Beurlaubt ist Frau Abgeordnete Susanne Herold. Wegen dienstlicher Verpflichtungen auf Bundesebene sind Herr Ministerpräsident Carstensen und Frau Ministerin Erdsiek-Rave entschuldigt.
Auf der Besuchertribüne darf ich die Schülerinnen und Schüler der Beruflichen Schulen am Ravensberg, Kiel, begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Nun möchte ich geschäftsleitende Bemerkungen machen. - Wir haben uns auf folgenden Ablauf geeinigt: Nach der Behandlung der Tagesordnungspunkte 6 und 17 rufe ich die Tagesordnungspunkte 30, 31 und 34 auf. Ohne Aussprache werden im Landtag die Tagesordnungspunkte 32 und 25 behandelt. Die Behandlung des Tagesordnungspunkts 36 haben wir bereits vertagt.
Meine Damen und Herren, wir treten in die Tagesordnung ein. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 6 und 17:
a) Perspektiven für den Norden Schleswig-Holsteins - gleichwertige wirtschaftliche und soziale Entwicklung für alle Landesteile
b) Gemeinsame Wirtschafts- und Verwaltungsregion Schleswig-Holstein/Hamburg als Chance für alle Landesteile
Ich schlage Ihnen vor, gemäß § 62 der Geschäftsordnung mit dem älteren Antragsteller anzufangen. Daher erteile ich der Vorsitzenden des SSW im Landtag, Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk, das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt bin ich auf den weiteren Ablauf der Debatte gespannt. Ich stehe zu meinem Alter und möchte gern beginnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Schleswig-Holstein weist ein starkes wirtschaftliches Nord-SüdGefälle auf. Das ist keine neue Erkenntnis, sondern eine seit Jahrzehnten bestehende Tatsache. So werden in den vier an Hamburg grenzenden Kreisen Pinneberg, Segeberg, Stormarn und Lauenburg nach Angaben der HSH Nordbank fast ein Drittel der gesamtwirtschaftlichen Leistungen SchleswigHolsteins erbracht.
Demgegenüber haben der strukturschwache Norden und die Westküste mit hoher Arbeitslosigkeit zu kämpfen. Die Erwerbslosenquote in der Stadt Flensburg liegt beispielsweise aktuell bei 16,9 %, in Stormarn jedoch nur bei 7 %.
Der SSW hat den Antrag „Perspektiven für den Norden Schleswig-Holsteins“ nicht nur auf die Tagesordnung des Schleswig-Holsteinische Landtages gesetzt, weil wir seit Jahren beobachten, wie die Entwicklung zwischen dem Norden und dem Süden des Landes immer weiter auseinander klafft. Der konkrete Auslöser für diesen Antrag war vielmehr der von der Landesregierung am 28. November 2005 vorgelegte Bericht „Schleswig-Holstein - ein starker Partner im Norden“, in dem die zukünftige Standortpolitik des Landes dargelegt wird.
Der Inhalt dieses Berichtes rief uns auf den Plan, weil die Landesregierung dort von der vereinfachten Vorstellung ausgeht, dass eine schlichte Erweiterung des Konzeptes für die Metropolregion Hamburg und die Vereinheitlichung der EU-Förderung schon dem ganzen Land helfe. Eine erfolgreiche Standortpolitik für Schleswig-Holstein muss aber auf mehreren Beinen stehen, um allen Regionen im Land gerecht zu werden.
Insbesondere hat uns die Ankündigung beunruhigt, dass die Regionalförderung des Landes nach 2007 nicht mehr auf die strukturschwachen Regionen begrenzt sein solle, sondern nach dem Motto: „Wenn es dem Hamburger Rand gut geht, profitiert davon das ganze Land“, auf das ganze Land ausgedehnt werde.
Der Norden des Landes hat aber andere Interessen und auch andere Chancen, lieber Kollege Ritzek, und diese liegen vor allem im Bereich der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit.
Um auch dem Landesteil Schleswig eine Perspektive zu eröffnen, muss die Zusammenarbeit mit Dänemark konsequenter und kompetenter als bisher umgesetzt werden. Für den Norden Schleswig-Holsteins ist diese Kooperation die entscheidende strategische Perspektive, um Wachstum und neue Arbeitsplätze in der Region zu schaffen. Der SSW fordert deshalb, dass die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit Dänemark in Zukunft den gleichen Stellenwert bekommt wie die Zusammenarbeit mit Hamburg. Ein Vertrag zwischen Schleswig-Holstein und der Region Syddanmark mit konkreten Ziele und Vorgaben wäre da hilfreich.
Der SSW hat den Besuch von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen in Dänemark und den positiven Empfang seitens des Königshauses und der dänischen Regierung mit besonderem Interesse verfolgt. Für uns spiegelt dieses Treffen auf höchster Ebene die gewachsenen geschichtlichen und geographischen Beziehungen zwischen Schleswig-Holstein und Dänemark wider. Dabei begrüßt der SSW neben den Aussagen zur Minderheitenpolitik insbesondere die Ankündigungen des Ministerpräsidenten zu den Verbesserungen bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Ländern.
Damit setzt die Landesregierung endlich auch Forderungen und strukturpolitische Bedenken des SSW auf die politische Tagesordnung.
Wir hoffen somit, dass unser Drängen auf eine gleichwertige wirtschaftliche und soziale Entwicklung für alle Landesteile jetzt in Kiel erhört wird. Denn bislang hat sich diese Landesregierung bei der Förderung des nördlichen Landesteils nicht besonders hervorgetan. Im Gegenteil: Ich brauche nur die Stichworte Science Center in Kiel und Flensburg oder den Ausbau des Husumer Hafens zu nennen, um zu verdeutlichen, wo einige der Konfliktlinien zwischen der Landesregierung und dem SSW gelegen haben. Deshalb ist es umso erfreulicher, dass der Ministerpräsident von seinem Kopenhagen-Besuch voller Tatendrang zurückgekehrt ist. Sie hören: Ich möchte ihn auch gern loben.
stein-Fonds als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Denn wir kritisieren bereits seit Jahren, dass die Mittel im Regionalprogramm nicht mehr wie früher auf die einzelnen strukturschwachen Regionen aufgeteilt waren. Wenn die Landesregierung schon ab 2006 einige Millionen für Arbeits- und Wirtschaftsprojekte im Grenzland aus dem Schleswig-Holstein-Fonds reserviert, kommt sie unseren Forderungen entgegen.
Auch die Einrichtung von besonderen Beratungszentren für Grenzpendler bei den Finanzbehörden in Flensburg und Tøndern ist eine gute Nachricht für das Grenzland, da somit einige der Informationshemmnisse in der deutsch-dänischen Zusammenarbeit abgebaut werden können. Dabei muss man darauf achten, dass diese Angebote eng mit den bestehenden Informationszentren der Region Schleswig-Sønderjylland in Pattburg verzahnt werden.
Weitere konkrete Ergebnisse für die Menschen im Grenzland erhoffen wir uns von der vom ehemaligen Bundeskanzler Schröder und Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen eingesetzten Arbeitsgruppe, die am 2. Februar 2006 in Apenrade unter dem Vorsitz von Staatssekretär Franz Tönnies und Folketingsmitglied Kim Andersen ihre Vorschläge präsentieren wird.
Dennoch muss ich darauf hinweisen, dass der in Kopenhagen diskutierte Bau der FehmarnbeltBrücke im Grenzland weiterhin kaum auf große Freude stößt. Es bleibt unsere Forderung, dass die Fehmarnbelt-Brücke erst gebaut werden darf, wenn die verkehrspolitischen Hausaufgaben für den nördlichen Landesteil erledigt worden sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass wir endlich die westliche Elbquerung mit Anbindung an die Westküste in Angriff nehmen und dass die Schienenengpässe bei den Hochbrücken Rendsburg und Hochdonn beseitigt werden.
Der Norden Schleswig-Holsteins braucht optimale Verkehrsanbindungen, bevor die FehmarnbeltBrücke kommt.
Trotz der positiven Signale der Landesregierung bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bleibt der SSW bei der forcierten Zusammenarbeit zwischen Schleswig-Holstein und Hamburg skeptisch. Wir haben weiterhin die Befürchtung, dass dem Nordstaat nicht zuletzt durch das neue Standortkonzept der Landesregierung durch die kalte Küche der Weg geebnet wird. Das lehnen wir ab. Damit die
Wirtschaftspolitik nicht dauerhaft zulasten des Nordens geht, muss die Landesregierung die Fusionspläne endlich begraben.
In den letzten Monaten haben sich die Stimmen vermehrt, die einen Nordstaat fordern. Vor allem prominente Vertreter der CDU wie Landtagspräsident Kayenburg und Wirtschaftsminister Austermann wollen den Zusammenschluss mit Hamburg.
- Wenn protestiert wird, dann nehme ich meine Bemerkung zurück. Der Regierende Bürgermeister von Hamburg will ihn sogar möglichst schnell und auch unser Kieler Regierungschef hat schon Ähnliches verlauten lassen. Nach der Landtagwahl überraschte Peter Harry Carstensen mit der Aussage, dass er sich vorstellen könne, der letzte Ministerpräsident von Schleswig-Holstein zu sein. Letzte Woche hat Herr Carstensen nun aber wieder deutlich gemacht, dass er keinen Nordstaat will. Ich frage also: Was soll man jetzt glauben? Unser Kurs ist da klarer. Der SSW lehnt die Gründung eines Nordstaates ab.
Wir sagen Ja zu einer starken Zusammenarbeit der norddeutschen Länder bei konkreten Verwaltungsaufgaben. Ich lege dabei Wert auf das Wort konkret. Wir sagen aber Nein zu einer Fusion der Bundesländer, weil diese verheerende wirtschaftspolitische Konsequenzen für den Norden hätte. Als Juniorpartner in einem solchen Gebilde hätte Schleswig-Holstein eine schwächere Ausgangsposition und könnte im nördlichen Landesteil noch weniger regionale Interessen berücksichtigen. Befürworter des Nordstaates argumentieren vor allem damit, dass Schleswig-Holstein angeblich zu klein sei, um seine Aufgaben als Bundesland ordentlich erledigen zu können. Sie glauben, dass ein größeres Land eine modernere und schlankere Verwaltung haben könne. Wenn aber die Größe von Estland ausreicht, um EU-Mitglied und Vorzeigeland in Sachen Bürokratieabbau und schlankem Staat zu werden, dann frage ich: Weshalb sollte Schleswig-Holstein zu klein sein, um als Bundesland zu funktionieren?
Auch das Argument, dass dadurch finanzpolitische Probleme behoben werden können, ist mehr als fraglich. Der SSW hat es schon vor meiner Zeit im Landtag gesagt: Zwei Nackte können wirklich kein Textilgeschäft eröffnen. Ich weiß, das ist keine neue Bemerkung, trotzdem ist sie schön. Daher habe ich sie noch einmal wiederholt. Das, was sich
noch einsparen lässt, können wir auch durch eine arbeitsteilige Zusammenarbeit zwischen der Landesregierung und den Landesbehörden erreichen. Dabei möchte ich jedoch hinzufügen, dass das eine Gratwanderung ist, wenn wir uns die Fusion von Gerichten vor Augen führen.
Es gibt weitere Argumente gegen eine norddeutsche Fusion: Aus demokratischer Sicht ginge in einem Nordstaat die Bürgernähe verloren, die unsere Landespolitik immer noch von der Bundespolitik unterscheidet. Es ist eigentlich ein Witz: Einerseits wird dem SSW von den großen Parteien vorgeworfen, dass wir die Identität der kleinen Ortschaften zerstören, wenn wir Kommunen mit mindestens 8.000 Einwohnern fordern. Andererseits wollen Politiker aus denselben Parteien Schleswig-Holstein in ein norddeutsches Megabundesland eingliedern.