Protokoll der Sitzung vom 10.11.2005

Drittens. In den nächsten Jahren treten etwa 300.000 der 800.000 Schullehrer in den Ruhestand.

Meine Damen und Herren, das sind bekannte Tatsachen, auf die Reaktionen erfolgen müssen. Eine weitere Erhebung ist nicht sinngebend.

Die Lehrerqualifikation und -versorgung wird in den kommenden Jahren eine hohe Priorität einnehmen. Die große Koalition stellt sich dieser Herausforderung und wird die Lehrerausbildung mit den international anerkannten Bachelor- und Master-Studiengängen grundlegend reformieren.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Auch im Bereich der Lehrerbesoldung wird über neue Anreiz- und Bewertungssysteme nachgedacht. Zwar ist das Einstiegsgehalt eines Lehrers nicht gerade gering einzustufen, es wird jedoch nur durch Übernahme einer Funktionsstelle oder automatisch mit dem Alter oder eine Familiengründung vermehrt. Es gibt keinerlei Anreizsysteme wie in anderen Ländern für besonderes Engagement für und außerhalb des Unterrichts. Die Tatsache, dass sich eine erhebliche Zahl von Lehrkräften jetzt dem Rentenalter nähert, stellt die meisten OECD-Länder vor neue Probleme. Deutschland hat jedoch durch den bevorstehenden Generationswechsel auch die einmalige Chance, auf substanzielle Veränderungen in der Lehrerschaft hinzuwirken und entsprechenden Nutzen daraus zu ziehen.

Meine Damen und Herren, Lehrerinnen und Lehrer zu sein ist eine große und wichtige Aufgabe in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei CDU und FDP)

Lehrer sein ist eine Berufung und alles andere als ein einfacher Beruf. Deshalb muss es uns allen gemeinsam gelingen, den Imageverlust dieses Berufsstandes zu bekämpfen. Nur wenn der Lehrerberuf von fähigen Menschen als attraktiv und erstrebenswert angesehen wird, entwickelt sich auch eine neue zukunftsträchtige Qualität von Schule und Unterricht.

(Beifall bei CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, den Antrag der Grünen wird die CDU-Landtagsfraktion ablehnen, soweit

man überhaupt von einem Antrag sprechen kann. Was Sie hier vorgelegt haben, werte Kollegen der Grünen, hat nicht einmal die Qualität eines Waschzettels und ich finde, es ist dieses Hauses nicht würdig.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke der Frau Abgeordneten Herold. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Dr. Henning Höppner.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hast du die Vorstudie gelesen?)

- Ja. Wenn ich den Antrag der Grünen lese, wenn ich ihn richtig lese, dann fordern die Grünen die Landesregierung auf, dass sie sich an der Studie „Lehrer, Unterricht und Lernen“ beteiligt. Wenn ich das richtig verstehe, hätte ich durchaus Lust zu wissen, wie es um die Landesregierung steht und ob sie die Anforderungen der OECD erfüllt.

(Heiterkeit)

Immerhin, Frau Ministerin, haben wir mit Ihnen ja eine Pädagogin, die bis 1987 als Pädagogin tätig war, aber auch unser Ministerpräsident ist bis 1983 Lehrer an der Fachschule für Landwirtschaft in Bredstedt gewesen. Es wäre schon interessant zu wissen, ob die Landesregierung dann diese Kriterien erfüllen würde.

Meine Damen und Herren, wenn es an unseren Schulen im Moment an etwas nicht mangelt, dann sind es Untersuchungen und Evaluationen: PISA 2000, PISA 2003 liegt hinter uns, PISA 2006 wird demnächst auf die weiterführenden Schulen zukommen. Für die Grundschulen gilt Entsprechendes, für die Leistungsuntersuchung IGLU-PIRLS, und dazu kommt der so genannte Schul-TÜV alias EVIT. Ich teile zwar das Anliegen der Grünen insoweit, dass bei künftigen PISA-Tests die Komponente Lehrerinnen und Lehrer stärker berücksichtigt werden sollte, genau das ist aber Beschlusslage der Kultusministerkonferenz, die vor wenigen Wochen die Beteiligung an der OECDStudie „Survey of teachers, teaching and learning“ abgelehnt hat und gleichzeitig darauf hingewiesen hat, dass es Deutschland war, das bei der OECD erfolgreich beantragt hat, dass bei der PISA-Studie 2006 die Rolle der Lehrerinnen und Lehrer stärker unter die Lupe genommen werden soll. Die KMK hatte bereits vorher die Beteiligung an der OECDStudie unter dem Kürzel ADRET - Attracting, deve

(Dr. Henning Höppner)

loping and retaining effective teachers - beschlossen, weil die Sicherung des Lehrernachwuchses natürlich eine der wesentlichen Kernaufgaben der nächsten Jahre sein wird. Es liegt an der wissenschaftlichen Methodik der OECD - das ist auch gar nicht zu kritisieren -, dass sich viele Studien inhaltlich erheblich überschneiden. Es ist - darauf wurde schon hingewiesen - nicht allein die deutsche Kultusministerkonferenz gewesen, die erhebliche Vorbehalte gegen die hier beantragte Studie geäußert hat. Außer uns haben auch die USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada und Neuseeland - das sind immerhin Länder, die in der Rankingliste PISA ganz oben stehen - eine Beteiligung an dieser Studie abgelehnt. Mit oder ohne Deutschland würde dies bedeuten, dass die Ergebnisse dieser Studie kaum aussagekräftig wären. Es ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass die Beteiligung an solchen Studien mit erheblichen finanziellen Mitteln verbunden ist, die wir besser hier im Land für zielgenaue Evaluationen einsetzen können.

Meine Damen und Herren, wir beantragen deshalb, den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abzulehnen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Höppner. - Das Wort für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem Ruf, die Landesregierung möge sich an der OECDLehrerstudie beteiligen, stellt sich unser geschätzter Kollege Karl-Martin Hentschel gegen eine bildungspolitische Großmacht. Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich meine damit nicht die Landesregierung, sondern natürlich die Kultusministerkonferenz. Die hat - wie schon erwähnt - einstimmig eine Teilnahme an besagter OECD-Lehrerstudie abgesagt. Ein ganz wesentlicher Grund ist der, den meine Vorredner erwähnt haben, dass so viele wichtige OECDMitgliedsländer - USA, Großbritannien, Frankreich, Kanada, Neuseeland - nicht teilnehmen. Das macht dies zu einer nicht mehr wirklich internationalen Vergleichsstudie. Das ist natürlich ein ganz wesentlicher Punkt.

Dann kommt hinzu, was Kollege Höppner angesprochen hat, dass man dieses Themengebiet Lehrer und ihre Rolle, ihre Funktion im Rahmen von PISA 2006 einbeziehen wird. Dann muss man sich wirklich überlegen, ob es sinnvoll ist, Geld und auch Arbeitskraft für eine solche Untersuchung aufzuwenden. Bei aller

Notwendigkeit, sich an internationalen Vergleichsstudien zu beteiligen, es gibt natürlich durch das erhöhte öffentliche Interesse, das solche internationalen Vergleichsstudien seit PISA I wecken, auch ein wachsendes Interesse aufseiten der Anbieter, derjenigen, die solche Studien erarbeiten und die dafür Geld bekommen. Das ist einfach menschlich und das muss man einkalkulieren.

Da ist es vernünftig, sich zu überlegen, wofür man Geld ausgibt. Ich glaube, dass wir im Bereich der Bildungsforschung, der Unterrichtsforschung im klassischen Sinn in Deutschland große Defizite haben, dass wir uns wirklich überlegen müssen, wo wir in Zukunft stärker investieren. Ich denke da insbesondere an die Frage, wie Unterricht wirkt, welche Unterrichtskonzepte, welche didaktischen Konzepte geeignet sind, um wirklich bessere Bildungsergebnisse hervorzubringen. Da stochern wir vielfach im Nebel, obwohl es auch manche interessanten Vorarbeiten gibt. Gerade im Bereich der naturwissenschaftlichen Bildung kann das IPN, das Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften an der Kieler Universität, durchaus Beachtliches vorweisen.

Wenn Sie jetzt in die jüngste PISA-E-Studie, den Ländervergleich, hineinschauen, sehen Sie dort eine sehr interessante Anmerkung, nämlich die Feststellung, dass man für die gemessenen Veränderungen im Vergleich zur letzten PISA-E-Untersuchung, also zum deutschen Ländervergleich, eigentlich keine Erklärung hat. Man weiß nicht, warum. Da gibt es eine ganz klare Aussage. Man kann aufgrund der empirischen Basis messen, was ist, kann aber nicht darlegen, warum sich die Dinge verändert haben. Hinzu kommt, dass überhaupt nur in der Hälfte der Bundesländer die Veränderungen die Signifikanzschwelle überschritten haben. Das heißt, in der einen Hälfte der Bundesländer - Schleswig-Holstein zählt dazu - sind so die Aussagen in PISA-E. Im Kurzbericht ist das nachzulesen. Da sind die Veränderungen so gering, dass sie auch auf der Zufallsbasis beruhen können.

Von daher muss man das alles ein bisschen relativieren und sagen, wir tun gut daran, in der Wissenschaft Verfahren zu entwickeln, die dann erklären können, warum bestimmte, hoffentlich positive Veränderungen in Zukunft eintreten, um damit eine Information oder Handreichung zu liefern, wie man solche Verbesserungen tatsächlich erreichen kann.

Das wäre wirklich wissenschaftlich fundierte Bildungsforschung, in die - wie gesagt - nach meinem Dafürhalten an den Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Zukunft mehr investiert werden muss. Wir werden den Antrag der Fraktion der

(Dr. Ekkehard Klug)

Grünen aus den von mir genannten Gründen nicht unterstützen. Wir werden uns aber natürlich weiterhin an der Debatte über die Frage, wie wir die Bildungsqualität verbessern können und wie wir besseren Unterricht erreichen, beteiligen.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klug. - Für den SSW hat die Vorsitzende, Frau Abgeordnete Spoorendonk, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kultusministerkonferenz hat auf ihrem letzten Treffen in Potsdam eine Teilnahme Deutschlands an der vergleichenden Lehrerstudie „Lehrer, Unterricht und Lernen“ abgelehnt. Die Bildungsministerin hat dem Bildungsausschuss bereits die Gründe für die Ablehnung Deutschlands dargelegt.

Die Enttäuschung der OECD war vorauszusehen. Schließlich sind vergleichende Studien nur valide, wenn sich möglichst viele Länder beteiligen. Die Datenbasis muss stimmen. Ich denke, dass mehr dahinter steckt. Die OECD lebt von solchen Studien. Das ist legitim, aber ich glaube, das darf man nicht vergessen.

Überraschend war die heftige Reaktion der Gewerkschaften. Diese hatten vorher einhellig die Empfehlungen der OECD begrüßt, die in der so genannten OECD-Lehrerstudie geäußert wurden. In diesem Bericht, über den die KMK übrigens im letzten September diskutierte, problematisiert die OECD nicht nur den deutschen Sonderweg der Verbeamtung der Lehrer, sondern sie kritisiert auch deren Alterstruktur. In der Tat ist Deutschland dasjenige Land im OECDVergleich, in dem in den nächsten Jahren die meisten Lehrer aus Altersgründen ausscheiden werden. Für einen Organisationsplaner stellt der Personalwechsel somit eine optimale Gelegenheit zur Veränderung der Binnenstruktur dar. Die OECD schreibt:

„Der massive Zugang neuer Lehrkräfte mit frischen Ideen bietet die Möglichkeit einer Rundumerneuerung der Schulen.“

Soweit die Pariser Bildungsexperten. Die Gewerkschaften erhofften sich von der OECD also Impulse für diese Rundumerneuerung.

Auch der SSW ist überzeugt, dass motivierte und engagierte Lehrkräfte eine zentrale Größe im System Schule sind. Eine blinde Sammelwut lehne ich für den SSW aber ab. So werden nämlich Datenfriedhöfe

produziert, die völlig unübersichtlich sind und deren Erkenntnisse gar nicht umgesetzt werden können. Die Daten, auf die es aus Sicht des SSW kurzfristig ankommt, liegen bereits vor. Ich möchte hier ausdrücklich an den so genannten Schul-TÜV erinnern.

Wir wissen, dass viele Lehrer ihre Situation durchaus positiv einschätzen. Sie meinen, dass sie ihre gesteckten Ziele auch umsetzen. Die Schüler sind teilweise ganz anderer Meinung. Sie äußern zum Teil auch Kritik am Lernalltag ihrer Schule. Ich denke, dass genau diese Befunde Konsequenzen haben müssen. Mit anderen Worten: Die Lernkultur muss so gestaltet werden, dass Lernen Freude bereitet und nachhaltige Erfolge zeitigt.

Der SSW tritt dafür ein, dass auch Lehrerleistungen evaluiert werden. Entscheidend ist dabei aus unserer Sicht aber, dass dies als Teil des Unterrichts begriffen wird und zusammen mit den Schülerinnen und Schülern geschieht. Um dies zu erreichen, brauchen wir kurzfristig keine neue OECD-Studie. Wir wissen: Die Schule ist ein komplexes System, in dem nicht nur der Schüleroutput eine Rolle spielt. Wenn nur einzelne Probleme in Angriff genommen werden, dann werden ständig neue Probleme produziert; auch das wissen wir. Das heißt, wir plädieren auch in diesem Zusammenhang dafür, die Schule in ihrer Ganzheit in den Blick zu nehmen.

Für den SSW zählt in diesem Zusammenhang also nicht das finanzielle Argument, das immer wieder angeführt worden ist. Dies ist sachlich nicht zu begründen, wenn die Zahlen stimmen, die die OECD veröffentlicht hat. Danach hätte die Teilnahme an der neuen Studie rund 50.000 € gekostet. Dazu kämen etwa 80.000 € für die nationale Datenerhebung. Wir meinen, dass die Teilnahmen an internationalen Vergleichsstudien nicht zum Selbstzweck verkommen dürfen. Hier und heute meinen wir konkret, dass es für Schleswig-Holstein viel wichtiger ist, dieses neue Instrument des Schul-TÜVs in den Schulalltag zu integrieren, statt sich jetzt mit einer neuen internationalen Studie zu befassen.

Ich fasse zusammen: Es muss so sein, dass das, was wir im Landtag mit Mehrheit beschlossen haben, auch wirklich umgesetzt wird. Als es um den Schul-TÜV ging, hat sich der SSW durchaus positiv dazu geäußert. Wir wollen den Schulalltag wirklich verändern. Wir wollen nicht nur sehen, was los ist. Das kann man mit Tests machen. Wir wollen die Instrumente, die wir haben und die wir beschlossen haben, umgesetzt sehen.

(Beifall bei SSW und FDP)

Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk.

Bevor wir die Beratung fortsetzen, begrüße ich auf der Besuchertribüne die Frauen-Union Kronshagen und die Junge Union Kreis Rendsburg-Eckernförde. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Zu einem Kurzbeitrag hat der Herr Abgeordnete KarlMartin Hentschel das Wort.