- Dann ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/771, dem Sozialausschuss und mitberatend dem Bildungsausschuss und dem Wirtschaftsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! Enthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Ich erteile der Ministerin für Bildung und Frauen, Frau Ute Erdsiek-Rave, das Wort. - Frau Ministerin, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das unter dem vorigen Tagesordnungspunkt zu behandelnde Thema und das unter diesem Tagesordnungspunkt behandelte Thema gehören zusammen. Man hätte sie auch gut in einem Bericht und in einer gemeinsamen Debatte abhandeln können. Bei der Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt wird der Schwerpunkt aber vielleicht noch etwas stärker als
zuvor auf der frühkindlichen Bildung und der Kindertagesbetreuung liegen. Ich will aber natürlich den Faden weiterverfolgen, der hier sozusagen durch alle Reden hindurch gesponnen worden ist.
Ich glaube, dass die Aufmerksamkeit für das Thema der demographischen Entwicklung und des Rückgangs der Geburtenzahl in den letzten Jahren und besonders in den letzten Monaten so gewaltig geworden ist, weil eine breite Öffentlichkeit überhaupt erst jetzt die Folgen dieser Entwicklung wahrnimmt. Diese Folgen beziehen sich nicht nur darauf, dass wir weniger Familien mit Kindern haben. Es gibt vielmehr auch langfristige und wohl unumkehrbare Folgen im Hinblick auf das Rentensystem, auf die gesamten Sozialsysteme und auf das Gesundheitssystem. Mit diesen Folgen beginnen wir uns eigentlich erst jetzt konkret zu befassen.
Es war schon lange bekannt, dass die Deutschen weniger Kinder bekommen. Erst jetzt hat dieses Thema aber die breite Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit gefunden. Ich finde das gut, weil dadurch endlich auch Bewegung in die Sache kommt.
Es sind viele Ursachen für den Geburtenrückgang genannt worden: mangelnde Kinderfreundlichkeit, mangelnde Verantwortungsbereitschaft von Männern, mangelnde Erziehungsfähigkeit, vielleicht auch Sorge um Wohlstand und Karriere, Angst vor der Verantwortung. Ich glaube, keine dieser Erklärungen trifft für sich genommen zu. Ebenso ist im Umkehrschluss zu sagen, dass keine politische Maßnahme allein den Königsweg darstellt. Es gibt nicht nur einen Weg, um die Gründung von jungen Familien zu befördern. Herr Abgeordneter Harms, ich habe Ihren letzten Bemerkungen aufmerksam zugehört. Ich finde, dass wir Politiker und auch die Parteien sich nicht anmaßen sollten, den Menschen eine bestimmte private Lebensführung vorzuschreiben.
Das gilt auch für das Thema des Kinderwunsches. Das will ich hier ganz deutlich sagen. Wir sind aber, wie ich glaube, verantwortlich dafür, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sie familienund kinderfreundlich sind.
Das ist schon eine große Aufgabe. Eine permanente Aufforderung an die Frauen und neuerdings auch an die Männer wird, wie ich glaube, nichts Positives bewirken. Ich meine, dass eine solche Aufforderung - das weiß ich aus vielen Gesprächen mit
Unbestritten ist allerdings wohl der Zusammenhang zwischen einer gut ausgebauten, bezahlbaren, ortsnahen und verlässlichen Infrastruktur für Kinderbetreuung in allen Altersgruppen einerseits und einer höheren Geburtenrate bei gleichzeitig hohem Beschäftigungsanteil von Frauen andererseits. Man braucht nur nach Skandinavien oder Frankreich zu schauen, um zu erkennen, dass es diesen Zusammenhang offenbar gibt. Weil die Beförderung einer solchen Infrastruktur auch ökonomisch vernünftig ist, lohnt sich dafür, wie ich finde, jede Anstrengung. In Schleswig-Holstein hat sie sich schon gelohnt. Das gilt auch für die Zukunft. Ich meine, wir können auf die letzten 15, 20 Jahre mit einigem Stolz zurückblicken. Wenn ich „wir“ sage, meine ich damit nicht nur die Vorgängerregierungen, sondern auch das gesamte Parlament, das jeweils die erheblichen Mittel bewilligt hat, die nötig waren, um den Ausbaustand der Kindertagesbetreuung, wie wir ihn in Schleswig-Holstein jetzt haben, überhaupt zu erreichen.
Wenn man vor 16 oder 17 Jahren auf dem Lande diejenigen von Ihnen, die damals schon Kommunalpolitiker waren, werden das wissen - über Kindergärten diskutierte, dann hieß es in den kleineren Gemeinden sehr oft: Dat brukt wi hier nich. Bei uns bleiben die Frauen zu Hause. Die Kinder mögen vielleicht ein- oder zweimal in der Woche in den Kindergarten gehen, damit sie mit anderen Kindern zusammen sind. Die bildungspolitische Dimension, die familienpolitische Dimension war damals aber einfach noch nicht sichtbar. Ich will jetzt nicht gegen irgendwelche Dorfpolitiker polemisieren, wohl aber sagen, dass dies wirklich meine persönliche Erfahrung war. Frau Schwalm, Sie nicken.
Eine solche Erfahrung wie ich haben vor allem auch Frauen gemacht, die in dem genannten Bereich schon frühzeitig Politik machen wollten. In den letzten 15, 20 Jahren hat sich also wirklich viel getan, und zwar nicht nur im Bewusstsein, sondern eben auch in der praktischen Politik. Damit meine ich das Land, aber auch die Kommunen, die unendlich viel für den Ausbau von Kindertageseinrichtungen getan haben.
Wir haben deswegen in Schleswig-Holstein für Kinder von drei bis sechs Jahren inzwischen in allen Kreisen und kreisfreien Städten ein ausreichendes Angebot an Plätzen. Aufgrund unserer Eingangsuntersuchungen in Bezug auf die vorschulische Sprachförderung wissen wir, dass 96 % der
Fünfjährigen in Schleswig-Holstein eine Kindertageseinrichtung besuchen. Das ist übrigens - auch im Bundesvergleich - ein hoher Prozentsatz. Im Bundesdurchschnitt beträgt der Prozentsatz etwa 90 %. Wir liegen mit 96 % also sehr gut. Das heißt, dass auch die Voraussetzungen für den Bildungsstand der Kinder gut sind, den wir durch die vorschulische Sprachförderung ja weiter verbessern wollen. Bei den Kindern im Alter von unter drei Jahren sieht die Situation natürlich noch anders aus.
Ich will jetzt einmal etwas zum Thema Datenlage und Erhebung von Daten sagen. Es ist ja öffentliche Kritik zu hören gewesen, wir wüssten über diesen Bereich zu wenig und es gebe in anderen Bereichen Statistiken, die sehr viel genauere Erkenntnisse ermöglichten. Man muss hier zwischen drei Bereichen unterscheiden, nämlich zwischen der Bedarfserhebung, der Bedarfsermittlung und der Bedarfsplanung. Es gibt für die Ermittlung der Höhe von Elternbeiträgen und Platzkosten keine rechtlichen Grundlagen. Die Bundesjugendhilfestatistik, die sich auf Fachplanung und Kindertageseinrichtungen bezieht, wird nach einem landeseinheitlichen Verfahren nur alle vier Jahre erhoben. Zuletzt geschah dies im Jahre 2002. Die Auswertung liegt noch nicht vor.
Ab 2007 wird die Bundesjugendhilfestatistik dann endlich jährlich und auch mit zusätzlichen Erhebungsmerkmalen erhoben. Ich halte das für wichtig, denn die Datenlage - darin haben alle Kritiker Recht - ist unbefriedigend. Das liegt aber nicht etwa am mangelnden politischen Willen der Landesregierung, sondern an den gesetzlichen Grundlagen, wie sie jetzt gegeben sind. Wir können im Übrigen auch nicht auf der einen Seite ständig von Abbau der Bürokratie und von Abbau und Rückbau von statistischen Erhebungen reden und auf der anderen Seite in den Bereichen, in denen wir es für wichtig halten, immer wieder neue statistische Erhebungen fordern.
Die Jugendämter der Kreise müssen natürlich jährliche Bestandserhebungen durchführen. Sie bedienen sich dabei leider unterschiedlicher Abfrageund Auswertungsverfahren. In diesem Zusammenhang ist natürlich auch das Tagesausbaubetreuungsgesetz betroffen, das zum 1. Januar 2005 in Kraft getreten ist. Die Kreise und kreisfreien Städte waren gehalten, ihre Planungen für die Kinder unter drei Jahren im Hinblick auf die Ausbauverpflichtungen zu überprüfen und gegebenenfalls Übergangsregelungen zu treffen. Man muss wohl sagen, dass diese Aufgabe in den Kommunen nicht mit großer Vehemenz angegangen worden ist. Jedenfalls geben eine kreisfreie Stadt und vier Kreise für
Kinder unter drei Jahren an, dass sie bereits jetzt ein bedarfsgerechtes Angebot hätten. Die anderen kreisfreien Städte und Kreise verfügen entweder über Ausbaupläne bis 2010 oder entwickeln derzeit entsprechende Pläne. Viele Kommunen bemühen sich - das will ich ausdrücklich sagen -, ein bedarfsgerechtes Angebot vorzuhalten. Sie tun dies aus Verantwortung für die Bürgerinnen und Bürger. Sie tun es übrigens immer mehr auch deswegen, weil sie wissen, dass Kinderbetreuungsangebote zur Attraktivität einer Region, einer Stadt für die Menschen und für die Wirtschaft beitragen. Ich glaube, es ist einer der größten Fortschritte der letzten Jahre, dass sich diese Einsicht durchgesetzt hat.
Es hat sich also die Einsicht durchgesetzt, dass es nicht nur um eine Angelegenheit von Frauen geht, die ihre Kinder unterbringen wollen, sondern dass es ebenso um die Attraktivität eines Standortes geht. Bei den Kommunen, die Betreuungsplätze noch nicht in ausreichendem Umfang vorhalten, müssen und werden wir vonseiten des Landes mit Nachdruck darauf hinwirken, dass sie die Bedarfsermittlung und die Angebotsplanung entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durchführen.
Die Bundesregierung hat übrigens mitgeteilt, dass sie im Jahre 2008 ihrerseits den Ausbaustand der Betreuungsplätze für die Kinder unter drei Jahren überprüfen wird. Wenn eine größere Zahl von Gemeinden kein entsprechendes Angebot vorhält, soll bis 2010 ein konditionierter Rechtsanspruch geschaffen werden.
Ich halte das auch für richtig. Den Eltern muss von hier aus jedenfalls signalisiert werden, dass sie dann, wenn sie einen Kita-Platz für ihre Kinder im Alter von unter drei Jahren wünschen, dies den Gemeinden und Städten auch mit Nachdruck signalisieren müssen. Nur so kann der Bedarf überhaupt ermittelt werden. Wir haben derzeit die Situation, dass der Bedarf in vielen Kommunen nur geschätzt und nicht belastbar angegeben wird.
Bedarf und Nachfrage sind natürlich nicht von den Kosten zu trennen. Auch zu den Elternbeiträgen liegen uns bisher nur Annäherungswerte vor, weil die Kreise zum Teil selbst keine Übersicht über die Elternbeiträge vor Ort haben. Bei einer groben Schätzung ergibt sich, dass diese Beiträge in Schleswig-Holstein zwischen 105 und 158 € für fünf Stunden und zwischen 126 und 254 € für acht Stunden schwanken. Die anderen Beiträge für die
Ich will überhaupt nicht in Abrede stellen: Das ist schon für ein Kind viel Geld und ist erst recht viel Geld, wenn man mehr als ein Kind hat. Wir tun als Landtag das Möglichste. Es ist noch einmal kritisiert worden, wir deckelten angeblich die 60 Millionen €. Ich will den Spieß einmal umdrehen und darauf hinweisen, dass wir an diese Position in keiner Weise gedacht haben, als es daran ging, den Haushalt zu durchforsten und überall Kürzungen vorzunehmen. Ich finde, das ist schon eine gute gemeinsame Leistung.
Letzte Bemerkung - Herr Präsident, ich komme zum Schluss -: Einige Bundesländer sind dabei, kostenlose Kita-Jahre einzuführen. Natürlich kann man staunend davor stehen und fragen: Wie machen die das eigentlich? Mit welch höheren Schulden können die das finanzieren? Ich sage nur und bleibe realistisch, weil ich niemandem Sand in die Augen streuen möchte: Die Mehrzahl der Bundesländer hat erklärt, dass sie sich derzeit nicht in der Lage sehen, so schnell umzuschichten. Diese etwa 25 Millionen € pro Jahr aus einem solchen Haushalt, wie wir ihn jetzt haben, freizuschaufeln, ist einfach nicht möglich - kurzfristig, füge ich hinzu.
Es ist leider so, dass diese Art von Bildungsaufgaben nicht als Investitionen gelten, sondern nach wie vor als konsumtive Ausgaben. Das ist etwas, was sich in Zukunft wirklich ändern muss. Bildungsausgaben sind Investitionen in die Zukunft.
Das Ziel bleibt, mittelfristig dazu zu kommen, dass mindestens das letzte Jahr vor der Einschulung kostenfrei ist. Ich glaube, darüber gibt es in diesem Haus ohnehin nur eine Meinung, und weil das so ist, hoffe ich auch, dass es uns gelingen wird, dies in absehbarer Zeit in diesem Haus - ich möchte es gern noch erleben - umzusetzen.
Auf der Tribüne begrüße ich nun Teilnehmer des Ausbildungsverbundes Eckernförde, Schülerinnen und Schüler mit ihren Lehrern der Beruflichen Schulen des Kreises Dithmarschen in Heide, und zwar den Kurs für Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte, sowie die Mitglieder des Wirt
Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Ministerin, der mündlich gegebene Bericht hat mich ein bisschen versöhnt. Der schriftlich gegebene Bericht ist schlicht eine Unverschämtheit Schulnote sechs!
Drei Monate hatten Sie seit der Beschlussfassung im Herbst Zeit, drei Monate, in denen die Landesregierung die Fragen zur Kinderbetreuungssituation in Schleswig-Holstein, explizit zu den Kosten, beantworten sollte. Das Ergebnis ist mehr als enttäuschend. Dabei stehen der inhaltliche Gehalt und die Qualität der Information der fehlenden Länge in nichts nach. Ob die Landesregierung keine Lust hatte, einen parlamentarischen Arbeitsauftrag sorgfältig abzuarbeiten, oder ob sie im Tal der Arbeitslosen lebt, wir können darüber nur spekulieren.
Die Landesregierung hat, um diesen Bericht zu erstellen, die Jugendämter, die Kreise und die kreisfreien Städte befragt. Bis auf Ostholstein und Steinburg konnten und wollten auch alle Kreise und kreisfreien Städte antworten und haben Informationen geliefert. Bei denen, die nicht geantwortet haben, nimmt die Landesregierung dies kommentarlos hin.
Wie differenziert die Zahlen und Daten waren, die ans Ministerium gegeben worden sind, bleibt das Geheimnis der Landesregierung. Auch geht es aus dem Bericht nicht hervor, was überhaupt der Maßstab für die Feststellung der Kommunen war, wenn sie von Bedarfsdeckung sprechen. Die Landesregierung scheint leicht zufrieden zu stellen zu sein. Während Familien vor Ort händeringend nach bedarfsgerechten und bezahlbaren Betreuungsangeboten für ihre Kinder suchen, gibt sich die Landesregierung mit der lapidaren Erklärung aus den Kreisen zufrieden, eine Bedarfsdeckung sei erreicht. Auch nimmt die Landesregierung scheinbar kommentarlos hin, dass die Jugendämter in Ostholstein und Steinburg gar nicht erst Angaben darüber machen, wie die Versorgungszahlen bei ihnen sind. Dieses Verhalten der Landesregierung ist verantwortungslos. Auch bei kommunaler Zuständigkeit muss sich eine Landesregierung darum kümmern, dass Familie und Beruf miteinander vereinbar sind. Schließlich geht es um die Sicherstellung einer qua