Protokoll der Sitzung vom 17.09.2009

Viertens. Erste Planungen für ein Gleichstromkabel bis Brunsbüttel gibt es bereits. In einem zweiten Schritt soll diese Leitung ab 2015 zunächst in den Großraum Hannover hinein weitergebaut werden, und zwar auch, um den Netzknoten Brunsbüttel zu entlasten.

Fünftens. Die Bündelung von Anlandungstrassen findet bereits statt. Gleiches gilt für die Optimierung gegenüber dem Naturschutz im Wattenmeer.

Sechstens. Die Nutzung von Biomasse berücksichtigt alle angesprochenen Aspekte. Herr Minister von Boetticher wird hierzu sicherlich noch etwas sagen.

Siebtens. Auch und vor allem die Solarenergie muss sich den Marktgegebenheiten stellen. Sie muss sich insbesondere der Tatsache stellen, dass die nutzbaren Sonnenstunden im Mittel lediglich bei 900 bis 1.000 pro Jahr liegen.

Achtens. Die Kraft-Wärme-Kopplung wird durch den Markt ausgebaut werden können. Sie soll deshalb in den verdichteten Wohnbereichen eingesetzt werden. Flensburg ist hier mit einem Anschlussgrad von mehr als 99 % der unbestreitbare Leuchtturm.

Nachfolgend sind Kiel und Neumünster mit 47 % zu nennen, während Lübeck mit 11 % einen deutlichen Nachholbedarf zeigt.

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Matthiessen?

Zum dritten Mal: Nein.

Neuntens. Energieeinsparungen über die Vorstellungen der EU und der Bundesregierung hinaus können leider nur über zusätzliche Fördermittel des Landes erschlossen werden. Hier sind auch Sie als Parlamentarier gefragt.

Ich übergebe das Wort nunmehr an meinen Kollegen, Herrn Minister Dr. von Boetticher.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will gern einige Worte zum Klimaschutzbericht 2009 sagen, den ich Ihnen heute vorstellen darf.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Herr Nabel, wenn Sie eine Zwischenfrage stellen wollen, dann melden Sie sich bitte. - Wir haben in allen Bereichen des Klimaschutzes eine deutlich bessere Bilanz -

(Unruhe)

Frau Präsidentin, ich weiß nicht, ob es jetzt üblich wird, dass alle im Saal durcheinanderreden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe. Es muss sich keiner Sorgen darüber machen, dass das Präsidium nicht mehr gebraucht wird.

(Zurufe)

Ganz besonders der Herr Oppositionsführer muss sich keine Sorgen machen. Nichtsdestotrotz dankt das Präsidium für die Fürsorge. Ich bitte jetzt um

ungeteilte Aufmerksamkeit für Herrn Minister Dr. von Boetticher.

Wir haben in unserem Klimaschutzbericht aufgearbeitet, wie die schleswig-holsteinische Bilanz in den letzten Jahren gewesen ist. Wir stellen fest, dass wir in allen Bereichen des Klimaschutzes deutlich vor dem Bundesdurchschnitt liegen. Bei der Minderung der CO2-Emissionen beträgt unsere Minderung 20 %, im Bund erreichen wir 18 %. Beim Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung erreichen wir 17 %, der Bund erreicht 14 %. Der Anteil in Schleswig-Holstein von erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch liegt bei einem Wert von 10 %. Auf Bundesebene sind es gerade einmal 8 %. Das zeigt, dass wir im Klimaschutz, beim Ausbau der erneuerbaren Energien in diesem Land, in den letzten Jahren gemeinsam sehr viel erreicht haben. Ich sage das einmal ganz bewusst, weil es immer das gemeinsame Ziel aller hier im Landtag vertretenen Parteien gewesen ist, diesen Anteil zu vergrößern und mit einem durchaus ehrgeizigen Ziel vor dem Bundesdurchschnitt zu liegen. Wenn wir uns die Prognosen ansehen, dann ist es durchaus möglich, bis zum Jahr 2020 einen Anteil am Endenergieverbrauch von über 50 % zu erreichen.

Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass der Bund als offizielles Ziel gerade einmal 18 % ausgegeben hat. Ich sage ganz bewusst Endenergieverbrauch, weil wir im Augenblick sehr viel über den Stromenergieverbrauch reden. Wir sagen, dass wir 100 % hinkriegen. Ich glaube, man muss sich vor Augen halten, was wichtig ist: EU-weit wird heute gar nicht mehr über eine Stromminderung, sondern vor allen Dingen über den gesamten Endenergieverbrauch geredet. Dieser umfasst neben dem Strombereich beispielsweise auch den Verkehr und die Kraftstoffe. Das ist auch sinnvoll, weil am Ende alle Bereiche zur CO2-Minderung genutzt werden können. Dadurch werden wir in der Wahl der Instrumente ein Stück flexibler.

Wir haben viel Geld investiert. Wir haben aus dem Konjunkturpaket II für Schleswig-Holstein 430 Millionen € vor allem zur energetischen Sanierung von Gebäuden investiert. Wir haben den Windkraftausbau erweitert. Hierzu hat Herr Dr. Biel eben einiges gesagt. Wir haben bei der Bioenergie mit unseren Änderungsanträgen zum

EEG darauf geachtet, dass es eben nicht zu einem zu ungehinderten Auswuchs von Bioenergie- und vor allem von Biomasseanlagen in Schleswig-Holstein kommt. - Ich sehe eine Zwischenfrage, die ich auch gern zulasse, wenn mich die Präsidentin fragt.

Herr Minister, die Präsidentin wird diesen Landtag verlassen, aber sie ist immer noch dazu in der Lage, ihre eigenen Fragen zu stellen. Vielen Dank für Ihre Unterstützung. Ich habe gerade dem Parlamentarischen Geschäftsführer mein Ohr geliehen. Wer möchte denn eine Zwischenfrage stellen?

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Das war ein falsches Winken der Kollegin Heinold.

(Heiterkeit)

Wir haben mit den Kommunen gemeinsame Wettbewerbe -

(Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Stellt doch einer mal eine Zwischenfrage!)

Wir stellen fest, dass das Konzept „100 %-Erneuerbare-Energien-Kommunen“ von den Kommunen gut angenommen wird. Wir haben eine ganze Menge getan, um auch im Jahr 2020 das Ziel zu erreichen, einen Stromanteil aus Kraft-WärmeKopplung von 20 % zu erreichen. Ich selbst bin auch davon überzeugt, dass dies nicht das Ende der Fahnenstange ist. Die dänischen Nachbarn machen uns sehr gut vor, wie viele Potenziale in diesem Bereich erreicht werden können. Außerdem werden wir das Bau- und das Raumordnungsrecht überprüfen und weiterentwickeln, und wir werden verstärkte Impulse für den Klimaschutz erreichen, beispielweise durch verpflichtende kommunale Wärmepläne und durch die Einführung energetischer Sanierungsgebiete. Wir brauchen auch eine wirksame Förderung des Ausbaus der Nah- und Fernwärmenetze sowie der Hausanschlüsse. Ich glaube, hier gibt es eine ganze Menge an Potenzialen, die wir in den nächsten Jahren abarbeiten können.

Da das Thema der Kernenergie mit dieser Debatte verknüpft ist, will ich auch dazu etwas sagen. Ich habe in meiner letzten Rede hier deutlich gemacht, dass die seriöse Art und Weise der Atomaufsicht einer politisch neutralen Atomaufsicht - meiner Kollegin und Vorgängerin Frau Trauernicht fortge

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

setzt wird. Wir haben die Aufträge weiterlaufen lassen. Ich verstehe, dass aufgrund der Bundestagswahl und der Landtagswahl ein gewisser Druck und eine gewisse Unruhe aufkommen. Das Thema ist parteipolitisch besetzt; das weiß ich. Trotzdem ist es richtig und vernünftig, dass die Dinge, die in den Kernkraftwerken - auch in Krümmel - zu Abschaltungen geführt haben, seriös durch eine Atomaufsicht aufgearbeitet werden. Es ist gut und richtig, dass die Dinge, die durch den TÜV-Nord und alle Sachverständigen, die wir dort haben, aufgearbeitet werden, am Ende dazu genutzt werden, um sie in eine Zuverlässigkeitsprüfung einfließen zu lassen.

Frau Trauernicht, ich habe Ihre Einlassungen gelesen. Natürlich werden die Parameter, die im Augenblick mit dem Bundesministerium verabredet sind, die noch von Ihnen am 4. Juni verabredet worden sind und sich in der Erprobungsphase befinden, angewendet werden. Es ist das komplette neue Regelwerk. Wir werden dann sehen, was sich daraus ergibt. Dabei darf man jedoch nicht glauben, dass dies ein völlig neues Recht wäre. Es fasst das alte Recht zusammen und setzt einige ganz maßvolle neue Standards. Es enthält aber nichts, von dem man sagen könnte, es hätte die Welt geändert.

Richtig ist, dass es eine Atomgesetznovelle geben muss, und zwar unabhängig davon, wer im Bund regiert, weil wir entsprechende Richtlinien der Europäischen Union umsetzen müssen. Das heißt, wir müssen uns nicht für eine Atomgesetznovelle stark machen. Diese wird es ohnehin geben. Frau Kollegin, Sie haben es auch nicht getan, aber auch ich würde nicht den Eindruck erwecken wollen, dass wir im Vollzug völlig unzureichende Möglichkeiten hätten. Das war nicht der Fall. Wir haben eine ganze Menge Möglichkeiten, die wir jetzt sehr wirkungsvoll einsetzen müssen.

Ich habe selber den Vorschlag unterbreitet, Stromrestlaufzeiten zu übertragen. Das kann am Ende aber nur der Betreiber selber beantragen und entscheiden. Das kann die Regierung nicht verordnen. Bisher ist das in der Bundesrepublik auch nur ein einziges Mal auf Antrag geschehen. Damals hat Herr Trittin einer solchen Übertragung zugestimmt.

Insofern sollten jetzt auch nicht Erwartungshaltungen geschürt werden, die von meiner Vorgängerin bisher immer vermieden worden sind, weil die fachlich zuständige Atomaufsicht sie am Ende nicht einhalten kann. Darum: gern einen kritischen Dialog, einen kritischen Blick auf die Arbeit, die wir leisten, aber auch Seriosität. Die Zeit, um die Vor

fälle aufzuarbeiten und seriös zu prüfen, brauchen wir auch.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke zunächst den Herren Ministern Dr. Biel und Dr. von Bötticher für ihre Berichte. - Bevor wir in die Aussprache eintreten, begrüßen Sie bitte mit mir Studentinnen und Studenten der Berufsakademie an der Wirtschaftsakademie Kiel sowie Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einem Kurs des Grone-Bildungszentrums Kiel. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich eröffne jetzt die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion das Wort -

(Zuruf: Nein, erst der Antragsteller!)

- Wir haben hier einen anderen Hinweis bekommen. Wir sind aber sehr flexibel, und ich gebe selbstverständlich zunächst dem Antragsteller, dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich für die beiden Berichte der Landesregierung.

Wir haben Ihnen heute zwei Anträge vorgelegt: einen Antrag zur Stilllegung des Atomkraftwerks Krümmel und einen Antrag, der fordert, dass Schleswig-Holstein seine Energiepolitik an dem Ziel einer 100-prozentigen Versorgung mit erneuerbaren Energien im Strombereich ausrichtet. Wir haben also reichlich Stoff zu diskutieren, und das ist gut so. Denn nichts ist so entscheidend für unsere Zukunft wie die Klima- und Energiepolitik von heute.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Meine Damen und Herren, die Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke gehört zu den wichtigsten Vorhaben der angestrebten Koalition von CDU und FDP im Bund.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Quatsch!)

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Die Bundeswissenschaftsministerin Schavan hat sogar eine Studie erstellen lassen - wie gestern bekannt wurde - mit dem Ziel, den Neubau von Atomkraftwerken wieder zuzulassen.