Protokoll der Sitzung vom 29.06.2006

(Ulrike Rodust)

Dreijährige und für Schulkinder bis zum Schulschluss und während der Ferien. Wer Kinder erzieht und Alte pflegt, muss steuerlich entlastet werden - egal, wer mit wem verheiratet oder blutsverwandt ist.

(Beifall)

Mediation und Beratung für alle Scheidungsfamilien sind genauso erforderlich wie Stadtplanung und Wohnungsbaupolitik, die die Bedürfnisse neuer Familien berücksichtigen müssen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der familienfreundliche Umbau der Arbeitswelt Betriebskindergarten, flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit - sollte von allen Beteiligten mit aller Kraft vorangetrieben werden.

Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass Bund, Land und Gemeinden die Familien nicht allein lassen und dass in zunehmendem Maße die private Seite die Frage der Familienverträglichkeit aufgreift. Wir als Land gehen mit unserer Koalitionsvereinbarung, eine Familienverträglichkeitsprüfung bei Kabinettsvorlagen einzuführen, mit gutem Beispiel voran.

Bundesweit wurden bereits mehr als 300 lokale Bündnisse für Familien gegründet, davon - wie wir hörten - elf bei uns in Schleswig-Holstein. Ich bin gerade dabei, alle zu besuchen, und ich kann Ihnen das nur anraten. Dort können Sie ganz viel zum Thema Familienpolitik lernen.

Gern würde ich noch auf die Themen „finanzielle Förderung von Familien“, „Schuldnerberatung“, „gesundes und gewaltfreies Aufwachsen von Kindern“ sowie „Welcome“ eingehen, doch mir fehlt die Zeit. Fakt ist: Es gibt eine große Anzahl an Unterstützungsstrukturen für die Familien. Dennoch muss die Diskussion auf allen Ebenen der Politik darüber weitergehen, ob wir noch geeignete Transfermechanismen haben und an welchen Stellen wir umstellen müssen.

Mit Recht konstatiert der Bericht der Landesregierung: „Familienpolitik ist Querschnittspolitik“. Weder Wirtschaft noch Bildungswesen können agieren, ohne die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und ihrer Veränderungen auf die Familien auszuloten.

Ich hoffe, dass dieser Bericht ebenso wie der der Bundesregierung die Diskussion darüber mit neuen Impulsen versieht, und beantrage, ihn federführend an den Sozialausschuss und mitberatend an den Wirtschafts- und den Bildungsausschuss zu überweisen.

(Beifall)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden: Es werden immer weniger Kinder geboren, immer weniger Paare entscheiden sich für Kinder. Als Verantwortliche werden meist die Frauen genannt, es geht um die Rate, wie viele Frauen Kinder bekommen und wie viele keine Kinder haben. Da frage ich: Wo bleiben die Männer in dieser Debatte?

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Es blieb auch heute ungesagt, dass es mehr Männer sind, die sich gegen Kinder entscheiden, als Frauen.

(Zuruf)

- Sie haben das gesagt. Okay, dann habe ich nicht richtig zugehört und nehme das zurück.

Ich zitiere die Journalistin Meike Dinklage. Als Fazit ihres neuen Buches „Der Zeugungsstreik“ sagt sie:

„Ab Mitte 30 scheinen Frauen nur noch zwei Typen von Männern zu begegnen - dem Verantwortungsscheuen und dem Totalverweigerer.“

(Heiterkeit)

Meine Damen und Herren, wenn wir die Verantwortung der Familien diskutieren, wenn wir darüber diskutieren, was für junge Eltern entscheidend ist, ob sie sich für oder gegen Kinder entscheiden, dann sollten wir uns die Frage stellen: Was ist für Männer bei ihrer Entscheidung für oder gegen ein Kind zentral wichtig? Da sage ich Ihnen, für Männer ist der feste Wille wichtig, keinen Karriereknick hinzunehmen.

Wenn wir uns dies vor Augen halten und dann Familie und Beruf planen oder planen, dies miteinander vereinbar zu machen, dann können wir uns schlicht einmal am Tagesablauf eines Mannes orientieren. Dann würde nämlich keiner mehr behaupten, dass Krippenplätze in Schleswig-Holstein bei einem Versorgungsgrad von 3 % ausreichen, dann würde keiner mehr behaupten, dass eine Kinderbetreuungseinrichtung den Bedarf abdeckt, wenn sie

(Ulrike Rodust)

von 8 bis 12 Uhr geöffnet hat. Wir müssen also zukünftig gehörig umdenken.

Frau Tengler, Sie sprachen hier von einem Wertewandel. So ganz habe ich das noch nicht verstanden, was dabei Ihre Botschaft war. Richtig ist: Wir müssen umdenken. Es muss attraktive und flexible Bedingungen geben, damit Erwerbstätigkeit und Familie tatsächlich miteinander vereinbar werden.

Erfreulich ist, dass der Bericht eine verlässliche und bezahlbare Kinderbetreuung bis hin zur Ganztagsschule und den Ausbau eines qualitativ hochwertigen und bedarfsgerechten Angebotes an Bildung, Betreuung und Erziehung ausdrücklich als zentrales Ziel der schleswig-holsteinischen Familienpolitik anerkennt. Damit unterscheidet sich der Bericht erheblich von dem anderen Bericht, den wir demnächst debattieren werden, den das Bildungsministerium für die Kindertagesstätten vorgelegt hat.

Der Familienbericht der Landesregierung hebt auch lobend die internationale Praxis in Schweden und Frankreich hervor, wo der Schwerpunkt nicht auf der direkten Familienförderung liegt, sondern auf der Schaffung von Infrastruktur.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der FDP)

Bei der Entscheidung für oder gegen Kinder setzen Familien ganz eindeutig den Schwerpunkt bei der Frage: Gibt es eine Infrastruktur, die uns hilft, Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren? Familien brauchen Sicherheit, dass nach einer kurzen Babypause - wie lang immer sie individuell gewählt wird - anschließend Kinderbetreuung zur Verfügung steht. Da helfen finanzielle Anreize nur bedingt weiter. Wir haben das Elterngeld von Anfang an kritisiert. Ich will es auch an dieser Stelle wieder tun. Ich freue mich, dass sich die Landesregierung in ihrem Bericht nicht euphorisch, sondern sehr kritisch zum Elterngeld steht. Meine Fraktion ist der Meinung, das Elterngeld in dieser Form war und ist eine falsche Entscheidung, solange wir die Infrastruktur in unserem Lande nicht sichergestellt haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Schade, dass sich die Landesregierung in Berlin für diese Position entweder nicht stark gemacht hat oder nicht durchsetzen konnte.

Ich freue mich, dass es inzwischen eine spannende Debatte über das Ehegattensplitting gibt, ich freue mich, dass auch die CDU an dieser Debatte teilnimmt, sie auch federführend noch einmal ins Gespräch gebracht hat. Wir haben diese Debatte im

Schleswig-Holsteinischen Landtag schon seit mehreren Jahren geführt. Wir waren auch schon einmal sehr dicht beieinander, indem wir alle gemeinsam gesagt haben, dieses veraltete Ehegattensplitting, das zu 40 % den Trauschein fördert und nicht das Leben mit Kindern, muss weg - entweder reformiert werden oder ganz weg.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SSW und vereinzelt bei der SPD)

Wir bekommen für diese Position alle miteinander immer mehr Unterstützung in der Bevölkerung, sogar durch eine repräsentative Umfrage des „stern“ vor wenigen Tagen, die besagt, dass 71 % der Bevölkerung für eine Abschaffung des Ehegattensplittings in der jetzigen Form sind. Wir sollten die Gunst der Stunde nutzen und tatsächlich in Berlin Gesetze dementsprechend ändern.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Familienbericht geht es um zwei Fragestellungen. Das eine ist der Ursprungsantrag der FDP mit der Frage, wie es mit der Familienverträglichkeitsprüfung steht, die im Koalitionsvertrag vorgesehen ist. Die andere Frage: Was findet in Schleswig-Holstein für die Familien an politischer, an finanzieller Unterstützung statt?

Zuerst zur Familienverträglichkeitsprüfung! Das war der ursprüngliche Anlass der Debatte. Nun sind es 20 Zeilen in einem 31-seitigen Bericht geworden. Mit sofortiger Wirkung - die Ministerin hat es geschildert - sollen alle Ressorts ihre Entscheidungen eigenverantwortlich auf die Familienverträglichkeit prüfen. Na, prima! Da gibt es drei einfache Fragen zu beantworten. Ich will diese drei Fragen, die sich die Ministerien stellen, einmal am Beispiel des kommunalen Finanzausgleichs durchdeklinieren, an der geplanten Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs in Höhe von 120 Millionen €.

Erstens. Ist die Vorlage von familienpolitischer Relevanz? - Eindeutig ja.

Zweitens. Trägt die geplante Vorlage zu einer Verbesserung der Lebens- und Gestaltungsbedingungen für Kinder und ihre Familien bei? - Eindeutig nein.

Drittens. Ist die Vorlage zum Nachteil von Familien? - Eindeutig ja.

Und nun? Wird die Landesregierung den Griff in die kommunalen Taschen stoppen? - Wohl nicht. Diese hausinterne Prüfung wird wohl eher eine Formalie bleiben. Wie sonst könnten relevante Teile der Landesregierung für eine Standardabsenkung gerade in den Kindertagesstätten streiten!

(Monika Heinold)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Der Bericht - hier hat er eine Schwachstelle - macht sich nicht einmal die Mühe zu beschreiben, was denn passiert, wenn eine Vorlage als nicht familienfreundlich anerkannt wird. Wird sie dann eingestampft? Wird dem Parlament zur Kenntnis gegeben, dass eine Vorlage im Kabinett verabschiedet wird, obwohl sie nicht familienverträglich ist?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Kommt in den Ko- alitionsausschuss!)

Wenn wir so mit der Frage der Familienverträglichkeitsprüfung umgehen, dann bleibt das eine Farce, dann ist es Bürokratie ohne Konsequenzen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Würde die Landesregierung ihre eigene Aussage ernst nehmen und Familienpolitik tatsächlich als Querschnittsthema einstufen, so müsste sie ein Gesamtkonzept mit Ziel- und Maßnahmenevaluation machen, ähnlich vielleicht wie Gendermainstreaming unter Rot-Grün im Kabinett ernst genommen worden ist.

Nun zum zweiten Teil des Berichtes, was die große Koalition zukunftsorientiert für die Familien in Schleswig-Holstein macht! Ich freue mich, dass hier sehr viele Maßnahmen beschrieben und positiv bewertet werden, die wir, Rot-Grün, angeschoben haben, sei es „Welcome“, sei es KIK, seien es die Beratungsstellen „Frau und Beruf“. Diese Projekte haben sich bewährt. Sie werden von der großen Koalition weiter getragen, weiter finanziert. Das begrüßen wir und dafür auch vielen Dank für das Engagement an die Familienministerin.