Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 1. Dezember hat den Ministerpräsidenten heftig erschüttert. Das „Hamburger Abendblatt“ beschrieb den Stimmungswandel in der großen Koalition und zitierte einen Minister mit den Worten: „Es ist Schluss mit lustig.“ Das ist für jemanden, der politische Reformen in erster Linie mit guter Laune übersetzt, ein harter Schlag.
Dabei ist es nicht geblieben. Die „Lübecker Nachrichten“ titelten: „Kieler Koalition im Reformchaos“. Der CDU-Fraktionschef Wadephul warnte vor „mittelmäßigen Reformen“ und geißelte seinen Koalitionspartner als wankelmütig. Die SPD würde die gemeinsame Politik zerreden. Zuvor hatte der SPDLandeschef per Pressemitteilung die Absage der Staatsjagd gefordert. Der SPD-Fraktionschef rief den Entbürokratisierungsstaatssekretär Schlie auf, seine Vorstellungskräfte weiterzuentwickeln. Letzterer revanchierte sich erst letzte Woche mit einem bissigen Kommentar an den Justizminister zur Amtsgerichtsreform, es sei eine „falsche und halbherzige Lösung“. Wenn es so viel Opposition innerhalb der Regierung gibt, muss sich die Opposition richtig kräftig anstrengen, um mitzuhalten.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP - Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist Ih- nen auch nicht gelungen!)
Vor diesem Hintergrund war auch beim Haushalt kein großer Wurf zu erwarten. Wenn es in einer Koalition derart laut an allen Ecken und Enden knirscht und kracht, dann liegt die Flucht in die höchsten Nettoausgaben aller Zeiten durchaus nahe. Nach zusätzlichen Sparvorschlägen, Herr Wadephul, sucht man bei Ihnen vergeblich. Wahrscheinlich hören wir nachher wieder die Platte von der rot-grünen Erblast. Sie leiert schon kräftig. Spätestens nächstes Jahr werden Sie damit Ihr eigenes Versagen nicht mehr überspielen können.
Herr Kubicki wollte wegen Weihnachten nett sein. Weihnachten ist das Fest der Liebe. Liebe hat viel mit Ehrlichkeit zu tun. Also: Die große Koalition hat große Erwartungen geweckt, aber fast alle Ver
sprechungen gebrochen, eingesammelt oder schlicht enttäuscht. Ich erinnere an die Ankündigung von Minister Wiegard vom 21. September, nicht lange her: „Nach diesem Ergebnis der Bundestagswahl müssen wir unseren Sparkurs verschärfen.“
Im Ergebnis steigen die Nettoausgaben in der Nachschiebeliste um 3,7 Millionen €. Das hat noch nichts mit dem zweiten Nachtrag zu tun. Ich erinnere an die vollmundige Behauptung des CDU-Fraktionsvorsitzenden auf dem kleinen CDU-Parteitag am 23. November, 24 Stunden, Herr Wadephul, nachdem selbst die Opposition die Pläne der Landesregierung für die Nachschiebeliste kannte. Der Finanzminister habe eine Vorlage erarbeitet, „in der erstmals wieder die Nettoausgaben sinken“. Herr Wadephul, wenn Sie die Zahlen angeguckt hätten, würden Sie merken, dass inklusive der Fraktionsanträge, die Sie heute verabschieden wollen, die Nettoausgaben nicht nur gegenüber dem zweiten Nachtrag, sondern auch gegenüber dem ersten Nachtrag 2005 an dieser Stelle ansteigen. Das heißt, was Sie hier verkünden, täuscht die Menschen in diesem Land. Die große Koalition erhöht die Nettoausgaben und senkt sie an dieser Stelle nicht.
Da wollten auch die beiden finanzpolitischen Sprecherinnen und Sprecher der großen Koalition nicht mit markigen Worten zurückstehen. Am 30. November ließen die Kollegin Herdejürgen und der Kollege Sauter verbreiten, dass „zusätzliche Einnahmen konsequent zur Reduzierung des Haushaltsdefizits verwendet werden“.
Jetzt kommen wir zum kleinen Einmaleins, Herr Wadephul. Von 46 Millionen €, die der Finanzminister mehr einnehmen darf, gehen 9 Millionen € an die Kommunen. 25 Millionen € parkt er in einer globalen Mindereinnahme, was ein legitimer Weg ist. Ergo verbleiben dem Land sage und schreibe 12 Millionen € im Jahre 2006 an Steuermehreinnahmen. Vergeblich suchen wir einen Vorschlag von CDU und SPD, in gleicher Höhe die Nettoneuverschuldung abzusenken. Fehlanzeige!
Im Finanzausschuss wurde die erstaunte Öffentlichkeit belehrt, dass „konsequent“ nicht „komplett“ bedeutet.
che Mehreinnahmen des Landes müssen für die Senkung der Nettoneuverschuldung eingesetzt werden.“ Aber bei der CDU bedeutet wohl auch „sämtlich“ nicht „vollständig“.
Da wirkt die Ankündigung des CDU-Fraktionsvorsitzenden, die CDU würde noch vor der Vorlage des Haushalts 2007/2008 Einsparvorschläge entwickeln, wie der berühmte Tiger, der als Bettvorleger endet. Herr Wadephul, an diese Ankündigung werden wir Sie immer wieder erinnern.
Der Fraktionschef hat auch angekündigt, zwar erst für das nächste Jahr, dass ein „entscheidendes Prüfkriterium“ für Fraktionsanträge sei, ob die Maßnahme eine weitere „Verschuldung zulasten zukünftiger Generationen rechtfertigt“. Aber was liegt heute auf dem Tisch? Änderungsanträge von CDU und SPD, die die Förderung von Junglandwirten um 120.000 €, um 6 %, oder die Förderung von Landschaftsplänen um 100.000 € erhöhen. Erkundigen Sie sich bei Ihren Umweltpolitikern. Das hat nicht ganz so viel mit Naturschutz zu tun, sondern viel mit alten Versprechungen des Kollegen Holger Astrup.
Gleichzeitig kürzen Sie bei der AIDS-Hilfe, bei Deutschsprachkursen von Migranten und bei den Mitteln für Arbeitsloseninitiativen.
Es gibt noch ein schönes Beispiel in diesem Haushalt für die Zügellosigkeit von Schwarz-Rot. Man sei sich einig, dass „alle Aufgaben auf ihre Unverzichtbarkeit überprüft“ werden müssen und es „Härten geben“ müsse. Auf Nachfrage hat die schwarz-rote Regierung durch Herrn Maurus dankenswerterweise sogar zweimal dokumentiert, wie sich die Ausgaben für Repräsentationsmittel von 2005 in 2006 entwickeln. Um sage und schreibe mehr als 10 % legen Sie an dieser Stelle zu. Allein der Herr Ministerpräsident, für dessen Aufmerksamkeit ich für eine Sekunde dankbar wäre, will sich mehr als 36.000 € dazu genehmigen. Wichtige und richtige Aufgaben wie die Bundesratspräsidentschaft sollen nicht alternativ, sondern additiv finanziert werden. Hinzu kommen neue, zusätzliche Mittel für Repräsentationsaufgaben der Kulturabteilung, die es bisher nicht gegeben hat. Offensichtlich hat der Ministerpräsident vor, aufwendig zu repräsentieren.
Bis 2010 soll die Nettoneuverschuldung halbiert werden. Da lohnt es sich, genauer hinzusehen. Die beamtenrechtliche Beihilfe für die Polizei, gestern noch diskutiert, soll komplett gestrichen werden. Die Grünen haben diesen Teil auch unterstützt. Aber eine strukturelle Reduzierung der Nettoneuverschuldung: Fehlanzeige.
Die Amtsgerichtsreform! Ich erinnere an den fast schon legendären Kommentar des ehemaligen Finanzstaatssekretärs zur Finanzkalkulation: „Ich bin sechseinhalb Jahre lang Staatssekretär für Finanzen gewesen; ich rechne Ihnen beinahe jedes Projekt wirtschaftlich.“
Knapp ein halbes Jahr später sollen nur noch fünf Gerichte geschlossen werden. Minister Döring musste kleinlaut einräumen, dass er im Laufe des Verfahrens die Auflage erhalten hätte, bei der Reform „nicht nur auf die Fachlichkeit, sondern auch auf die Wirtschaftlichkeit zu achten“. Das spricht für sich. Auch hier: Eine strukturelle Reduzierung der Neuverschuldung war nicht beabsichtigt.
Dann gab es die Planung für die Beteiligung der Kommunen zu einem Drittel am Unterhaltsvorschussgesetz: circa 9 Millionen € dauerhafte strukturelle Einsparungen. In den Gesprächen mit den Kommunen ist die Landesregierung eingeknickt und hat das einkassiert. Die grüne Fraktion hält an diesen richtigen Vorschlägen von Schwarz-Rot fest und wird sie wieder bringen.
Zum Vierten, zur bereits erwähnten Reform der Landesuniversität: Wir wissen noch nicht, ob sie in der großen Koalition kommen wird. Aber die „daraus resultierenden Effizienzgewinne“ bei der Landesuni sollen dort verbleiben. Auch hier: Strukturelle Einsparungen? – Fehlanzeige!
Das Einzige, was es gibt, sind die Regionalen Dienstleistungszentren, die „mittelfristig deutliche Einsparungen“ erwarten lassen. Aber berechnen kann die Landesregierung sie bisher nicht.
Dann gibt es noch das große Thema Personal. Ich erinnere daran, dass die große Koalition im ersten Nachtragshaushalt 67 neue Stellen geschaffen, die Budgets für Polizei, Justiz und ÄLRs um fast 13 Millionen € angehoben hat.
liste nochmals vier obendrauf. Während unter RotGrün die Tarifsteigerungen in den Ministerien außer den Kernbereichen Lehrer und Justiz, Steuern und Polizei in der Regel selber erwirtschaftet werden mussten, hat die große Koalition für 2006 großzügige 15 Millionen € für die Tarifsteigerung in den Haushaltsentwurf eingestellt. Dafür hätte uns Herr Wiegard als finanzpolitischer Sprecher links und rechts geohrfeigt.
Die Landesregierung hat ein großes Personaleinsparkonzept angekündigt. Aber in der Nachschiebeliste sehen wir gerade einmal 720.000 €, da die nachgeordneten Ämter aufgrund der ausstehenden Funktionalreform weitestgehend - der Minister ist eine löbliche Ausnahme - nicht berücksichtigt worden seien. Gemessen an eigenen Ansprüchen, laut verkündet, im Jahre 2006 0,5 % einzusparen, hätten es bereits 1,2 Millionen € sein müssen. Zu Oppositionszeiten hat Herr Wiegard in den Anträgen der CDU noch eine Kürzung um 2,5 % in einem Jahr an dieser Stelle beantragt. Aber nicht einmal in seinem eigenen Finanzministerium ist er bereit, durch - ich zitiere die Haushaltsanträge der CDU - „Personalabgänge und eine Wiederbesetzungssperre sowie die Vermeidung von neuen Stellen, Hebungen und Höhergruppierungen“ diese Kürzung um 2,5 % in einem Jahr zu realisieren.
Verehrte Damen und Herren, hier gibt es einen eklatanten Widerspruch zu dem, was die CDU in der Opposition beantragt hat und wozu sie in der Regierung in der Lage und bereit ist.
Verehrte Damen und Herren, dann gibt es noch die Förderprogramme: Kürzungen um 5 %, egal ob investiv oder konsumtiv. Ich erinnere daran: RotGrün hatte zweimal minus 10 % vereinbart.
Die grüne Fraktion wird anders als die FDP keinen Antrag stellen, die Kürzungen beim Landesblindengeld rückgängig zu machen. An dieser Stelle eine gewisse Bewunderung für die Sozialministerin, die im Rahmen des Sozialvertrages den Wohlfahrtsverbänden zugesichert hat, dass es nach einer einmaligen Kürzung von 10 % bis 2010 keine weiteren Beiträge mehr zur Haushaltskonsolidierung geben wird. Ich muss einräumen, eine bemerkenswerte Zusage bei mehr als 1,5 Milliarden € neuer Schulden. Herr Sauter, übernehmen Sie!
Verehrte Damen und Herren, seit der letzten Woche gibt es ein wunderschönes neues Druckwerk der Landesregierung, eine Broschüre zum Schleswig
Holstein-Fonds. Landauf, landab preist sich die Landesregierung dafür, dass sie jetzt mehr Bewilligungsbescheide überreichen kann. Fakt ist aber, dass die Nettoinvestitionen in 2006 unter SchwarzRot sinken. Unter Rot-Grün, Herr Wadephul, wurden 2004 noch 517,9 Millionen € für Nettoinvestitionen - Ist-Zahlen! - ausgegeben. Mit der Nachschiebeliste sinken die Nettoinvestitionen bei Ihnen inklusive Schleswig-Holstein-Fonds auf 513,4 Millionen Euro. Nur mithilfe von Bundes- und Europageldern erreichen sie noch eine Steigerung der Bruttoinvestitionen.
Entgegen aller christdemokratischer Wahlversprechen, mit denen Sie durch das Land gezogen sind, wird der Schleswig-Holstein-Fonds nicht durch Umschichtung finanziert, sondern jeder einzelne Euro ist ein Euro mehr an Verschuldung. Noch im Koalitionsvertrag haben SPD und CDU den Menschen versprochen, er würde durch Umschichtung finanziert. Das tun Sie nicht. Sie brechen Ihre eigenen Versprechungen!
Inzwischen werden auch immer mehr konsumtive Ausgaben aus diesem so genannten Investitionsfonds finanziert. Inzwischen sind wir bei 11 Millionen Euro. Bei der Vorstellung Ihres Fonds am 5. Juli vor der Öffentlichkeit haben Sie noch von „zusätzlichen 80 Millionen € für Investitionsvorhaben in den Bereichen Arbeit, Bildung, Infrastruktur“ gesprochen. Ich diagnostiziere: Ein weiteres Versprechen, nicht gehalten innerhalb kürzester Zeit!
Verehrte Damen und Herren, angesichts der kompletten Schuldenfinanzierung des Fonds, angesichts der von der Regierung Merkel angekündigten 25 Milliarden € schweren Programme zur Stärkung von Innovationen, Investitionen, Wachstum und Beschäftigung, angesichts der Tatsache, dass mit der Nachschiebeliste gerade einmal zwei Drittel Ihrer 80 Millionen € auf konkrete Titel verteilt werden können und Sie für die restlichen 25 Millionen € offensichtlich keine Vorstellung haben, wo Sie die verausgaben wollen, und angesichts der Tatsache, dass am 9. Dezember für dieses Jahr nicht einmal zwei Drittel der Mittel von 35 Millionen € gebunden und nicht einmal 40 % abgeflossen sind, halten wir eine Halbierung dieses üppigen Schleswig-Holstein-Fonds für mehr als angemessen.
Verehrte Damen und Herren, dieser Fonds erinnert an die großzügige Entscheidung der Berliner Koalition von CDU von SPD, mit 14 statt 13 Ministern und vier zusätzlichen Staatssekretären zu regieren.
Hier gibt es gewisse Parallelen. Da soll noch einer sagen, große Koalitionen gingen gut mit dem Geld der Steuerzahler um!