Protokoll der Sitzung vom 04.05.2006

Hinzu kommt der Faktor Zeit. Eine Reihe von Landeigentümern hat angekündigt, sich dem Freileitungsbau zu verweigern, hingegen einer Erdkabelausführung aufgeschlossen gegenüberzustehen. Wenn in kurzer Zeit 300 betroffene Landeigentümer zwischen Breklum und Flensburg ihre Flächen vertraglich für Erdkabel zur Verfügung gestellt haben, sollten wir diese Bereitschaft nicht enttäuschen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ein eventuell erforderliches Enteignungsverfahren bei Freileitungen würde gegenüber einer Gestattung von Erdkabeln zu erheblichen zeitlichen Verzögerungen bei der Umsetzung der Ausbauprojekte führen. Hier ist auch schon gesagt worden,

dass wir beim Ausbau der Stromnetze in Schleswig-Holstein einfach keine Zeit zu verlieren haben.

Umweltschutz, Flächenschutz, Landwirtschaft, Landschaftsbild, Betriebssicherheit: Das Erdkabel weist in all diesen Bereichen eindeutige Vorteile gegenüber der Freileitung auf. Ich will aber gern anerkennen, dass hier und da noch die eine oder andere Frage - der Kollege Arp hat solche Fragen formuliert - beantwortet werden könnte.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Könnte!)

- Die Fragen werden gestellt und dann bekommen wir auch die Antworten darauf. Das Forum dafür ist der Wirtschaftsausschuss. Dorthin sollten wir den Antrag überweisen. Lieber Klaus Müller, ich bin ganz optimistisch, dass wir dort fraktionsübergreifend zu einer gemeinsamen Auffassung des Schleswig-Holsteinischen Landtages kommen.

(Beifall bei SPD, CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Poersch. - Für die FDP-Fraktion hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde, diese Debatte ist hoch und höchst spannend. Wenn ich einmal von der Begriffsdifferenzierung des Kollegen Arp abstrahiere, so wird er gleich verstehen, warum ich sie für die Union ganz besonders spannend finde.

Denn am 17. Dezember 2004 - Frau Poersch hat das erwähnt - appellierte der Schleswig-Holsteinische Landtag mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW an die Stromwirtschaft, beim Ausbau des Stromnetzes statt Freileitungen Erdkabel zu verlegen, wo dies technisch machbar sei.

Die Grünen möchten den damaligen Appell heute abschwächen; denn sie möchten, dass Erdkabel nicht mehr überall dort verlegt werden, wo dies technisch machbar wäre, sondern nur noch dort, wo dies auch wirtschaftlich vertretbar ist. Bereits im Dezember 2004 beantragte übrigens genau das wortgleich die CDU. Sie konnte sich damals allerdings nicht gegen die Grünen durchsetzen.

Wirtschaftlich vertretbar kann nur sein, was technisch machbar ist. Aber nicht alles, was technisch machbar ist, ist dann auch tatsächlich wirtschaftlich vertretbar.

(Beifall bei FDP und CDU - Zuruf des Abge- ordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Kollege Müller, - das ist kein Widerspruch, sondern eine Feststellung - Sie stellen heute den alten CDU-Oppositionsantrag, verziert mit einer semantischen Hommage an die abgewählte rot-grüne Landesregierung. Unabhängig davon - um das auch klarzustellen - unterstützen wir den vorliegenden Antrag. Wir respektieren auch die entsprechenden Beschlüsse der Kreistage.

Im Vergleich zu Freileitungen haben Erdkabel Vorteile und Nachteile, und zwar sowohl bezüglich der Technik als auch bezüglich der Wirtschaftlichkeit. Ein wichtiger Vorteil der Erdkabel ist für viele Menschen, dass Erdkabel nicht im Landschaftsbild auftauchen. Auch hierauf hat die Kollegin hingewiesen.

Technisch, ökologisch und landschaftsplanerisch überwiegen für uns die Vorteile der Erdkabel. Technisch machbar sollten Erdkabel fast überall in Schleswig-Holstein sein. Der entscheidende Unterschied liegt in den Kosten. Dort, wo überhaupt noch Platz für Freileitungen wäre, sind Erdkabel meist noch teurer als Freileitungen. Wegen des technischen Fortschritts sinkt der Preisunterschied aber stetig. Allerdings diejenigen, Herr Kollege Müller, die im Auftrag der Befürworter von Erdkabeln herausbekommen wollen, dass Erdkabel nur noch so teuer seien wie Freileitungen oder sogar billiger, sind noch absolut in der Minderheit.

Implizit gesteht dies ja auch der Kollege Müller ein. Sonst würde er nicht ausdrücklich beantragen, der Landtag möge es begrüßen, dass die Bundesregierung vorschlägt, die Mehrkosten von Erdkabeln oder ausführlicher: Mehrkosten im Vergleich zu Freileitungen - auf die Netznutzungsentgelte und damit auf die Strompreise aufzuschlagen.

Unabhängig davon, ob und wo Erdkabel teurer oder billiger sind als Freileitungen, ist es auf jeden Fall wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll, die Kosten des Stromnetzes und alle weiteren Kosten des Stroms, so weit dies möglich ist, auf die Strompreise umzulegen. Denn nur so können alle Stromnutzer angemessen an den Kosten des Stroms beteiligt werden, und so würden bei allen Stromverbrauchern wirksame Anreize gesetzt, effizienter mit Strom und Energie umzugehen.

Zurück zu den Erdkabeln! Wir stimmen dem Antrag zu. Aber das erlöst uns alle nicht von der Antwort auf die Frage - deswegen habe ich bei Ihnen, Frau Poersch, so kritisch dazwischen gerufen, dass es nicht nur bei der Frage bleiben darf, sondern

(Regina Poersch)

dass wir natürlich auch eine Antwort erwarten -, unter welchen Bedingungen ein Erdkabel wirtschaftlich vertretbar ist und welchen Beitrag unser vermutlicher, möglicherweise sogar einstimmiger Beschluss zu dieser Antwort dann leistet.

Ich schlage deshalb vor, dass wir in den Ausschüssen Folgendes klären: Erstens wer anhand welcher Kriterien über die wirtschaftliche Vertretbarkeit von Erdkabeln bestimmen dürfen soll und dann gleichzeitig auch bereit sein sollte, die möglicherweise entstehenden finanziellen Risiken zu übernehmen, und zweitens wie dies derzeit im Planungsrecht in Bezug auf Erdkabel operationalisiert wird beziehungsweise wie es in Zukunft operationalisiert werden soll. Denn noch steht in einigen Regionalplänen in den Abschnitten zur Energiewirtschaft, dass das Hoch- und Höchstspannungsnetz grundsätzlich als Freileitungsnetz zu betreiben ist. Für neu zu bauende Höchst- und Hochspannungsleitungen müsste dies in der Konsequenz nämlich geändert werden.

Ich freue mich auf interessante Beratungen im Wirtschaftsausschuss und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Trotz immer wieder gegenteiliger Behauptungen ist die Frage „Erdkabel oder Freileitungen?“ ein klassisches Beispiel dafür, dass eine private Trägerschaft nicht immer automatisch zu den wirtschaftlichsten und sinnvollsten Lösungen führt.

Die privaten Betreiber von Stromnetzen betrachten neue Investitionen immer nur von der kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Seite her. Der Politik hält man stets vor, man interessiere sich nur für kurze Zeiträume, maximal eine Legislaturperiode. Aber unser Beispiel des Erdkabel und der Freileitung zeigt, dass die freie Wirtschaft ebenfalls in solchen kurzen Zeiträumen denkt. Ich bin sogar überzeugt, dass das kurzfristige, nicht nachhaltige Denken in der freien Wirtschaft noch ausgeprägter ist als bei uns in der Politik.

Betrachtet man die wirtschaftlichen Aspekte der Frage nach Erdkabel oder Freileitung, so ist klar,

dass die kurzfristige, reine Investitionsrechnung eindeutig für die Freileitungsvariante spricht. Betrachtet man die Investition aber längerfristig, so erkennt man, dass sich die Investition in ein Erdkabel über längere Sicht dann doch lohnt. Das Erdkabel ist in der Unterhaltung deutlich preiswerter. Da die Anlagen eine Lebensdauer von mehreren Jahrzehnten haben, ist eine Betrachtung über mehrere Jahrzehnte auch zulässig. Unter dieser Prämisse wird deutlich, dass Erdkabel die günstigere Variante sind. Sie verursachen weniger Unterhaltungskosten, und sie sind auch weniger störanfällig.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Vorsicht!)

Nach heutigen Maßstäben ist es unverantwortlich, dass ganze Gebiete nach Unwettern ohne Strom dastehen, nur weil Freilandleitungen durch diese Unwetter zerstört werden. Mit Erdkabeln wäre das, was wir kürzlich erlebt haben, so nicht möglich gewesen. Erdkabel tragen somit in erheblicher Weise auch zur Versorgungssicherheit bei.

Auch diesen Aspekt müssen die privaten Träger der Strominfrastruktur mit berücksichtigen, wenn sie über solche Investitionen nachdenken. Hier haben die Stromriesen eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung, der sie nachkommen müssen und der sie auch nachkommen können. Das kurzfristige wirtschaftliche Argument zählt ebenfalls nicht, wenn man betrachtet, welche Gewinne die Stromriesen erwirtschaften.

Ich glaube nicht, dass langfristig Mehrkosten für die Stromriesen entstehen. Deshalb sehen wir den dritten Absatz des Antrages mit gemischten Gefühlen. Natürlich ist es gut, wenn die Mehrkosten möglichst auf die Netznutzungsentgelte umgelegt werden können. Allerdings wird es dann notwendig sein, genaue Kriterien festzulegen, nach denen diese Kosten zu berechnen sind. Nur bei einer längerfristigen Betrachtungsweise darf ein solcher Aufschlag möglich sein. Die Stromriesen würden sonst diesen Passus nur wieder dazu nutzen, um die Strompreise in die Höhe zu treiben. Deshalb müssen genaue Regeln diese zukünftige Vorschrift untermauern.

Wir meinen, dass nicht nur die Umlage von Mehrkosten festgeschrieben werden sollte, sondern auch die Pflicht zum vorrangigen Ausbau mit Erdkabeln festgelegt werden muss und dass verpflichtend festgelegt werden muss, dass die Vergleichsberechnungen zwischen Erdkabel und Freileitungen über einen längeren Betrachtungszeitraum zu erfolgen haben. Dabei müssen auch zukünftige Unterhaltungskosten und die möglichen Zusatzkosten bei Schäden durch Unwetter mit berücksichtigt werden.

(Dr. Heiner Garg)

Wenn dies geschähe, hätten wir eine faire Berechnung und ich bin mir sicher, dass wir nicht nur flächendeckend Erdkabel bekommen würden, sondern dass diese Lösung für den Kunden auch noch preiswerter wäre.

Aber auch der Umweltaspekt ist natürlich nicht außer Acht zu lassen. Mir ist klar, dass dieser Aspekt heutzutage immer wieder mit scheinbaren wirtschaftlichen Argumenten vom Tisch gewischt wird. Trotzdem bleibt es richtig, dass Umweltgesichtspunkte, die ebenfalls klar für die Erdkabel sprechen, eine Berechtigung haben. Langfristig sind die Schäden und die Kosten, die eine mangelnde Berücksichtigung von Umweltaspekten verursachen, immer noch höher, und deshalb trägt die Berücksichtigung von Umweltaspekten auch zu einer Minimierung der gesellschaftlichen Kosten bei.

Ein privates Unternehmen wie ein Stromunternehmen wird dies natürlich nicht so sehen, wie wir hier. Aber trotzdem ist dies die einzig richtige Betrachtungsweise. Die Stromversorgung dient der Daseinsvorsorge für die Menschen. Die Infrastruktur für die Stromversorgung ist damit ein Teil dieser Daseinsvorsorge. Leider haben wir als Politik keinen direkten Einfluss auf diesen Teil der Daseinsvorsorge, aber der langwierige Streit um Erdkabel oder Freileitungen sollte uns zeigen, dass die Wahrnehmung von solchen Funktionen durch Private eben doch nicht immer die beste Lösung ist. Es wäre gut, würden wir dies bei zukünftigen Privatisierungsabsichten mit berücksichtigen.

Im Norden unseres Landes haben wir darüber hinaus noch eine besondere Situation. Dort wären die planungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Kabeltrasse geschaffen, würde man sich nach dem Wunsch der Bevölkerung nach einem Erdkabel richten. Tut man dies nicht, so muss man sich auf jahrelange berechtigte Klagen der Betroffenen einstellen, die das Projekt um Jahre zurückwerfen können. Das wiederum würde das Ziel, den Anschluss von Stromproduzenten zu verbessern, konterkarieren.

Hier hat insbesondere die Landesregierung die Aufgabe, den Stromriesen E.ON kurzfristig dazu zu bewegen, auf eine sichere und schnelle Variante umzuschwenken. Das kann nur das Erdkabel sein. Wir müssen immer bedenken: Daran hängen auch Investoren, daran hängt auch Strom. Wenn es uns in einem wirklich kurzfristigen Zeitraum - ich spreche von zwei, drei oder vier Jahren - nicht gelingt, dass dieser Strom abgenommen wird, gehen dem Land Schleswig-Holstein Steuereinnahmen verloren. Das Land sollte das schon interessieren. Auch geht dann Wertschöpfung in der Region verloren.

Die Wertschöpfung ist gerade bei uns an der Westküste eine ganz wichtige Größe. Wir brauchen Wertschöpfung, und unsere Aufgabe als Politiker ist es, die Grundlage hierfür zu schaffen.

(Beifall bei SSW und SPD)

Ich danke Herrn Abgeordneten Harms. - Das Wort erhält Herr Abgeordneter Müller. Ich möchte darauf hinweisen, dass die Fraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN hierzu zehn Minuten Redezeit angemeldet hat. Sie haben eine Restzeit von 4,5 Minuten, Herr Kollege.

Die werde ich nicht brauchen, weil ich nur dem Kollegen Arp den Vorschlag unterbreiten möchte um heute vielleicht doch entscheidungsfähig zu sein -, einfach die Wörter „Höchst- und“ aus dem Antrag zu streichen. Seinen letzten Worten war zu entnehmen, dass der Antrag bezüglich Hochspannungskabel sogar konsensual sei. Vielleicht ermöglicht uns die Streichung oben genannter Passage, auf die Beratungen im Wirtschaftsausschuss zu verzichten und heute zur Entscheidung zu kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Sollten wir erst den Minister reden lassen und dann eine Verfahrensdebatte führen?

(Zurufe von der CDU)

Der Herr Abgeordnete Arp möchte zuerst das Wort ergreifen.

Ich finde es in Ordnung und konsensual, auf den Textteil „Höchst- und“ zu verzichten. Ich bitte trotzdem darum, über das Thema im Wirtschaftsausschuss gründlich zu beraten; denn dorthin gehört es. Ich glaube, es fehlen noch viele Informationen, die wir heute hier nicht geben können. - Es könnte auch in Ihrem Interesse liegen, da Sie nicht mehr dabei sind. Ihre Nachfolgerin, Frau Hentschel - irgendjemand wird Sie ja vertreten.

(Heiterkeit bei CDU und SPD)