Protokoll der Sitzung vom 22.03.2006

(Beifall bei der CDU und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Das ist eine Stärke, die wir ihm zugute halten. Das schätze wir auch an ihm. Er gehört aus meiner Sicht zu den Politikern, die wissen, was sie in anderen Zusammenhängen gesagt haben. Er steht auch dazu. Gleichwohl muss auch der jetzige Finanzminister noch im Ohr haben, was er als finanzpolitischer Sprecher seiner Fraktion zu unterschiedlichen Anträgen gesagt hat. Ich habe noch viele Debatten im Ohr. Natürlich habe ich auch im Ohr, was damals in diesem Parlament alles zu den Kürzungen bei den Kommunen gesagt wurde. Ich weiß noch genau, wie die CDU auf die Barrikaden ging. Ich weiß auch, wie es im Wahlkampf war. Überall in den Ämtern und Kommunen wurde dieses Thema angesprochen. Der SSW hat die CDU damals unterstützt, weil wir der Auffassung sind, dass das letztlich ein Nullsummenspiel ist. Alles ist öffentliche Verwaltung. Wenn wir bei den Kommunen kürzen, dann kürzen wir letztlich auch bei der öffentlichen Hand. Von daher bringt es nichts, so zu argumentieren.

(Beifall beim SSW)

Ich bitte aber darum, dass man auch bei solchen Debatten redlich argumentiert. Dazu gehört das, was ich - ich gebe es zu - gebetsmühlenartig noch einmal sage. Es ist unerträglich zu hören, wie wir in politischen Diskussionen immer wieder so tun, als hätten wir politischen Alzheimer. Wir wechseln die Rollen und wissen nicht mehr, was wir früher gesagt haben. Wer sagt, dass Oppositionsarbeit darin besteht, immer neue Entwürfe zu entwickeln, wobei man weiß, dass diese doch in den Papierkorb kommen und dass man sich mit denen nicht zu beschäftigen braucht, das greift natürlich auch zu kurz. Auch das kann ich so nicht im Raum stehen lassen. Ich finde daher, es wäre gut, wenn diese Aktuelle

(Monika Heinold)

Stunde damit enden könnte, dass wir auf der einen Seite eine gemeinsame Verantwortung feststellen, auf der anderen Seite aber auch noch einmal sagen, dass alle Reformkonzepte nicht hier und jetzt greifen können. Das weiß auch der Finanzminister. Alle Kürzungen dauern. Wir können den Haushalt nicht sanieren, indem wir sagen, wir treffen jetzt Maßnahmen, die den Kommunen unter die Arme greifen. Das dauert seine Zeit. Daher hatte ich vorhin auch das Beispiel der GMSH angebracht. Es hat zehn Jahre gedauert, ehe wir beobachten konnten, was bei dieser Modernisierung der Bauverwaltung herausgekommen ist.

Ich bitte also darum, dass wir gemeinsam vielleicht einmal ein bisschen konzeptioneller denken. Ich denke, erst dann werden wir in dieser Republik insgesamt dazu imstande sein, die Finanzlage in den Griff zu bekommen. Das tun wir nicht. Wir können uns alle Parlamente angucken. Überall gibt es unerfreuliche Diskussionen und wir kommen keinen Schritt weiter.

(Beifall beim SSW)

Auf der Tribüne begrüße ich ganz herzlich unseren früheren Kollegen, Professor Dietrich Wiebe; er ist gerade nach draußen gegangen. Ich begrüße in Begleitung von Frau Ehlers auch die Hospitantin im Schleswig-Holsteinischen Landtag, Frau Olga Morosova, sowie Praktikantinnen aus der CDU-Fraktion. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Weber das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben eine Aktuelle Stunde. Daher will ich nicht allzu viel über Vergangenes sagen. Ich will aber doch sagen, dass es manchmal hilfreich ist, sich zur Analyse der eigenen Situation bei der Wissenschaft zu informieren. Ich weise darauf hin, dass Professor Seitz, der im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung auch unseren Haushalt analysiert hat, zu einigen interessanten Feststellungen gekommen ist. Eine dieser Feststellungen ist, dass sich im Verlauf der letzten 30 Jahre keine Phase herausarbeiten lässt, in der das strukturelle Problem des Haushalts allein oder überwiegend entstanden ist. Wir haben über 30 Jahre hinweg Stück für Stück über unsere Verhältnisse gelebt. Deshalb warne ich davor, bei der Frage der

Vergangenheitsbewältigung gegenseitige Schuldzuweisungen zu übertreiben. Das bringt uns auch deswegen nicht weiter, weil wir gucken müssen, wie wir die Probleme künftig besser in den Griff bekommen.

Nun möchte ich noch etwas zur Einnahmeseite sagen. Das Thema Steuerschätzung stand im Raum. Es stand auch die Frage der Steuerpolitik des Bundes im Raum, die wir nur begrenzt beeinflussen. Professor Seitz hat eine zentrale Erkenntnis vermittelt und uns mehr oder weniger wörtlich gesagt: Hören Sie nicht ständig auf Vermutungen dahin gehend, was sich auf der Einnahmeseite verbessern kann, sondern nehmen Sie die Konsolidierung des Haushalts selbst in die Hand. Ich glaube, das ist eine ganz zentrale Aussage, der wir uns verpflichten müssen und bei der wir nicht auf falsche Hoffnungen setzen dürfen.

(Beifall bei der SPD)

Die Frage nach einem steuerpolitischen Bündnis könnte natürlich auch dazu veranlassen, ein paar Seitenbemerkungen darüber zu machen, wer sich in den letzten Jahren im Hinblick auf Steuersenkung und Steuerdumping wie eingelassen hat. Das hilft uns heute auch nicht weiter. Ich glaube, auch hier sind die Rollen etwas anders verteilt, als ich es aus einigen Wortbeiträgen hier heute Morgen gehört habe.

Ich glaube, es würde dem Parlament gut anstehen und es gibt auch keine Alternative dazu, dass wir schon im Verfahren von Haushaltsberatungen wissen, dass es Variablen gibt und dass wir Dinge verändern müssen. Wir müssen auch klar sagen, was für uns die Konstanten sind. Meines Erachtens müssen die Grundzahlen der Dinge, die wir künftig zur Haushaltskonsolidierung einsparen müssen Konstanten für die Finanzpolitik der nächsten Jahre sein. Der Finanzminister hat diese genannt.

Wir können uns über die Frage, wo und wie wir diese Korridore finanzpolitisch erwirtschaften, streiten; darüber müssen wir diskutieren. Es geht aber kein Weg daran vorbei, die Kürzungskorridore, die jetzt auf den Weg gebracht worden sind, politisch zu begleiten und zu beschließen.

Zu der Frage, warum das sein muss und ob man das nicht alles strecken kann, ist schon vieles gesagt worden. Ein Argument ist die Handlungsfähigkeit. Das klingt immer sehr abstrakt. Wenn wir es ernst damit meinen, dass wir als Parlamentarier entscheiden und als Legislative Dinge mit beeinflussen können, die den Lebensalltag der Menschen in irgendeiner Form betreffen und verbessern können, dann brauchen wir ein Stück Handlungsfähigkeit und Be

(Anke Spoorendonk)

wegungsfreiheit, die wir momentan nicht haben und die wir zukünftig noch weniger haben werden, wenn wir die Haushaltskonsolidierung jetzt nicht auf den Weg bringen. Das ist nicht nur ein Stück rational, sondern auch emotional. Ich glaube, niemand könnte und sollte es vor seinem Gewissen verantworten, seinen Kindern und den Nachkommen noch größere Schuldenberge, als wir jetzt schon haben, aufzuladen. Zur fachlichen Herausforderung kommt ein Stück politisch-moralische Herausforderung, der wir uns stellen müssen.

Meine Damen und Herren, über Details der Haushaltsaufstellung können wir uns streiten; worüber wir uns nicht streiten sollten, sind die Mindestkorridore an Einsparungen, die der Finanzminister und das Kabinett beschlossen haben. Wir als sozialdemokratische Fraktion werden dies hier nicht nur vertreten, sondern auch durch unser Abstimmungsverhalten unterstreichen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die Fraktion der CDU erteile ich dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, das Wort.

Herr Landtagspräsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Heinold, Sie haben noch einmal den Blick zurück gewagt, auch in die Zeit, als die Union hier regiert hat, und uns vorgehalten, auch damals seien schon Schulden gemacht worden. Ich gebe dem Kollegen Weber Recht: Auch damals hat man schon über seine Verhältnisse gelebt. Das Schuldenmachen hat in Deutschland eine unselige Tradition, Pi mal Daumen seit es die so genannten Stabilitätsgesetze gibt, die die große Koalition im Bund in den 60er-Jahren eingeführt hat, in Bund und Ländern.

(Zurufe)

Wir müssen aber auch die Dimensionen betrachten. Ich darf in aller Bescheidenheit darauf hinweisen: Der Schuldenstand in Schleswig-Holstein betrug 1988, als wir die Verantwortung abgegeben haben, 9 Milliarden €. In Ihrer Regierungszeit haben Sie allein für 6 Milliarden € Veräußerungen getätigt. Wenn man das saldiert und dem die Schuldenlast, die bestand, bevor die neue Regierung unter der Führung von Peter Harry Carstensen die Verantwortung übernommen hat, von etwa 22 Milliarden € gegenüberstellt, wird deutlich, dass das unterschiedliche Dimensionen sind.

Es wird nicht so weit kommen, dass wir uns deswegen in der Höhle verkriechen, weil uns der letzte dänische König noch Schulden hinterlassen hat. Liebe Frau Heinold, die Dimensionen müssen schon gewahrt werden. In Ihren neun Jahren haben Sie im Land in einer ganz anderen Dimension Schulden aufgehäuft. Wenn sich hier jemand für die Schulden, die gemacht worden sind, zu entschuldigen hat, wären Sie das an erster Stelle.

(Beifall bei CDU und FDP - Zuruf des Abge- ordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich finde, dass das der größere Tatbestand ist, womit ich den anderen überhaupt nicht verniedlichen will. Ich finde es anerkennenswert, dass der Herr Finanzminister heute in der Plenardebatte etwas zu seiner Verantwortung gesagt hat. Ich muss auch den Äußerungen des Herrn Ministerpräsidenten in den vergangenen Tagen großen Respekt zollen. Die beiden haben das übrigens nicht allein gemacht; was hier vereinbart worden ist, haben ein paar andere Leute vereinbart und mit unterschrieben, ich gehöre dazu. Unsere Fraktionen haben das getragen, unsere Parteitage haben das getragen.

Man kann in aller Offenheit durchaus sagen: Im vergangenen Jahr haben uns die gemeinsame Kraft, die gemeinsame Energie, der gemeinsame Mut gefehlt, das zu tun, was jetzt angegangen wird.

Wenn das so ist, dann stellt sich doch die Frage, was jetzt wichtiger ist, bei dem zu bleiben, was wir uns im vergangenen Jahr fälschlicherweise noch nicht zugetraut haben, nur um sozusagen an der Stelle unsere Ehre zu retten, die nicht wenig wert ist, oder zu bekennen, dass mehr notwendig ist, dass andere Einschnitte notwendig sind.

Ich sage das nicht als Eigenlob. Hier handelt bisher ja im Wesentlichen die Regierung. Ich spreche der gesamten Regierung meinen Respekt aus, die das in Gänze trägt. Auch die Kolleginnen und Kollegen, die der Sozialdemokratischen Partei angehören, tragen das mit. In einigen Ressorts wird es sicherlich schwierige Diskussionen geben. Ich zolle der Landesregierung in Gänze meinen ausdrücklichen Respekt für den Weg, der hier gegangen wird. Er ist ehrlich, er ist schwer, er ist mit Blick auf das, was im vergangenen Jahr gesagt worden ist, nicht besonders einfach. Aber es ist der einzig verantwortungsvolle Weg für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei CDU und SPD)

Unter dem Aspekt möchte ich die Opposition einmal ermutigen, nicht jede Aktuelle Stunde zum Kleinkrieg untereinander zu nutzen. Es ist immer

(Jürgen Weber)

der wesentliche Teil der Wortbeiträge der Kollegen Müller und Kubicki, sich gegenseitig eines Besseren zu belehren: Wer ist die schönste Opposition im ganzen Land?

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das verliere ich! - Weitere Zurufe)

Das können wir meinetwegen noch ein bisschen weitermachen, aber wir brauchen irgendwann einmal einen ernsthaften Partner, der uns wirklich fordert. Herr Oppositionsführer, in Ihrer eloquenten Rede habe ich keinen einzigen Vorschlag gehört, was man anders machen soll, ich habe keinen einzigen Vorschlag gehört.

Kollegin Heinold verantwortet heute noch eine Veröffentlichung im Internet zum Thema Finanzen, in der sich so schöne Sätze finden wie - ich darf mit Ihrer freundlichen Genehmigung zitieren, Herr Landtagspräsident -:

„Damit haben wir im Jahr 2004 weniger Einnahmen aus Steuern und Bundesergänzungszuweisungen als im Jahr 1999. Unter diesen Bedingungen ist eine Übereinstimmung von Ausgaben und Einnahmen des Landes bisher nicht möglich gewesen.“

Eine tolle Feststellung, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nur, wir müssen handeln, es muss etwas getan werden!

(Beifall bei der CDU - Zuruf der Abgeordne- ten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das fällt uns wirklich schwer - das räume ich ein -, angesichts der von uns unterstützten Proteste gegen den Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich, den wir falsch gefunden haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich erwarte konkrete Vorschläge, was wir angesichts des Gesetzesdickichts, das wir von europäischer Ebene, von Bundesebene her haben, eigentlich anderes machen können als das, was jetzt angedacht ist.

(Zurufe von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt keine Alternative. Deswegen muss es getan werden. Mit einem Nordstaat oder der Auflösung von Kreisen ist erst einmal überhaupt nichts zu erreichen.

(Beifall bei der CDU - Zurufe von BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie erreichen überhaupt nicht die Finanzdimensionen, an die hier gedacht wird. Deswegen sind Sie aufgefordert, hier nicht die politischen Kriegs

schauplätze irgendwo anders hin zu verlagern, sondern konkret in die Haushalte hineinzugehen und zu sagen, wie Sie ein Volumen von 600 Millionen € in den nächsten zwei Jahren erwirtschaften würden. Wir warten darauf. Wir haben das Jahr über Zeit. Im Dezember wird ein Haushalt beschlossen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir lassen Sie aus diesem Plenarsaal nicht heraus, ohne dass ein konkreter Vorschlag gekommen ist. Oder Sie schweigen und stimmen dem Haushalt zu.