Lassen Sie mich am Anfang meiner Ausführungen einige wenige Bemerkungen zu dem machen, was sich am Sonntag ereignet hat. Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen war nach den Umfragen der letzten Wochen an sich nicht überraschend. Der Abstand zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten war deutlich. Das Wahlergebnis vom letzten Sonntag ist eine bittere Niederlage für meine Partei.
Völlig überrascht hat uns alle das Vorhaben von Gerhard Schröder und Franz Müntefering, bereits für den Herbst Neuwahlen anzustreben. Die Pattsituation zwischen Bundesrat und Bundestag hätte sicherlich zu einem dauerhaften Stillstand geführt. Auf Bundesebene heißt es jetzt: Schröder oder Merkel? Bleibt es bei dem angedachten Fahrplan, so werden auch wir in Schleswig-Holstein einen kurzen Bundestagswahlkampf um zentrale Fragen führen müssen. Die beiden großen hier im Landtag vertretenen Parteien werden öffentlich um die besseren Konzepte streiten. Gleichzeitig muss die Arbeit in der Koalition konzentriert weiterlaufen, um den Nachtragshaushalt 2005 und
Ich freue mich auf die Debatten, die wir im Wahlkampf zu den großen Themen führen werden, für die wir in unserem Land eine Lösung brauchen. Das sind die Themen Steuerreform, Zukunft der sozialen Sicherungssysteme, Sicherung der Arbeitnehmerrechte sowie viele weitere Themen, die bundespolitisch von erheblicher Bedeutung sind. Hier im Haus, im Landtag, geht es allerdings um die volle Konzentration auf die gemeinsame Sacharbeit - diese darf ich Ihnen für die Sozialdemokraten ausdrücklich zusichern - zum Wohle des Landes Schleswig-Holstein.
Spätestens nach den Zahlen der Steuerschätzung vom Mai weiß jeder Abgeordnete der großen Koalition, auf welch schwierigen Weg wir uns gemeinsam begeben. Natürlich muss die Sanierung des Haushaltes in dieser Legislaturperiode einen herausragenden Stellenwert haben. Gleichzeitig haben wir uns aber auch das Ziel gesetzt, im Bereich von Wirtschaft und Arbeit die Bedingungen für Investitionen, Wachstum und Beschäftigung weiter zu verbessern. Dazu gibt es auch gar keine Alternative. Wir müssen mehr Arbeitsplätze schaffen. Dann wird es uns auch gelingen, mehr Steuereinnahmen zu erzielen. Das ist der richtige Weg für den Beginn der Sanierung des Haushalts unseres Landes.
Den Bereich der Bildung sehen wir als denjenigen an, der für die Lebenschancen der Menschen in der Zukunft mitentscheidend sein wird. So werden wir trotz der angespannten Haushaltslage zusätzlich in diesen Bereich investieren, was bedeutet, dass die Gelder effizient eingesetzt werden müssen. Diese Effizienz müssen wir auch überprüfen. Gleichzeitig wollen wir alle Anstrengungen unternehmen, um die Verwaltung sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene preiswerter, leistungsstärker und noch bürgernäher zu machen. Dies wird im Rahmen einer umfassenden Verwaltungsstrukturreform geschehen.
Wir Sozialdemokraten haben uns trotz eines deutlichen Ergebnisses auf dem Landesparteitag die Entscheidung für diese große Koalition nicht leicht gemacht. Sie ist uns auch nicht leicht gefallen. Wir haben mit unserem Koalitionspartner Arbeitsstrukturen verabredet, die eine verantwortungsvolle Kooperation der beiden Partner sicherstellen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist für niemanden hier im Ple
narsaal überraschend, dass die große Koalition nicht unbedingt eine Liebesheirat ist. Der 17. März war der bitterste Tag seit Jahren für die SPD in SchleswigHolstein, für die SPD-Fraktion, für die Mitglieder und vor allem für Heide Simonis. Die Erinnerung daran und an die Tage danach ist noch zu frisch, sodass ich darauf verzichte, weiter darauf einzugehen. Wir haben den Blick nach vorn zu richten und das tun wir auch. Mittlerweile hat die SPD-Landtagsfraktion zu einer ordentlichen Tagesarbeit zurückgefunden. Es wir aber sicherlich noch einige Zeit dauern, bis wir alle den 17. März verarbeitet haben, wenn dies überhaupt möglich ist.
Nachdem wir die Sondierungsgespräche mit allen im Landtag vertretenen Parteien geführt haben, gab es Koalitionsverhandlungen mit der CDU auf Augenhöhe. Wir haben diese Verhandlungen selbstbewusst geführt und unser Landesparteitag hat den Ergebnissen mit mehr als 80 % zugestimmt. Ebenso wie die CDU sind wir in der Bewertung zu dem Ergebnis gekommen, dass wir deutlich über 50 % unseres Programms umsetzen konnten,
was abgesehen von der rechnerischen Unmöglichkeit auf eine deutliche Akzeptanz auf beiden Seiten hindeutet.
Man sollte natürlich auch offen sagen - das hat der Ministerpräsident getan; auch wir Sozialdemokraten tun dies -, wo es Unterschiede in unseren Positionen gibt. Am Ende konnte aber festgestellt werden, dass wir so viele politische Schnittmengen haben, dass es sich nicht nur lohnt, sondern dass es sogar eine politische Notwendigkeit war, in der gegebenen Situation eine große Koalition einzugehen. Dissens gibt es eindeutig noch bezüglich der Gesamtschule in Pansdorf. Diesen Dissens muss man benennen. Ebenso sind noch grundlegende Punkte in der Umwelt- und Landwirtschaftspolitik sowie die Frage des Ausstiegs aus der Kernenergie umstritten.
Der zahlenmäßig kleinen Opposition aus FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW haben wir gemeinsam umfangreiche Rechte eingeräumt, sodass ihre Arbeitsmöglichkeiten bezüglich aller wichtigen parlamentarischen Abläufe gewährleistet sind.
Ich wünsche den drei Oppositionsparteien, dass sie ihre Rolle nach den ersten Trockenübungen mit der
Frau Kollegin Lütkes, lassen Sie mich an dieser Stelle auf Ihre Forderung nach einer Enquetekommission Nordstaat eingehen. Auch in dem Koalitionsvertrag von Rot-Grün war eindeutig festgehalten, dass es einen Nordstaat mit uns nicht gegeben hätte. Wir sind für norddeutsche Kooperationen. Das ist der richtige Weg. So viel Kooperation mit Hamburg wie möglich - das ist die Antwort von uns auf eine unsägliche Nordstaatdiskussion, die die Menschen im Land nur weiter verunsichern würde.
Lassen Sie mich nun kurz auf Herrn Kubicki eingehen. Er wäre traurig, wenn ich ihn heute gar nicht erwähnen würde.
Herr Kubicki ist in einem Interview mit der viel gelesenen „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ so weit gegangen, dass er für seine Person einen völligen Charakterwandel in Erwägung gezogen hat, gewissermaßen vom Kühlschrank zum Kuscheltier.
Ich weiß gar nicht, ob wir uns das wünschen sollten. Ich hoffe, dass Wolfgang Kubicki so wie er ist, bleibt. Dann können wir wunderbar mit ihm zum Wohle des Landes streiten.
Wichtig erscheint mir eine Opposition, die inhaltliche Alternativen formuliert und damit hoffentlich zu einer Auseinandersetzung hier im Landtag beitragen wird, die uns insgesamt voranbringt. Vernünftige Vorschläge sind nicht nur den Regierungsfraktionen vorbehalten.
Wir Sozialdemokraten werden dafür sorgen, dass bei allen anstehenden Entscheidungen, so bitter sie sein müssen, die soziale Balance eingehalten wird. Soziale Gerechtigkeit stand bei uns vornan und sie wird nach wie vor ein Markenzeichen unserer Politik in Schleswig-Holstein sein. Soziale Gerechtigkeit muss die Richtschnur allen politischen Handelns sein.
Die aktuelle Steuerschätzung hat die ohnehin schwierige Finanzlage unseres Landes weiter verschärft. Aufgrund der neuen Zahlen ergibt sich für dieses Jahr ein Fehlbetrag von etwas mehr als
1,7 Milliarden €. Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um das jährliche Defizit in den kommenden Jahren nicht noch anwachsen zu lassen. Die kurzfristig von der Regierung ergriffenen Maßnahmen sind richtig und ohne Alternative. Wir werden uns alle darauf einstellen müssen, dass neben den Maßnahmen in den Schwerpunktbereichen Arbeit und Bildung schmerzhafte, aber notwendige Kürzungen auf allen politischen Feldern gemeinsam von uns getragen werden müssen.
Damit ist völlig klar: Einen verfassungskonformen Haushalt in dieser Legislaturperiode aufzustellen, ist ein nur äußerst schwer zu erreichendes Ziel. Aber lassen Sie mich dazu mit einem Zitat von Hermann Hesse sagen: Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.
Natürlich hat unser Land ein Ausgabenproblem und selbstkritisch muss man wohl für die SPD-Seite des Parlamentes einräumen, dass es Jahre gab - die sind allerdings in den 90ern schon weit nach hinten gerutscht -, in denen tiefgreifendere und mutigere Kürzungen durchaus hätten stattfinden können. Aber wir haben auch ein Problem auf der Seite der Einnahmen und deshalb können wir gemeinsam Steuerentlastungen ohne Gegenfinanzierung zur Entlastung der Länder in keinem Fall zustimmen. Das gilt auch für die anstehende Steuerreform im Bereich der Erbschaftsteuer. Sie muss kostenneutral für das Land Schleswig-Holstein sein, sonst ist dieses aufgrund der Haushaltssituation für uns nicht zu tragen.
Im Zusammenhang mit den aktuellen Maßnahmen hat Finanzminister Wiegard schon darauf hingewiesen, dass auch diese nicht ausreichen, um die gegenwärtige Deckungslücke zu schließen. Wir sind uns einig, die Aufgaben müssen reduziert, die Personalkosten gesenkt und die Investitionen verstärkt werden. Die Priorität des Bildungs- und besonders des Schulbereiches ist politisch nicht strittig. Der Koalitionsvertrag weist eine Vielzahl von Vorhaben aus, die nicht zum Nulltarif zu haben sind. Wir werden in den nächsten Jahren zusätzlich 154 Millionen € für die Bildung aufbringen. Sie werden unter anderem - Kollege Wadephul ist dankenswerterweise schon intensiv darauf eingegangen - für die Notwendigkeit einer verstärkten vorschulischen Sprachförderung und zusätzliche Fördermaßnahmen genutzt.
Da in der Bildungspolitik die Vorstellungen von CDU und SPD am weitesten auseinander liegen, war die allgemeine Erwartung, wenn die Koalitionsverhandlungen scheitern würden, dann am ehesten im Bildungsbereich. Dazu ist es nicht gekommen, weil wir
den Willen hatten, gemeinsam etwas zustande zu bringen. Natürlich heben die Kompromisse, die wir gefunden haben, die grundsätzliche Überzeugung beider Parteien nicht auf. Die unterschiedlichen Standpunkte bleiben bestehen und es wird Aufgabe der Parteien selbst sein, um Mehrheiten für ihre Inhalte zu werben.
Der wichtigste schulpolitische Dissenspunkt ist zweifelsfrei die Überzeugung der SPD, das schleswigholsteinische und das deutsche Schulsystem von Grund auf umzugestalten. Dabei ist uns klar, dass der von uns geforderte Umbau hin zur Gemeinschaftsschule kein Projekt für eine Legislaturperiode sein kann, sondern dass dies ein Prozess für drei Legislaturperioden sein muss. Dieses war auch in dem nicht zustande gekommenen Koalitionsvertrag so angelegt. Insofern ist hier eine Position nur fortgeschrieben worden und gleichzeitig - das muss man hinzusagen - eine Weiterentwicklung des gegliederten Schulwesens, zu der wir aufgrund des Koalitionsvertrages selbstverständlich stehen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Schulen, und zwar nicht nur die bisherigen Gesamtschulen, haben die Option - und ich bedanke mich, dass Sie das noch einmal ausdrücklich gesagt haben, Herr Kollege Wadephul -, sich auf Antrag des Schulträgers in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln, deren pädagogisches Konzept längeres gemeinsames Lernen über Klasse 6 hinaus und den Verzicht des Wiederholens verankert. Der Streit, ob die Integrierte Gesamtschule in Pansdorf fortgeführt werden soll, bleibt bestehen. Die Schüler, Eltern und Lehrer müssen zumindest mittelfristige Gewissheit haben, wie es mit ihrer Schule weitergeht. Wir haben uns deshalb darauf geeinigt, das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuwarten und zu akzeptieren.
In der Frage der Studiengebühren gehen die Auffassungen von CDU und SPD ebenfalls auseinander. Wir haben uns darauf geeinigt, dass Schleswig-Holstein in dieser Frage keine Vorreiterrolle einnehmen wird, aber eine Orientierung auf die Entwicklung in Norddeutschland stattfindet. Das ist auch norddeutsche Kooperation, bei der nicht ausgeschlossen werden kann, dass wir uns mittelfristig anders orientieren müssen. Solange es kein schlüssiges Förderkonzept für Studierende gibt, wird durch die Studiengebühr nach meiner persönlichen Auffassung nur die soziale Selektion verstärkt. Dies ist mit den Grundüberzeugungen der SPD nicht in Einklang zu bringen. Wir brauchen für die Weiterentwicklung des Standortes
Die Ansiedlung der Kulturpolitik in der Staatskanzlei hat bei vielen Kulturschaffenden Bedenken ausgelöst. Wir haben diese Zuordnung im Koalitionsvertrag akzeptiert. Ich hoffe, dass der Ministerpräsident trotz der erheblichen Anforderungen des Amtes der Kulturpolitik den Stellenwert wird geben können, den er ihr gern geben möchte, wie er in seinen Ausführungen angekündigt hat. Wir werden Sie dabei ausdrücklich unterstützen. Kultur hat aus verschiedensten Gründen für Schleswig-Holstein eine hohe Bedeutung. Hier gilt es, noch mehr Vernetzungen hinzubekommen, damit noch mehr Menschen aufgrund des hervorragenden Kulturangebotes in unserem Land nach Schleswig-Holstein kommen.
Die Minderheitenpolitik unseres Landes ist nicht nur bundesweit, sondern europaweit ein Leuchtturm und hat Vorbildcharakter. Wir müssen und werden sie erhalten. Das Bekenntnis des Koalitionsvertrags zur Umsetzung des Abschlusskommuniques zwischen der Landesregierung und Dansk Skoleforening ist eine wichtige und richtige Entscheidung.