Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

- Ich nehme gleich zu dem Stellung, was die Regierung zu dem Thema zu sagen hat. - Es muss einen nicht wundern, wenn er in dieser Frage zu der gleichen Position käme wie der ehemalige Abgeordnete Malerius, der zu seinen Kollegen dort im Kraftwerk gegangen ist und gesagt hat, er setze sich dafür ein, dass das Kraftwerk weiter betrieben wird. Sie wissen, welche Wirtschaftskraft hinter einem Kraftwerk steckt. Sie wissen, dass das eine erhebliche Bedeutung für die gesamte Region, für die Arbeitsplätze, für alles, was damit verbunden ist, hat. Ich denke deshalb, dass man es sich nicht ganz so leicht machen sollte.

Ich akzeptiere die Vorbehalte, die unser Koalitionspartner in Sachen Kernenergie hat. Gleichwohl denke ich, dass es eine Möglichkeit gibt, diese Position und unsere Position so miteinander zu vereinbaren, dass bestimmte Arbeitsplätze länger erhalten werden können, ohne sich von der Grundsatzentscheidung zu entfernen. Nach meiner Überzeugung kann dieses Ziel bei dem Ringen um eine gemeinsame Position in Berlin erreicht werden, indem man sagt: Wir bleiben bei der grundsätzlichen Einstellung. Aber wir sehen, was im Rahmen der verfügbaren Restlaufzeit für das eine oder andere Kraftwerk zu machen ist, auch wenn das vielleicht nicht konkret in schriftliche Vereinbarungen gegossen wird.

Darüber nachzudenken ist, glaube ich, nicht verboten. Darüber eine Meinung zu haben, ist, glaube ich, auch nicht verboten. Frau Kollegin Trauernicht hat ihre Meinung dazu geäußert, die eine andere ist als meine. Ich habe meine dazu geäußert. Das Bemerkenswerte an uns beiden ist, dass wir heute noch die gleiche Meinung haben wie gestern. Bei dem einen oder anderen, der hier redet, habe ich manchmal den Eindruck, er sagt heute etwas anderes als gestern und morgen wieder etwas anderes. Ich denke, man kann niemandem vorwerfen, dass er in bestimmten Fragen eine Überzeugung hat und diese auch vertritt.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Position, die Herr Harms oder die FDP in Sachen Kernenergie vertreten, war auch gelegentlich eine andere. Das wechselt manchmal relativ munter.

(Beifall bei der CDU)

Ich stelle einfach nur fest, dass man das niemandem vorwerfen kann. Ich glaube auch, dass niemand jemandem abspricht, dass er in dieser Frage eine bestimmte Position hat.

Wenn bei dem, was in Berlin läuft, das Ergebnis herauskommt, das ich erwarte, Herr Kollege Nabel, dann werden Sie feststellen, dass ich mich in dieser Frage möglicherweise nicht durchgesetzt habe, aber

im Ergebnis doch. Das war im Interesse der Sache. Wenn ich mir meine Trefferquote in den sechseinhalb Monaten angucke, dann muss ich sagen, liege ich im Vergleich zu dem, was andere tun, gar nicht so schlecht. Wenn ich mich in dieser Frage dann auch noch mit ver.di und dem DGB auf einer Spur befinde, finde ich das nicht ehrenrührig. Ich denke, dass die Position insgesamt nicht falsch ist.

Ich sage aber: Der Versuch, die Regierung hier auseinander zu bringen, wird nicht gelingen. Wir haben eine klare Koalitionsvereinbarung. Wir werden uns im Bundesrat, wenn die Entscheidung über den Atomausstieg ansteht, daran orientieren, was die Regierung macht; denn das ist Bundesrecht. Über Bundesrecht wird im Bundesrat so entschieden, wie wir es vereinbart haben, wobei ich darauf hinweise, dass in der Koalitionsvereinbarung zu diesem Thema nicht nur steht, dass wir uns bei der Frage enthalten; vielmehr steht in der Koalitionsvereinbarung auch, übergeordnetes Ziel der Energiepolitik sei eine sichere, nachhaltige und preisgünstige Versorgung. Ich füge hinzu: Die Energie muss auch verfügbar sein, was nicht bei allen erneuerbaren Energieträgern ständig der Fall ist. Dann heißt es weiter: Nur ein Mix verschiedener Primär-Energieträger wird die Versorgungssicherheit und die Umweltverträglichkeit gewährleisten.

Also: Wir bleiben bei der Position, die die Landesregierung vertritt und die ich mit unterschrieben habe. Wir werden als Landesregierung, wie gesagt, nicht initiativ. Das ändert jedoch nichts daran, dass man zu dem Thema eine Meinung haben kann.

Nun möchte ich noch einige Sätze zu dem Antrag sagen. Der erste Teil des Antrags des SSW, Herr Harms, bedeutet, dass man eine Kostenentlastung für die Unternehmen - nichts anderes ist es, wenn die Kraftwerke länger laufen - ablehnt. Auf der anderen Seite fordert man aber eine Beteiligung der gleichen Unternehmen an den Kosten der Netzzuleitung. Ich finde das nicht in Ordnung. Wenn man in Berlin zu dem Ergebnis käme, dass die Laufzeiten verlängert werden, wäre es für mich selbstverständlich, die Forderung zu erheben, dass diese Kostenentlastung zugunsten erneuerbarer Energieträger und zur Absenkung des Strompreises eingesetzt werden muss. Ich denke, das wäre im allseitigen Interesse. Insofern ist das, was Sie gedanklich damit verbinden, nämlich dass Sie sagen, wir brauchen eine andere Regelung, was die Netzzuleitung betrifft, durchaus in Ordnung. Man muss dann nur sehen, dass man demjenigen, der das Ganze machen soll, auch die finanzielle Möglichkeit gibt, das zu tun.

(Minister Dietrich Austermann)

Man kann über das ganze Thema sehr lustig und fröhlich reden. Aber ich meine, im Hinblick auf die Arbeitsplätze muss man das sehr ernsthaft diskutieren. Es handelt sich nicht um ein ideologisches Thema, sondern um ein Thema, das praktisch darauf ausgerichtet ist, durch günstige Energiepreise in SchleswigHolstein den Bestand an Arbeitsplätzen zu sichern. Dafür bin ich gewählt worden. Dafür trete ich ein.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke Herrn Minister Austermann. - Das Wort für einen Kurzbeitrag hat nun der Herr Abgeordnete Klaus Müller.

Herr Austermann, ich respektiere jede Meinung, auch wenn ich sie für falsch halte. Aber was ich hier nicht stehen lassen will, ist Ihr subtiler Vorwurf, es wäre ein qualitativer Unterschied, ob ein Mitglied dieses Landtages direkt oder über eine Liste in das Parlament gewählt worden sei. Dies ist weder angemessen noch in irgendeiner Weise in Ordnung. Soweit ich mich erinnere, galt auch für den Bundestagsabgeordneten Austermann, dass er zumindest 2002 nicht direkt gewählt worden ist. Gleichwohl haben Sie Ihr Bundestagsmandat mit allem Ernst ausgeübt, was Ihnen an dieser Stelle keiner abspricht.

Ich sage Ihnen: Auch ich und jeder andere, der über eine Liste in dieses Parlament gewählt worden ist, hat sich mit den Nöten in Brunsbüttel und sonst wo genauso auseinander gesetzt wie jeder Direktkandidat in diesem Wahlkreis, übrigens genauso wie wir uns in anderen Wahlkreisen mit den Problemen der Menschen vor Ort auseinander gesetzt haben, egal, ob die Betreffenden einer großen Partei oder einer kleinen Partei angehört haben. Es spricht schon für eine ganze Menge an Arroganz, wenn Sie irgendeinem Vertreter, der gewählt worden ist, unterstellen, es würde einen Unterschied machen, ob er in Brunsbüttel aufgestellt worden ist oder über eine Landesliste seiner Partei. Das muss ich in aller Deutlichkeit sagen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wissen, dass erneuerbare Energien schon heute für mehr Arbeitsplätze sorgen, als das Atomkraft bei uns im Lande tun. Insofern muss man deutlich sagen: Wer sich Gedanken über Arbeitsplätze macht, der ist auf der Seite der erneuerbaren Energien sehr gut aufgestellt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umgekehrt ist das Thema Sicherheit eines, was bei Ihnen beim Thema Atomkraftwerke nicht vorkommt.

Eine Bemerkung noch zu Ihrer Trefferquote, über die Sie gesprochen haben. Ich kann nur sagen: Beim Thema IHK-Fusion war es kein Treffer. Beim Thema Landesuniversitäten und Studiengebühren werden wir das noch sehen. Aber mir ist kein Mitglied des Kabinetts Carstensen bekannt, das bisher zweimal öffentlich vom Regierungschef gerüffelt worden ist und bei dem angemahnt wurde, Aussagen zurückzuziehen. Wenn das Ihre Art der Trefferquote ist, erinnere ich Sie gern an das Motto im amerikanischen Baseball. Dort heißt es: Three strikes and you are out. - Ich hoffe, dass Ihnen dieses Schicksal nicht zu bald blüht.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte auf die Vorhaltungen eingehen, die Sie, Herr Minister Austermann, gemacht haben. Zunächst schließe ich mich dem an, was der Kollege Müller zu den direkt gewählten Personen hier in diesem hohen Haus und den Abgeordneten gesagt hat, die per Liste gewählt worden sind. Wir haben alle die gleichen Rechte, die gleichen Voraussetzungen, die gleichen Funktionen. Vor allen Dingen, liebe Kolleginnen und Kollegen, haben wir alle gemeinsam, egal, auf welche Art und Weise wir gewählt worden sind, eine Verantwortung für dieses Land. Die nehmen wir gemeinsam ordentlich und vernünftig wahr.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Zweite, was Sie mir und, wie ich glaube, dem Kollegen Müller vorgeworfen haben, ist, dass wir locker und flockig die Meinung wechseln. Dazu kann ich Ihnen wirklich sagen: Wenn es in diesem hohen Haus einen gibt, der sich regelmäßig - zumindest in den fünf Jahren, in denen ich hier war - vehement gegen die Atomkraft ausgesprochen hat, der das im Übrigen auch in Brunsbüttel und in Krümmel getan hat - die beiden Gebäude habe ich besucht; vielleicht im Gegensatz zu manch anderen -, dann bin das ich. Ich habe regelmäßig gesagt: Erneuerbare Energien, das ist die Zukunft.

Der SSW ist die Partei in Schleswig-Holstein, die die längste Tradition darin hat, gegen die Atomkraft zu sein. Wir haben einen Landesparteitagsbeschluss von

(Lars Harms)

1969 - da haben wir noch keine Werke gehabt -, der besagt, dass wir weder für militärische noch für zivile Nutzung Atomkraft als adäquates Mittel empfinden. Wir sind gegen Atomkraft, waren es schon immer und werden unsere Meinung in dieser Frage nicht wechseln.

Nächster Punkt. Sie sagten, eine Kostenentlastung bekämen wir dadurch, dass wir die Laufzeiten verlängern. Dann könnten wir etwas für die erneuerbaren Energien tun. Um das klarzustellen: Die Stromunternehmen haben definitiv und klar gesagt: Ob ihr die Zeiten verlängert oder nicht, der Strompreis wird nicht sinken. Sie würden sich freuen, dass sie die Anlagen noch länger betreiben können. Sie freuen sich möglicherweise auch, dass sie in irgendeiner Art und Weise ein bisschen Geld verdienen können. Aber sie werden den Strompreis nicht senken. Das haben wir definitiv schriftlich vorliegen.

Was hat es zur Folge, wenn Sie sagen: Wir wollen die Kostenentlastung dafür nutzen? Dann müssten Sie diese Unternehmen irgendwie zwingen. Das wäre etwas Neues. Es wäre der Wechsel einer Meinung, wenn Sie als Wirtschaftsminister der CDU sagen: Ich möchte gern in die Geschäftspolitik der einzelnen Unternehmen eingreifen und sie zwingen, die Gewinne, die sie machen, abzuführen. Das kannte ich bisher nur von Herrn Bsisky und seiner Partei. Aber wenn Sie nun die Meinung gewechselt haben: Okay, damit habe ich kein Problem. Aber dann müssen Sie mit entsprechenden Initiativen kommen. Dann können wir uns gern darüber unterhalten.

Letzter Punkt! Arbeitsplätze. Ich habe vorhin deutlich gemacht, dass wir alle das Arbeitsplatzargument natürlich im Auge haben. Ich habe gesagt: Wir haben genügend lange Fristen, um den Leuten eine Perspektive zu bieten. Es geht um 10, 15 und 20 Jahre, in denen diese Anlagen abgewickelt werden, in denen wir für die Beschäftigten, die dort tätig sind, Alternativen finden müssen - auch in Brunsbüttel, auch in Krümmel, auch in Stade. Das ist völlig klar.

Herr Harms, ein Kurzbeitrag ist kurz!

Nur, liebe Leute, müssen wir uns darüber einmal Gedanken machen und nicht an diesen alten Anlagen festhalten. Denn es ist ein Kardinalfehler, am Alten festzuhalten und sich der Zukunft zu verschließen. Das dürfen wir hier in Schleswig-Holstein nicht machen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zu einem weiteren Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zwei Bemerkungen vorweg zur ökonomischen Basis der Debatte, die wir gerade führen. Das Erste ist, dass uns der Kollege Harms darüber unterrichtet hat, dass man neue Arbeitsplätze schaffen kann, indem man Werke abreißt, und sich die Mitarbeiter keine Sorgen machen müssen, weil sie noch 10 oder 15 Jahre beschäftigt würden. Wenn diese Logik zuträfe, Herr Kollege Harms, müssten wir ganz Deutschland abreißen,

(Beifall bei der CDU)

weil dann alle in Deutschland beschäftigt wären. Das Entscheidende ist: Es muss immer jemand bezahlen. Es muss immer erwirtschaftet werden, was anschließend ausgegeben wird. Sie haben mit Sicherheit keine produktive Tätigkeit beim Abriss eines Unternehmens, sondern nur beim Aufbau eines Unternehmens.

(Zuruf des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

- Ich finde das so toll, Herr Nabel. Ich glaube, Sie sind Lehrer von Beruf. „Dafür gibt es die Rücklage“: Das finde ich sehr vernünftig. Trotzdem ist das Wesen einer Volkswirtschaft, Umsatz zu machen, und nicht, auf Rücklagen zurückzugreifen.

(Zuruf des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

- Es ist wirklich grausam, auf welchem hervorragenden Niveau hier gelegentlich Debatten geführt werden. Wachstum generiert man mit Umsatz, Kollege Neugebauer, und nicht dadurch, dass man die Kosten senkt oder dass man Rücklagen angreift oder Ersparnisse aufbraucht. Aber darauf will ich mich jetzt gar nicht weiter einlassen.

Die zweite Geschichte ist: Die Argumentation, Herr Kollege Nabel, die Sozialdemokraten führen, muss auch Bestand haben können. Ich bin gespannt, was die Sozialdemokraten nächste oder übernächste Woche unter Umständen erklären werden, wenn, wie ich gerade gehört habe, aufgrund eines Kanzlerinnenmachtwortes die Frage eines Energiemixes neu aufgedröselt werden soll. Es gibt auch bei Sozialdemokraten, Kollege Nabel, durchaus ernst zu nehmende Menschen, die sich Gedanken über die Frage machen,

(Wolfgang Kubicki)

wie die Energieversorgung in Deutschland künftig gewährleistet werden kann.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])

Nur Menschen, die allwissend sind, haben keinen Kenntniszuwachs. Davon gibt es bedauerlicherweise nur sehr wenige in diesem Leben. Deshalb, Herr Kollege Austermann, darf man über Kenntniszuwächse nicht böse hinweggehen. Sie haben Ihre Meinung. Das ist auch in Ordnung. Sie können sie als Person oder als Minister äußern, wie jeder seine Meinung äußern kann und äußern sollte. Nur so kommen wir dazu, dass wir bei verschiedenen Auffassungen eine gemeinsame Linie finden.

Wir als FDP haben, Herr Minister Austermann, bereits im Wahlkampf gesagt: Wir halten eine Diskussion darüber, ob der Atomkonsens aufgelöst werden kann oder nicht, für nicht sehr zielführend. Denn wir glauben nicht, dass es eine politische Mehrheit in Deutschland geben wird, diesen Atomkonsens aufzulösen. Bei dieser Meinung bleiben wir. Man kann sich über die Frage, ob er sinnvoll war oder nicht, durchaus streiten. Aber er ist im Konsens mit Unternehmen abgeschlossen worden, Herr Kollege Kayenburg, von denen man nicht sagen kann, dass sie FDP-geführt sind. Die spannende Frage ist, ob es einen großen Sinn macht, diese Diskussion mit einer emotionalen Emphase aufzubrechen. Wir meinen: Nein. Wenn die Unternehmen uns, dem deutschen Volk und sich selbst erklärt haben, dass sie mit ihrer Kalkulation und mit der Sicherheit der Versorgung in dem Rahmen hinkommen, in dem sie sich mit der Regierung geeinigt haben: Warum sollten wir als politisch Entscheidende dies auflösen?