Minderheitsrechte können doch nicht daran gebunden sein, ob es einem gerade in den Kram passt, frei nach dem Motto: Toleriert ihr uns, bekommt ihr ein Grundmandat, seid ihr Opposition, nehmen wir es euch wieder weg. - So geht es nicht, meine Damen und Herren. Welch ein Verständnis von demokratischer Teilhabe!
(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Ein sozialdemo- kratisches! - Dr. Johann Wadephul [CDU]: Deshalb habt ihr es in der letzten Legislatur- periode auch schon immer beantragt, Frau Kollegin!)
Herr Ministerpräsident, Sie haben in Ihrer Antrittsrede heute Vormittag betont, wie wichtig Ihnen das Parlament ist. Ich appelliere an Sie als Parlamentarier - der Sie auch sind -: Überzeugen Sie Ihre eigene Fraktion davon, dass es in dieser Situation geradezu demokratisch geboten ist, das Grundmandat für den SSW beizubehalten. Das wäre ein deutliches Signal, dass die Einbindung aller Abgeordneten und aller Fraktionen in den parlamentarischen Entscheidungsprozess wichtiger ist als ein Sitz mehr für die CDUFraktion. Schon jetzt hat die große Koalition acht von elf Sitzen. Mit der Änderung der Geschäftsordnung wären es dann neun von elf.
Herr Carstensen, ich habe heute Morgen in der Presse gelesen, dass Ihre Braut nun Schleswig-Holstein heißt. Dazu ist mir das schöne Zitat aus der Zauberflöte eingefallen:
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß gar nicht richtig, wie ich anfangen soll. Grundsätzlich denke ich, dass Geschäftsordnungsdebatten selten zu den Sternstunden des Parlaments gehören. Sie sind aber notwendig, weil die Geschäftsordnung die Korsettstange der Parlamentsarbeit ist. Daher war die Geschäftsordnungsdebatte am 17. März unumgänglich, die heutige ist es eben nicht. Überflüssig wie ein Kropf erscheint uns die erneute Debatte um das Grundmandat des SSW in den Ausschüssen. Dabei stehe ich zu dem, was ich am 17. März sagte. Der SSW hätte von sich aus keine Änderung der Geschäftsordnung beantragt.
Wir haben der Änderung letztlich zugestimmt, weil sie transparent und in der konkreten Situation notwendig war. Sie besagt nämlich schlicht und ergreifend, dass alle Fraktionen vorweg ein Grundmandat in den Ausschüssen erhalten. Danach wird dann nach d’Hondt weitergezählt.
Weil es vielleicht auch noch nicht allen klar ist, sage ich noch einmal: Der SSW hat laut Geschäftsordnung die Rechte einer Fraktion. Wir wären dann genau wie FDP und Grüne künftig über ein Grundmandat mit Stimmrecht in den Ausschüssen vertreten gewesen. Ich wiederhole: Weder FDP noch Grüne wären ohne dieses Grundmandat mit Stimmrecht in den Ausschüssen vertreten.
Die Pointe dieser Regelung ist, dass sie unabhängig von konkreten Situationen, von dem konkreten Anlass Bestand haben könnte. Wenn man sie zu Ende denkt, stellt man fest, sie stärkt nicht die Position der Fraktionen, sondern die des einzelnen Abgeordneten. Hätte dieser Aspekt in der Landtagsdebatte von vor sechs Wochen eine größere Rolle gespielt, wäre die Diskussion damals weniger populistisch und weniger hohl gewesen. Das sage ich auch noch einmal in Richtung FDP als Partei der Bürgerrechte, die heute gegen die erneute Änderung stimmen will. Das begrüßen wir. Wir hätten uns aber auch gewünscht, dass die Debatte damals vonseiten der FDP anders geführt worden wäre.
Ich sage das aber auch vor dem Hintergrund des vorliegenden Antrages von CDU und SPD. Da ich grundsätzlich der Meinung bin, dass das Leben zu kurz für Geschäftsordnungsdebatten ist, werde ich mich jetzt nicht darauf versteifen zu erraten, was zu diesem Antrag geführt hat. Die Kollegin Schwalm hat
deutlich gemacht, dass das aus lauter Fürsorge dem SSW gegenüber geschieht. Das ist rührend. Anscheinend hat auch eine Rolle gespielt, dass die CDU auch in den Ausschüssen als größte Fraktion auftreten will. Dass dies zulasten des SSW geschieht, hat man dann auch nicht so sehr bedauert.
Und die SPD? - Sie wollte sich in dieser Angelegenheit nicht verkämpfen, denke ich. Dabei ist eine spannende Frage, ob sie mit mehr Engagement und mit mehr Überzeugungsarbeit den neuen Status quo hätte erhalten können.
So steht heute nicht nur der SSW als Verlierer da, sondern das gesamte Parlament. Durch die Rücknahme unseres Grundmandats wird die Oppositionsarbeit in den Ausschüssen geschwächt. Das ist der Punkt.
Es bleibt der Eindruck, dass die neue große Koalition in dieser Frage wenig Größe gezeigt hat. Schade!
Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Ich habe auch nicht vernommen, dass Ausschussüberweisung beantragt worden ist. Wir kommen deshalb zur Abstimmung in der Sache. Wer zustimmen will, den bitte ich um sein Handzeichen. - Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Damit ist der Antrag Drucksache 16/37 mit den Stimmen der Fraktionen von CDU und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW angenommen.
Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Kubicki hat das Wort.
Patt am Watt herauskristallisiert, nämlich die Frage, wer in diesem Land von Verfassung wegen den Oppositionsführer oder die Oppositionsführerin stellt. Unsere Landesverfassung schreibt in Artikel 2 Abs. 2 vor, dass der oder die Vorsitzende der stärksten die Regierung nicht tragenden Fraktionen den Oppositionsführer oder die Oppositionsführerin stellt. Da BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP anerkanntermaßen als Fraktionen im Parlament gleich stark sind, ergibt sich hier ein Problem, das gelöst werden muss.
Wir sind wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass der Oppositionsführer bei der großen Koalition vom Fraktionsvorsitzenden der FDP gestellt wird, und zwar deshalb, weil wir eine stärkere Verankerung in der Bevölkerung haben und weil wir bei der letzten Landtagswahl mehr Wählerstimmen auf die Waage gebracht haben als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wäre es umgekehrt gewesen, so hätten wir nicht eine Sekunde lang gezögert, zu akzeptieren, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den Oppositionsführer oder die Oppositionsführerin stellt.
(Lachen bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn jemand anderes das sagen würde, dann hätte ich das geglaubt!)
- Herr Kollege Hentschel, dass Sie nun nach hinten gerückt sind, heißt nicht, dass Sie lauter zwischenrufen dürfen. Ich verweise dabei nur auf die Selbstverständlichkeit, die sich aus der Kommentierung der Landesverfassung ergibt, in der der ehemalige Leiter des Wissenschaftlichen Dienstes, Herr Hübner, festgestellt hat, dass die gegebenenfalls neben anderen in der Opposition stehende Fraktion kraft ihres Rückhalts in der Wählerschaft die bedeutende personelle und sachliche Alternative darstellt.
Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die für die Menschen draußen im Land gilt. Bisher habe ich bei den Menschen im Land keine Infragestellung dieser Position erlebt, außer von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich habe Verständnis dafür, dass Sie nun, nachdem Sie aus der Regierung herausgeflogen sind, andere Dinge geltend machen wollen.
- Ich komme gleich darauf zurück. Der Wissenschaftliche Dienst hat uns zu diesem Problem vier Konfliktlösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Erstens. Konklave, das heißt Einschluss von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und FDP so lange, bis der weiße Rauch aufsteigt und wir uns auf einen Oppositionsführer geeinigt haben. Zweitens. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und wir einigen uns darauf, tages-, wochen- oder jahresweise oder auch nach Wetter und Laune
den Oppositionsführer zu stellen. Drittens. Das Los zu ziehen. Viertens. Eine Änderung durch parlamentarischen Beschluss über den Innen- und Rechtsausschuss des schleswig-holsteinischen Parlamentes herbeizuführen. Dem treten wir jetzt näher.
Wir schlagen vor, so wie übrigens in acht anderen Landesparlamenten in Deutschland geschehen, das Verfahren so zu regeln, dass für den Fall von gleich starken Fraktionen der Begriff der stärkeren Fraktion definiert wird als diejenige Fraktion, die bei dem Stimmenergebnis ein größeres Gewicht auf die Waage bringt. Dieses Procedere ist in den Landtagen Thüringen, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hamburg, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen vorgenommen worden. Ich will genau sagen, warum wir glauben, dass das deutlich besser ist als das Losverfahren, das dazu führen würde, dieses Parlament in einer ganz zentralen Frage zu einem Glücksspielort zu machen.
Es geht hier um eine Rechtsposition, nicht um eine Wahl, bei der man bei Gleichheit durch Los entscheiden kann. Rechtspositionen kann man nicht würfeln, die muss man entscheiden. Dafür braucht man objektive Kriterien. Es ist auch denkbar, dass es nicht nur zwei Fraktionen, sondern drei oder mehr dem Landtag angehörende Fraktionen gibt, die die gleiche Stärke haben. Das Procedere würde dadurch sehr komisch werden, sodass das Parlament - so glaube ich - aufgerufen ist, nach objektiven Kriterien für jeden nachvollziehbar und vorausschaubar festzulegen, wie die Oppositionsführung bestimmt wird. Es mag andere objektive Anknüpfungspunkte geben, in jedem Fall aber ist das Wahlergebnis ein objektiver Anknüpfungspunkt, der bei Gleichstand der Fraktionsstärken im Parlament herangezogen werden kann.
Wir haben im Ältestenrat bereits darüber diskutiert und festgestellt, dass wir keine einvernehmliche Lösung herbeiführen können. Wir beantragen deshalb die Überweisung unseres Antrages an den Innen- und Rechtsausschuss mit der Maßgabe, dass der Innen- und Rechtsausschuss sich Gedanken darüber machen möge, nach welchen objektiven Kriterien die von Verfassung wegen bestimmte Rechtsposition des Oppositionsführers zu ermitteln ist, wenn man gleich starke Fraktionen hat. Er soll dem Parlament einen Vorschlag unterbreiten, über den dann hier abzustimmen ist.
Ich sage es noch einmal: Ich glaube, weder das Parlament noch die Menschen haben es verdient, dass man um solche Positionen würfelt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben den bereits beratenen Anträgen zur Änderung der Geschäftsordnung liegen des Weiteren sowohl ein Antrag der FDP als auch ein Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Beratung vor, über die wir heute allerdings noch nicht abschließend abstimmen können. Wir wollen diese Thematik vielmehr im Innen- und Rechtsausschuss intensiv erörtern.
Die FDP will mit ihrem Antrag erreichen, dass sich beim Rederecht die Reihenfolge der Fraktionen nach ihrer Stärke richtet. Bei gleicher Fraktionsstärke sollten die bei der Landtagswahl abgegebenen gültigen Zweitstimmen entscheiden. Diese Regelung findet sich - Herr Kubicki hat eben darauf hingewiesen - zwar auch in den Geschäftsordnungen anderer Landtage, zum Beispiel in der nordrhein-westfälischen, wieder, allerdings hat in Schleswig-Holstein die parlamentarische Opposition Verfassungsrang. Damit soll der besonderen Funktion des Gegenspielers des Ministerpräsidenten Rechnung getragen werden.
In Artikel 12 Abs. 2 der Landesverfassung wird bestimmt, dass die oder der Vorsitzende der stärksten die Regierung nicht tragenden Fraktionen der Oppositionsführer oder die Oppositionsführerin ist. Diese verfassungsrechtliche Regelung wirft die Frage auf, ob durch einfache Änderung der Geschäftsordnung bestimmt werden kann, dass bei gleicher Fraktionsstärke die abgegebenen gültigen Zweitstimmen entscheiden, oder ob es nicht zusätzlich einer Verfassungsänderung bedarf. Diese Thematik werden wir im Ausschuss näher zu erörtern haben. Dabei wird auch darüber diskutiert werden müssen, inwiefern der von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgeschlagene Losentscheid, wie er in solch einem Falle im Bundestag gilt, zur Lösung der Problematik beitragen kann.
Bis zur abschließenden Entscheidung im Innen- und Rechtsausschuss hat sich der Ältestenrat dahin gehend verständigt, dass die Fraktionsvorsitzenden der FDP und der Grünen die Reihenfolge der Redner abwechselnd wahrnehmen. Ich denke, diese Regelung ist für eine Übergangszeit durchaus sachgerecht.
Wir beantragen, beide Anträge an den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wir werden dort zügig beraten, sodass wir recht bald eine abschließende Regelung haben werden.