Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die heutige Sitzung und begrüße Sie alle herzlich.
Erkrankt sind Frau Abgeordnete Susanne Herold und Frau Abgeordnete Sandra Redmann, denen wir von dieser Stelle nochmals gute Besserung wünschen.
Beurlaubt sind die Abgeordneten Regina Poersch, Werner Kalinka, Wolfgang Kubicki, Herrlich Marie Todsen-Reese und Dr. Johann Wadephul.
Wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns, das noch nicht anwesend ist. Insofern werden wir ihm später gratulieren.
Auf der Tribüne darf ich Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte der Hauptschule aus Leck begrüßen. - Seien Sie uns im Landtag herzlich willkommen!
Dann eröffne ich die Aussprache und erteile für den ersten Antragsteller, für die FDP-Fraktion, dem Herrn Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bilinguale Bildungsangebote vermitteln Fremdsprachenkenntnisse sozusagen mit Turboeffekt. Kinder und Jugendliche erlangen dadurch Fähigkeiten, sich in fremden Sprachen ausdrücken zu können, die weit über die Ergebnisse des herkömmlichen Unterrichts hinausgehen. Wenn man damit früh beginnt - am besten schon im Kindergarten -, dann eignen sich
Bemerkenswert ist auch, dass dieser Erfolg nicht auf Kosten der Deutschkenntnisse zustande kommt. Eine wissenschaftliche Begleituntersuchung des Englischen Seminars der Kieler Universität zeigt: Obwohl die Schüler der Altenholzer Claus-RixenSchule nur 30 % ihres Unterrichts in deutscher Sprache erhalten - nämlich im Fach Deutsch -, sind ihre Lesefähigkeiten im Deutschen mindestens ebenso gut wie die von Parallelklassen, die in dieser Studie auch betrachtet worden sind.
Die Autoren der Studie, Henning Wode und Jessica Bachem, verweisen in diesem Zusammenhang auf die in der Fachliteratur allgemein zugrunde gelegte Einschätzung, dass frühe Mehrsprachigkeit einen positiven Effekt auf die kognitive Entwicklung der Kinder hat.
Meine Damen und Herren, sehr gute Erfahrungen mit bilingualen Konzepten sind im Ausland in zweisprachigen Staaten wie zum Beispiel Kanada gesammelt worden, aber auch im Inland kann man auf das herausragende Beispiel der Schulen der dänischen Minderheit in unserem Bundesland hinweisen.
Vor diesem Hintergrund spricht wirklich alles dafür, stärker auf solche bilingualen Konzepte zu setzen, wo immer man die dafür benötigten Lehrkräfte, die natürlich entsprechend qualifiziert sein müssen, findet.
An weiterführenden Schulen in Schleswig-Holstein gibt es solche Angebote bereits seit geraumer Zeit. Ich habe mir dies einmal auf den Internetseiten des Vereins für frühe Mehrsprachigkeit angesehen: In Schleswig-Holstein haben 19 Gymnasien und sieben Realschulen bilinguale Zweige entwickelt. - Außerdem entwickelt sich hierzulande die Angebotspalette im Bereich der Kindergärten in diesem Bereich gerade in jüngster Zeit sehr erfreulich. An etwa einem Dutzend Standorten in Schleswig-Holstein sind solche Angebote verfügbar oder befinden sich in der Entwicklung.
Dies zeigt, dass die Grundschulen zunehmend ein Nadelöhr bilden. Denn im Grundschulbereich gibt es bilinguale Zweige bislang nur an der Claus-Rixen-Schule in Altenholz bei Kiel und seit einiger Zeit in Heide in Dithmarschen.
weiterführenden Schule zu erreichen, darauf zielt unser Antrag. Ich denke, eine solche Vernetzung ist nötig, damit die gerade in jüngster Zeit im Kindergartenbereich an vielen Standorten begonnene Arbeit nicht ins Leere läuft. Denn irgendwann werden auch Kita-Kinder älter und dann stellt sich die Frage, wie es in der Grundschule weitergeht. Kindergärten mit bilingualen Konzepten gibt es mittlerweile in Lübeck, in Bargteheide, in Schenefeld, in Pinneberg, in Meldorf, an zwei Kieler Kitas, in Kronshagen und in Melsdorf bei Kiel.
Es ist natürlich zutreffend, dass diese Initiative, die wir hier eingebracht haben, auch vor dem Hintergrund einer aktuellen Problematik steht. Es geht darum, wie es in Pinneberg weitergeht, wo die AWO-Kindertagesstätte Dolli-Einstein-Haus vor einiger Zeit mit einem solchen bilingualen Konzept angefangen hat. Denn auch dort stellt sich vor Ort die Frage der Fortsetzung an der Grundschule. Man hat eine Grundschule gefunden, die interessiert, bereit und engagiert war und ist, in dieses Konzept einzusteigen, aber das Ministerium hat da erst einmal ein P vorgesetzt.
Wir meinen, für diese Kinder, die ein Anschlussangebot brauchen, reicht das Vorhaben der Landesregierung, künftig von der 3. Grundschulklasse an zwei zusätzliche Stunden Englischunterricht - also herkömmlichen Fremdsprachenunterricht - einzuführen, schlicht und ergreifend nicht aus.
Mal ganz abgesehen davon, dass es herkömmlicher Fremdsprachenunterricht wäre und dieser nicht die Möglichkeiten bilingualen Unterrichts enthielte, ist auf diese sozusagen zweijährige Bildungslücke zu verwiesen. Den Kindern werden also in den zwei Jahren nach der Zeit im Kindergarten in der Grundschule überhaupt keine Fremdsprachen vermittelt. Außerdem verhält sich das herkömmliche Unterrichtskonzept zum bilingualen Konzept etwa so wie die gute alte Bummelbahn zum modernen Hochgeschwindigkeitszug.
Aus diesen Gründen meinen wir, dass es erforderlich ist, überall dort, wo es möglich und erwünscht ist, solche bilingualen Grundschulzweige vermehrt einzurichten.
Meine Damen und Herren, im Pinneberger Fall lehnt das Bildungsministerium dies seit mehreren Wochen ab, und zwar mit wechselnden Argumen
ten, die sich nach kurzer Zeit wiederholt als fadenscheinig erwiesen haben, und dann hat man neue Argumente ins Gespräch gebracht. Erst hieß es, man wolle keinen weiteren Schulversuch neben Altenholz. Ein Schulversuch sei genug, mehr brauche man nicht; das hat man gesagt. Ferner gebe es für ein solches Angebot in Pinneberg überhaupt keine rechtliche Grundlage und auch keinen politischen Willen.
Dann wurde bekannt, dass in Heide an der Grundund Hauptschule Loher Weg seit einiger Zeit ein zweiter bilingualer Grundschulzweig in SchleswigHolstein existiert, und zwar ohne dass die im Pinneberger Fall vom Ministerium angeführten Hürden dies in irgendeiner Weise verhindert oder behindert hätten.
Als dann auch noch ein Brief von Frau Ministerin Erdsiek-Rave vom November 2003 auftauchte, in dem die Ministerin gegenüber dem Verein für frühe Mehrsprachigkeit ihre wohlwollende Bereitschaft zur Förderung weiterer Angebote nach dem Altenholzer Modell zum Ausdruck gebracht hat, verstieg sich am 10. Januar eine Vertreterin des Ministeriums auf einer Elternversammlung in Pinneberg auf die Bemerkung, man müsse eine Ministein immer an ihren Äußerungen in einer Legislaturperiode messen. Soweit die bemerkenswerte Erklärung, die vor Ort abgegeben wurde.
Schließlich tauchte aus dem Ministerium das Argument auf, in Pinneberg gebe es an der Carl-EitzSchule nicht in gleicher Weise für den bilingualen Unterricht qualifizierte Lehrkräfte. Tatsache ist aber, dass dort durchaus eine vergleichbare Situation besteht. Zwei Lehrer verfügen über eine Englisch-Fakultas. Eine dritte Lehrkraft soll im nächsten Schuljahr hinzukommen und zwei weitere Lehrkräfte erteilen seit Jahren Englischunterricht, ohne das Fach studiert zu haben. Eine Lehrkraft ist im Übrigen sogar selbst bilingual aufgewachsen.
Dann wurde auf den Kostenaspekt verwiesen, allerdings unter souveräner Missachtung der Tatsache, dass der immer wieder zitierte Präzedenzfall Altenholz damit zusammenhängt, dass man für die Entwicklung neuer englischsprachiger Unterrichtsmaterialien in der Startphase in der Tat zusätzliche Stunden eingebracht hat, die mittlerweile aber nicht mehr gebraucht werden. Ich kann Ihnen sagen, dass das bilinguale Konzept nicht teurer ist. Vielmehr ist es in der Langzeitwirkung kostengünstiger, denn Sie brauchen keine zusätzlichen Unterrichtsstunden und damit keine zusätzlichen Lehrkräfte.
Sie brauchen auf die Dauer kein zusätzliches Lehrpersonal, das bei dem Vorhaben der Landesregierung nötig wäre, ab der dritten Klasse zwei zusätzliche Englischstunden einzuführen. Sie brauchen lediglich Lehrkräfte, die in der Lage sind, nach dem Immersionskonzept etwa zwei Drittel - oder bis zu 70 % - des Unterrichts in englischer Sprache erteilen zu können. Der Finanzminister kann also damit rechnen, dass die alternative Konzeption des bilingualen Angebots nicht teuerer wäre, sondern auf lange Sicht Mittel einsparen würde.
Schließlich wurde die Notwendigkeit ins Feld geführt, für ein bilinguales Modell unbedingt einen Nativespeaker einsetzen zu müssen. Darauf kann man entgegnen, dass selbst in Altenholz nicht über die gesamte Zeit hinweg Nativespeaker als Teaching Assistants zur Verfügung gestanden haben. Wenn man also die sich über Wochen hinziehende Entwicklung betrachtet und feststellt, dass seitens des Ministeriums immer wieder neue Gegenargumente aufgebaut wurden, die sich bei näherer Betrachtung mehr oder weniger in Luft aufgelöst haben, dann kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass irgendjemandem die ganze Richtung nicht passt. Daher wird munter blockiert.
Der Änderungsantrag von Union und SPD zu unserem FDP-Antrag ist zwar ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, aber bei den Koalitionsfraktionen ist wiederholt nur von der Begegnung mit Fremdsprachen die Rede. Das ist ein Wiederauftauchen des in anderen Bundesländern längst in die Papiertonnen geworfenen und uralten Fremdsprachenbegegnungskonzepts. Mit den Formulierungen aus dem Antrag der beiden Regierungsfraktionen ist Tür und Tor für eine Minimalvariante geöffnet, die das Ministerium den Pinnebergern so gern aufs Auge drücken möchte und die einen in einem einzigen Fach - nämlich Heimat- und Sachkunde - in englischer Sprache geführten Unterricht beinhaltet. Das sind vielleicht zwei Stunden in der Woche. In der Tat ist das nicht das, was man unter einem bilingualen Unterrichtsangebot versteht und was etwas bewirkt. Das ist ganz abgesehen von der Frage, ob man in diesen zwei Stunden überhaupt in der Lage ist, die Lehrplanvorgaben des eigentlichen Fachunterrichts zu berücksichtigen.
Ich verweise zum Schluss auf einen Beschluss des Lübecker SPD-Landesparteitags vom 23. und 24. Oktober 2004. In dem heißt es:
Wenn die der Sozialdemokratischen Partei angehörende Bildungsministerin diesen Beschluss ihres eigenen Landesparteitages vom Oktober 2004 beherzigen würde, würde unser Antrag in der Tat genau dazu passen. Frau Erdsiek-Rave, dann müssten Sie den nachdrücklich befürworten.
Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Klug. - Nach einem Hinweis des Herrn Abgeordneten Bernd Schröder darf ich auf der Tribüne Eltern sowie Schülerinnen und Schüler der Initiative bilingualer Unterricht aus Pinneberg begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!