Protokoll der Sitzung vom 23.02.2006

Zurück zur Finanzierung! Die Aussage des Bundesgesundheitsministeriums zur Überarbeitung der Finanzierungsregelung für die Hospizarbeit und die Palliativmedizin im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung stimmt mich optimistisch. Nun kommt es darauf an, dass dieses Vorhaben zügig umgesetzt wird. Lassen Sie uns gemeinsam dafür Sorge tragen - jeder in seiner Partei -, dass die Ankündigungen der Bundesgesundheitsministerin schnell Realität werden.

Ich möchte noch auf einen letzten wichtigen Punkt eingehen, auf die Patientenverfügung. Auch im Bereich der Rechtsverbindlichkeit von Patientenverfügungen muss endlich ein mutiger Schritt nach vorn gegangen werden. Die bisherige Regelung reicht in der Praxis nicht aus. Menschen, die sich mit einer Patientenverfügung bewusst dafür entscheiden, dass bestimmte lebenserhaltende oder lebensverlängernde Maßnahmen nicht an ihnen durchgeführt werden, können sich nicht sicher sein, dass auch wirklich so verfahren wird. Hier muss im Interesse aller Beteiligten dringend Rechtssicherheit geschaffen werden. Auch der Bundesgerichtshof hat bereits im März 2003 eine gesetzliche Regelung angemahnt. Leider ist das Verfahren insbe

(Monika Heinold)

sondere durch die vorgezogene Bundestagswahl ins Stocken geraten.

Umso mehr begrüße ich, dass die große Koalition in Berlin dieses Thema nicht ausgeklammert, sondern im Koalitionsvertrag vereinbart hat, die gesetzliche Absicherung der Patientenverfügung fortzuführen und abzuschließen. Im Zweifelsfall werden wir Sie, meine Damen und Herren von CDU und SPD, daran erinnern, diese Vereinbarung umzusetzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Ich danke der Frau Abgeordneten Monika Heinold. - Das Wort erteile ich für den SSW dem Herrn Abgeordneten Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch ich möchte mich für die gute Zusammenarbeit und den Bericht der Landesregierung natürlich bedanken. Der Bericht gibt eine gute Grundlage für eine gemeinsame Weiterarbeit auf diesem Feld. Die Reden meiner Vorredner haben deutlich gemacht, dass das Thema nicht für eine harte politische Auseinandersetzung taugt und die Unterschiede zwischen den Vorstellungen der Parteien nicht so groß sind, dass sie unüberwindbar erscheinen müssten. Ich glaube, hier haben wir es mit einem Projekt für das Land Schleswig-Holstein zu tun, das gemeinsam umgesetzt werden muss und bei dem wir deutlich machen können, dass die Politik durchaus in der Lage ist, gemeinsame Zielsetzungen zu erarbeiten und zu verfolgen.

Der Bericht selber macht deutlich, dass wir im Land Schleswig-Holstein, was die Palliativmedizin und Hospizversorgung angeht, nicht schlecht dastehen. Das gilt jedenfalls im Vergleich mit den anderen Bundesländern. Das sollte uns zwar nicht zufrieden stellen, aber deutlich machen, dass in den vergangenen Jahren durchaus etwas geschehen ist, worauf wir nun aufbauen können.

Wir haben vor kurzem unser erstes Gespräch zwischen den sozialpolitischen Sprechern der Fraktionen und der Sozialministerin und ihren Mitarbeitern gehabt. Wir haben uns auf einen konkreten Weg geeinigt, wie wir uns künftigen Lösungsansätzen nähern wollen.

Ich glaube, dass die Einbeziehung von Verbänden und das regelmäßige Zusammentreffen von Minis

terium und Abgeordneten genau der richtige Weg sind, um zu schnellen Lösungen zu kommen.

Trotzdem sei es mir als regionalem Abgeordneten der Westküste gestattet, auf einen Punkt aufmerksam zu machen, der schon jetzt durch den Bericht deutlich geworden ist. Im palliativmedizinischen Bereich gibt es einen noch nicht gedeckten Bedarf an der Westküste. Dies hat man auch am Klinikum Nordfriesland festgestellt. Man sieht dort die Notwendigkeit, diese Versorgungslücke zu schließen, zumal man sich dort gerade auch einen Schwerpunkt in der Geriatrie eingerichtet hat.

Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, diesen Schwerpunkt mit der Palliativmedizin zu kombinieren, wobei ich natürlich weiß, dass die ältere Generation nur ein Teil der zu betrachtenden Gruppen ist. Trotzdem glaube ich, dass so auch ein niederschwelliges Angebot für eine größere Gruppe von Betroffenen an der Westküste geschaffen werden kann.

Betrachtet man die derzeit vorhandene Konstellation am Klinikum in Husum, kann man feststellen, dass im Bereich der Onkologie und Schmerztherapie schon Strukturen vorhanden sind, die die Erweiterung auf einen Schwerpunkt Palliativmedizin möglich machen. Auch die psychologisch-medizinische Betreuung kann dort bereitgestellt werden, wenn ein solcher Schwerpunkt eingerichtet werden sollte.

Wichtig ist aber, dass ein entsprechendes Konzept erstellt wird, wie und auf welcher Basis ein Schwerpunkt Palliativmedizin in Husum eingerichtet werden soll. Hier müssen nach meiner Auffassung weitere Gespräche zwischen Landesregierung und Klinikträger dazu führen, dass möglichst schnell ein solches Angebot am Klinikum Nordfriesland eingerichtet wird.

Im Übrigen haben wir dabei einen großen Vorteil. Man plant in Nordfriesland eine umfassende Umstrukturierung der Kliniken, und zwar nicht nur inhaltlicher, sondern auch baulicher Art. Das führt natürlich automatisch dazu, dass man dort alle Optionen offen hat, ein besonders attraktives Angebot zu schaffen.

Deshalb sollte man in Husum die Gespräche sehr intensiv führen. Ich möchte aber deutlich machen, dass mir nicht daran gelegen ist, das gesamte palliativmedizinische Angebot direkt im Krankenhaus zu konzentrieren. Vielmehr kann man dort nur die unterstützenden Strukturen schaffen. Im Regelfall sollte man versuchen, das eigentliche stationäre Angebot gerade nicht im Sinne einer Krankenstation zu führen, sondern man muss daran denken, dass es

(Monika Heinold)

sich hier um ein besonderes Angebot handelt, bei dem auch der äußere Rahmen eine wichtige Rolle spielt. Auch dabei erscheint mir der Standort Husum mit seinem äußeren Rahmen rund um das Krankenhaus sehr gut geeignet, zumal der Trägerkreis Nordfriesland in der Nähe sehr attraktive Gebäude besitzt. Man kann an den Kreis durchaus einmal mit dem Anliegen herantreten, diese Gebäude zur Verfügung zu stellen.

Landesweit haben wir noch weitere Baustellen zu beackern. Ich kann mir beispielsweise sehr gut vorstellen, dass man versucht, Synergieeffekte zwischen Angeboten der Palliativmedizin und der allgemeinen Schmerztherapie zu schaffen. Beides sind Bereiche, die sich in der Weiterentwicklung befinden und in denen es Überschneidungen gibt. Da bietet es sich möglicherweise in Einzelfällen an, Fachwissen und Infrastruktur gemeinsam zu nutzen und einen doppelten Schwerpunkt an einzelnen Standorten zu setzen. Das sind allerdings Fragen, die in der konkreten Umsetzung eine Rolle spielen und heute sicherlich nicht zu Ende diskutiert oder gar allgemeingültig beantwortet werden können. Hier wird es also Entscheidungen von Fall zu Fall geben.

Wir sind uns, glaube ich, aber auch darüber einig, dass die ambulante Versorgung der Betroffenen einer stationären Versorgung vorzuziehen ist. Deshalb muss man zwar dezentral stationäre und medizinisch-psychologische Angebote vorhalten, aber noch viel wichtiger ist die flexible ambulante Versorgungsmöglichkeit. Deshalb kommt den palliativmedizinischen Care Teams eine große Bedeutung zu.

Wenn wir es schaffen, ein dichtes Netz solcher Teams aufzubauen, wird man in Schleswig-Holstein in der Lage sein, so lange wie möglich in seiner gewünschten Umgebung zu bleiben. Gerade bei der Einrichtung neuer Care Teams wird es darauf ankommen, die Ehrenamtlichkeit mit einzubinden und für einen ständigen Austausch zu sorgen. Dieser Austausch findet natürlich schon jetzt statt und es gibt natürlich auch schon sehr viele ähnliche Maßnahmen, die bereits durchgeführt werden. Aber bei jeder neuen organisatorischen Veränderung muss man immer wieder auch daran denken, dass man diejenigen, die ehrenamtlich im Hospizwesen tätig sind, mit einplant und einbindet.

Neben der Veränderung der ambulanten und stationären Struktur wäre ein zweites Thema die Ausbildung und Forschung. Wer einmal betrachtet, was das Thema Palliativmedizin und Hospizversorgung alles ausmacht, wird sehr schnell feststellen, dass es sich hier um ein breites Feld handelt. Es geht um

Schmerztherapie, um die Linderung bestehender Leiden und Krankheiten bei den Patienten, um die besonders wichtige psychosoziale Betreuung von Patienten und deren Angehörigen und es geht beispielsweise auch um ganz praktische Fragen wie Beherbergungseinrichtungen und Wohnmöglichkeiten für die Betroffenen und ihre Angehörigen oder Freunde.

Das heißt, hier greift ein ganzheitlicher und interdisziplinärer Ansatz, der sich auch in der Ausbildung von Ärzten und Pflegekräften und in der Forschung an den Hochschulen wiederfinden muss. Es ist ein neuer Bereich, der sicherlich auch in Schleswig-Holstein fortentwickelt werden muss.

Dabei gibt es zwei Ansätze: einerseits den, die Ausbildung der Ärzte entsprechend zu ergänzen, andererseits denjenigen, eine eigene Studiendisziplin zu etablieren.

Was die Ausbildung der Ärzte angeht, wird schon einiges getan. Aber wir können feststellen, dass immer noch viele Möglichkeiten bestehen, die Ausbildung zu ergänzen. Das ist nicht einfach. Viele andere Bundesländer haben in der Hochschulausbildung ihrer Ärzte die gleichen Probleme wie wir. Trotzdem bleibt es eine Aufgabe für die Zukunft. Auch hier erhoffe ich mir für die nächsten Jahre einen Schub durch die Diskussionen, die wir heute führen.

Ich verstehe den Antrag der FDP allerdings so, dass man gerade hier ansetzen will, aber noch einen Schritt weiter gehen möchte.

Neben der medizinischen Ausbildung, ergänzt durch palliativmedizinische Angebote, muss es auch einen regelrechten eigenen Schwerpunkt für die Palliativmedizin geben. Das heißt, Elemente der Palliativmedizin, die nicht nur von Krankenpflege und Schmerzlinderung handeln, müssen in Schleswig-Holstein etabliert werden.

In Flensburg hat man eine gute Basis. An dem Institut für Psychologie der Uni Flensburg werden Gesundheitspsychologie und Gesundheitsbildung gelehrt. Dabei geht es unter anderem darum, aufzuzeigen, wie man die Gesundheit und das Wohlbefinden durch vielschichtige Maßnahmen nicht nur medizinischer Art positiv beeinflussen kann. Man arbeitet dort sehr eng mit dem Katharinen-Hospiz zusammen.

Die Forschung in Flensburg hat auf die palliativmedizinische Versorgung und deren Erfolge einen hohen Einfluss gehabt. Daher wäre es sinnvoll, diesen Studiengang in Flensburg besonders ins Auge zu nehmen, wenn es darum geht, besonders für die

(Lars Harms)

Palliativmedizin relevante Studiengänge zu stärken oder zu ergänzen.

Abschließend möchte ich mich ebenso wie die Kollegen für die gemeinsame Initiative bedanken, die wir hier heute gestartet haben. Insbesondere bedanke ich mich bei der Kollegin Schümann, die maßgeblich dafür verantwortlich ist, dass uns diese gemeinsame Initiative gelungen ist. Also, Jutta, noch einmal vielen Dank!

(Beifall bei SSW, CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag Drucksache 16/587 zur Federführung dem Sozialausschuss und zur Mitberatung dem Bildungsausschuss zu überweisen. Gleichzeitig soll der Bericht der Landesregierung zu Tagesordnungspunkt 32 - Drucksache 16/496 - abschließend zur Kenntnis genommen werden. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? Es ist so beschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 14 auf:

Bezuschussung der Beratungsarbeit der Arbeitsloseninitiativen

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/582

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache und erteile Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Obwohl sich die Oppositionsparteien SSW, FDP und die Grünen vehement dagegen ausgesprochen und entsprechende Anträge eingebracht hatten, beschloss die große Koalition, die Landeszuschüsse für die unabhängigen Arbeitsloseninitiativen und Arbeitslosenberatungsstellen in SchleswigHolstein in Höhe von 153.000 € für 2006 ersatzlos zu streichen. Bei der Debatte in den Ausschüssen und im Landtag wurde uns damals erwidert, dass diese wichtige Beratungsarbeit - das sagten alle für arbeitslose Menschen in Zukunft von der Bundesagentur für Arbeit vor Ort entweder selbst geleistet oder sogar mitfinanziert werden solle. Auf dieser Grundlage haben sich einige der Arbeitsloseninitiativen mit entsprechenden Anträgen an die

regionalen Bundesagenturen gewandt. Aus einer Kleinen Anfrage des SSW geht hervor, dass diese Anträge negativ beschieden worden sind.

Damit ist endgültig klar, dass die Beratungsarbeit der Arbeitsloseninitiativen den Todesstoß erhalten hat, wenn nicht irgendetwas unternommen wird. Das ist der Hintergrund der heutigen Initiative des SSW. Wir sind nämlich im Gegensatz zur Landesregierung nicht der Auffassung, dass die bisher gute Arbeit der Arbeitsloseninitiativen von den Arbeitsagenturen geleistet werden kann und es daher ,,heute nicht mehr der Förderung spezieller Arbeitslosenberatungsstellen bedarf".

In einem offenen Brief an Ministerpräsident Carstensen, der hoffentlich allen Fraktionen vorliegt, hat die Arbeitsloseninitiative Kiel noch einmal deutlich gemacht, was die unabhängigen Beratungsstellen in den letzten gut 20 Jahren geleistet haben und wie wichtig ihre Arbeit auch heute noch ist, gerade nach der Einführung von Hartz IV. Die Initiativen beraten arbeitslose Menschen über ihre Ansprüche gegenüber der Bundesagentur für Arbeit. Daher liegt es in der Natur der Sache, dass diese unabhängige Beratung nicht durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Arbeitsagenturen selbst geleistet werden kann. In ihrem offenen Brief macht die Arbeitsloseninitiative Kiel nochmals deutlich, dass ,,es den Job-Centern und Arbeitsagenturen nicht gelingt, den sozialen Sprengstoff zu entschärfen, der sich bei vielen Betroffenen anhäuft".

Die Initiativen und Beratungsstellen können im Gegensatz zur Bundesagentur eine Vertrauensbasis aufbauen, um mit den Betroffenen in Konfliktfällen auch mit Arbeitsagenturen nach Lösungen zu suchen. Oft wird so ein Gerichtsverfahren umgangen. Wenn man bedenkt, dass die Sozialgerichte über einen massiven Anstieg der Verfahren wegen Hartz IV klagen, dürfte das ein gewichtiges Argument sein, um die Beratungsstellen weiter zu unterstützen. Dazu sind die Beratungsstellen nach eigenen Angaben Anlaufstellen für Menschen, die aus unterschiedlichen Gründen noch keine oder zeitweilig keine Ansprüche auf Leistungen nach SGB II oder SGB XII haben, jedoch in Armut leben, ohne dass sich die ARGEn oder Job-Center hierfür zuständig fühlen.

Wir wissen, dass es in Nordrhein-Westfalen gelungen ist, ähnliche Initiativen weiter zu fördern, indem sie durch die zuständigen regionalen Arbeitsagenturen nach SGB II bezuschusst werden. Voraussetzung war jedoch, dass die Landesregierung die Arbeit der unabhängigen Initiativen und Beratungsstellen dort als wichtig anerkannt und zwi

(Lars Harms)

schen Arbeitsagentur und Beratungsstellen aktiv vermittelt hat. Das fehlt in Schleswig-Holstein leider bisher, wenn man sich die Antwort der Landesregierung auf unsere Kleine Anfrage ansieht.