Protokoll der Sitzung vom 25.05.2005

Die Minderheitenpolitik unseres Landes ist nicht nur bundesweit, sondern europaweit ein Leuchtturm und hat Vorbildcharakter. Wir müssen und werden sie erhalten. Das Bekenntnis des Koalitionsvertrags zur Umsetzung des Abschlusskommuniques zwischen der Landesregierung und Dansk Skoleforening ist eine wichtige und richtige Entscheidung.

Wie von den kommunalen Landesverbänden mehrfach gefordert, steht im Mittelpunkt einer Funktionalreform zunächst eine Überprüfung der Aufgaben des Landes mit dem Ziel, festzuhalten, welche Aufgaben wegfallen können, welche Aufgaben deutlich reduziert werden können. Bei den Aufgaben, die verbleiben, müssen die Verfahren vereinfacht, doppelte Zuständigkeiten abgeschafft und mehr Handlungsspielräume geschaffen werden. Dieser Prozess soll bis Ende des Jahres abgeschlossen sein und die Grundlage für weitere Entscheidungen bilden. Nicht verzichtbare Aufgaben sollen nach Möglichkeit der kommunalen Ebene als Selbstverwaltungsaufgaben übertragen werden. Damit werden gerade in den Kommunen vor Ort die Entscheidungsspielräume gestärkt, erweitert und das ist aus Sicht der SPDFraktion auch die dringend notwendige Stärkung des kommunalen Ehrenamtes. Mehr Entscheidungen auf dieser Ebene sind auch wichtig für unser Land.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Dieses Ziel lässt sich aber mit den vorhandenen Verwaltungsstrukturen - da muss man ehrlich zu sich selbst sein - der Kommunen nicht erreichen, da sie auf die Übernahme komplexerer Aufgaben zurzeit nicht ausgerichtet sind. Dies wollen wir mit einer

Verwaltungsstrukturreform erreichen. Damit werden wir neue Rahmenbedingungen schaffen. Wir wollen die politische Eigenständigkeit der Gemeinden erhalten. Daran hat es mit uns auch nie einen Zweifel gegeben. Eine Gemeindegebietsreform wird es mit Sozialdemokraten wegen der hohen Identifikation der Menschen in diesem Land mit ihren Gemeinden nicht geben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Wir wollen aber die Verwaltungen in die Lage versetzen, mehr Aufgaben zu übernehmen und diese gut, effizient und effektiv zu bewältigen. Hinsichtlich der Kreisgebietsstrukturen ist die SPD-Landtagsfraktion angesichts einer notwendigen Überprüfung und Neuverteilung staatlicher Aufgaben der Auffassung, dass anstelle der jetzt bestehenden elf Kreise - ich komme aus einer kreisfreien Stadt, davon gibt es vier - neue und leistungsfähige Strukturen treten müssen. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einrichtung von vier bis fünf Dienstleistungszentren in Trägerschaft der Kreise ist ein wichtiger Schritt hinsichtlich der Verwaltungsstrukturreform. Mit großem Interesse habe ich die Debatte im Süden des Landes über den Zusammenschluss von Kreisen zur Kenntnis genommen. Allerdings muss ich dazu sagen, diese Entscheidung, welche Veränderung es geben wird, wird nach festgelegten Kriterien und nicht im Windhundverfahren getroffen, sonst bekommen wir im Norden des Landes vielleicht Strukturen, die nicht einer leistungsfähigen Verwaltung eines leistungsfähigen Landes entsprechen.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

In der Innen- und Rechtspolitik haben wir einschließlich der eingeschränkten Schleierfahndung tragfähige Kompromisse gefunden. Was die zukünftige Ausgestaltung und Arbeit der Polizei angeht, gibt es außer Nuancen bei der DNA-Analyse keine echten Konflikte. Die Polizeireform III wird weiter fortgeführt und wir werden gemeinsam das Ziel verfolgen, die Bürokratie auch bei der Polizei zu verringern, um möglichst viele Polizisten bürgernah einzusetzen.

In der Arbeitsmarktpolitik werden wir auch in Zukunft nur begrenzte Möglichkeiten haben, entscheidenden Einfluss auf den Abbau der hohen andauernden Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein zu nehmen. Wir werden aber gemeinsam versuchen, die Bedingungen für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung zu verbessern. Aber machen wir uns nichts vor, Vollbeschäftigung wird es auf absehbare Zeit nicht mehr geben. Verabschieden wir uns doch endlich von der Illusion, wir würden fast alle zurzeit Arbeitsuchenden in den ersten Arbeitsmarkt vermit

(Lothar Hay)

teln können. Die Wirklichkeit, der sich unsere Koalition genauso wie die Gewerkschaften und Unternehmen stellen müssen, sieht so aus, dass wir auf Dauer ein Angebot für diejenigen brauchen, die aus den verschiedensten Gründen nicht in den ersten Arbeitsmarkt vermittelbar sind. Auch die haben ein Recht darauf, unter menschenwürdigen Bedingungen mit einem staatlichen Lohnzuschuss in welcher Form auch immer zu arbeiten, damit sie selbst dazu beitragen können, ihre Alterssicherung aufzubauen, damit sie einen Wert als Mitglieder der Gesellschaft in Schleswig-Holstein haben. Daran wird Hartz IV auch nichts ändern können.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Besondere Aufmerksamkeit werden wir auch in Zukunft darauf richten, Ausbildungsplätze für junge Menschen zur Verfügung zu stellen. Ich bin Ihnen dankbar, Herr Ministerpräsident, dass Sie ausdrücklich noch einmal das Bündnis für Ausbildung genannt haben. Das ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Politik, Gewerkschaften und Unternehmen sowie die Kammern in Schleswig-Holstein gemeinsam auch in Zukunft erreichen können, dass möglichst vielen jungen Menschen in Schleswig-Holstein ein Ausbildungsangebot gemacht werden kann.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

In der Wirtschaftspolitik geht es in unserem Land vor allem um die Stärkung des Mittelstandes. Wir haben in der Vergangenheit durch das Tariftreuegesetz und durch die Erweiterung der Möglichkeiten für Bürgschaftsbank und mittelständische Beteiligungsgesellschaft versucht zu helfen. Schon allein aus der Interessenlage des Mittelstandes heraus muss die Rolle der Sparkassen im Land stabil gehalten werden. Das sage ich - wie so oft - an dieser Stelle. Allerdings muss man dann auch von den Sparkassen mit aller Deutlichkeit verlangen, dass sie ihrer Rolle als Kreditgeber des Mittelstandes nicht nur gerecht werden, sondern noch deutlicher gerecht werden als im Augenblick und in der Vergangenheit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Was die Wirtschaftpolitik im Land betrifft, so gibt es einige Punkte, die man sehr begrüßen kann, aktuelle Entscheidungen, beispielsweise der Norddeutschen Affinierie, zukünftig ihre Rohstoffe über Brunsbüttel anzulanden, nachdem man sich mit der Hansestadt Hamburg offensichtlich nicht - obwohl von der CDU regiert - auf unbürokratische und für die Affinierie zeitlich akzeptable Abfolgen hat einigen können.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt ist die Ansiedlung der Firma REpower in Schleswig-Holstein. Auch das wird unseren Wirtschaftstandort stärken.

Von einem Sozialdemokraten muss an dieser Stelle erwartet werden, dass er mit einem Wort auf das eingeht, was der Vorsitzende Franz Müntefering mit seiner Kapitalismuskritik angestoßen hat. Ich habe sie mit Interesse verfolgt und habe auch mit Interesse gelesen, dass es für seine Kritik an bestimmten Unternehmen und Unternehmern von den verschiedensten gesellschaftlichen Gruppen Unterstützung gab. Aber mir scheint wichtig, dass man mit der Kritik auch diejenigen benennt, die wirklich gemeint sind, und in der Argumentation genug und genau differenziert. Mit einer Pauschalkritik ist überhaupt nicht geholfen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Wir müssen in Deutschland auch eine Diskussion hinsichtlich der ethischen Verantwortung des Eigenkapitals führen. Das ist eine Diskussion, die federführend von den Kirchen vorangetragen werden könnte. Dann sind wir auf dem richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Auf der Suche nach einer verantwortungsvollen Haltung, die von einem Unternehmer vertreten wird, bin ich auf den Chef der Porsche AG, Wendelin Wiedeking, gestoßen. Bezogen auf Unternehmer-Kollegen - gemeint sein könnte damit vielleicht Herr Ackermann von der Deutschen Bank -, „denen nichts anderes einfällt, als Menschen zu entlassen“, sagt Wiedeking:

„Ja sicher, auch wir haben schon vom Shareholder-Value gehört. Das ändert nichts daran, dass bei uns der Kunde an erster Stelle steht, dann kommen die Mitarbeiter, dann die Geschäftspartner, Lieferanten, Händler und danach die Shareholder. Völlig unangebracht ist es, den Shareholder an die erste Stelle zu setzen. Damit wird die Kraft im Unternehmen beschränkt, man erreicht das Gegenteil und man bewegt die Spirale nach unten.“

Dies sagt der Chef eines der derzeit erfolgreichsten deutschen Unternehmen. Ich glaube, daran sollten wir uns alle orientieren, all diejenigen, die in der Wirtschaft arbeiten. Ich glaube, dann sind wir auf dem richtigen Weg und können auch wieder die Wachstumsraten erzielen, die Sie angesprochen haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

(Lothar Hay)

Der Schutz der Natur, der Umwelt und des Klimas sind gerade für uns im Norden zentrale Aufgaben einer zukunftsfähigen Politik. Die hohe Qualität von Landschaft, Wasser und Luft in unserem Lande ist nicht nur ein weiter auszubauender Standortvorteil, sondern auch die unverzichtbare Lebensgrundlage aller Menschen in Schleswig-Holstein.

Natur- und Umweltschutz bilden die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg, insbesondere für Landwirtschaft, Ernährungswirtschaft und vor allem für den Tourismus. Wer eine dauerhaft positive Entwicklung in diesem so wichtigen Wirtschaftszweig will, der muss Umweltschutz nicht nur praktizieren, sondern auch positiv nach außen darstellen. Auch das ist beste Werbung für unser Land Schleswig-Holstein.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Das Prinzip der Nachhaltigkeit ist für uns Querschnittsaufgabe und Richtschnur für die Weiterentwicklung der Umweltpolitik. Eine Enquetekommission soll ein Konzept „Bildung für nachhaltige Entwicklung in Schleswig-Holstein“ vorlegen.

Es ist aber auch grundsätzlich nicht zu bestreiten, dass es unterschiedliche Bewertungen bezüglich der Umwelt- und Naturschutzpolitik zwischen CDU und SPD gibt. Mit unserer Umweltpolitik hat sich Schleswig-Holstein bundesweit einen guten Namen gemacht, der aus dem Interesse des Landes und seiner Menschen dem Grundsatz nach auch erhalten werden sollte.

(Beifall der Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Wir werden versuchen, die Kolleginnen und Kollegen von der CDU-Fraktion in der Diskussion zu überzeugen, dass es ein Rollback in die Zeit vor 1988 mit uns nicht geben wird.

Auch zur Bestandsregulierung von Tierarten, die gravierende Schäden verursachen, werden wir unter Berücksichtigung des Artenschutzes Vorschläge erarbeiten müssen. Dabei sind wir uns unserer Verantwortung für unsere Mitgeschöpfe bewusst, ein unkontrolliertes „Feuer frei“ dürfen wir gemeinsam nicht zulassen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Abgeord- neten Dr. Heiner Garg [FDP])

Bei der Politik für die ländlichen Räume ist die strukturpolitische Seite zu berücksichtigen. Das heißt, um dem ländlichen Raum eine Zukunft zu geben,

müssen Angebote vor Ort, wie zukunftsfähige kommunale Verwaltung, Postangebote, Einkaufsmöglichkeiten und Sparkassen, auch in der Fläche erhalten bleiben.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Hierzu haben auch die Ländlichen Struktur- und Entwicklungsanalysen in den vergangenen Jahren einen wichtigen Beitrag geleistet.

Gleichzeitig unterstützen wir die Neuorientierung der europäischen Agrarpolitik mit der Abkehr von mengenbezogenen Subventionen und der Einführung von entkoppelten Prämien. Wir müssen gemeinsam in der Koalition unseren Beitrag leisten, um den gut ausgebildeten, leistungsfähigen Landwirten in Schleswig-Holstein Standortvorteile zu erhalten und auszubauen. Auch in der Zukunft ist die Landwirtschaft - auch wenn sie mengenmäßig zurückgegangen ist - ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für SchleswigHolstein, den es nicht nur zu erhalten, sondern noch leistungsstärker auszubauen gilt.

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und Bei- fall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Bei der Gleichstellung von Frauen und Männern sind wir zwar in allen Bereichen vorangekommen, es muss aber auch für die Landespolitik in Zukunft ein wichtiges Thema bleiben. Das ist ein wichtiges Anliegen. Wir wollen die Erwerbstätigkeit von Frauen erhöhen und ihnen den Zugang zu besser bezahlten und verantwortungsvolleren Positionen ermöglichen. Und wir wollen Männern ermöglichen, mehr Gewicht auf die Familie zu legen. Daher werden wir gemeinsam weiterhin intensiv an der Vereinbarkeit von Familie und Beruf arbeiten, an umfassender bedarfsgerechter Kinderbetreuung, an Hilfsmöglichkeiten für Familien in Schwierigkeiten und an der sozialen und wirtschaftlichen Absicherung von Alleinerziehenden. Das werden die Ziele sein, mit denen wir uns in diesem Bereich zu beschäftigen haben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall des Abgeordneten Torsten Geerdts [CDU])

Und da dies alles nicht selbstverständlich ist, legen wir Sozialdemokraten auch in Zukunft Wert darauf, dass in den größeren Städten und Gemeinden des Landes hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte tätig sind, die sich für die Interessen der Frauen gerade im öffentlichen Bereich einsetzen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

An einer guten Betreuung und Pflege beweist sich die gesellschaftliche Solidarität mit alten, kranken

(Lothar Hay)

und behinderten Menschen. Zu den unabdingbaren Maßnahmen gehören die schrittweise zu verbessernden Leistungen aus der Pflegeversicherung, die nach unserer Meinung wie die Krankenversicherung im Sinne einer solidarischen Bürgerversicherung weiterentwickelt werden muss.