Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

(Heiterkeit bei CDU und SPD)

Vielen Dank, Kollege Arp. Das war eine Retourkutsche für heute Morgen; das wissen Sie sehr gut.

(Lars Harms)

Das ist auch erlaubt; das Parlament muss auch einmal lachen.

Für die Landesregierung erhält nun Herr Wirtschaftsminister Austermann das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich denke, dass es gut ist, dass man, bevor man eine Entscheidung trifft, sich zunächst die eine oder andere Tatsache vor Augen führt. Es geht um drei Hochspannungsleitungen in Schleswig-Holstein. Es geht um 300 Leitungsmaste von etwa 30 m Höhe. Wir haben rund 2.200 Windmühlen, die ebenfalls jeweils einen Mast haben. Ich erwähne das, um die Relationen deutlich zu machen.

Es geht, wie der Antrag der Grünen verdeutlicht hat, um die Abwägung zwischen der Wirtschaftlichkeit auf der einen und dem Natur- und Landschaftsschutz auf der anderen Seite.

Wenn ich die Gemengelage betrachte, stelle ich fest, dass es dort eine Gruppierung gibt, die sagt: Wir haben eine Leitungsgenehmigung für ein Erdkabel. - Wie ich höre, soll diese Gruppierung dabei sein, Grundstücke zu verkaufen, um eine Hochspannungsleitung zu vermeiden. Das heißt, es stehen wirtschaftliche Interessen dahinter, die in die Richtung gehen: Ich möchte gern meine Erkabelgenehmigung vermarkten.

Den Eindruck zu vermitteln, es gäbe hier die wirtschaftlichen Interessen eines Riesen - E.ON, Vattenfall oder wer auch immer -, der hier seine Interessen rigoros durchsetzen wolle, und auf der anderen Seite seien die lauteren Gedanken eines Menschen, dem es nur um den Naturschutz geht, trifft die Realität nicht ganz. Ich möchte deshalb einen Vorschlag unterbreiten, der prüft, ob das, was hier an Gedankenhintergrund besteht, auch sachlich unterlegt ist. Wer hindert eigentlich den Inhaber der Erdkabelgenehmigung daran, Windmüller zusammenzutrommeln und zu sagen: Wir bauen das Erdkabel auf eigene Rechnung

(Beifall bei der CDU)

und vermeiden damit, dass eine lange Zeit des Wartens verstreicht, die dazu führt, dass viele, die eine Einspeisevergütung aus der Windenergie bekommen, mit der Degression leben müssen; denn jedes Jahr wird das, was sie an Einspeisevergütung erhalten, weniger. Das bedeutet, man kann, wenn man schnell eine Entscheidung bekommt, zum Beispiel schnell ein Erdkabel bekommen - wofür ich sehr

war - und schnell Geld dadurch verdienen, dass die Einspeisevergütung nicht deutlich reduziert wird.

Ich finde es deshalb gut, dass wir die Zeit haben, das Thema im Wirtschaftsausschuss mit allen Beteiligten zu erörtern, um dabei auszuloten, wie weit das wirtschaftliche Interesse der einen und der anderen Seite reicht.

Ich möchte einen zweiten Punkt erwähnen. Ihr Antrag enthält eine Reihe von Fragen, jedoch eigentlich keine berechtigten Forderungen. Ich begrüße, dass auf Bundesebene im Rahmen der Erarbeitung des Infrastrukturgesetzes auch das Thema Erdverkabelung Erwähnjung findet. Das ist richtig und nötig, weil wir hier zurzeit das Problem haben, dass die höheren Kosten, die Erdkabel in der Regel verursachen, nicht auf das Netzentgelt umgelegt werden können. Die Netzagentur sagt: Du kannst nur das als Netzentgelt in Rechnung stellen, von dem du weißt, dass es dafür benötigt worden ist, die Leitung herzustellen.

Die Änderung des Gesetzes auf Bundesebene führt also dazu, dass dann in der Regel auch höhere Erdkabelkosten umgelegt werden können. All dies muss in Ruhe betrachtet werden, bevor man eine Entscheidung trifft. Wenn man unter den 69 Abgeordneten dieses Hauses eine Umfrage durchführte, würden alle sagen: Das Erdkabel ist besser, es schont die Landschaft, ist sicherer, hat verschiedene Vorteile. - Das ist auch meine Auffassung. Wir müssen jedoch beachten, dass wir zurzeit wirtschaftliche Hürden zu nehmen haben.

Ich gebe noch einen Hinweis, der möglicherweise auch denjenigen hilft, die ein wirtschaftliches Interesse am Erdkabel haben. Ich meine, es sollte bei der Auslegung des Erdkabels möglich sein - wenn man darauf abstellt, dass es ausschließlich dafür verlegt wird, die Windenergie von der Nordseeküste abzuführen -, die Dimensionierung so zu gestalten, dass die Kosten tatsächlich nicht höher sind als bei einer Freileitung. Wenn man das in Ruhe miteinander erörtert - ohne jede ideologische oder sonstige Befrachtung -, kommt man wahrscheinlich zu einem Ergebnis, das wir alle begrüßen würden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich bitte um Verständnis dafür, dass ich deswegen nicht geraten habe, den Antrag abzulehnen, sondern ihn zu unterstützen, und empfehle, dass wir die Chance nutzen, uns im Wirtschaftsausschuss objektiv über alle Dinge zu unterrichten und zu diskutieren, um festzustellen, was besser ist. Unser gemeinsames Ziel muss sein, schnell zu einer Leitung zu kommen. Wir haben kein Interesse daran, dass der Inhaber der Erdkabelgenehmigung einen langen

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Prozess anstrengt und sagt: Das muss in die Warteschleife gegeben werden. Davon hätte niemand etwas. Unser Interesse ist, schnell für klare und naturverträgliche Ergebnisse zu sorgen.

(Beifall bei CDU, FDP, SPD und SSW)

Danke, Herr Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Überweisung an den Ausschuss beantragt. Wer den Antrag in Drucksache 16/710 an den Wirtschaftsausschuss überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Dem ist so zugestimmt. Ich bedanke mich.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 a auf:

Erste Lesung des Entwurfs des Gesetzes zur Änderung des Schleswig-Holsteinischen Abgeordnetengesetzes

Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/749

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile dem Herrn Landtagspräsidenten Martin Kayenburg das Wort.

Martin Kayenburg, Landtagspräsident:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Alle Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtages und die Abgeordneten des SSW haben gemeinsam den Ihnen vorliegenden interfraktionellen Gesetzentwurf zur Änderung des SchleswigHolsteinischen Abgeordnetengesetzes - Drucksache 16/749 - eingebracht. Die Fraktionen sind übereingekommen, dass ich diesen ersten Entwurf im Rahmen der Ersten Lesung begründe. Ich will dies wie folgt tun. Ich werde einige grundsätzliche Bemerkungen machen und die Eckpunkte darlegen und werde dann auf die Gestaltung und Begründung des Gesetzentwurfs im Einzelnen eingehen. Danach werde ich auf die finanziellen Auswirkungen zu sprechen kommen und schließlich eine Zusammenfassung vornehmen.

I. Zu den grundsätzlichen Bemerkungen: Ich halte die Diätenstrukturreform, die wir mit diesem Entwurf in das parlamentarische Verfahren eingebracht haben, für ebenso ausgewogen wie angemessen, für ebenso vernünftig wie zukunftsweisend. Die Diä

tenstrukturreform ist schlaglichtartig ausgeleuchtet geprägt von folgenden Eckpunkten:

Die meisten Zulagen für die Wahrnehmung besonderer parlamentarischer Funktionen werden abgeschafft. Die steuerfreien Aufwandsentschädigungen werden abgeschafft; die Abgeordneten sind zukünftig ganz normale Steuerbürgerinnen und Steuerbürger. Die pensionsähnliche Altersentschädigung wird abgeschafft; die Abgeordneten müssen zukünftig selbst für ihre Rente sorgen. Amt und Mandat werden zukünftig vollständig unvereinbar sein. Damit ist die Diätenstrukturreform dem nordrhein-westfälischen Modell vergleichbar und an den Empfehlungen der Benda-Kommission aus dem Jahre 2001 orientiert.

II. Ich komme nunmehr zur Gestaltung und Begründung. Die Diätenstrukturreform beruht auf folgenden Erwägungen:

1. Die zusätzlichen Entschädigungen für die besonderen parlamentarischen Funktionen der Ausschussvorsitzenden, der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Vorsitzenden der Fraktionsarbeitskreise werden gestrichen. Zukünftig werden zusätzliche Entschädigungen nur an die Landtagspräsidentin oder den Landtagspräsidenten, die Vizepräsidentinnen oder Vizepräsidenten, die Fraktionsvorsitzenden, die Parlamentarischen Geschäftsführer und eine oder einen Abgeordneten des SSW im Landtag gezahlt werden.

Damit wird die Zahl der Funktionszulagen von zurzeit 45 auf zwölf reduziert.

Der Entwurf selbst entspricht der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das Zulagen nur für Landtagspräsidentinnen beziehungsweise -präsidenten, Vizepräsidentinnen beziehungsweise -präsidenten und für Fraktionsvorsitzende für zulässig hält. Der Entwurf trägt jedoch schleswig-holsteinischen Besonderheiten Rechnung. Im Anschluss an die Empfehlungen der Benda-Kommission sind im Entwurf auch Zulagen für eine beziehungsweise einen Abgeordneten des SSW im Landtag und für eine Parlamentarische Geschäftsführerin oder einen Parlamentarischen Geschäftsführer je Fraktion vorgesehen.

Die Benda-Kommission hat ihre Empfehlungen auch an dieser Stelle im Einzelnen begründet. Ich schließe mich dieser Begründung ausdrücklich an, will sie hier jedoch nicht im Einzelnen wiederholen. Im Ergebnis entsprechen die Empfehlungen der Benda-Kommission und die ihr folgende Regelung unseres jetzigen Gesetzentwurfs dem Grundsatz des Bundesverfassungsgerichts, dass alle Abgeordneten die gleiche Entschädigung erhalten und Funktions

(Minister Dietrich Austermann)

zulagen auf zahlenmäßig begrenzte Spitzenpositionen beschränkt sein sollen.

Die ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht betonte Freiheit des Landtages wird andererseits ausgeschöpft, im Binnenrecht parlamentarische Organisationsstrukturen zu schaffen, die den schleswigholsteinischen Besonderheiten entsprechen. In Schleswig-Holstein zählen dazu sowohl die Sonderstellung einer oder eines Abgeordneten des SSW im Landtag wie auch die Funktion der Parlamentarischen Geschäftsführerin oder des Parlamentarischen Geschäftsführers. Über ihre herausragenden Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten und ihre daraus resultierende Bedeutung für die innerparlamentarische Willensbildung im Schleswig-Holsteinischen Landtag, die aus meiner Sicht durchaus über ihre Bedeutung in anderen Parlamenten hinausgehen mag, besteht im Schleswig-Holsteinischen Landtag Einigkeit.

Ich rufe an dieser Stelle eine weitere Empfehlung der Benda-Kommission in Erinnerung. Bezug nehmend auf entsprechende Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts hatte die Benda-Kommission empfohlen, Artikel 11 Abs. 3 unserer Landesverfassung um einen neuen Satz 2 zu ergänzen, der entweder konkret sagt, wer zusätzlich zu der Grundentschädigung eine ihrer oder seiner Funktion gemäße Zulage erhalten kann, oder allgemein bestimmt, dass für Funktionen, welche die politische Willensbildung des Landtages zu koordinieren bestimmt sind, eine besondere Zulage gewährt werden kann.

Ich rege an, dass die Fraktionen diese Empfehlung der Benda-Kommission in die laufenden Ausschussberatungen zur Änderung der Landesverfassung einbringen.

2. Die steuerfreien Aufwandsentschädigungen, insbesondere die steuerfreie Kostenpauschale in Höhe von 818 €, das Tagegeld von durchschnittlich etwas über 200 € und die Fahrkostenpauschalen werden - wie ebenfalls von der Benda-Kommission empfohlen - gestrichen.

Erhalten bleibt eine im Einzelnen abzurechnende Fahrkostenerstattung für mandatsbedingte Fahrten im Wahlkreis, zu Sitzungen und Veranstaltungen des Landtages. In diesem Rahmen wird auch zukünftig bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs ein Aufwendungsersatz in Höhe von 30 ct für jeden gefahrenen Kilometer erstattet. Diese Fahrkostenerstattung ist nach allgemeinen Steuerrechtsgrundsätzen entweder zu versteuern oder als Reisekostenvergütung beziehungsweise als Werbungskosten steuerlich abzugsfähig.

Abgeordnete sind zukünftig mit ihrer Abgeordnetenentschädigung insgesamt wie jede Steuerbürgerin und jeder Steuerbürger steuerpflichtig. Ihren beruflichen Aufwand, das heißt den mandatsbedingten Aufwand, können sie nach allgemeinen Grundsätzen wie jeder andere Steuerbürger auch entweder steuerlich absetzen oder nicht.

3. Abgeordnete werden - und das ist das Hauptziel der Diätenstrukturreform - zukünftig für ihre Altersversorgung und für die Altersversorgung ihrer Hinterbliebenen selbst sorgen. Die bisherige pensionsähnliche Altersentschädigung wird abgeschafft. Stattdessen erhalten die Abgeordneten zur Finanzierung der Altersversorgung gemäß dem vorliegenden Gesetzentwurf eine - nach allgemeinen steuerrechtlichen Grundsätzen zu versteuernde - zusätzliche Entschädigung in Höhe von monatlich 1.500 €.

Voraussetzung ist jedoch der Nachweis, dass sie mindestens in Höhe des jeweils geltenden Höchstbeitrages zur Rentenversicherung der Angestellten zurzeit sind das 1.023 € - für die Altersversorgung der/des Abgeordneten und ihres hinterbliebenen Ehegatten oder ihrer hinterbliebenen Ehefrau verwandt wird und ein Kapitalwahlrecht, das heißt ein Auszahlungsanspruch dieser Altersversorgung, vollständig ausgeschlossen ist.

4. Die dargestellten Eckpunkte haben natürlich Auswirkungen auf die Grundentschädigung. Ich habe deutlich gemacht, dass es drastische Einschnitte geben wird und dass die steuerfreien Pauschalen wegfallen. Zum Ausgleich muss natürlich die Grundentschädigung steigen.

Die Fraktionen halten einvernehmlich unter Berücksichtigung aller Umstände eine Abgeordnetenentschädigung von 6.700 € brutto für eine entsprechend dem Auftrag der Verfassung angemessene, die Unabhängigkeit der Abgeordneten sichernde Entschädigung. Eine Grundentschädigung in dieser Höhe bietet für die Abgeordneten und ihre Familien während der Dauer ihrer Zugehörigkeit zum Parlament eine ausreichende Existenzgrundlage. Sie wird der Bedeutung des Amtes unter Berücksichtigung der damit verbundenen Verantwortung und der Belastung und dem Rang, der diesem Amt im Verfassungsgefüge zukommt, gerecht.

5. Ein weiterer Eckpunkt der Reform ist die Neuregelung der Vereinbarkeit von Amt und Mandat. Danach können Abgeordnete zukünftig nicht - auch nicht in Teilzeit - als Beamtinnen beziehungsweise Beamte oder als Angestellte im öffentlichen Dienst tätig sein. Werden sie ins Parlament gewählt, ruhen

(Landtagspräsident Martin Kayenburg)