Aber es gibt keine Veranlassung, Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, mit einer elektronischen Fußfessel zu versehen und dies im Ausländerrecht regeln zu wollen. Das wird auch nicht dadurch besser, dass der Innenminister aus Niedersachsen zu Recht anführt, dass eine solche Regelung immer noch besser und milder sei als eine von Ex-Bundesinnenminister Schily geforderte Sicherungshaft. Es ist ja so, dass dieses Mittel nicht geeignet ist, islamistische Terroristen daran zu hindern, ihre Ideen zu verbreiten. Schon deshalb wäre eine solche freiheitsbeeinträchtigende Maßnahme rechtlich unzulässig. Ganz nach dem Motto „Kommen sie nicht zu uns, dann kommen wir zu ihnen“ würden die Abnehmer der entsprechenden Botschaften den Prediger aufsuchen oder wir müssten
Eine Demokratie muss für diejenigen, die diese Botschaften hören, die besseren Argumente für Toleranz und ein friedliches Miteinander bereithalten. Der Versuch, Extremisten mundtot zu machen, war noch nie erfolgreich, sondern fördert eher Märtyrertum.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird durch solche Vorschläge mit Sicherheit eines erreicht: Es wird die Stigmatisierung in Deutschland lebender Muslime als Extremisten und potentielle Terroristen weiter vorangetrieben.
Gerade denjenigen, die man mit dieser Maßnahme bekämpfen will, liefert man weitere Argumente für ihre falschen Botschaften. Das kann kein richtiger Weg sein. Wir sollten unsere Landesregierung verpflichten, dem entschieden entgegenzutreten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der FDP-Fraktion zum Einsatz elektronischer Fußfesseln gibt uns heute die Gelegenheit, in dieser Debatte die unterschiedlichen Argumente zum Einsatz elektronischer Fußfesseln erneut auszutauschen. Bei dieser Diskussion dürfen wir nicht aus dem Auge verlieren, welche staatlichen Maßnahmen den berechtigten Bedürfnissen in unserem Land dienen und natürlich rechtsstaatlichen Erfordernissen entsprechen. Dabei können wir erfreulicherweise auf Erfahrungen zurückgreifen, die in den vergangenen fünf Jahren mit dem Instrument der elektronischen Fußfessel in Hessen gemacht worden sind. Vor fünf Jahren hat die damalige Landesregierung in Hessen, übrigens unter Mitwirkung der FDP, diese rechtliche Möglichkeit geschaffen.
In der Zwischenzeit haben 244 Menschen diese Fußfessel getragen, und zwar zu mehr als 90 % ohne Zwischenfälle. Aktuell denkt die Landesregierung darüber nach, den Einsatz der Fessel gegen so genannte Stalker einzuführen, die damit von ihren
Die gemachten positiven Erfahrungen in der Praxis führen in Hessen zur Ausweitung des Einsatzes. Bislang werden insbesondere Straftäter daraufhin überwacht, ob sie ihre Bewährungsauflagen einhalten. In einigen Fällen wird mit der Auflage, die elektronische Fessel zu tragen, auch die Untersuchungshaft unterlassen.
Dass sich auch die FDP in dieser Frage zu bewegen scheint, wird durch die Formulierung des Antrages deutlich, in dem ausdrücklich nur die Einführung der elektronischen Fußfessel zur Überwachung so genannter Hassprediger als nicht geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Extremismus angesehen wird. Das gibt uns zumindest die Hoffnung, dass die grundsätzliche Frage des Einsatzes elektronischer Fußfesseln in Zukunft ideologiefreier diskutiert werden kann.
- Kollege Kubicki, ich hatte übrigens bei Ihrem Redebeitrag streckenweise den Eindruck, dass Sie mutmaßen, dass es auch um die Einführung elektronischer Knebel geht. Darüber diskutieren wir nicht; es geht um die Überwachung durch elektronische Fußfesseln.
Die Frage, ob die Einführung einer elektronischen Fußfessel für Hassprediger grundsätzlich ein geeignetes Mittel sein kann, den Überwachungs- und Kontrollaufwand bei diesen Personen zu verringern, sollte vorurteilsfrei geprüft werden. In diesem Zusammenhang hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Fritz Rudolf Körper, auf eine Überprüfung des Zuwanderungsgesetzes, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, verwiesen.
- Ich habe im Internet nachgeguckt. Er ist es tatsächlich. Ich kannte ihn vorher auch noch nicht. Erst im Zuge der Evaluation werde sich herausstellen, ob es weiteren Regelungsbedarf in dieser Frage gebe.
- Der Mann ist stellvertretender Vorsitzender einer regierungstragenden Fraktion in Berlin. Ich bitte, das hier nicht lächerlich zu machen.
Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass immer wieder Hassprediger, gewaltbereite Islamisten und deren Terrorhelfer einfach untertauchen. Zusätzlich
entstehen durch deren hohe Mobilität Gefährdungen für die Sicherheit in unserem Land. Nach unserer Auffassung muss der Staat dieser Bedrohung mit allen Mitteln, die rechtsstaatlich möglich sind, entgegentreten.
Ich glaube, in diesem Zusammenhang muss auch noch einmal deutlich gemacht werden, dass es sich bei der angedachten elektronischen Fußfessel für Hassprediger um ein sehr viel milderes rechtsstaatliches Mittel handelt als die vom früheren Innenminister der rot-grünen Bundesregierung, Otto Schily, vorgeschlagenen Sicherungshaft. Wenn ich dann heute in den Zeitungen in Schleswig-Holstein über die Situation in den Haftanstalten, über die dramatische Belegungssituation lese, wäre das - so glaube ich - eine sehr schlechte Alternative.
Deshalb sollten wir die gesamte Problematik noch einmal im zuständigen Innen- und Rechtsausschuss beraten. Daher beantrage ich für unsere Fraktion die Überweisung des FDP-Antrages an den zuständigen Innen- und Rechtsausschuss.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Würde man sich lediglich auf den ersten Satz des Antrages der FDP-Fraktion einlassen, könnten wir - so glaube ich - ziemlich schnell zu einer gemeinsamen Beschlussfassung gelangen. Elektronische Fußfesseln sind in der Tat kein geeignetes Mittel zur Bekämpfung von Extremismus, egal ob dieser von „Hasspredigern“ oder von wem auch immer ausgeht.
Aber es steckt ja mehr dahinter; das ist in der Diskussion schon deutlich geworden. Otto Schily hatte schon im Jahre 2004 nicht nur die Sicherungshaft vorgeschlagen, sondern auch die elektronische Fußfessel. Herr Schünemann hat das schon 2004 aufgegriffen, dann aber nicht weiter verfolgt. Jetzt hat er das zwischen Weihnachten und Neujahr - Herr Kubicki hat darauf hingewiesen - erneut ins Spiel gebracht und hat dann auch die Unterstützung von Herrn Beckstein aus Bayern dazu erhalten.
Sinn und Unsinn einer elektronischen Fußfessel, die sogar schon in Bezug auf Langzeitarbeitslose und Schulschwänzer diskutiert wird, ist da allerdings nur das Nebenthema, lieber Peter Lehnert. Letztlich geht es darum, wie man mit denjenigen umgeht, die
eigentlich in der Verlassenspflicht stehen, wie es so schön heißt, die aber nicht in ihre Heimat abgeschoben werden können, weil ihnen dort Folter oder gar die Todesstrafe droht, geschweige denn ein Gerichtsverfahren nach rechtsstaatlichen Maßstäben möglich ist. Allein der Begriff elektronische Fußfessel scheint die Phantasie vieler Leute stark anzuregen.
Die Diskussion aus dem Jahr 2004 hat sich an dem Fall Metin Kaplan festgemacht, der auch jetzt wieder beispielgebend angeführt wird. Kaplan forderte seine Anhänger zum Mord an einem Konkurrenten um das höchste Amt im Kölner Kalifat auf. Ein halbes Jahr später wurde der Konkurrent tatsächlich ermordet. Kaplan erhielt eine Gefängnisstrafe, hat die zum Teil verbüßt und die Türkei ersuchte dann um seine Auslieferung im Zusammenhang mit einem Sprengstoffanschlag. Ein Asylantrag wurde abgelehnt, aber ebenso die Abschiebung wegen drohender Folter in der Türkei. Die Kölner Ausländerbehörde erwirkte dennoch einen Haftbefehl. Dann wird es interessant: Die Vollstreckung scheiterte daran, dass Kaplan nicht zu Hause anzutreffen war. Allerdings war er nicht abgetaucht, sondern er tauchte auch wieder auf, und zwar bei der Polizei, weil er sich seiner Meldepflicht unterziehen wollte. Mittlerweile ist er ja außer Landes. Auch wir sind ja schon zwei, drei Tage nicht zu Hause gewesen, jedenfalls eine ganze Menge von uns, und dennoch werden keine wilden Forderungen gestellt.
Die absurde Geschichte um Metin Kaplan hatte dann eine Debatte um den sicheren Zugriff des Staates auf gefährliche Personen zur Folge, eine Debatte, die jetzt wieder aufzuleben scheint und sich auf die etwa 3.000 gewaltbereiten Islamisten in Deutschland bezieht. Diese 3.000 Personen halten sich allerdings ebenso recht- wie unrechtmäßig wie andere Ausländer in Deutschland auf. Teilweise sind es auch gar keine Ausländer; es gibt auch Deutsche, die solche Dinge verfolgen. Und niemand weiß, ob und wann diese Leute gefährlich werden oder auch nicht. Dennoch stellen sie natürlich - das ist klar - aufgrund ihrer Gewaltbereitschaft eine Gefahr dar, wie allerdings auch andere Personengruppen, beispielsweise gewaltbereite inländische Rechtsextremisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zur Auseinandersetzung mit dem Islamismus gehört, dass die Bedürfnisse der Muslime ernst genommen werden, genauso wie das Unbehagen vieler Bürgerinnen und Bürger gegenüber dem Islam. So kann der Unterschied zwischen Islam und Islamismus deutlich werden.
Doch neben dieser kulturellen Frage bleibt - das ist ganz klar - die Sicherheitsfrage und bleibt auch die Frage der Durchsetzung der Verlassenspflicht. Diese Punkte wurden mit dem Aufenthaltsgesetz neu geregelt. Demnach kann gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen werden. Auch so genannte Hassprediger, also wer terroristische Taten in einer Weise billigt oder dafür wirbt, die geeignet ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu stören, können nach Aufenthaltsgesetz ausgewiesen werden. Allerdings kündigen Terroristen ihre Taten in der Regel nicht vorher persönlich an. Da hat Herr Kubicki Recht. Ich beneide auch die Gerichte nicht, die dann in diesen Fällen zu entscheiden haben, wer ein Hassprediger ist und wer nicht.
Die Sicherungshaft als Alternative zur Fußfessel bleibt ebenso umstritten. Die Europäische Menschenrechtskonvention steht dem meiner Ansicht nach sowieso entgegen.
Daran scheiterte auch in Großbritannien diese ähnliche Regelung, die hier gefordert wird, und zwar unabhängig von der politisch waghalsigen Auffassung, jemanden lediglich zur Sicherheit langfristig das muss man sich einmal vorstellen - in Haft zu nehmen. Dies darf weiterhin nur zur Vorbereitung der Abschiebung der Fall sein und ist ansonsten nur kurzfristig als Unterbindungsgewahrsam möglich.
Weitaus wichtiger aber ist es, dass wir uns im Innen- und Rechtsausschuss mit der Abschiebeeinrichtung in Rendsburg prinzipiell - und nicht nur dann, wenn da mal jemand ausbricht - befassen. Dies gilt genauso für die Einrichtung in Neumünster, die ja nunmehr auch dafür zuständig ist, das Verfahren zum Verlassen der Bundesrepublik qualitativ zu verbessern und damit zu beschleunigen.
Der Antrag sollten wir daher an den Ausschuss zur abschließenden Beratung überweisen. Das ist hierfür ein guter Anlass.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Fraktionsvorsitzenden, Frau Abgeordneter Anne Lütkes, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist jetzt zweimal beantragt worden, diesen vorliegenden Antrag an den Ausschuss zu überweisen. Ich möchte deutlich sagen: Wir können ihm heute zustimmen. Alle weiteren Debatten können sicherlich auch unter einem anderen Thema im Ausschuss, aber auch hier im Plenum geführt werden.
Es mag sein, dass Herr Kubicki mit seinem Antrag in eine richtige Richtung gestoßen hat. Denn wir haben uns gefragt, was ihn bewogen haben mag, mit einem solchen Antrag hier den höchst kruden Vorschlag des Herrn Schünemann quasi zu adeln, indem man ihn hier in einem Parlament diskutiert. Meine Erklärung war: Er wollte Widersprüche in der großen Koalition deutlich machen, die nun auch deutlich geworden sind.
Sie wollten den Einsatz der elektronischen Fußfesseln sicherlich nicht nur bei Hasspredigern problematisieren. Man könnte hinzufügen, dass Sie ihn generell problematisieren wollten; das ist doch selbstverständlich.
Der Einsatz dieser so genannten elektronischen Fußfesseln findet derzeit - das ist bereits gesagt worden - nur in Hessen statt. Dort wurde er unter Beteiligung der FDP an der Regierung eingeführt. Dort war er als Ersatz für eine Haftstrafe gedacht, entwickelt sich aber faktisch zu einem dritten Sanktionsmittel zwischen Freiheits- und Bewährungsstrafe. Es gibt mehre Zwischenberichte zum Einsatz dieser Fußfessel und diese zeigen, dass der kriminalpolitische Erfolg höchst fragwürdig ist, zumal man beachten muss, dass der Einsatz der elektronischen Fußfessel von weiteren Maßnahmen beispielsweise sozialarbeiterische Betreuung - sehr intensiv begleitet wird, die man auch ohne Fußfessel durchaus einsetzen kann.