Protokoll der Sitzung vom 09.11.2005

Wenn man eine Änderung bestehender Gesetze wünscht, lieber Herr Kollege Kayenburg, muss man die entsprechenden Gesetze ändern. So, wie diese Gesetze einst verabschiedet wurden, sollten sie - sofern Änderungswünsche bestehen - dann auch auf den politischen und rechtlichen Prüfstand.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und dann möge man sich bekennen. Das wäre aus Sicht des SSW ein aufrichtiger Umgang mit den bestehenden Gesetzen. Das nur zur Vorgehensweise.

Inhaltlich ist angestrebt, Entscheidungswege zu beschleunigen. In diesem Punkt kann ich meinen beiden Kollegen durchaus Recht geben. Es wäre durchaus wünschenswert, wenn die Entscheidungswege kürzer und die Entscheidungsebenen flacher wären. Insgesamt haben wir durch den Verwaltungsaufbau in Schleswig-Holstein vier Entscheidungsebenen,

(Anke Spoorendonk [SSW]: So ist das!)

die - je nachdem - etwas zu sagen haben oder auch mitreden wollen. Aber wenn es nach der großen Koalition geht, wird noch eine Verwaltungsebene mehr eingeschoben. Damit lassen sich die Entscheidungswege nicht beschleunigen. Sie bauen Bürokratie auf und nicht ab!

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: Dafür kriegen wir ein Planungsbeschleunigungsge- setz!)

Nächster Punkt: Optimierung von Planfeststellungsverfahren und Straffung des Rechtsweges. Die Öffentlichkeitsbeteiligung in einem Planfeststellungsverfahren ist das A und O in einem solchen Verfahren. Nur so wird gewährleistet, dass betroffene Bürgerinnen und Bürger sich frühzeitig einbringen können, um entsprechend Gehör zu finden. Dass diese Beteiligungsmöglichkeit genutzt wird, macht deutlich, wie unterschiedlich die Interessen des Gemein

(Lars Harms)

wohls gesehen werden können. Es gehört eben auch dazu, dass den Bürgern Klagerechte eingeräumt werden. Daher halten wir es für rechts- und verfassungspolitisch bedenklich, wenn Klagerechte dahin gehend eingeschränkt werden, dass nur eine Instanz zuständig sein soll.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer soll entscheiden, welche Instanz bei welcher Klage zuständig ist? - Das wäre dann definitiv willkürlich. Es widerspricht der Funktion der Bundesgerichte, wenn das Bundesverwaltungsgericht als erste und letzte Instanz zuständig wäre. Beteiligung, Anhörung, Klagerecht und Informationsfreiheit sind Bürgerrechte, die der SSW nicht abschaffen will. Wer Verfahren beschleunigen will, soll vernünftig und unter breiter Beteiligung planen. Dazu gehört eine flache und übersichtliche Verwaltungsstruktur mit verbindlichen Zuständigkeiten. Das wird in Schleswig-Holstein mit der Verwaltungsstrukturreform verhindert und nicht gefördert. Das ist der eigentliche Fehler.

Unterm Strich kann ich nur sagen: Das Einzige, was spürbar von Rot-Schwarz verkürzt wird, sind demokratische Beteiligungsrechte für Bürger und Verbände. Gerichtsverfahren sind eine legitime Kontrolle der Verwaltung. Wenn Planfeststellungsbeschlüsse von Gerichten aufgehoben werden, dann liegt das nicht am Kläger, sondern an der Sturheit derer, die an rechtswidrigen Plänen festgehalten haben. Darüber haben wir hier in diesem Haus auch schon ein paar Mal diskutiert, und zwar zu ganz konkreten Themen.

Wie man so die Akzeptanz in der Bevölkerung für Verkehrs- und Bauprojekte erreichen will, ist mir schleierhaft. Diese erreichen wir nur, wenn Bürgerinnen und Bürger sowie Verbände frühzeitig beteiligt werden. Nur dann räumt man Probleme aus. Grundpfeiler für eine hohe Akzeptanz von Planungen sind die frühzeitige Beteiligung von Bürgern und Verbänden, transparente Verfahren und eine Offenheit hinsichtlich der Alternativen zur Lösung der Verkehrs- und Umweltprobleme. Genau das gewährleisten wir mit einer solchen Initiative nicht. Wir sollten die einzelnen Gesetze ansehen und dann ehrlich entscheiden. Dann ist das okay. Wir sollten nicht durch die Hintertür Gesetze, die wir selber beschlossen haben, aushebeln. Das ist nicht in Ordnung.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Danke. - Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Dietrich Austermann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich danke den Koalitionsabgeordneten ausdrücklich für diesen Antrag, weil er Gelegenheit gibt zu unterstreichen, dass wir einen Nachholbedarf haben,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Den haben Sie wahrscheinlich selber geschrieben!)

und weil er die Landesregierung bei Entscheidungen ermutigt, die getroffen werden müssen. - Ich könnte jetzt etwas zu Ihnen sagen. Ich erinnere mich, dass eben vom Kollegen Garg beklagt wurde, wir hätten zu wenig Beteiligungsmöglichkeiten. Wenn ich mich recht erinnere, gab es vor kurzem einen Antrag der FDP, ein „Flughafen-Lübeck-Gesetz“ zu machen,

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wir haben uns nicht beklagt!)

das die Dinge relativ kurz behandelt.

Der Sachverhalt ist folgender. Wir haben in Deutschland zurzeit unterschiedliche Situationen. In den neuen Bundesländern haben wir, auslaufend am 31. Dezember, ein Planungswegebeschleunigungsgesetz. Die Autobahn A 20 zwischen der polnischen Grenze und Lübeck ist fertig. In den westlichen, den alten Bundesländern, haben wir kein Planungswegebeschleunigungsgesetz. Die Autobahn wird begonnen. Das sind die unterschiedlichen Sachverhalte. Wir brauchen in den alten Bundesländern 16 Jahre, um den gleichen Zustand zu erreichen, den wir in den neuen Bundesländern haben. Wenn die Situation so ist, kann ich den Abgeordneten der Koalition nur zustimmen: Das Recht muss geändert werden. Wenn man das Recht in Richtung der Situation ändert, die in den neuen Bundesländern besteht, wird doch niemand auf den Gedanken kommen zu sagen, das seien vordemokratische Zustände.

Der einzige Unterschied, den es gibt, ist folgender: Es hat sich in den neuen Bundesländern noch keine so ausgeprägte Widerstandskultur geprägt, wie sie in den alten Bundesländern da ist. Das heißt, jedes Projekt, das irgendwann einmal begonnen wird, wird nicht gleich von vornherein dahin gehend betrachtet, ob es vielleicht dem einen oder anderen Anlieger störend erscheinen könnte, sondern es wird zunächst nach dem grundsätzlichen Nutzen der Angelegenheit für die Allgemeinheit gefragt. Das ist meines Erachtens genau der Ansatz, auf den wir uns verständigen müssen.

Der Ministerpräsident hat mich gerade darauf hinge

(Minister Dietrich Austermann)

wiesen: Die politische Entscheidung für die GroßerBelt-Querung ist im Jahr 1988 getroffen worden.

(Zuruf der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Im Jahr 1999, elf Jahre später, konnte darauf gefahren werden. Es stelle sich einmal einer vor, das würden wir hier erreichen. Ich glaube nicht, dass man davon reden kann, dass in Dänemark und Schweden Zustände zu beklagen sind, die mit Demokratie nicht in Einklang zu bringen sind.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb muss unser Ziel sein, planerische Maßnahmen zu beschleunigen. Alles, was uns heute an Infrastruktur fehlt, belastet uns morgen und übermorgen den Wirtschaftsstandort Schleswig-Holstein, den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wir als SchleswigHolsteiner haben einen Nachholbedarf in Infrastruktur. Wir reden immer davon, dass wir uns auf einer Drehscheibe befinden. Bei uns kreuzen sich Verkehrswege. Bloß, die Verkehrswege sind nicht da. Sie sollten sich hier gern kreuzen. Wir sollten die Möglichkeit nutzen, aus der Randlage herauszukommen und die Brücken- und Drehscheibenfunktion wahrzunehmen.

Ich glaube, der Herr Abgeordnete Müller hat das gesagt: Die jetzige Landesregierung arbeitet das ab, was heranreifte, plant schneller. Es gibt die eine oder andere Maßnahme, bei der der eine oder andere Anwesende dazu hätte beitragen können, dass sie schneller realisiert worden wäre.

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das war der Kollege Garg!)

Wir sind jetzt dabei zu versuchen, die Dinge in eine Richtung zu bringen, dass sie schneller realisiert werden können.

Ich freue mich, dem Landtag heute mitteilen zu können, dass es uns durch die tüchtige Arbeit des Landesbetriebes, aber auch der Mitarbeiter im Wirtschaftsministerium gelungen ist, dafür zu sorgen, dass wir in diesem Jahr zusätzliches Geld vom Bund für Maßnahmen werden verbauen können.

(Beifall bei der CDU)

Es werden mindestens 15 Millionen € sein. Man kann also durchaus bei der Realisierung einzelner Vorhaben etwas tun. Man kann es aber auch dadurch machen, dass man die Planung insgesamt beschleunigt.

Mein Ziel - ich glaube, das der ganzen Landesregierung - ist, dafür zu sorgen, dass alle Maßnahmen, die im laufenden Bundesverkehrswegeplan enthalten sind, bis zum Jahr 2009/2010 fertig geplant sind.

Wir haben heute auch die Situation - das ist die alte Rechtslage -, dass ein Planfeststellungsbeschluss nach fünf Jahren verfällt. Man braucht 15 Jahre, um eine Planung aufzustellen, und nach fünf Jahren verfällt sie. Ich habe, als ich ins Amt gekommen bin, gefragt, welche Projekte wir in der Schublade haben. Es gab kein einziges, und zwar nicht, weil die Vorgänger faul waren, sondern deshalb, weil sie sagten: Es macht keinen Sinn, eine Planung zu realisieren, wenn man sie nachher nicht umsetzen kann, weil kein Geld da ist und weil die Planung innerhalb von fünf Jahren verfällt.

Damit habe ich deutlich gemacht, was sich ändern muss. Wir brauchen ein neues Gesetz, in dem wir zunächst vor allem die Wirksamkeit der bereits beschlossenen Pläne feststellen. Auf Bundesebene ist ein Gesetzentwurf von der noch amtierenden rotgrünen Bundesregierung beschlossen worden, der die Planungsbeschleunigung zum Ziel hat, ein Gesetzentwurf, der im Wesentlichen dem entspricht, was in den neuen Bundesländern gilt. Das heißt, längere Geltungsdauer der Planfeststellungsbeschlüsse, mehr Plangenehmigungen statt Planfeststellungsbeschlüssen, Einführung von festen Schwellenwerten bei Straßenbauvorhaben statt aufwändiger Vorprüfung, ob die Umweltverträglichkeitsprüfung nötig ist, im Planfeststellungsverfahren gleiche Fristen für die anerkannten Naturschutzverbände und für private Eigentümer, im Einzelfall kein Erörterungstermin im Anhörungsverfahren, wenn abzusehen ist, dass Erörterungstermine die Befriedigungsfunktion nicht erfüllen, bei Straßenplanung erstinstanzliche Zuständigkeit beim Bundesverwaltungsgericht. Ich halte es für sehr wichtig, dass wir da eine einvernehmliche Entscheidung bekommen.

Was der hessische Entwurf, der hier in Ergänzung zu dem Entwurf der Bundesregierung angesprochen worden ist, noch nicht vorsieht, ist das Übertragen schnellerer Planungsschritte auch auf Infrastrukturmaßnahmen im Bereich der Stromnetze. Wir müssen auch dort schneller werden. Wenn wir so viel erneuerbare Energie im Land haben wollen, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass der Strom, der dort produziert wird, schneller abgesetzt werden kann. Wir brauchen dort fairen Wettbewerb, faire Preise im Stromhandel für Windstromableitung und für den Anschluss neuer Kraftwerke. Auch dieser Bereich muss also verbessert werden.

Ich sage ein Letztes, was für das Land ebenfalls von Bedeutung ist. Es sind alle darin einig, dass ein bestimmter Bereich des Nord-Ostsee-Kanals ausgebaut werden muss, damit die Schiffe der künftigen Generation dort fahren können. Darüber muss man nicht noch fünf Jahre debattieren. Dann muss der Bundes

(Minister Dietrich Austermann)

verkehrsminister in die Lage versetzt werden, auch hier eine Beschleunigung der Planung vorzunehmen.

(Vereinzelter Beifall bei CDU und SPD)

Meine Damen und Herren, unser gemeinsames Ziel ist, Infrastrukturmaßnahmen schneller umzusetzen und nicht - das sage ich ganz klar -, demokratische Rechte auszuhebeln.

(Beifall des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber muss es in Deutschland - anders als in allen anderen Ländern Europas - immer drei Instanzen und drei einstweilige Instanzen geben? Ich meine, eine Instanz reicht für einen ordentlichen Rechtsstaat. Wir sind deshalb dafür, dass Ganze in diese Richtung zu beschleunigen. Ich kann Ihnen versichern, dass die Landesregierung in Kürze einen Entwurf vorlegen wird, mit dem wir in den Bundesrat gehen, um das, was hier beantragt worden ist, per Gesetzentwurf zu unterstützen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, erlauben Sie mir eine geschäftsleitende Bemerkung: Da die Landesregierung die vereinbarte Redezeit um zwei Minuten überschritten hat, stehen den Fraktionen jetzt zwei Minuten Redezeit zu.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

- Zwei Minuten, Herr Ritzek! - Der Kollege Hentschel hat sich bereits gemeldet. Ich hoffe, die Ihnen zur Verfügung gestellten zwei Minuten reichen.