Herr Kollege Wadephul, auch wenn wir in der Opposition sind, machen wir nicht jeden Unsinn mit. Das machen Sie schon in der großen Koalition mit den Sozialdemokraten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei der Föderalismusreform handelt es sich nach den Aussagen der Vertreter der großen Koalition in Berlin, aber auch des Kollegen Stritzl, um die Mutter aller Reformen. Sie soll die Handlungsfähigkeit dieser Koalition bei großen Reformen unter Beweis stellen.
Wir haben als Parlament im Januar und Februar klargestellt, wo wir als Schleswig-Holsteinischer Landtag Änderungswünsche zu diesem Paket haben. Die Landesregierung hat sich in Person des Innenministers teilweise sehr kritisch mit dem Kompromiss von CDU und SPD in Berlin auseinandergesetzt. Die Konsequenz aus dieser Kritik blieb allerdings bisher völlig offen. Der Ministerpräsident hatte sich frühzeitig entschieden, das Gesamtpaket nicht scheitern zu lassen.
Der Innenminister signalisiert bis heute, dass er gegebenenfalls auch gegen das Paket stimmen wird, wenn es beispielsweise zu der geplanten Länderkompetenz in der Beamtenbesoldung kommen sollte. Die Art und Weise, wie sich die Regierungsfraktionen diesem Thema in der jüngsten Vergangenheit allerdings gewidmet haben, wird der Bedeutung, die sie diesem Thema in ihren Reden selbst zugemessen haben, nicht ansatzweise gerecht, Herr Kollege Puls. Wenn nämlich diese Reformen auch inhaltlich so bedeutungsvoll sein sollten, wie es von den handelnden Akteuren medial propagiert wird, muss eigentlich ein jeder gehalten sein, offen über die Inhalte dieses Paketes zu diskutieren und auch offen für etwaige Änderungswünsche an diesem Paket zu sein. Es muss ein Interesse an einem inhaltlichen Austausch und einer gemeinsamen Vorgehensweise im Parlament geben, die über die Wortbeiträge einer einzelnen Landtagsdebatte wie der im Januar hinausgehen.
Dieses Interesse scheint bei CDU und SPD nicht mehr vorhanden zu sein. Bereits in der Landtagsdebatte im Februar konnte man den Vorsitzenden der CDU-Fraktion, den Kollegen Dr. Wadephul, mit der Äußerung wahrnehmen, dass es sich bei der Föderalismusreform nicht um ein Thema handele, welches uns „unter den Nägeln brennt“. Trauriger Höhepunkt war dann allerdings die Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses am 1. März 2006, aus
der mir mein Fraktionskollege Hildebrand berichtet hat, dass es seitens der Regierungskoalitionen überhaupt keinen Bedarf für eine weitergehende Diskussion zu diesem Thema gegeben hat.
Der Vorschlag der Oppositionsparteien, nach einer gründlichen inhaltlichen Aufarbeitung des zurzeit vorliegenden Vorschlages für die Föderalismusreform zu einer gemeinsamen Stellungnahme des Parlaments zu kommen, wurde schlicht und ergreifend ignoriert.
Es gab auch keinen Bedarf bei CDU und SPD, die Landesregierung über ihre Haltung zum Gesamtpaket zu befragen beziehungsweise zu fragen, welche inhaltlichen Änderungsvorschläge die Landesregierung konkret unterbreitet hat.
So wird man einer Debatte um einen Gesetzentwurf nicht gerecht, der immerhin Dutzende von Änderungen unserer Verfassung enthält, also der Rechtsnorm welche die Grundfesten unseres Gemeinwesens festlegt.
Gleiches kann man für die handelnden Akteure in Berlin feststellen. Wer quasi eine Reform des Staatswesens im Schweinsgalopp und mit nur einer Anhörung durchpauken will, der hat nicht verstanden, worum es geht.
Bei dieser Frage geht es um das Selbstverständnis des Parlaments. Sind Abgeordnete von Regierungsfraktionen mittlerweile nur noch zu Abnickern der Regierungsvorlagen verkommen, oder nehmen sie wirklich ihren eigenen Wählerauftrag wahr? Die Debatte um die Föderalismusreform wird es zeigen.
Es gibt noch einige inhaltliche Dinge zu klären, und es lohnt sich doch wirklich, auch weiterhin für Änderungen an dem jetzigen Gesetzespaket zu kämpfen. Das gilt auch für mich und die Verhandlungsführer meiner Partei im Bundesrat. Ich nenne nur die Punkte Strafvollzug, Abweichungsgesetzgebung, Konnexitätsprinzip im Verhältnis von Bund und Kommune und ganz speziell die bundeseinheitliche Beamtenbesoldung.
Vor dem Hintergrund des gebrochenen Wortes des Ministerpräsidenten beim Weihnachts- und Urlaubsgeld will ich gar nicht wissen, welches weitere
Unheil den Beamtinnen und Beamten in SchleswigHolstein drohen könnte, wenn wir auch noch die Gelegenheit hätten, die Beamtenbesoldung komplett eigenständig zu regeln, und welchen Flickenteppich wir bundesweit bekämen, wenn wir - insoweit stimme ich dem Innenminister durchaus zu nicht darauf drängten, dass noch Änderungen vorgenommen werden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Berlin ist Bewegung in die Föderalismusreform gekommen. Teile der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag murren gegen das Paket und wollen es wieder aufschnüren. Übrigens: Auch im Bereich der Hochschulfinanzierung stellt sich ganz stark die Frage, wo wir eigentlich als Land Schleswig-Holstein bleiben, wenn die bisherige Regelung der kompletten Trennung so erhalten bleibt, wie sie besteht. Wir sollten dieses Murren nicht als Blockade, sondern als Chance begreifen, das Paket weiter zu optimieren.
Auch wenn sich die Koalitionsfraktionen dieses Hauses schon mental aus der Debatte verabschiedet haben, so sollte wenigstens die Landesregierung diese Chance nutzen, um einzelne Punkte herauszuverhandeln, auch mit der Drohung, das Paket möglicherweise scheitern zu lassen. - Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, wenn ihr jetzt erklärt, solche Drohungen stoße man nicht aus: Hoch erfreut sagt die CDU doch immer, man muss international gelegentlich auch mit Gewalt drohen, um etwas zu erreichen. Vielleicht kann man hier einmal mit der Ablehnung drohen, um etwas zu erreichen.
Ob das einen Gesichtsverlust für Herrn Stoiber oder Herrn Müntefering bedeutet, muss dabei hintan stehen. Es geht hier um mehr als den Beweis der Handlungsfähigkeit der großen Koalition.
Ich weise noch einmal darauf hin: Wenn wir keinen verbindlichen Fahrplan zum Einstieg in die Frage bekommen, wie die Finanzverfassung zwischen Bund und Ländern geregelt werden soll, bleibt alles, was wir beschließen, Makulatur, wahrscheinlich zulasten der ärmeren Länder und zugunsten der starken und reichen Länder. Das können wir Schleswig-Holsteiner auf keinen Fall unterstützen.
Bevor ich der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erteile, will ich darauf hinweisen, dass ver.di beantragt hatte, auf der Wiese vor dem Plenarsaal zu demonstrieren. Das hat der Landtagspräsident nicht zugestanden.
ver.di war findig: Als Konsequenz liegt draußen ein Schiff, das uns sicherlich gleich mit Hupen und ähnlichen Geräuschen stören wird.
Nunmehr erteile ich für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Vorsitzenden, Frau Anne Lütkes, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, herzlichen Dank für Ihre klaren Worte. Ich weiß nicht, ob ich jetzt hoffen soll, dass auch nach dem 26. März 2006 in verschiedenen Ländern Ihr Wort hohes Gewicht hat. Aber wir gehen einmal davon aus, dass zumindest im Bundesrat deutliche Worte gesprochen werden.
Das ist in der Föderalismusdebatte hier in Schleswig-Holstein nicht immer der Fall. Herr Kollege Fraktionsvorsitzender der CDU, Sie haben zwar gerade durch Mimik deutlich gemacht, welch hohes Interesse Sie heute am Thema haben, aber in der Vergangenheit und insbesondere in der letzten Innen- und Rechtsausschusssitzung hatte ich nicht nur den Eindruck -
- Ich meinte, Sie haben so interessiert geschaut. Ich meinte das heute gar nicht ironisch. Aber heute muss ich daran erinnern, was im Innen- und Rechtsausschuss war. Dort herrschte nämlich schlichtes Desinteresse bei der großen Koalition. Wir haben damals den mündlichen Bericht des Herrn Ministerpräsidenten, der leider zurzeit bei dieser Debatte nicht anwesend ist, in den Ausschuss verwiesen mit dem Ziel, in die Details zu gehen, zu hören, wie sich das Land Schleswig-Holstein, vertreten durch die Landesregierung, in der Föderalismusdiskussion im Detail und nicht in allgemeinen Obersätzen verhält. Daran bestand, wenn ich das so sagen darf, in der Sitzung ein schwer zu erkennendes Interesse der großen Koalition. Im Gegenteil wurde uns dort zu Beginn der Debatte deutlich ge
Wir, die Opposition, haben dann noch versucht, ein wenig unter uns zu diskutieren, aber Sinn und Zweck des Parlamentarismus ist doch die gegenseitige Information, dann aber auch das Einsteigen in die Details.
Die Föderalismusdiskussion kann zur größten Reform des Grundgesetzes seit 60 Jahren werden. Dazu bedarf es allerdings mehr als eines hektischen Durchpeitschens im Bundestag und dazu bedarf es mehr als den Hinweis, meine Damen und Herren von der großen Koalition, es werde schon alles gut, und im Zweifel werde es das strucksche Gesetz schon richten.
Darauf wollen wir uns nicht verlassen. Deshalb stellen wir diesen weiteren Antrag, Herr Stritzl. Er ist quasi auch ein Vorgriff auf das Parlamentsinformationsgesetz. Insofern wäre es ganz nett, wir würden es beschließen. Denn es ist nicht nur deklaratorisch, sondern wir möchten die Landesregierung durchaus veranlassen, vor der Abstimmung im Bundesrat noch einmal hierher zurückzukommen und die Bewertung dessen, was auf Bundesebene beschlossen werden wird, dem Parlament zu überlassen.
Das ist ein entscheidender Schritt. Wenn ich das Parlamentsinformationsgesetz richtig verstanden habe, wollen Sie genau das, wenn es um Gesetzgebung geht.
Man kann nicht oft genug über die Föderalismusreform sprechen. Erinnern wir uns: Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland entstand in unmittelbarer zeitlicher und emotionaler Nähe zum Kriegsende und zum Ende des Dritten Reichs. Es war und ist geprägt von dem föderalen Gedanken, von Freiheit, Gleichheit und sozialer Verantwortung. Jeder Gesetzgeber, jeder Landes- und jeder Bundesgesetzgeber, muss sich der Frage der gleichwertigen Lebensverhältnisse stellen. Dieses Prinzip, diese Leitlinie der föderalen Ordnung, sollte weiterhin Leitlinie der Gesetzgebung bleiben.
Betrachten wir die vorgelegten Einigungsvorschläge, können wir nicht erkennen, wie die Auseinandersetzung mit der Leitlinie der gleichwertigen Lebensverhältnisse durchgeführt wird. Wie wollen Sie sicherstellen, dass beispielsweise im Strafvollzug, beispielsweise in der Heimgesetzgebung, aber auch beim Recht der Bildung die gleichwertigen Lebensverhältnisse als Verfassungsleitlinie garan
tiert werden, wie beim Hochschulbau sicherstellen, wie in Einzelfrage sicherstellen, beispielsweise bei dem ominösen Abweichungsrecht?
Sie gehen den ominösen Artikel 33 Abs. 5 GG, das Beamtenrecht, nicht in Wirklichkeit an. Das große Thema - Herr Kubicki hat darauf hingewiesen - der Finanzverfassung, der Finanzierung der kommunalen Grundsatzaufgaben wird nicht angesprochen, wird in keiner Weise angegangen. Sie gehen konkret in die Haftungsquoten nach europäischem Recht hinein, nehmen aber nicht Stellung dazu, wie die soziale Infrastruktur in dieser Bundesrepublik gesichert werden kann.
Das alles wären Dinge gewesen, die wir im Ausschuss hätten besprechen können. Wir sind nach wie vor nicht darüber informiert, wie die Landesregierung das im Konkreten tut. Insbesondere sind wir nicht darüber informiert, wie wir aus der föderalen Sackgasse herauskommen, wie Deutschland auf Jahre hinweg nachhaltig europatauglich gemacht werden soll und wie die Auseinandersetzung der Staatlichkeit der Länder im Verhältnis zum Nationalstaat und das wiederum in einem Verhältnis zu einem Europa der Staaten erfolgen könnte. Das alles sind Themen, die ich sehr gern zum Beispiel mit Ihnen, Herr Innenminister, im Ausschuss debattiert hätte. Der Herr Staatssekretär hat sich sehr bemüht, die Diskussion zu führen. Aber eigentlich wäre es einer anderen Mühe Wert gewesen. Nun denn, wir werden hoffentlich noch einmal darauf zurückkommen können.
Für die Abgeordneten des SSW erteile ich deren Vorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will das Bild von der Mutter aller Reformen weglassen. Der Kollege Fischer und ich tauschten uns kurz darüber aus, ob die Reform eventuell zur Stiefmutter oder zur Schwiegermutter mutiert. Das ist ein interessanter Gedankengang. Wichtig ist, daran festzuhalten, dass es bei dieser Föderalismusreform darum geht, dass die Zahl der im Bundesrat zustimmungspflichtigen Gesetze stark reduziert werden soll. Im Gegenzug sollen die Länder in einigen Bereichen mehr Zuständigkeiten erhalten. So weit, so gut, könnte man sagen.