Ich glaube, eine so große Reform wie die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe für die Umsetzung von „Fördern und Fordern“ in Hartz IV muss sich auch daran messen lassen, wie sie mit solchen Detailfragen umgeht, die zwar nur Detailfragen sind, aber die Lebensverhältnisse von Menschen - in diesem Falle Pflegeeltern - und vor allem von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien leben, direkt betreffen.
Herr Minister, für Ihren Einsatz auf Bundesebene, von dem ich in dieser Frage weiß, bedanke ich mich jetzt schon einmal sehr herzlich. Halten Sie durch und setzen Sie sich dafür ein, dass genau dieser Bereich Pflegeeltern und Pflegefamilien bei dem Optimierungsgesetz nicht zu kurz kommt, sondern weiterhin Pflegefamilien eine Alternative in der Erziehung bleiben, die sehr wichtig und sehr hilfreich sind!
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Baasch. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über viele Probleme und Ungleichbehandlungen bei der praktischen Umsetzung von SGB II haben wir in der Vergangenheit hier immer wieder debattiert. Zuletzt hat die große Koalition - ich will nur an die Abstimmungsorgie erinnern - die Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in neun konkreten Punkten, die geforderte Revision des SGB II, letzte Woche im Sozialausschuss abgelehnt.
Jetzt tritt eine neue Ungerechtigkeit zutage, die zu Recht schneller Abhilfe bedarf, nämlich die teilweise Anrechnung des Pflegegeldes auf das Arbeitslosengeld II. Diesmal ist allerdings der Unterschied, dass die Ungerechtigkeit schnell, unkompliziert und ohne dass der Gesetzgeber tätig werden muss, aus der Welt geschaffen werden könnte, wenn man den Willen dazu hat. Das Problem ist, dass die Bundesagentur für Arbeit das gezahlte Pflegegeld für die Vollzeitpflege nach § 33 SGB VIII und für die Tagespflege nach § 23
Der Erziehungsbeitrag stellt nach den internen Durchführungsbestimmungen der Bundesagentur einen Anerkennungsbeitrag für die erzieherische Leistung dar, der bei ALG-II-Empfängern als Einkommen zu berücksichtigen ist, soweit er eine halbe monatliche Regelleistung übersteigt.
Es wird dabei so getan, als ob es sich bei der Erziehungsleistung um eine Erwerbstätigkeit im Sinne des § 30 SGB II handelt. Im Gesetz findet sich hierzu allerdings keine konkrete Aussage. In der dazu erlassenen ALG-II-Verordnung wird auf diesen Sonderfall nur indirekt eingegangen. Lediglich in besagter Durchführungsbestimmung, interner Durchführungsbestimmung, wird diese Anrechnung so festgeschrieben.
Der jetzt vorgelegte Antrag zielt deshalb in die richtige Richtung. Die Erziehungsleistung stellte bereits in der Vergangenheit unter dem BSHG, also dem Bundessozialhilfegesetz, keine Erwerbstätigkeit im herkömmlichen Sinne und damit kein besonderes Einkommen dar. Warum sollte sich an dieser Praxis oder an dieser Auffassung etwas geändert haben?
Dieser Ansicht ist im Übrigen auch die Sachbearbeiterin des damaligen Ministeriums für Justiz, Frauen, Jugend und Familie des Landes SchleswigHolstein in ihrem Schreiben vom 11. November 2004 an die Arbeitsgemeinschaft für Sozialberatung und Psychotherapie in Berlin, das von dieser Arbeitsgemeinschaft im Internet veröffentlicht worden ist. Deshalb kann ich daraus auch zitieren. In einem Vermerk des dortigen Referatsleiters heißt es:
„Da weder Erziehungskosten noch notwendiger Unterhalt des Kindes als Einkommen der Pflegeperson angerechnet werden dürfen, verbietet sich jeglicher Zugriff durch Anrechnung seitens des Sozialhilfeträgers auf diese Leistung.“
Hieran hat sich meiner Meinung nach auch durch Hartz IV nichts geändert. Auch das Sozialgericht Schleswig hat aktuell in seinem Beschluss vom 12. Januar 2006 festgestellt, dass der Erziehungsbeitrag, der in der Pflegepauschale, im Pflegegeld, enthalten ist, kein anzurechnendes Einkommen im Sinn des § 11 SGB II darstellt. Denn Pflegefamilien sollten nach dem Willen des Gesetzgebers gerade einen wirtschaftlichen Anreiz erhalten, Pflegekinder aufzunehmen. Dabei darf es auch keine Rolle spielen, ob die Pflegefamilie SGB-II-Empfänger ist oder ob es sich um eine Familie mit einem durchschnittlichen Einkommen handelt. Würde nämlich
hier unterschieden, würde es zu einer materiellen Ungleichbehandlung gegenüber den Pflegekindern kommen, die durch nichts, aber auch durch gar nichts zu rechtfertigen ist.
Wenn aber die Anrechnung von Erziehungsanteilen in der Pflegepauschale nicht gerechtfertigt ist, warum wird diese Anrechnungspraxis dann weiter durchgeführt? - Die Antwort ist einfach, weil der für die Verordnung und der internen Durchführungsanweisung zuständige Bundesminister - erst war es Herr Clement, dann Herr Müntefering - diese nicht geändert hat - und zwar bisher aus rein haushaltspolitischen Gründen. Vielmehr beruft man sich darauf, eine neue Rechtsauffassung entwickelt zu haben. Deshalb ist nicht das SGB II das Problem, sondern die Auslegung des SGB II.
Herr Minister Döring, ich bitte Sie sehr herzlich das können Sie auch gern als Unterstützung der FDP-Fraktion mitnehmen -, den Kollegen auf Bundesebene darauf hinzuweisen, welche Verwerfungen durch die jetzt vertretene Rechtsauffassung des Bundesministers aufgetreten sind, bei den Pflegefamilien, bei den Pflegekindern und bei den Sozialgerichten. Diese Verwerfungen lassen sich durch eine ganz einfache Klarstellung in der ALG-II-Verordnung und in der internen Dienstanweisung völlig unkompliziert beheben. Dazu brauchte man noch nicht einmal eine Gesetzesänderung - wenn der Wille zur Änderung tatsächlich besteht.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Frau Abgeordnete Monika Heinold.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Vielen Dank an Herrn Garg, dass er noch einmal deutlich gemacht hat, wo das Problem der jetzigen Gesetzgebung und Rechtsauffassung liegt. Das alte rot-grüne Gesetz besagt nicht, dass der Erziehungsanteil zwangsläufig als Einkommen anzurechnen ist, sondern das ist eine Frage der Interpretation auf verschiedenen Ebenen. Das Problem, das
jetzt neu hinzu kommt, ist, dass von diesen über 50 Vorschlägen im SGB-Optimierungsgesetz einer den Vorschlag enthält, dass jetzt klargestellt werden soll, dass der Erziehungsanteil zukünftig zumindest teilweise als zu versteuerndes Einkommen angerechnet wird. Das heißt, CDU und SPD in Berlin planen hier nicht eine Klarstellung im Sinne der Pflegeeltern, sondern sie planen - das muss man sehr deutlich sagen - eine deutliche Verschlechterung für die Pflegeeltern, weil die Rechtslage, so wie sie teilweise schon interpretiert wird, nämlich gegen die Pflegeeltern, jetzt so auch noch in das Gesetz geschrieben werden soll.
Deshalb ist es richtig, dass wir uns an dieser Stelle gegen das wenden, was der Bundesgesetzgeber plant.
Mich wundert es ein bisschen - Herr Dr. Garg hat darauf hingewiesen -, dass wir uns in der letzten Landtagstagung mit etwa zehn Änderungsvorschlägen von uns zum SGB II befasst haben und der Ausschuss alle Änderungsvorschläge immer mit der fröhlichen Begründung abgelehnt hat, da müsse der Landtag gar nicht mitwirken, die Landesregierung habe das alles im Griff, der Bundesgesetzgeber mache das alles richtig.
Wir scheinen hier jetzt einen Punkt gefunden zu haben, in dem sie weder Ihrer eigenen Bundes- noch Ihrer eigenen Landesregierung zu trauen scheinen, denn sonst passt Ihre ganze Logik aus der Ausschussdebatte nicht.
Deshalb werden wir Sie dabei unterstützen, dass die Landesregierung das tut, was sie anscheinend freiwillig nicht getan hätte. Sonst müssten wir heute darüber gar nicht beschließen - nach Ihrer Logik in der letzten Ausschusssitzung. So haben Sie argumentiert.
- Natürlich haben Sie so argumentiert! Sie haben Punkt für Punkt auch sinnvolle Dinge abgelehnt, weil Sie gesagt haben, das befinde sich alles noch im Verfahren, die Landesregierung habe das alles gut im Griff, sie machte das alles in unserem Sinne.
- Nein, das sind Dinge, die noch nicht beschlossen worden sind, zu denen Sie nur gesagt haben, dass die Landesregierung schon dabei sei, sich einzumischen!
Hier scheint es einen Punkt zu geben, bei dem das Parlament gefordert ist. Das finde ich richtig, das ist ein parlamentarisches Verständnis, wie ich es mir auch an anderer Stelle wünsche und für das ich immer eingetreten bin.
Natürlich könnte ich jetzt viel über die positive Arbeit von Pflegefamilien berichten, damit würde ich mich den Beiträgen von Frau Franzen und Herrn Baasch anschließen, die das sehr gut beleuchtet haben. Pflegefamilien sind eine große Bereicherung für unsere Gesellschaft. Sie sind wichtig für die Kinder. Ihnen zu unterstellen, sie würden Geld scheffeln, ist bei dem, was sie leisten, absurd. Es ist außerdem so, dass Pflegefamilien eine Planungssicherheit brauchen und dass es deshalb nicht sein kann, dass sie befürchten müssen, dass durch die Aufnahme eines Pflegekindes ihr Hartz-IV-Einkommen sinkt.
Das kann überhaupt nicht sein. Insofern ist es schön, wenn wir uns an dieser Stelle einig sind, den Pflegefamilien einen Dank auszusprechen, dass sie diesen Einsatz zeigen. Frau Franzen hat es gesagt: Auch volkswirtschaftlich ist es absolut sinnvoll, so zu verfahren.
Ich freue mich also, dass wir zum alten parlamentarischen Verfahren zurückkehren, dass dieser Landtag sich auch in Bundesgesetzgebung einmischt, wenn er glaubt, an der einen oder anderen Stelle läuft etwas schief. Deshalb werden wir das voraussichtlich einstimmig heute beschließen. Wir brauchen keine Ausschussberatung.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Das Wort für den SSW im Landtag hat Herr Abgeordneter Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem wir bereits in der letzten Sitzung des Sozialausschusses eine Reihe offener Punkte im Zusammenhang mit dem Arbeitslosengeld II besprochen
haben, legen die Mehrheitsfraktionen noch einen weiteren Punkt dazu. Der Beitrag für die Kosten der Erziehung soll nicht auf das Einkommen der Arbeitslosengeld-II-Bezieher angerechnet werden. Das unterstützen natürlich auch wir.
Es ist falsch, dass Menschen, die sich um Pflegekinder sorgen und kümmern und ihnen ein Zuhause bieten, im Falle ihrer Arbeitslosigkeit plötzlich für diese Aufgabe bestraft werden. Das hiesige Justizministerium hatte bereits vor Inkrafttreten von Hartz IV im November 2004 festgestellt, dass der Erziehungsbeitrag kein Einkommen ist, sondern Bestandteil des Unterhaltsanspruches des Kindes oder des Jugendlichen. In Fällen, in denen höheres Pflegegeld gewährt wird, weil das Kind behindert ist, handelt es sich keineswegs um einen Spitzenjob für die Sorgeberechtigten, sondern um eine Notwendigkeit und einen Anspruch des jeweiligen Kindes. Der höhere Betrag soll den höheren Unterhaltsbedarf des Kindes sicherstellen. Der Gesetzgeber möchte die liebevolle Pflege von Kindern in der eigenen Familie eben nicht als Job verstanden wissen. Vielmehr sichert sie den Unterhalt des Kindes. Danach ist das Pflegegeld kein Einkommen. Ob man Hartz IV bekommt oder nicht, ist völlig irrelevant; so das Justizministerium in 2004. Diese Sichtweise wurde schon seinerzeit vom SSW voll und ganz geteilt. Wir teilen diese Sichtweise immer noch.
Es ist aber ganz anders gekommen. Ein Hamburger Sozialgericht hat eine andere Linie festgelegt, die das gesamte Pflegewesen in Deutschland berührt. Der Erziehungsbeitrag genannte Teil des Aufwendungsersatzes für Tagespflegepersonen ist teilweise als Einkommen zu berücksichtigen. Das ist ein Urteil, das uns meilenweit zurückwirft,. Es bindet aber die Stellen, die das Arbeitslosengeld II bewilligen sollen, erst einmal. Und so wird es heutzutage gehandhabt: Wer Pflegekinder betreut, dem wird nach einem Jahr Arbeitslosigkeit das Arbeitslosengeld II gekürzt. Der falsche Weg, den man mit Hartz IV eingeschlagen hat, wird an dieser Stelle noch einmal in aller Brutalität deutlich.
Es geht nicht mehr um den berechtigten Anspruch von Personen, hier von Pflegekindern, sondern nur noch darum, den Arbeitslosen auf niedrigstes Niveau herunterzuschrauben, damit er arbeitswilliger wird. Die meisten sind aber arbeitswillig. Sie finden nur keine Arbeit, weil es entweder keine gibt oder weil ihnen die entsprechenden Qualifikationsmöglichkeiten vorenthalten werden. Nun werden auch noch die Personen, die sich über ihr eigentliches Berufsleben hinaus einer wichtigen Aufgabe, näm