Protokoll der Sitzung vom 01.06.2006

Aber auch wenn ich R 2 nehme, muss ich doch fragen, was R 2 kostet über die gesamte Lebenszeit, und muss das dann auf die Monate herunterbrechen. Entgegen der Darstellung der Presse ist das sehr ausgiebig diskutiert worden, bedauerlicherweise dann, wenn es um die Sache ging, Kollege Sauter, unter Abwesenheit der Presse. Das war nachmittags, da waren die schon zu Hause. Im Finanzausschuss war keine Sau mehr da. Anschließend wurde berichtet, es sei nicht ordentlich debattiert worden. Wenn man das herunterbricht, entspricht die jetzige Regelung nichts anderem als den R 2Lebenskosten für das Land Schleswig-Holstein,

heruntergebrochen auf die Monate für die Abgeordneten.

Was mich in besonderer Weise beeindruckt hat, war der Kommentar eines sehr bedeutenden Journalisten aus Schleswig-Holstein, Herrn Exner von den „Lübecker Nachrichten“, der wahrscheinlich wegen seiner eigenen Bedeutung nachts nicht mehr ins Bett kommt.

(Heiterkeit)

Am 31. Mai 2006 unter der Überschrift „Kieler Folklore“ lesen wir seine Auffassung: „Dass Politik ein schmutziges Geschäft ist, weiß ohnehin längst jeder.“ Ich kann Herrn Exner nur empfehlen, vielleicht einmal gelegentlich dabei zu sein, wenn wir unsere Tätigkeiten ausüben, und dann seine Feststellungen zu wiederholen.

(Beifall im ganzen Haus)

Wir hatten ja von jungen Unternehmern lange Zeit einige Begleitung. Bei uns waren die auch. Nach einem Tag, der morgens um 7:30 Uhr anfing und um 22:30 Uhr noch nicht zu Ende war, sagte am nächsten Tag der bei uns tätige junge Unternehmer aus dem Kreis Bad Segeberg - ich könnte ihn jetzt namentlich benennen, will das aber nicht -: „Herr Kubicki, ich weiß nicht, wie Sie das durchhalten, und für das, was Sie kriegen, würde ich das nicht machen.“ Ich weiß nicht, wie es bei den anderen gegangen ist, aber dieses Aha-Erlebnis von Leuten, die von draußen gucken und sagen: „Die Politiker sitzen nur rum und machen sonst nichts und kriegen dafür viel Geld“, dieses Aha-Erlebnis, das der junge Unternehmer hatte, wünsche ich allen. Wir müssten eigentlich mehr an die Hand nehmen, um uns zu begleiten, damit die Vorurteile, die immer wieder verpflanzt werden, aufhören.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich will das noch weiter ausführen. Herr Exner schreibt weiter: „Wir, die wir nicht im Landtag sitzen, können auch zustimmen zu dieser Diätenreform, zum Beispiel wenn es eine bestimmte Wahrscheinlichkeit dafür gäbe, dass wir uns mit diesem Ja mehr qualifizierte Abgeordnete einkaufen.“

(Zuruf von der SPD: Unerhört!)

Mehr qualifizierte Abgeordnete einkaufen! Ich habe ja zu dem einen oder anderen auch meine persönliche Meinung, aber dass die Abgeordneten des Schleswig-Holsteinischen Landtages nicht qualifiziert wären, ist mir neu. Ich sage einmal für mich selbst als Person, aber auch für die Mitglieder meiner Fraktion: Ich halte jede Frage der Qualifikation

(Wolfgang Kubicki)

mit dem Chefredakteur der „Lübecker Nachrichten“ aus.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich möchte nur wissen - nach 30 Jahren kann man das machen, Herr Ministerpräsident; es ist eine Art von Selbstlob -, ob er ein abgeschlossenes Volkswirtschaftsstudium mit „gut“ hinter sich hat, ob er ein juristisches Studium mit zwei Prädikatsexamina hinter sich hat und ob er die Lebensleistung der letzten 30 Jahre aufweisen kann, die ich aufweisen kann. Ich will das nicht weiter auflisten. Ich kenne nicht die Vita aller Personen hier, aber dies gilt wahrscheinlich für alle, die hier im Hause sitzen. Das zum Hintergrund.

Aber noch einmal: Was ist denn dieser Landtag? Hier kann sich keiner mit seinem Examen beim Landtagspräsidenten bewerben und sagen, ich möchte diesen Beruf ergreifen, jetzt einsteigen, 30 Jahre Parlamentarier bleiben und dann wieder aussteigen. Man muss sich den Wählerinnen und Wählern stellen, muss von Ihnen gewählt werden. Der Wille ist, dass alle Berufsgruppen, alle Bevölkerungsgruppen, alle Herkünfte in diesem Parlament vertreten sind und vertreten sein können. Das ist die Qualifikation per se, ohne dass ich fragen muss: Was versteht denn Herr Exner eigentlich unter Qualifikation?

(Beifall im ganzen Haus)

Wes Geistes Kind immerhin der Chefredakteur einer nicht unbedeutenden Zeitung in Schleswig-Holstein ist, erschließt sich aus dem Schluss: „Das Kieler Parlament ist in Zeiten wachsender globaler Abhängigkeit, zunehmender europäischer Kompetenz und sehr knapper nationaler Kassen im Grunde eine Folkloreveranstaltung, faktisch verzichtbar, auf Dauer ein Fall fürs Ehrenamt.“ Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei aller Wertschätzung, jemand der so etwas schreibt, ist für mich kein adäquater Gesprächspartner mehr,

(Beifall im ganzen Haus)

weil er die Funktionsweise und die Aufgabenstellung eines staatlichen Parlaments entweder nicht begriffen hat oder nicht begreifen will oder weil er anderes im Schilde führt.

Wir haben nicht nur Beschluss- sondern auch Kontrollfunktionen. Wenn man sich einmal anschaut, wie teuer der Landtag eigentlich ist, beispielsweise, Herr Ministerpräsident, im Verhältnis zur Staatskanzlei oder beispielsweise als Anteil am Landesbudget insgesamt, dann bewegen wir uns im Promillebereich. Diese Aufgabe, für die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein tätig zu werden,

auch in Kontrolle der Regierung, auch um hier über unterschiedliche Konzepte zu streiten, ist nicht zu teuer bezahlt.

(Beifall im ganzen Haus)

Herr Kollege Carstensen, das kann ich ja sagen, Sie als ehemaliger Bundestagsabgeordneter wissen ja, die Bundestagsabgeordneten haben eine steuerfreie Aufwandsentschädigung, die deutlich über den Diäten liegt, die wir hier erhalten. Wenn sich da jemand aus dem Parlament meldet, muss ich sagen: Leute, es wäre besser gewesen, ihr hättet euren Mund gehalten.

(Beifall im ganzen Haus)

Die Diskussion, liebe Freunde - das darf ich jetzt einmal sagen -, zeigt die komplette Provinzialität unseres Bundeslandes Schleswig-Holstein. Eine Skandalisierung bundesweit ist ausgeblieben, anders als beim letzten Mal, weil die Regelung aus Sicht von außen vernünftig ist. Es ist doch ein Treppenwitz der Geschichte, das hier ein, ich weiß nicht wie, besoldeter Geschäftsführer des Steuerzahlerbundes dicke Backen macht, während sein Präsident in Berlin sagt, das sei eine vernünftige Regelung, die eigentlich überall übernommen werden sollte. Die „Bild-Zeitung“ hat sich nicht mehr zu Wort gemeldet, weil sie festgestellt hat: eine Regelung, die noch günstiger ist als in allen anderen Landtagen, die Vergleichsweises haben oder ins Werk setzen wollen. Eine Skandalisierung von außen ist also ausgeblieben. Wir leisten uns hier eine provinzielle Debatte.

In Richtung der Gewerkschaften würde ich jetzt aus meiner Sicht - sagen: Das zu kritisieren ist eine strategisch ungeschickte Verhaltensweise. Ich würde sagen, sollen die Abgeordneten doch ihre Diätenstrukturreform auf den Weg bringen, aber gleichzeitig soll der Landtag seine Finger von unserem Gehalt lassen. Das wäre eine vernünftige Einschätzung, statt umgekehrt zu sagen, der Landtag soll darauf verzichten. Das wäre ein Begründungselement dafür, dass die dann auch verzichten sollten, was die nicht wollen und was wir natürlich auch nicht wollen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, letzter Satz: Wir stimmen als FDP-Fraktion nicht nur zu, weil wir unser Geld wert sind, sondern weil diese Reform Unstimmigkeiten, Ungerechtigkeiten gerade bei der Altersversorgung beseitigt, die den Menschen zu Recht ein Dorn im Auge war. Ich empfehle allen Haushalte sind ja öffentlich lesbar, auch für Journalisten - einmal die Ausgaben zu vergleichen, und zwar die Zahlungen für aktive Abgeordnete des Jahres 2004 in Höhe von 6,695 Millionen gegen

(Wolfgang Kubicki)

über Zahlungen an aktive Abgeordnete des Jahres 2006 in Höhe von 5,2 Millionen, um festzustellen, dass allein die Verkleinerung des Landtages und die Wahlrechtsänderung, damit zusammenhängend die Wahlkreisänderungen, eine Einsparung von 1,415 Millionen € erbracht haben.

(Beifall im ganzen Haus)

Selbst wenn es stimmen würde, dass wir aktuell 1,2 Millionen € zulegen würden, wäre es immer noch eine Ersparnis von 200.000 €. Die Aufgabe beim letzten Mal war ja nicht einsparen, sondern kostenneutrale Veränderung der Strukturen, wie vom Verfassungsgericht vorgegeben, und das ist erfolgt.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke dem Herrn Oppositionsführer für seine Rede.

Bevor ich das Wort dem Vertreter von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile, bitte ich Sie, mit mir auf der Tribüne unsere ehemalige Kollegin, Frau Aschmoneit-Lücke, zu begrüßen.

(Beifall)

Das Wort hat jetzt die Frau Abgeordnete Monika Heinold von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte heute die Gelegenheit nutzen, die positiven Seiten des neuen Gesetzes in den Vordergrund zu stellen. Mit dem vorliegenden Abgeordnetengesetz schaffen wir als zweites Bundesland ein modernes Gesetz, das endlich mit alten Privilegien bricht. Wir schaffen eine Altersversorgung ab, die in ihrer Höhe nicht mehr vertretbar ist. Zukünftig entfallen alle steuerfreien Pauschalen - damit sind Abgeordnete den „normalen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern“ gleichgestellt - mit allen Segnungen des Steuerdschungels. Eine Hauptforderung des Steuerzahlerbundes ist somit umgesetzt.

Außerdem erfüllt das neue Gesetz die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes, dass mit wenigen Ausnahmen alle Abgeordneten gleich bezahlt werden müssen. Zukünftig erhalten nur noch zwölf Abgeordnete eine Funktionszulage. Bisher waren es 44 Abgeordnete.

Es war dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, das uns bereits in der letzten Legislaturperiode dazu bewogen hatte, über ein neues Abgeordnetengesetz nachzudenken. Der Weg hin zu diesem neu

en Gesetz war steinig und mühsam. Er war wahrlich keine parlamentarische Glanzleistung.

Sowohl in der Auseinandersetzung im Jahr 2003 als auch in der Debatte über das nun vorliegende Gesetz waren meiner Fraktion immer drei Ziele wichtig, erstens der Wegfall aller steuerfreien Pauschalen, zweitens der Wegfall der überhöhten Altersvorsorge und drittens eine deutliche Begrenzung der Funktionszulagen.

Im Jahr 2003 hat meine Fraktion gemeinsam mit der FDP und dem SSW gegen die Diätenreform gestimmt, weil diese Reform damals entscheidende strukturelle Veränderungen nicht gradlinig umgesetzt hätte.

Mit dem heutigen Gesetzentwurf werden nun diese drei Eckpfeiler der Reform eingeschlagen und mittelfristig wird der Landeshaushalt nach den vom Landtagspräsidenten vorgelegten Zahlen entlastet. Außerdem tragen wir mit unseren künftigen Steuerzahlungen auch zu mehr Einnahmen des Staates bei.

Das Gesetz ist nachhaltig, weil es das Privileg der hohen Altersversorgung von Abgeordneten in Schleswig-Holstein abschafft. Damit sind wir nach Nordrhein-Westfalen - erst das zweite Bundesland, das diesen Schritt geht. Ich bin auch der Meinung, dass wir uns von Bundestagsabgeordneten, die circa 3.500 € allein steuerfrei haben, nicht sagen lassen müssen, was richtig und was falsch ist.

(Beifall)

Abgeordnete erhalten zukünftig für ihre Altersversorgung 1.500 €, welche zu versteuern sind und sowohl den Arbeitgeberinnen- beziehungsweise Arbeitgeber- als auch den Arbeitnehmerinnen- als auch Arbeitnehmeranteil umfassen. Die Kosten für die Altersversorgung - so hoch sie dem Einzelnen erscheinen mögen - werden damit für die einzelnen Abgeordneten halbiert. Noch wichtiger ist meiner Fraktion, dass sie sich zukünftig sofort im Landeshaushalt niederschlagen und nicht mehr der zukünftigen Generation aufgebürdet werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU und SPD)

Vor drei Jahren hat meine Fraktion im Landtag gegen das Abgeordnetengesetz gestimmt, weil Vorteile eingebaut waren, die wir nicht mittragen konnten. Diesmal haben wir das Gesetz mit unterschrieben und mit eingereicht und werden uns bei der Abstimmung, wie auch im Finanz- und im Innenausschuss, enthalten. Ich werde unser Verhalten gleich begründen. Wir haben das Gesetz mit unterschrieben, nachdem wir uns gemeinsam mit den anderen

(Wolfgang Kubicki)