Protokoll der Sitzung vom 26.01.2006

on des Schleswig-Holsteinischen Landtages abschneidet.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und vereinzelt bei SPD und CDU)

Für die Landesregierung erteile ich dem Minister für Justiz, Arbeit und Europa, Herrn Uwe Döring, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Diskussion um die Dienstleistungsrichtlinie ist auf der Zielgeraden und es ist gut, dass sich der Landtag kurz vor der Entscheidung des Europäischen Parlaments am 15. Februar 2006 erneut mit diesem wichtigen Thema beschäftigt. Es ist auch gut, dass der Landtag die Landesregierung in ihrer kritischen Haltung zum Entwurf unterstützt.

(Vereinzelter Beifall)

Damit die Kritik nicht in die falsche Richtung geht, möchte ich noch einmal deutlich sagen, dass wir ein erhebliches Interesse an einem funktionierenden Binnenmarkt haben.

(Vereinzelter Beifall)

Dazu gehört auch eine Liberalisierung des Dienstleistungssektors. Er bietet im Übrigen auch für die deutsche Wirtschaft große Potenziale.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Johann Wade- phul [CDU] und Dr. Heiner Garg [FDP])

Deshalb ist es richtig, dass mit der EU-Dienstleistungsrichtlinie einige der bestehenden Hindernisse für einen grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr beseitigt werden. Wir brauchen diese Richtlinie, denn ich möchte nicht, dass in dieser Frage nur der EuGH entscheidet. Es muss eine politische Entscheidung sein.

Allerdings - ich denke, darüber sind wir uns hier im Haus einig - muss die Liberalisierung sozial ausgewogen sein. Die Vollendung des Binnenmarktes und der Abbau bürokratischer Hemmnisse dürfen nicht dazu führen, dass Sozialstandards ausgehebelt werden.

(Beifall des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Die Liberalisierung des Dienstleistungsmarktes darf nicht zu einer Abwärtsspirale bei sozialen Errungenschaften führen, das Ergebnis europäischer In

(Klaus Müller)

tegration darf nicht die Angleichung auf niedrigstem sozialen Niveau sein.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Man möchte manchmal den etwas schwerhörigen Bürokraten in Brüssel zurufen: Europäer, hört die Signale! Denn die europaweiten Proteste nehmen zu. Wir haben das in dem Bereich Hafendienstleistungen gesehen und wir erleben es jetzt hier wieder mit der Dienstleistungsrichtlinie. Das sind unüberhörbare Weckrufe. Denn die Ergebnisse der Referenden, beispielsweise in Frankreich, sind doch kein Zufall, sondern genau darauf zurückzuführen, auf den Umgang mit der öffentlichen Meinung, mit dem gefühlten Europa und auf das, was in Brüssel zum Teil exekutiert wird.

(Vereinzelter Beifall)

Denn die Menschen in Europa empfinden die EU nicht als Schutzschild vor der Bedrohung durch die Globalisierung, sondern vielmehr als einen Teil dieser Bedrohung. Heute wird in Berlin eine Umfrage des Eurobarometers vorgestellt. Danach haben 84 % der Befragten erklärt, sie hätten Angst vor der Verlagerung von Jobs in EU-Länder mit niedrigeren Lohnkosten. - 84 %! Und 64 % der Deutschen empfinden den Verlust von sozialen Standards und Sozialleistungen als ein drängendes Problem, das mit durch die EU hervorgerufen wird.

Jedem, dem an Europa gelegen ist, muss deshalb die Akzeptanz der Richtlinie in den Mitgliedstaaten wichtiger sein als eine lupenreine und möglichst schnelle Vollendung des Binnenmarktes.

(Vereinzelter Beifall)

Meine Damen und Herren, der Bundesrat hat in drei Beschlüssen kritisch zu dem Richtlinienvorschlag Stellung genommen. Von dieser Kritik ist nichts zurückzunehmen.

Schwerwiegende Bedenken bestehen danach vor allem an folgenden Punkten: Zunächst ist der Anwendungsbereich der Richtlinie zu weit. Eine Reihe von Dienstleistungen muss aus Gründen der übergeordneten öffentlichen Interessen von der Liberalisierung ausgenommen werden.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD sowie Bei- fall der Abgeordneten Klaus Müller [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN] und Lars Harms [SSW])

Das vorgesehene Herkunftslandprinzip wurde vom Bundesrat zu Recht unter Hinweis auf den drohenden Systemwettbewerb nach unten kritisiert. Die Qualitätssicherung von Dienstleistungen wäre

nicht mehr zu gewährleisten und die Wettbewerbsverzerrung zuungunsten inländischer Dienstleistungserbringer wäre die Folge. Auch das Verhältnis zur Entsenderichtlinie ist klärungsbedürftig.

Ausdrücklich abgelehnt hat der Bundesrat den Vorschlag, die Prüfung der Entsendevoraussetzungen dem Herkunftsmitgliedstaat zu überlassen. Hierzu muss man allerdings auch sagen, es ist richtig, dass das Europäische Parlament und seine Ausschüsse sich bereits damit beschäftigt haben. Der Binnenmarktausschuss hat wichtige Änderungen vorgenommen. Eine ganze Reihe von den - so sage ich einmal - kleinteiligeren Dingen, welche Bereiche ausgenommen werden sollen, wie damit umgegangen werden soll und so weiter, hat er geändert. Aber in einer Kernfrage ist er bei dem Vorschlag geblieben - mit knapper Mehrheit, aber er ist dabei geblieben -, nämlich das Herkunftslandprinzip aufrechtzuerhalten.

In diesem Punkt sind übrigens die Unterschiede im Europäischen Parlament noch sehr groß, nämlich zwischen dem konservativen Teil des Europäischen Parlamentes und dem übrigen Teil. Es gibt knappe Mehrheiten, es deutet aber alles daraufhin, dass man sich in dieser Frage auch in Brüssel und Straßburg einigen wird.

Das, was Klaus Müller gesagt hat, ist richtig, wir sind in der Koalition in Kiel und hier im Landtag weiter als in Berlin. Aber alles, was ich höre, ist, dass unser gutes Beispiel in der nächsten Wochen Früchte tragen wird, dass man sich hier einigt

(Beifall bei SPD, CDU und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und dass man auch zu Formen kommt - das wurde eben auch schon gesagt -, die dazu führen - Klaus Müller deutete es eben an -, dass es zwar kein lupenreines Herkunftslandprinzip, aber auch kein lupenreines Ziellandprinzip werden wird. Man wird vielmehr differenzieren müssen. Das wird an dieser Stelle ein vernünftiger Kompromiss sein.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich denke, insgesamt wäre eine einmütige Beschlusslage dieses Landtages hilfreich. Sie wäre für mich Anlass, noch heute den Kollegen auf Bundesebene, Herrn Müntefering und Herrn Glos, das Ergebnis unserer Beratung mitzuteilen, damit es eine Hilfe für die hoffentlich genauso harmonische Beschlusslage der großen Koalition in Berlin in der nächsten Woche wird.

(Beifall)

(Minister Uwe Döring)

Ich danke dem Herrn Minister. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Aufgrund der Vorlage des interfraktionellen Antrages schlage ich Ihnen Abstimmung in der Sache vor. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? Damit ist der Antrag Drucksache 16/503 (neu) einstimmig angenommen worden.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 15 auf:

Keine elektronische Fußfessel als Überwachungsinstrument für so genannte Hassprediger

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/506

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist ersichtlich nicht der Fall. Dann erteile ich dem Herrn Oppositionsführer, dem Fraktionsvorsitzenden der Fraktion der FDP, dem Herrn Kollegen Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht zurzeit in Deutschland etwas ordentlich schief und das ist die Frage des Sprachgebrauchs und der Ideen im Zusammenhang mit muslimisch Gläubigen in unserem Land. Wer als weltoffener, toleranter und freiheitlich denkender Mensch immer wieder davon lesen muss, dass insbesondere Muslime fragwürdige Gesinnungstests vor einer Einbürgerung ablegen müssen, mit denen nicht einmal der Papst Deutscher geworden wäre; wer noch dazu lesen muss, dass in manchen Ländern das Tragen von Kopftüchern an Schulen grundsätzlich verboten sein soll, dem musste sich zwischen Weihnachten und Neujahr der „intellektuelle Magen“ umdrehen.

Der niedersächsische Innenminister Schünemann von der Partei des christlichen Abendlandes trat vor die Presse und forderte ernsthaft die so genannte elektronische Fußfessel für so genannte islamische Hassprediger. Nun habe ich mich bereits bei seiner Einführung in der Debatte um das Zuwanderungsgesetz mit dem Begriff „Hassprediger“ - der übrigens nach meiner Kenntnis einem Papier der SPD Brandenburg entstammt, Herr Innenminister schwer getan. Für mich ist die Definition dieses Begriffs immer noch sehr schwammig. Manche kommen auf die Idee, dass auch der amerikanische Präsident gelegentlich in die Rolle eines Hasspredigers verfallen kann.

(Unruhe)

Minister Schünemann ficht das alles nicht an, er will der Innenministerkonferenz seinen Vorschlag im Frühjahr dieses Jahres unterbreiten. Der bayerische Innenminister Beckstein, der schon so manches Mal Ideengeber für Initiativen der schleswigholsteinischen CDU war, stimmte seinem niedersächsischen Kollegen gleich freudig zu.

Nun sind elektronische Fußfesseln für Terrorverdächtige nicht ohne Vorbild. In Großbritannien gibt es die Methode seit März 2005. In Australien erlauben die neu eingeführten Terrorismusbekämpfungsmaßnahmen die Anwendung der elektronischen Fußfessel bis zu einem Jahr. Das hat dennoch nicht verhindern können, dass im Juli 2005 die Anschläge in London verübt wurden.

Minister Schünemanns Vorschlag geht allerdings weit über diese Anwendungen hinaus, da nicht nur potenzielle Terroristen, sondern auch „Hassprediger“ eine Fußfessel erhalten sollen, die das Gesetz nicht persönlich durch Gewaltanwendung brechen. Damit, dass man sie mit einer elektronischen Fußfessel versehen will, betritt man Neuland, weil an die ideologische Quelle möglicher Gewalt herangegangen wird. Das klingt auf den ersten Blick populär. Allerdings kommen wir dann langsam in einen Bereich, in dem wir die Gesinnung einer Person sanktionieren. Das ist gefährlich.

(Beifall beim SSW)

Eine Demokratie muss es auch aushalten, dass es Menschen in ihrer Mitte gibt, die eine verfassungsfeindliche Gesinnung vertreten. Sollte diese dann so weit gehen, dass sie die Würde ihrer Mitmenschen durch ihre Äußerungen beeinträchtigt, haben wir genügend rechtliche Mittel, dagegen vorzugehen.

(Beifall bei FDP und SSW)

Aber es gibt keine Veranlassung, Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, mit einer elektronischen Fußfessel zu versehen und dies im Ausländerrecht regeln zu wollen. Das wird auch nicht dadurch besser, dass der Innenminister aus Niedersachsen zu Recht anführt, dass eine solche Regelung immer noch besser und milder sei als eine von Ex-Bundesinnenminister Schily geforderte Sicherungshaft. Es ist ja so, dass dieses Mittel nicht geeignet ist, islamistische Terroristen daran zu hindern, ihre Ideen zu verbreiten. Schon deshalb wäre eine solche freiheitsbeeinträchtigende Maßnahme rechtlich unzulässig. Ganz nach dem Motto „Kommen sie nicht zu uns, dann kommen wir zu ihnen“ würden die Abnehmer der entsprechenden Botschaften den Prediger aufsuchen oder wir müssten