wichtig. Wir dürfen aber auch nicht vergessen: Europa wird sicherlich nicht an schlechter Kommunikation scheitern, sondern allenfalls an schlechter Politik.
Ich danke Minister Döring für seinen Bericht, eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Verlängerung der Reflexion - um weitere zwölf Monate -, Beginn der Kommunikation, Vermeidung der Frustration: Das sind die gegenwärtigen Schlagwörter innerhalb der Europäischen Union, obwohl die Europäischen Union doch ein Erfolgsmodell ist. Auch die Neuaufnahme der zehn Mitgliedstaaten ist ein Erfolgsmodell. Auch wir in Schleswig-Holstein spüren durchaus die positiven Entwicklungen innerhalb der Europäischen Union, was im vorherigen Redebeitrag gesagt worden ist, zum Beispiel bei der Entwicklung unserer Exporte, die über 60 % in die Länder der Europäischen Union gehen. Dennoch: Die Stimmung in der Europäischen Union ist mangelhaft. Herr Minister Döring, Sie haben darauf hingewiesen. Woher kommt das? Vielleicht auch deshalb, weil wir die Europäische Union schlecht reden.
Deshalb: Die Kommunikation muss her. So sagt es die Europäische Kommission. Zwei aktuelle Kommunikationspapiere der Europäischen Union beschreiben die Stimmung richtig und die Maßnahmen zur Erreichung der „Hirne und Herzen“ der Menschen in der Europäischen Union. Einmal „Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion“ vom 13. Oktober 2005 und das Strategiepapier zur Verbesserung der Kommunikation mit dem Titel „Weißbuch über eine Europäische Kommunikationspolitik“ vom 1. Februar 2006.
Die Kommission sagt in dem Plan D sehr offen, dass das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Europäische Union wieder hergestellt werden muss. Das heißt, es bestand schon einmal. Zumindest war das Vertrauen größer. Es geht um die öffentliche Zustimmung zur gegenwärtigen Europäischen Union.
Die Kommunikation der Europäischen Union mit den Bürgerinnen und Bürgern hat mit der Entwicklung der EU nicht Schritt gehalten, so die Kernaus
sage im „Weißbuch über eine Europäische Kommunikationspolitik“. Das Gefühl der Entfremdung gegenüber den Brüsseler Entscheidungen muss weg.
Die Schlüsselaussage in Teil I des Weißbuchs ist keine neue Erkenntnis. Es heißt dort, dass die „Kommunikation zu sehr eine ‚Brüsseler Angelegenheit’ sei, indem man sich darauf konzentriert, den Menschen zu vermitteln, was die EU leistet. Viel weniger beschäftigt man sich damit, den Menschen zuzuhören. Fazit: Entscheidend sei, dass man mehr auf Dialog statt auf einseitige Kommunikation setzt“.
Diskussion und Dialog, das sind die neuen Schlagwörter der Kommission. Eine „Europäische Sphäre“ muss geschaffen werden bis zu den regionalen und lokalen Ebenen, auf denen europäische Themen dann im Dialog übergreifen sollen. „Die Bürger möchten ein Mitspracherecht haben“, so die Kommissarin für institutionelle Beziehungen und Kommunikationsstrategie, Margot Wallström.
Auf die fünf Maßnahmen, die in dem Weißbuch erwähnt werden, um die Kommunikation zu verbessern, möchte ich nicht im Einzelnen hinweisen. Herr Minister Döring hat das im Einzelnen erwähnt. In der Tat muss auch ich sagen: Ob ein „Verhaltenskodex zur Kommunikation“, der Grundsätze und Standards für die europäische Kommunikations- und Informationsarbeit zu europäischen Themen erstellt, auf der regionalen oder der lokalen Ebene ankommt? - Zweifel sind angebracht.
Der stärkeren Einbeziehung der Medien wird im Weißbuch ein breiter Raum gewidmet. Ob eine eigene EU-Pressenachrichtenagentur oder ein TVKanal zur Übertragung der Brüsseler Konferenzen der Missionsarbeit „Kommunikation“ dienlich sind, werden die Medien bewerten. Auf alle Fälle sind die Medien eingeladen, mehr über die Europäische Union zu berichten. Wir werden bei uns bald mehr EU-Parlamentarier und Kommissare zu Gesprächen haben, wenn es nach dem Weißbuch geht.
Das Papier ist zu begrüßen, keine Frage. Es lässt an Klarheit bei der Bewertung der „Kommunikationsmisere“ wie auch bei der Auflistung möglicher Maßnahmen zur Beseitigung nichts offen. Aber lange nicht alles ist neu.
Dennoch bleiben im Weißbuch viele Fragen unerwähnt: Warum sind die Leute wirklich nicht an der Europäischen Union interessiert? Warum werden Widersprüche nicht aufgeklärt, zum Beispiel beim Zugeständnis der Kommission zu einem festgelegten Beitrittsdatum, obwohl die Beitrittskriterien
nicht erfüllt worden sind? Warum wird der Begriff „europäisch“ im Vertragstext nicht endlich erläutert, um die Angst und die Furcht vor ausufernder Erweiterung zu nehmen?
Plan D und auch das Weißbuch können für uns nur Arbeitspapiere sein. Setzen wir dennoch unsere Kommunikation fort, jeder einzelne von uns, die Europa-Union, die Europaschulen und viele mehr.
Bevor ich das Wort wieder erteile, begrüße ich auf der Tribüne sehr herzlich unseren ehemaligen Kollegen Joachim Behm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Zielsetzung des so genannten Plan D oder des Weißbuchs zur Kommunikation ist schon einiges gesagt worden. Es geht um die bessere Vermittlung europäischer Inhalte, um die Aktivierung der Diskussion über, in und für Europa.
Der Minister hat angesprochen, dass SchleswigHolstein im Bundesrat eine durchaus kritische Haltung zu diesem Plan D äußern wird. Ich will an dieser Stelle sagen: Wir unterstützen diese Einstellung, diese Meinung zu diesem Kommunikationsstrategieentwurf sehr. Ich begrüße auch, dass wir uns heute, bevor im Bundesrat darüber entschieden wird, parlamentarisch dazu äußern können.
Plan D würde so, wie er angelegt ist, umgehend das kann man der EU-Kommission wohl empfehlen - einen Plan B nach sich ziehen. Er wird so nicht erfolgreich sein. Lassen Sie mich drei Punkte nennen, warum ich glaube, dass diese Strategie so, wie sie vorgelegt wird, überhaupt keine Möglichkeiten hat, wirklich realisiert zu werden.
Erster Punkt. In der Strategie wird von einer Strategie auf Dauer, also einer langfristigen Strategie, gesprochen. Wenn man das will - was richtig wäre -, müsste man das allerdings auch langfristig und nachhaltig finanzieren. Das ist hier überhaupt nicht der Fall. Es gibt eine Planung für 2007/2008. Dann soll es ein so genanntes Feed-back geben. Man will
schauen, was dabei herausgekommen ist. Erst dann geht es weiter. Ich verstehe nicht, wie man eine Strategie, die langfristig das Image Europas verbessern soll, mit einer so kurzfristigen finanziellen Planung versieht. Das kann, glaube ich, nichts werden.
Zweiter Punkt. Da wird in der Mitteilung für mehr Transparenz geworben, liebe Kolleginnen und Kollegen, und als Beispiel die Öffentlichkeit der EU-Ratssitzungen genannt. Nun weiß ich, dass es wenig gibt, was attraktiver ist als die meist sechsstündigen EU-Ratssitzungen. Ich glaube, Transparenz, die überzeugen kann, kann nur darin bestehen, dass wir leichtere Antragstellungen haben, dass wir nachvollziehbare Entscheidungen und durchschaubare Strukturen haben. Das ist der Kern von Transparenz und nicht die Übertragung von sehr langen, aber sicherlich sehr wichtigen Sitzungen.
Ein dritter Aspekt. Ich möchte ihn gern mit einem Zitat beginnen, Frau Präsidentin. In der EU-Mitteilung steht:
„Plan D ist ein Instrument des Zuhörens und des Dialogs. Hierdurch beabsichtigt die Kommission, Lehren aus den Sorgen der Bürger zu ziehen, und die Mitgliedstaaten erhalten die Möglichkeit, die Sorgen ihrer Bürger in der Zeit der Reflexion zu verstehen.“
Wirklich schön gesagt. Als kirchenpolitischer Sprecher würde ich sagen: Mir kommen die Tränen. Als europapolitischer Sprecher sage ich: Das ist wirklich Lyrik at its best, sagt im Kern überhaupt nichts und hat überhaupt nichts damit zu tun, eine „Eurobarometer-Umfrage“, die damit begründet werden soll, in irgendeiner Form zu legitimieren. Dieses Barometer benötigen wir angesichts der vielfachen und ständigen Meinungsbilder in den einzelnen Staaten nun wirklich nicht. Die Gelder dafür sollten anders eingesetzt werden.
Lassen Sie mich als überzeugter Europäer - ich will es an dieser noch einmal betonen - deutlich sagen: Dieser Plan D ist weder besonders überraschend wir wissen, dass es ein Kommunikationsproblem gibt -, noch ist er besonders einfallsreich, denn es fehlen wirklich neue Ansätze und Instrumente. Er ist nicht wirklich strategisch angelegt, denn es fehlt Nachhaltigkeit sowohl, was die finanziellen Mittel angeht, als auch, was die strategische Ausrichtung angeht.
Gestatten Sie mir, es an dieser Stelle etwas deutlicher zu sagen: Ich halte diesen Plan D eigentlich für überflüssig.
Richtig ist: Das Gespräch über Europa und seine Perspektiven müssen wir immer wieder und offensiv führen.
Welche Themen überzeugen? - Ein Ziel der Einigung Europas ist: Nationalismus und Rassismus dürfen nie wieder eine Chance bekommen, nirgendwo in Europa. Die Friedenssicherung nach innen und außen ist ein zweites Thema. Wer in den Schulen mit den Schülerinnen und Schülern über europäische Themen spricht, wird feststellen, dass diesbezüglich auch Nachfragen kommen, dass insoweit ein Interesse der jungen Leute besteht, Diskussionen über Europa zu führen. Dies gilt es zu transportieren: Friedenssicherung nach innen und außen.
Wir meinen, wir müssen die Problemfelder ansprechen. Der Herr Minister hat dies bereits getan: Wandel des Arbeitsmarktes, Notwendigkeit von Abschlüssen und Anerkennung von Ausbildungen in ganz Europa, Zukunft des Sozialstaates. Hier müssen wir Lösungen präsentieren. Das überzeugt die Menschen von Europa und nicht eine weitere bunte Broschüre.
Meine Damen und Herren, es geht um die Vielzahl unserer regionalen Aktivitäten - der Herr Minister hat zu Recht darauf hingewiesen - und es geht um politische Entscheidung, die nachvollzogen werden können. Das ist unsere Aufgabe. Wir werden diese Aufgabe ohne einen Plan D, ohne eine Kommunikationsstruktur lösen, und wir werden diese Ansätze im Europaausschuss weiterhin aufnehmen und fragen, wie es gelingt, Europa lebensnah und bürgernah zu verwirklichen. Das ist unser Ziel. Das werden wir - da bin ich sicher - erreichen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach den gescheiterten Volksabstimmungen zum EUVerfassungsvertrag denkt man in Brüssel über eine bessere Kommunikationspolitik nach. Liest man nun die entsprechenden Aussagen im Weißbuch über eine europäische Kommunikationspolitik, so fällt auf, dass dort neben einigen recht vernünftigen Überlegungen auch Selbstverständliches zusammengetragen wurde, und es finden sich so bemerkenswerte Formulierungen wie der Satz: „Bürger sollten ein Recht darauf haben, ihre Ansichten zu äußern und gehört zu werden.“
Für die Volksrepublik China wäre das sicherlich eine bahnbrechende Neuerung. In der Europäischen Union wirken derartige Einsichten der „Brüsseler Spitzen“ ein wenig befremdlich.
Das einfachste und beste Rezept für eine erhöhte Zustimmung der Europäer zur Europapolitik ist die Beachtung des altbewährten Ratschlages: Tue Gutes und rede darüber. Heute Vormittag hat der Kollege Heiner Garg zum ersten Tagesordnungspunkt ausgeführt, dass die EU-Verbraucherschutzpolitik in vielerlei Hinsicht ein sehr gutes Politikkonzept darstellt, das man in seiner Bedeutung für die Bürger eigentlich gar nicht hoch genug einschätzen kann. Das ist sicherlich wenig bekannt. Hier gilt also der Satz: Tue nicht nur Gutes, sondern rede auch mehr darüber; mache bekannt, welche Initiativen, Vorgaben und Aktivitäten auf der europäischen Ebene auf den Weg gebracht worden sind.
Bei anderen Themen ist das aber ganz und gar nicht der Fall. Ich denke etwa an das, was vor einigen Tagen als Meldung durch die Presseagenturen gelaufen ist: Einige Mitglieder des Europäischen Parlaments denken jetzt darüber nach, eine neue Europasteuer auf E-Mails oder eine Steuer von 1,5 ct pro verschickter SMS einzuführen. Ich denke, wenn die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union das lesen, so trägt das nicht gerade zu einer erhöhten Begeisterung in Sachen Europa bei, sondern bewirkt vielmehr das genaue Gegenteil.
(Beifall bei der FDP sowie der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN] und Lars Harms [SSW])
Diese Beispiele machen deutlich: Grundlage für eine erfolgreiche europäische Kommunikationsstrategie ist nun einmal, dass die Inhalte überzeugen.