Diejenigen, die sich bei der Bürgerbeauftragten beschweren, beklagen aber vor allem häufig eine unhöfliche und demütigende Behandlung. Ein sehr kleiner Stab bei der Bürgerbeauftragten schafft es im Gegensatz zu den ARGEn, fast 3.000 Ratsuchenden zu helfen. Dies verdient unser aller Dank und Hochachtung.
Der Bericht trägt zusammen, was sonst von vielen nur als persönliches Schicksal resigniert oder wütend ertragen wird. Lesen bildet. Insofern empfehle ich nicht nur den Arbeitslosen, sondern allen Abgeordneten, den Journalisten und den Verantwortlichen in der Kommunalpolitik und in den Arbeitsagenturen die Lektüre dieses Textes.
Ich komme zu einem weiteren Thema, das hier noch nicht angesprochen wurde. Nicht nachvollziehbar ist, dass die Wohnkosten seitens der Kommunen für Empfänger von Arbeitslosengeld II geheim gehalten werden. Angeblich, um die Mietpreise nicht in die Höhe zu treiben, lassen Kommunen und Landkreise im Dunkeln, wie teuer Langzeitarbeitslose wohnen dürfen. Es gibt keine einheitliche veröffentlichte Regel, wie mit den selbstverständlich sehr unterschiedlich hohen Mieten in den einzelnen Regionen umgegangen wird. So sehr das Bemühen um Einzelfallgerechtigkeit zu schätzen ist, so öffnet doch eine solche Geheimnistuerei der Willkür Tür und Tor, sorgt für viel Beratungsbedarf und last but not least auch für Gerichtsprozesse.
Die Bundesregierung geht aber nicht gegen diese Geheimniskrämerei der ARGEn - vielleicht mit einem neuen Erlass - an, sondern unterstellt den Bedürftigen pauschal Missbrauch. Angeblich seien schon im letzten Jahr viele arme Menschen, insbesondere junge Leute, allein deswegen von zu Hause ausgezogen, um mehr Wohngeld zu kassieren. Als meine Kollegin Heinold von der Landesregierung hierzu Zahlen aus Schleswig Holstein wissen wollte, antwortete diese, dass solche Daten von den ARGEn bundesweit überhaupt nicht erhoben werden.
Angesichts eines solchen Desasters sind wir es den Arbeitslosen schuldig, uns als Landtagsabgeordnete selber auf die Ebene der Mühen zu begeben. So sehr ich das Engagement der Bürgerbeauftragten vor Ort schätze, Herr Geerdts, und so sehr ich auch Ihren Beitrag unterstützenswert fand, so muss ich Ihnen doch entgegnen: Wir können uns nicht davor drücken und sagen: Alle schwierigen sozialen Fälle geben wir zur Bürgerbeauftragten. Da sind wir als Abgeordnete den Bürgern schon selber Rede und Antwort schuldig.
Meine Fraktion schlägt deshalb vor, die regional Verantwortlichen seitens der Arbeitsagentur und der Kommunen im Sozialausschuss zu befragen, was sie konkret tun, um die Lage zu verbessern.
Dies umso mehr, als die Arbeitsagentur und der Arbeitsminister schon vor einem Jahr einen großen Pakt geschlossen haben und eigentlich all dies versprochen haben, was wir jetzt von ihnen fordern.
Prominente Unterstützung erhielt die Bürgerbeauftragte bei einem anderen Thema. Im letzten Jahr hat sich der Herr Ministerpräsident angesichts des zweiten Waterloos bei der Neuorganisation der Arbeitsverwaltung, der Familienkasse, als Landesvater bei Bundeskanzlerin Merkel dafür eingesetzt, dass nun endlich das Kindergeld pünktlich überwiesen wird. Viele Eltern warten schon Monate.
Nun ist Herr Carstensen nicht da. Ich kann ihn deshalb nicht fragen, was daraus geworden ist. Auf meine Nachfrage, ob die Kindergeldkassen, wie im Bericht beschrieben, endlich telefonisch erreichbar sind, ob sich jetzt die unterschiedlichen Abteilungen der Arbeitsverwaltung auf eine gemeinsame Berechungsformel für den Kinderzuschlag geeinigt haben, bestätigte mir jedenfalls Frau Wille-Handels vor wenigen Tagen, die Probleme seien noch nicht gelöst. Hier sollte der Herr Bundesratspräsident seinen Einfluss in Berlin etwas nachdrücklicher geltend machen!
Ich komme zum letzten Punkt, den ich mir aus dem Bericht herausgegriffen habe; er betrifft die behinderten Kinder. Das ist ein Thema, das die Kommunalisierung der Versorgung von Menschen mit Behinderung insgesamt betrifft. Deswegen finde ich es wichtig, dass hier mehr als nur die Sozialpolitiker zuhören. Es geht um eine Menge Geld, die das Land den Kommunen zur Verfügung stellt. Hierfür können wir auch erwarten, dass im Sinne der Behinderten ordentlich gearbeitet wird.
Als ein Beispiel von vielen führt die Bürgerbeauftragte an, dass im Kreis Steinburg einer 28-jährigen Frau und ihren Eltern weiterhin zugemutet wird, zusammen wohnen zu bleiben. Seitens des Kreises wird der Umzug der erwachsenen jungen Frau in die Wohngruppe einer Behinderteneinrichtung abgelehnt, und zwar mit der Begründung: ambulant vor stationär. Mit purem Zynismus verdreht der Landkreis eine Reformoffensive in ihr Gegenteil.
Wie der Bericht und auch schon seine Vorgängerberichte zeigen, trifft diese Haltung insbesondere die Jüngsten, deren ganze Lebensentwicklung von früher Förderung abhängt. In Lübeck - das weiß ich aus eigener Anschauung - fehlen in den Kindertagesstätten derzeit 46 Plätze für drei- bis sechsjährige Kinder mit Integrationsbedarf. Alle diese Kinder haben einen Rechtsanspruch. Sollen wir denn warten, bis die Eltern zum Gericht gehen? Das ist doch nicht die Lösung!
Ich erwarte insoweit sowohl vom Bildungsministerium als auch vom Sozialministerium fachliches Engagement, um solche Missstände zu beheben.
Im Kreis Segeberg musste der Landrat gegenüber meiner Kollegin Monika Heinold eingestehen, dass Kinder bis zu einem Jahr auf den Beginn der Frühförderung warten, weil routinemäßige Spezialuntersuchungen nur noch ganz wenige sehr gefragte Spezialärzte leisten können. Inzwischen ist hier wohl durch das Engagement meiner Kollegin etwas Abhilfe geschaffen worden. Aber weiterhin gibt es Verschiebebahnhöfe zwischen Krankenkassen und Kommunen in dieser speziellen Frage. Machen Sie sich aber klar, was ein Jahr nicht erfolgte Frühförderung für ein Kleinkind mit Handicaps bedeutet!
Also auch hier sollten wir uns als Sozialausschuss einmal anhören, was die Kommunen dazu zu sagen haben, gerade auch angesichts dessen, dass sich die Landesregierung offenbar gegen einigen Widerstand seitens der Kommunen bemüht, zu gemeinsamen Standards in der Versorgung von Menschen mit Behinderungen zu kommen, Standards, die den Namen Humanität verdienen. Die Sozialministerin braucht hier also die Unterstützung des ganzen Hauses. Menschenwürde ist unteilbar. Diesen Appell richte ich besonders an die Kolleginnen und Kollegen von der CDU.
Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. - Für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Bürgerbeauftragte beleuchtet in ihrem Tätigkeitsbericht einen Teil der Verwaltungswirklichkeit, den wir hier im Parlament nur selten thematisieren. Es geht nicht darum, was in Gesetzen aufgeschrieben ist, sondern wie diese vor Ort umgesetzt werden. Ungenaue Zuständigkeiten, unverständliche Sprache und ein unfreundlicher Ton sind dabei Fakten, an denen wir nicht vorbeikommen. Da wird mancher hochfahrender politischer Plan, den wir hier aushecken, hinterrücks kaputt verwaltet. Diese Wirklichkeit nehmen wir viel zu selten wahr, es sei denn, wir erleben das in eigener Anschauung.
Die Einzelbeispiele im Bericht zeigen detailliert, welch große Ohnmacht die Bürger gegen eine eingefahrene Bürokratie empfinden. Es kann weitgehend als sicher gelten, dass diejenigen Petenten, die sich überhaupt an die Bürgerbeauftragte wenden, eher die Spitze des Eisbergs ausmachen. Vielfach sind Betroffene sozial Ausgegrenzte, denen es nicht leicht fällt, ihren Fall Dritten zu schildern. Dennoch bleiben dies natürlich Einzelfälle.
An dieser Stelle möchte ich der Bürgerbeauftragten ein großes Lob für ihr Engagement aussprechen. Sie und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bearbeiten ein ungeheuer großes Pensum, das allein schon aufgrund der schieren Masse unseren Respekt verdient.
Was den Tätigkeitsbereich für uns Parlamentarier allerdings zu einem Nachschlagewerk noch anstehender Vorhaben macht, ist die systematische Durchdringung der Sachgebiete. Ohne Zweifel ist mit Hartz IV ein riesengroßes Gebiet hinzugekommen, das viele Menschen betrifft und das sich auch in seinem zweiten Jahr als unbefriedigend darstellt.
Der SSW bedankt sich ausdrücklich für die gute Arbeit der Bürgerbeauftragten, die uns mahnt, in diesem Bereich weiter auf Verbesserungen zu drängen. Wir haben auch schon verbal vereinbart, dies tun zu wollen.
Manche Behörden scheinen offensichtlich so zu arbeiten, dass sie sich die Antragsteller das eine oder andere Mal schnell vom Hals schaffen wollen. Da
her brauchen diese unerwünschten Kunden der Bürokratie eine helfende Hand, die man schnell und unkompliziert ergreifen kann.
Die Bürgerbeauftragte ist mit ihren regionalen Sprechstunden auch für Personen ohne Auto, ohne Mobilität gut erreichbar. Sie bemüht sich um den persönlichen Kontakt. Das ist vorbildlich. Würden mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Behörden und Agenturen das persönliche Gespräch so suchen, würden sicherlich viel weniger Fälle eskalieren.
Wer jemals gedacht hat, die Bürgerbeauftragte sei Anlaufstelle von Nörglern und Querulanten, wird jedes Jahr eines Besseren belehrt. Über 94 % aller berechtigten Eingaben wurden positiv abgeschlossen. Die Petenten sind einfache Bürger, die nicht mehr ein noch aus wissen und in der Bürgerbeauftragten auf eine engagierte Bürgeranwältin treffen.
Besser wäre es natürlich, es käme gar nicht erst zu Problemen. So ist doch von vornherein einsichtig, dass die Zusammenlegung der Familienkassen der Arbeitsagenturen von sieben auf drei Standorte nicht reibungslos funktionieren kann. Entsprechende personelle Aufstockungen, zumindest für ein paar Monate des Übergangs, wären hier angeraten gewesen. Stattdessen mussten Tausende von Familien auf ihr Geld warten, bis ein massives Echo in den Medien endlich für Verbesserung sorgte.
Moderne Verwaltung sieht anders aus. Hier aber wird einerseits die Motivation der Beschäftigten verspielt, die sich ständig mit Beschwerden herumschlagen müssen, und andererseits werden die Bürger verprellt.
Ein Beispiel für ein Gesetz, das hinterrücks sabotiert wird, ist der Kinderzuschlag, der Eltern mit geringerem Einkommen zusteht. Durch das Bestehen zweier unterschiedlicher Berechnungsgrundlagen von Sozialamt und Arbeitsgemeinschaften wird der Zuschlag de facto zu einer Ausnahmeleistung, obwohl er als regelmäßige Unterstützung für Eltern gedacht war, deren Einkommen für sie allein, aber nicht zum Unterhalt der Kinder ausreicht. Als Leser des Berichtes muss ich gerade bei dieser Passage den Kopf schütteln. Ich denke, dass wir als Parlamentarier aufgerufen sind, diesen Missstand schnellstmöglich aus der Welt zu schaffen.
Die Bürgerbeauftragte hat aber auch gute Nachrichten. So verringerten sich die Eingaben bezüglich der gesetzlichen Rentenversicherung. Zu befürchten sind allerdings steigende Probleme bei der privaten Altersvorsorge. Diese wird wesentlich zunehmen und daher werden auch die Beratungsleistungen in diesem Bereich zunehmen müssen. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Unzulänglich
keiten deutlich werden und der Rahmen neu gesetzt werden muss. Aber dafür haben wir wahrscheinlich noch einige Jahre Zeit. Wir müssen uns darauf verlassen, dass Frau Wille-Handels uns regelmäßig auf Unzulänglichkeiten in diesem System hinweisen wird.
Wir als SSW sind für diese Hinweise sehr dankbar und sagen auch ganz deutlich, dass die Institution Bürgerbeauftragte und deren Mitarbeiterstab für uns unverzichtbar ist. Das war eigentlich auch mein Schlusssatz.
Ich möchte aber noch etwas anfügen, weil der Kollege Hay einen kleinen Zwischenruf bei der Rede des Kollegen Garg gemacht hat. Ich habe den Eindruck, dass sich die Haltung der FDP in den letzten Jahren gewandelt hat, dass man hinter der Bürgerbeauftragten steht und dass man sie nicht abschaffen will. Ich glaube, das hängt auch ein bisschen mit dem Kollegen Garg zusammen, der sich sehr dafür eingesetzt hat.
Wir haben eine Einigkeit und das ist der guten Arbeit der Bürgerbeauftragten geschuldet, die uns alle überzeugt hat. Es ist gut, dass wir als Landtag gemeinsam hinter unserer Bürgerbeauftragten stehen. Insofern freut mich das Gesagte der Kollegen von vorhin.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Lars Harms. Das Wort für die Landesregierung hat nun Herr Innenminister Dr. Ralf Stegner in Vertretung der Sozialministerin.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch die Landesregierung möchte Frau Wille-Handels herzlich für ihren ausführlichen und sehr informativen Tätigkeitsbericht 2005 und für die Arbeit, die sie mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geleistet hat, danken. Dieser Bericht beweist wieder einmal, dass die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein mit Ihnen eine kompetente Ansprechpartnerin haben, eine neutrale Vermittlerin und - je nach Fall - auch eine kämpferische, parteiische Anwältin in allen sozialen Angelegenheiten. Die hohe Arbeitsbelastung Ihres Büros haben Sie mit großem Engagement bewältigt und dafür gilt Ihnen unser Dank.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Beratungsbedarf der Bürgerinnen und Bürger ist unverändert hoch. Das verwundert angesichts der breiten Reformdebatten in unserem Lande nicht. Arbeitsmarktreform, Gesundheitsreform, Umstellung in der Sozialhilfe und auch die kommenden Veränderungen in den Unterstützungssystemen für Familien haben viele betroffene Menschen verunsichert. Das Recht der sozialen Sicherung ist für viele Menschen unübersichtlich und wird häufig als undurchdringliches Dickicht empfunden.
Hinzu kommt, dass die mit den genannten Reformvorhaben verbundenen Umstellungen die Sozialbehörden erheblich belasten und dabei die individuelle Beratung der Hilfesuchenden über Ansprüche und Verfahrensregelungen manchmal in den Sozialbehörden zu kurz kommt. Da ist es gut für unser Land, dass die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten eine Ansprechstelle für solche Fälle ist. Kompetente Informationen stehen immer am Anfang von Problemlösungen. Insofern sind die Landesregierung und das Parlament dankbar, wenn wir auf Missstände und Probleme hingewiesen werden und Anregungen bekommen.
Besonders zielführend ist die im Bericht enthaltene Liste, inwieweit die früher gemachten Anregungen und Vorschläge in der Gesetzesarbeit berücksichtigt wurden. Vieles wurde tatsächlich abgearbeitet und das ist ein positives Signal an die Bürgerinnen und Bürger.
Einige Anregungen gehen auch in Richtung des Bundes. Erfahrungsgemäß dauert es ein bisschen länger oder ist durch die Gesetzgebung des Bundes erledigt, wie zum Beispiel die Frage, die durch die Einführung des Eltergeldes im Hinblick auf das Erziehungsgeld aufgetaucht war. Das Sozialministerium erarbeitet in diesem Zusammenhang gerade ein umfassendes Konzept, das die Auszahlung des Elterngeldes ab Januar 2007 sichern soll.
Wir haben uns im Koalitionsvertrag darauf verständigt, ein Gesamtkonzept Behindertenpolitik zu erarbeiten. Im Rahmen dieses Konzeptes werden die Anregungen der Bürgerbeauftragten in diesem Bereich aufgegriffen. Hier sitzen alle im selben Boot und es ist wichtig, Hinweise für die Arbeit mit Menschen mit Behinderung zu bekommen.