Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir lassen Sie aus diesem Plenarsaal nicht heraus, ohne dass ein konkreter Vorschlag gekommen ist. Oder Sie schweigen und stimmen dem Haushalt zu.
Ich erteile das Wort dem Berichterstatter des Innenund Rechtsausschusses, Herrn Abgeordneten Werner Kalinka.
Herr Präsident! Der Innen- und Rechtsausschuss und der Europaausschuss haben den durch Plenarbeschluss vom 25. Januar 2006 überwiesenen mündlichen Bericht der Landesregierung in einer gemeinsamen Sitzung am 1. März 2006 beraten. Der federführende Innen- und Rechtsausschuss empfiehlt dem Landtag im Einvernehmen mit dem beteiligten Europaausschuss mit den Stimmen von CDU und SPD bei Enthaltung von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den Bericht zur Kenntnis zu nehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat für die CDU-Fraktion Herr Abgeordneter Thomas Stritzl.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Reform des Föderalismus, obwohl noch gar nicht beschlossen, ist schon jetzt unter dem Stichwort „Mutter aller Reformen“ in die Geschichtsbücher eingegangen. Diskutiert seit rund sieben Jahren kommt sie jetzt in die Endrunde. Wie immer im Leben, wenn die Zeit am Ende knapp wird, erhöht sich die Aufmerksamkeit und damit natürlich auch - das ist zwangsläufig in der Demokratie - der politische Erörterungsbedarf im Hinblick auf das, was an Zwischenergebnissen gefunden worden ist. So war es auch richtig, dass wir hier im Landtag bereits zwei Diskussionsrunden im Plenum hatten; heute ist schon die dritte. Natürlich muss eine solche Erörterung hier im Landtag durchaus auch zu kritischen Würdigungen von Zwischenergebnissen führen, weil natürlich jedes Land aus seiner Sicht schauen muss, was die Sequenz der jetzigen Zwischenergebnisse ist, wo es Wünsche hat, wo es Bedenken hat, und wo es mitgehen kann.
Es ist ja bereits durch die Landesregierung, durch den Ministerpräsidenten, durch den Innenminister und auch durch die Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD deutlich gemacht worden, welche Wünsche diese Koalition hat. Wir wollen zum Beispiel nicht, dass der Strafvollzug aus der Bundeszuständigkeit entlassen wird und in die Länderhoheit übergeht, weil es hier auch um relevante Grundrechtseingriffe geht und ein Wettbewerb um Billigknäste dieser Dimension nicht gerecht wird. Wir wollen vor dem Hintergrund der Bedeutung von Forschung, Lehre und Bildung für die Zukunft für unser Land, aber insbesondere für die jungen Menschen in unserem Land, dass auch nach einer Föderalismusreform eine gerechte Förderung von Hochschulbaumaßnahmen möglich bleibt. Auch eine Besoldungshoheit der Länder muss sich daran messen lassen, welche Vorteile sie bringt.
Insbesondere die letzten beiden Punkte, nämlich Hochschulreform/Hochschulbauförderung und Besoldungshoheit sind natürlich Komponenten, die in einem Wettbewerbsföderalismus, wenn er denn zu sehr ausartet, in der Tat zu einer Strukturverschiebung zwischen armen und reichen Ländern führen könnten. Was wir, insbesondere Schleswig-Holsteiner, schon gar nicht wollen, ist, dass es welche geben könnte, die meinen, Wettbewerbsföderalismus, abgesichert durch wie auch immer geartete Regelungen, führe im Ergebnis zu Länderfusionen durch die kalte Küche. Das wollen wir nicht. Insoweit hat sich sowohl der Landtag als auch die Landesregierung hier, aber auch im Bundesrat, bereits eingebracht.
Letztlich geht es aber um die Frage, ob die Politik sowohl im Bund als auch in den Ländern die Möglichkeit hat, ihre Entscheidungsprozesse an die Notwendigkeiten einer globalisierten Welt anzupassen. Nicht zuletzt die Geschwindigkeiten der Entscheidungsprozesse im Zeitalter des Internets haben in einem Maße zugenommen, dass die Politik dann, wenn sie noch Teil der Lösung von Problemen im Sinne der Menschen sein will und nicht selbst zum Problem werden möchte, ihre Entscheidungskompetenz entsprechend anpassen muss. Deswegen finde ich es richtig - der Ministerpräsident hat bereits darauf hingewiesen -, dass die Abschaffung der Rahmengesetzgebungskompetenz des Bundes in dieser Richtung ein ganz wesentlicher Schritt ist. Ich kann mich nicht nur an Pressemeldungen, sondern auch an lange Zeiten von Blockadehaltungen im Bundesrat gegenüber einmal gewählten Bundesregierungen aus parteipolitisch gefärbtem Interesse erinnern. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren, soll es in Zukunft in diesem Umfang nicht mehr geben. Prozesse sollen schneller, Prozesse sollen klarer, transparenter und damit entscheidungsfähiger werden. Das ist im Grundsatz der richtige Weg und das ist im Grundsatz auch ein Weg ohne Alternative.
In diesem Sinne ist es heute, wie auch der Ausschussvorsitzende gerade vorgetragen hat, richtig wir werden dem auch so folgen -, den Bericht des Ausschusses zur Kenntnis zu nehmen.
Nun haben wir hierzu noch einen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorgelegt bekommen. Darüber steht „Änderungsantrag“, aber es soll ein Antrag sein.
Wie auch immer. Darin schildern Sie einen Sachverhalt, auf den ich nicht näher eingehen will. Man kann sicherlich aus der parlamentarischen Sicht der Länder noch den einen oder anderen Wunsch haben, etwa hinsichtlich der Einbindung der Landesparlamente. Nur - das sage ich insbesondere an die Adresse der Grünen -, als Sie noch in der Regierung waren, haben Sie genau diesen Weg nicht gewählt. Jetzt ist die Zeit dafür leider abgelaufen. Das ist das eine Problem.
Das zweite: Wir sind uns sehr einig darüber, dass wir - wie Sie es geschrieben haben - die Reform der bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland zum Erfolg führen wollen. Allgemeine Einigkeit in diesem
Hause! Dass wir uns immer für eine fachlich fundierte Beratung ausgesprochen haben, haben nicht zuletzt auch die Beratungen in diesem Hause gezeigt. Das, was jetzt im Bundestag und Bundesrat mit umfangreichen Anhörungen anhebt, ist noch einmal ein Beleg dafür, dass auch dort intensiv beraten wird. Ich sage Ihnen aus der Sicht unserer Fraktion zu: Wir gehen davon aus, dass die Landesregierung, bevor diese Prozesse in Bundestag und Bundesrat abgeschlossen sind und sie im Bundesrat abstimmt werden sollen, noch einmal hier im Landtag darüber Bericht erstattet, welche Ergebnisse gefunden worden sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir uns in diesem Sinne verständigen, können wir heute feststellen, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag bekundet hat, wo er Änderungsbedarf sieht, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag klargemacht hat, dass die Reform des Föderalismus im Grundsatz wichtig ist für die weitere Wettbewerbsfähigkeit von Deutschland, aber auch SchleswigHolsteins. Die Landesregierung wird uns vor Abschluss der Abstimmungsprozesse im Bundesrat aus ihrer Sicht noch einmal informieren. Insofern stimmen wir dem Ausschussbeschluss zu und werden vor diesem Hintergrund den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen, weil das, was darin gefordert wird, in dem Verfahren, das ich geschildert habe, enthalten ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum dritten Mal in Folge beschäftigt sich der Landtag mit der Föderalismusreform des Bundes. In der Januar-Sitzung hat die Landesregierung einen mündlichen Bericht dazu abgegeben. In der Februar-Sitzung haben wir in einer Aktuellen Stunde über die Position der Landesregierung diskutiert. Nach Beratungen in den zuständigen Fachausschüssen sollen wir heute, in der März-Sitzung des Landtages, die Berichte der Landesregierung zur Kenntnis nehmen.
Erstens. Die Neuordnung des Föderalismus ist erforderlich. Es ist gut, dass sie von der großen Koali
tion in Berlin angepackt worden ist. Gerade die Rolle des Bundesrates ist immer problematischer geworden. Wir brauchen die Reform, um die in den vergangenen Jahren inflationär genutzten Möglichkeiten der Blockade von Bundesgesetzen durch den Bundesrat zu reduzieren.
Zweitens. Wenn der Bundestag zukünftig deutlich mehr Gesetze ohne Zustimmung des Bundesrates beschließen können soll, wie es geplant ist, müssen im Gegenzug die Länder und hier auch die Landesparlamente mehr eigenständige Gestaltungsbereiche erhalten, aber nur dort, wo es sinnvoll ist.
Drittens. Nicht sinnvoll ist aus unserer Sicht die Verlagerung von Bundeskompetenzen zum Beispiel bei der Beamtenbesoldung, beim Strafvollzug und beim Heimrecht.
Die besoldungsrechtliche Landeskompetenz würde zu einer Verschärfung des ohnehin schon vorhandenen Wettbewerbs zwischen finanzstarken und finanzschwächeren Bundesländern führen und die zwischen den Ländern bestehenden Ungleichgewichte verstärken. Die Forderung nach gleichen Lebensverhältnissen muss Hauptmotor und Motiv des Länderfinanzausgleichs bleiben.
Aufgesplittete Landeskompetenzen im Strafvollzug würden auch in diesem äußerst sensiblen Bereich vermutlich sehr schnell zur Aufhebung der aus unserer Sicht erforderlichen bundeseinheitlichen Standards führen. Da es auf europäischer Ebene gerade Bemühungen zu einer Vereinheitlichung der Strafvollzugsbedingungen gibt, wäre es geradezu widersinnig, innerhalb Deutschlands die vorhandene Einheitlichkeit aufzuheben.
Die Übertragung der Zuständigkeit für das Heimrecht auf die Länder hätte vermutlich ähnliche Konsequenzen. Bei den erst 2002 in Kraft getretenen novellierten Heimrechtsregelungen des Bundes ging es um eine Verbesserung der Rechtsstellung der Heimbewohnerinnen und -bewohner und verbesserte Eingriffsmöglichkeiten der Heimaufsicht sowie um weitere grundsätzliche Regelungen. Bei unterschiedlichen Standards in den Ländern bestünde die Gefahr eines Sozialdumpings, das wir alle nicht wollen können.
Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten werden die Föderalismusreform weiterhin unterstützen. Allerdings kommt es uns schon darauf an, Änderungen in einigen Punkten wie beim Beamtenrecht, beim Strafvollzug und beim Heimrecht und auch bei den Punkten, die der Kollege Stritzl eben angesprochen hat, vorzunehmen. Wir werden uns zum Wohle unseres Landes in den nächsten Wochen weiterhin in
die Debatte einmischen und erwarten dies insbesondere auch von den schleswig-holsteinischen Bundestagsabgeordneten aller Parteien und Fraktionen. Wir freuen uns, dass in der SPD-Bundestagesfraktion nicht mehr starr an einem unveränderlichen Gesamtpaket festgehalten wird.
Änderungen der Reformen sind dringend erforderlich. Erst am Ende der Debatte sollte dann die Landesregierung über ihr Abstimmungsverhalten im Bundesrat entscheiden.
Ich unterstreiche all das, was Kollege Stritzl eben zu dem Antrag der Fraktion der Grünen gesagt hat. Jetzt noch die Landesparlamente formell in das abschließende Beratungsverfahren mit einzubeziehen, halte auch ich für zu spät. Damals in der Föderalismuskommission waren die Länderparlamente aus meiner Sicht schon zu wenig beteiligt und einbezogen.
Frau Lütkes, die Unterstellung in Ihrem Antrag, dass kein ordentliches Verfahren geplant ist, um Änderungen zu vermeiden, mögen wir nicht unterstreichen. Wir gehen davon aus, dass auch auf der Bundesebene eine fachlich fundierte Beratung des Gesetzentwurfs erfolgen wird.
Insgesamt gehen wir auch davon aus, dass die von Ihnen bezeichneten Einzelpunkte, in denen Sie Beratungsbedarf sehen, auf der Bundesebene ordentlich beraten werden, und wir gehen davon aus - das hat Kollege Stritzl zum Schluss auch gesagt -, dass uns die Landesregierung über das weitere Verfahren berichtet und auch Bericht erstattet, bevor es auf Bundesebene zu einer endgültigen Beschlussfassung kommt.
Für die Fraktion der FDP erteile ich dem Herrn Oppositionsführer, dem Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Kollege Wadephul, auch jetzt werden Sie erleben, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP miteinander diskutieren. Dieses Mal streiten wir aber Seite an Seite.
Herr Kollege Wadephul, auch wenn wir in der Opposition sind, machen wir nicht jeden Unsinn mit. Das machen Sie schon in der großen Koalition mit den Sozialdemokraten.