass auch andere vom Gesetz umfasste Branchen ihre Tarifverträge für allgemeinverbindlich erklären lassen. So wären zum Beispiel regionale allgemeinverbindliche Tarifverträge in den eben genannten Branchen oder auch in der Bauindustrie möglich.
Auch im privaten Omnibusgewerbe und bei den öffentlichen Verkehrsbetrieben wären allgemeinverbindliche Tarife denkbar. Das private Omnibusgewerbe verfügt schon über einen allgemeinverbindlichen Manteltarif, allerdings bisher ohne Gehaltsbestandteile. Dieser wäre sicherlich relativ leicht zu erweitern. Hierfür müssten nur Verhandlungen geführt werden. Das Tariftreuegesetz könnte somit sogar zu einer positiven Entwicklung in der Tarifgestaltung führen. Das stärkt die Tarifautonomie insbesondere vor dem Hintergrund der Diskussion über gesetzliche Mindestlöhne.
Deshalb dürfen wir bei der reinen Anwendung des Gesetzes nicht stehen bleiben, sondern wir müssen auch aktiv dafür sorgen, dass sich die Tarifpartner in den betroffenen Branchen in Schleswig-Holstein auf allgemeinverbindliche Tarifverträge einigen. Die Landesregierung muss deshalb aktiv werden und diesen Prozess fördern.
Heute fordern wir die sofortige Anwendung des Tariftreuegesetzes entsprechend der Möglichkeiten, die es heute schon gibt. Weiter wollen wir, dass die Kommunen entsprechend informiert werden und das Gesetz dann ebenfalls wieder anwenden. Wir wollen außerdem, dass weitere Tarifverträge - gerade auch in Schleswig-Holstein - für allgemeinverbindlich erklärt werden, damit möglichst viele Beschäftigte und Unternehmen weiterhin eine Chance haben. Das ist gerade auch in wirtschaftlich schwierigen Phasen - wie jetzt - enorm wichtig.
Heute geht es um die Entscheidung ,,Mit uns für gerechten Wettbewerb für unsere Unternehmen und für faire Löhne für unsere Beschäftigten!“ oder ,,Gegen uns und gegen die hiesigen Unternehmen und gegen unsere Beschäftigten!“ - So einfach ist das! So einfach ist das. Ich bitte Sie alle um Zustimmung zu unserem Antrag.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Renaissance der gescheiterten Koalition aus SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und dem SSW aus dem Jahr 2005 ist während dieser Landtagstagung nur schwer zu übersehen. Auch bei diesem Antrag haben sich die drei Parteien zusammengeschlossen.
Eines steht fest: Wir diskutieren hier zwar ein in der Gesetzgebung und Rechtsprechung durchaus komplexes Thema. Ich erwarte aber von allen Fraktionen im Landtag und auch vom SSW, dass sie sich eingängig mit diesem Thema beschäftigen, bevor entsprechende Anträge gestellt werden. Offensichtlich ist das nicht der Fall gewesen. Hätten Sie das getan, dann wüssten Sie, dass dieser Antrag schon allein rechtlich nicht umsetzbar ist.
Dabei möchte ich den Grünen und den Kollegen des SSW lediglich Fahrlässigkeit unterstellen. Der SPD ist an dieser Stelle jedoch vorzuwerfen, dass sie bewusst wider besseres Wissen handelt. Ich werde Ihnen gleich auch sagen, warum dies der Fall ist.
Am 26. März 2009 habe ich vom damaligen Justizminister Uwe Döring einen äußerst informativen Brief erhalten. Ich habe ihn sogar dabei. Ich bin schon ein wenig enttäuscht, dass die SPD die Argumente ihres eigenen Ministers offenbar nicht zur Kenntnis nimmt. Am liebsten würde ich den gesamten Text vorlesen, aber ich will mich auf die wesentlichsten Passagen beschränken und zitiere Uwe Döring mit Erlaubnis des Präsidenten:
„Unstrittig ist, dass das Tariftreuegesetz des Landes Schleswig-Holstein nicht europarechtskonform ist und daher nicht angewandt werden darf.“
Es machte daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenig Sinn, den rechtlich klarstellenden Erlass der Landesregierung - übrigens von der SPD mit beschlossen - aus dem Jahre 2008 einfach aufzuheben und so zu tun, als ob es dieses EuGH-Urteil nicht gebe.
Deswegen ist die Aufforderung in Punkt drei des Antrags, schleswig-holsteinische Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären, nicht ausreichend. Hinzu kommt: Wer wirklich die Tarifautonomie stärken will - das habe ich beim zum Teil schmerzhaften Studium des SPD-Wahlprogramms gelesen -, sollte sich als Staat aus Tarifverhandlungen heraushalten.
„Diese Mindestlohnbestimmungen sind aber ohnehin über das Arbeitnehmer-Entsendegesetz für alle in- und ausländischen Unterneh
men und ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich, sodass eine entsprechende Tariftreuregelung …“
Für die Antragsteller möchte ich das wiederholen: Der ehemalige Arbeits- und Justizminister von der antragstellenden SPD sagt, eine Tariftreueregelung, wie Sie sie hier in diesem Antrag fordern, hätte rein deklaratorischen Charakter.
Sehr geehrte Kollegen von der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vom SSW, wozu dann in aller Welt brauchen wir diesen Antrag? Wenn wir das beschließen, dann können wir auch beantragen, dass die Sonne im Osten aufgehen soll oder nach Ebbe die Flut folgen soll.
Es gibt nichts, meine Damen und Herren, was unser außer Kraft gesetztes Tariftreuegesetz regelt, was nicht jetzt schon durch das Arbeitnehmer-Entsendegesetz bestimmt wird. Im Gegenteil: Die Kontrollmöglichkeiten der öffentlichen Hand sind nach dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz viel besser, und auch Bußgelder sind im Entsendegesetz vorgesehen. Ich appelliere daher inständig an Ihre Vernunft. Ziehen Sie diesen Antrag zurück! Verhindern Sie überflüssige Bürokratie, und zeigen Sie auch im Wahlkampf, dass Sie Ihrer Verantwortung als Landtagsabgeordnete gerecht werden.
Für die CDU sage ich sehr deutlich: Die CDU hat sich in der Vergangenheit einer Tariftreueregelung nicht entzogen. Wir haben sie seinerzeit sehr verantwortungsvoll erweitert und verlängert. Doch jetzt müssen wir die EU-rechtlichen Einschränkungen akzeptieren. Hören Sie auf, den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land mitten in der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise durch solche Anträge Sand in die Augen zu streuen! Die Menschen haben Ehrlichkeit und Redlichkeit verdient und keine rechtlich nicht umsetzbaren Anträge auf unterstem Wahlkampfniveau!
Ich will noch einmal an die Worte von Uwe Döring erinnern: „Rein deklaratorischer Charakter“. Wir werden daher den Antrag ablehnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es wird für einige Zeit, dass der 27. September 2009 kommt, damit wieder Sachlichkeit und Ruhe in dieses Haus einkehren.
Was hier unterstes Niveau ist, Kollege Callsen, haben wir heute zum Teil mehrfach erlebt. Es macht einfach keinen Sinn, wenn der Staat bei der Auftragsvergabe indirekt Lohndumping fördert und damit Geld spart, als Folge jedoch Beschäftigte von Billiganbietern mit öffentlichen Aufträgen so wenig verdienen, dass sie ergänzende staatliche Sozialleistungen beziehen müssen. Das sind in SchleswigHolstein allein 170 Millionen € im Jahr.