Protokoll der Sitzung vom 25.05.2005

ten. Das ist richtig. Das haben wir auch im letzten Kabinett schon angedacht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ach!)

Finanz- und Haushaltspolitik können nur als gerecht gelten, wenn Sie sich der gesellschaftspolitischen Verantwortung stellen. Eine Sparpolitik, die Zukunfts- und Wachstumspotenziale zerstört, ist unverantwortlich. Zukunftspotenziale sind nicht rein merkantil zu verstehen.

Herr Ministerpräsident, Sie haben gesagt, Kunst und Kultur haben es schwer. Sie haben aber Ihr Herz. Finden sie aber auch die notwendige Professionalität in der Verwaltung und in den Ministerkonferenzen?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Natürlich!)

Es ist ein fatales Signal, dass Kultur als eigenständiges Ressorts hier nicht mehr vorkommt. Wir kommen in dieser Landtagstagung auf unseren Antrag noch zurück. Es ist unsäglich, die Kulturhoheit des Landes auf die Hochkultur zu reduzieren. Wo bleibt der gesamte sozio-kulturelle Bereich? Wo bleiben beispielsweise die Gedenkstätten- und die Erinnerungsarbeit?

Schleswig-Holstein ist ein weltoffenes Land. Es gilt europaweit als Vorbild für partnerschaftliches Zusammenleben und eine exemplarische Minderheitenpolitik sowie für eine menschliche Ausländer- und Asylpolitik. Kulturelle Vielfalt gehöre - auch das unterstreichen Sie - zu Schleswig-Holstein. Kulturelle Vielfalt impliziert wechselseitigen Respekt. Dieser offenbart sich im Detail. Dort werden Sie dann wahrlich ehrlich.

Meine Herren, Frauen sind nämlich nicht lediglich Objekte der Familienpolitik.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Gott sei Dank!)

- Ich weiß nicht, ob Sie davon was verstehen, Herr Kubicki.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Aber hallo! Gut, dass meine Frau das am Fernsehschirm sieht!)

Der Satz vom Recht auf Gleichheit und Differenz im Grundgesetz, Art. 3, ist eine Verpflichtung. Die Wirklichkeit entspricht nicht dieser Verfassungsnorm. Auch eine Landesregierung, die sich auf eine große Koalition stützt, hat bei der tagtäglichen Umsetzung der gebotenen Geschlechtergerechtigkeit eine Vorreiterrolle einzunehmen. Es stimmt bedenklich, wenn das Kabinett nicht mehr quotiert ist und die CDU gerade einmal eine Staatssekretärin und eine ehren

(Anne Lütkes)

amtlich Beauftragte aufbieten will. Frau Kollegin, wir alle haben doch keine Alibifrauen nötig.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Wir sind gegen Geschlechterdiskriminierung!)

An der Frauenpolitik ist zu erkennen, wie ernst die Geschlechtergerechtigkeit genommen wird. Hier genau zeigt sich der kulturelle Unterschied zumindest zwischen Schwarz und Grün.

Eine Gesellschaft kann auch totgespart werden. Es gilt, die jugendpolitische Infrastruktur zu erhalten. Dies ist für die Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft unabdingbar. Beteiligungspolitik ist keine grüne Luxusunternehmung. Wenn Demokratie nicht von Kindesbeinen an gelehrt und gelernt wird, dann wird die Politikverdrossenheit zur Lebenslinie. Die Sozial- und Jugendministerin hat im Vertrag eine Fortschreibung der bisherigen Politik formuliert. Wo bleibt aber die gebotene Klarstellung in der politischen Schwerpunktsetzung und bei den Finanzen?

Herr Ministerpräsident, Sie sagen, dass die unentgeltliche Pflege in der Familie wahrlich eine harte Aufgabe ist, die in erster Linie Frauen wahrnehmen. Sie brauche keinen Euro zu kosten. Sie könne unentgeltlich geleistet werden und keinen Euro oder Cent kosten. Das ist bedenklich. Ich frage mich, wo der Weg hingeht.

Was ist mit unseren Kindern?

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Lesen Sie es nach, Herr Kubicki! - Jedes Kind hat einen Anspruch auf eine Kultur des Aufwachsens und auf Bildung. Dies bedeutet wahrlich, nicht nur auf schulische Bildung. Nirgendwo anders als in Deutschland ist der Zugang zu gerechten Bildungschancen abhängiger von Herkunft und Geld der Eltern. Schleswig-Holstein kann ein Land für Kinder bleiben, wenn die Konsequenzen aus dem so genannten Baby-PISA gezogen werden. Hier hatte das Abschreiben bei den Grünen aber einmal mehr ein Ende. Ein Programm „Clever starten“ oder „Erfolgreich starten“ für die frühkindliche Bildung suchen wir vergebens. Die frühkindliche Bildung ist in den Dreiklang der Jugendhilfe aus Erziehung, Betreuung und Bildung einzubinden. Das kostet auch bei einer desolaten Haushaltslage Geld. Es reicht hier nicht, die jährlich veranschlagten 60 Millionen € auch bei abnehmender Kinderzahl im System zu belassen. Es ist schön, dass Sie das heute bestätigt haben.

Nur wenn die Qualitätsentwicklung in den Kindertagesstätten auch finanziell unterstützt wird, haben alle Kinder wirklich eine Chance.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Chancengleichheit verlangt ein gerechtes Schulsystem. Mit großem Elan und leider auch mit Erfolg haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, gegen „Eine Schule für alle“ gehetzt, mit dem Ergebnis, dass die Gemeinschaftsschule nun auf einen Schulversuch reduziert wird. Der Kollege Baasch aus Lübeck hat ganz Recht, auf die Problematik hinzuweisen.

Für eine verstärkte individuelle Förderung der Kinder bleibt nichts anderes als ein Modell des gemeinsamen Lernens übrig. Kinder bezeichnen Sie als das persönliche Lebensglück ihrer Eltern und ihrer Familie. Sie sind unsere Zukunft. Wichtig ist aus unserer Sicht aber zu betonen, dass Kinder eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten sind. Sie haben ein Recht auf Bildung und sie haben ein Recht auf Chancengleichheit. Und das in einer Gesellschaft, die zu Recht eine gerechte Zivilgesellschaft genannt wird. Eine gerechte Zivilgesellschaft braucht verlässliche Grundlagen des Rechts.

Innere Sicherheit im bürgerrechtlichen Sinn ist mehr als eine starke Polizei. Innere Sicherheit ist eine soziale und eine justizielle und eine polizeiliche Sicherheit. Wer sie - wie im schwarz-roten Vertrag - auf nur die polizeiliche Sicherheit reduziert, der verletzt schon im Ansatz die verfassungsrechtlichen Grundlinien. Freiheit darf nicht gegen Sicherheit ausgespielt werden. Aber Sie begeben sich schrittweise auf dem Weg zum Überwachungsstaat. Kennzeichenüberwachung, DNA, Schleierfahndung, Rasterfahndung.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das machen Sie in Berlin doch auch!)

Die Dämme brechen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Aber nicht mehr lange!)

Bei der notwendigen Gerichtsstrukturreform ist die Bürgernähe der Rechtsprechung zu garantieren. Wer lediglich ohne eine andere Struktur der Gerichtsverwaltung oder des Gerichtsaufbaus in der örtlichen Gerichtsbarkeit die Zahl der Amtsgerichte reduzieren will, der verkennt die hohe Bedeutung der Amtsgerichte.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das sollten Sie nun wirklich besser wissen!)

Ein Gericht der Zukunft ist das bürgernahe Eingangsgericht, das vom Wesen her ein Amts- und gerade kein Landgericht ist, wenn Sie mir das als persönliche Bemerkung gestatten, kein in Beton gegossenes Justizzentrum.

(Anne Lütkes)

Rechtsprechung hat viele Aspekte. Wer sie, wie es in der Regierungserklärung anklang, auf die Strafjustiz reduziert, der hat nichts verstanden.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Sagen Sie etwas zur Sicherheit in Haftanstalten!)

Meine Damen und Herren, für uns heißt Opposition konstruktive Opposition, Wachsamkeit, aber auch, Ihnen weitere Konzepte vorzutragen. Natürlich werden Sie sie ablehnen. Aber wir werden Sie veranlassen, sie zu diskutieren. Wir wollen eine tragfähigen Entwurf einer gerechten Gesellschaft. Wir gehen den Weg zu Bildungsgerechtigkeit und Chancen für alle Kinder. Wir geben ihn nicht auf, auch wenn Ihnen der Mut fehlt. Die gebührenfreie Kindertagesstätte, das gebührenfreie Erststudium sind notwendige Bestandteile einer kinder-, einer jugendfreundlichen Gesellschaft.

Wir wollen eine Wirtschaftspolitik, die die Stärken Schleswig-Holsteins zum Beispiel bei den erneuerbaren Energien fördert und nicht bremst, ein Steuer- und Abgabensystem, das den Verbrauch besteuert, die Energie- und Verkehrswende betreibt und den Wiedereinstieg in die Atomenergie verhindert.

Eine Auseinandersetzung mit der demographischen Entwicklung umfasst alle Lebensbereiche. Infrastrukturentscheidungen, ob im Wohnungsbau oder der Verkehrspolitik, müssen der veränderten Bevölkerungsentwicklung angepasst werden. Und: Diese Gesellschaft muss sich notwendig und schnell mit dem Arbeitsbegriff auseinander setzen.

Regierungen schaffen keine Arbeitsplätze. Das weiß auch unser Ministerpräsident. Aber Regierungen sind verantwortlich für die Grundlagen, für die Wahrung der gerechten Rahmenbedingungen. Um diese zu gewährleisten, reicht das Versprechen, hart zu arbeiten, wahrlich nicht aus; Sie müssen auch hart nachdenken. Ich hoffe im Sinne des Landes, dass es Ihnen gelingt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich erteile nunmehr dem Vorsitzenden der Fraktion der CDU, dem Kollegen Dr. Johann Wadephul, das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nur Mut, Joe!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie mögen mir gestatten - mein Koalitionspartner mag mir das nachsehen -, dass ich zunächst

meiner Freude darüber Ausdruck verleihe, dass wir nach 18 Jahren wieder einen CDU-Ministerpräsidenten in diesem Land haben. Das ist schön. Das ist gut. Wir gratulieren Peter Harry Carstensen und werden ihn und sein Kabinett unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Die Rede der Kollegin Lütkes hat mich doch mit ein bisschen Sorge erfüllt. Die Opposition ist ja schon zahlenmäßig schwach. Bei den Argumenten erhoffe ich mir an der einen oder anderen Stelle, Herr Kollege Kubicki, Frau Kollegin Spoorendonk, noch Stärke.

Sie von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben gesagt, Sie wollten der Regierung keine 100 Tage Schonfrist geben. Ich denke, wir, die Regierungskoalitionen, haben Anlass, den Grünen nach dieser Rede 100 Tage Schonfrist zu geben.

(Beifall bei CDU und FDP)

Frau Kollegin Lütkes, Sie sollten zur Kenntnis nehmen: Sie sind hier nicht auf einem Kreisparteitag der Grünen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das hat sie ver- wechselt!)

Sie können sich in den nächsten Jahren natürlich darauf konzentrieren, den Kollegen Kubicki anzugreifen. Aber das ist nicht Ihre parlamentarische Aufgabe. Ich erlaube mir, darauf hinzuweisen. Ich sage Ihnen: Opposition kann man auch gut machen, kann man auch mit Format machen. Insofern hoffen wir auf eine Steigerung.