Meine Damen und Herren! Ich eröffne die heutige Sitzung und darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Am 21. Juni 2006 verstarb im Alter von 67 Jahren der ehemalige Abgeordnete des Schleswig-Holsteinischen Landtags, Heinz Bartheidel. Er gehörte dem Parlament in der 7. und 8. Wahlperiode als Mitglied der CDU-Fraktion an.
Heinz Bartheidel, ein gebürtiger Schleswiger, ist seiner Heimatstadt als gradliniger und bodenständiger Kommunalpolitiker immer treu geblieben. Er hat mit großem Engagement die Interessen Schleswigs vertreten, er war Ratsherr und Stadtrat, bevor er 12 Jahre lang als Bürgermeister die Geschicke der Stadt leitete. Er hat sich dabei bleibende Verdienste insbesondere um die Sanierung der Altstadt erworben.
Schon 1961 ist Heinz Bartheidel in die CDU eingetreten und hat die Entwicklung im Kreis aktiv begleitet. Im Schleswig-Holsteinischen Landtag war er von 1971 bis 1978 Abgeordneter. Dort hat sich der Hochbauingenieur und Diplom-Volkswirt mit einem hohen Maß an Kompetenz, insbesondere in der Finanzpolitik und der Innen- und Rechtspolitik, eingebracht und dort wesentliche Akzente gesetzt.
Seine Verdienste um unser Land und um seine Heimatstadt sind 1986 mit dem Verdienstkreuz am Bande gewürdigt worden. Der Schleswig-Holsteinische Landtag gedenkt Heinz Bartheidel in Dankbarkeit. Unsere Anteilnahme gilt seiner Familie. Ich bitte Sie, dem Verstorbenen ein stilles Gebet zu widmen. - Meine Damen und Herren, sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben, ich danke Ihnen.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, teile ich Ihnen mit, dass Herr Abgeordneter Puls erkrankt ist. - Ich wünsche unserem Kollegen von dieser Stelle aus gute Besserung.
Wegen auswärtiger dienstlicher Verpflichtungen sind Herr Ministerpräsident Carstensen sowie die Herren Minister Dr. von Boetticher und Wiegard beurlaubt.
Auf der Tribüne begrüße ich Mitglieder des SPDOrtvereins Scharbeutz und der Fortbildungsakademie der Wirtschaft, Kiel. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen!
Ich erteile der Ministerin für Soziales, Gesundheit, Familie, Jugend und Senioren, Frau Dr. Gitta Trauernicht, das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Deutschland werden immer weniger Kinder geboren. Wir haben die niedrigste Geburtenrate in der Europäischen Union und damit eine Spitzenposition, auf die wir nicht stolz sein können und natürlich auch nicht sind. Was sind die Gründe? An den Lebensentwürfen junger Menschen kann es jedenfalls nicht liegen. Junge Frauen und Männer wünschen sich Kinder, viele von ihnen auch mehrere, obgleich jüngste Studien zeigen, dass selbst der Kinderwunsch zurückgeht. Dies ist insbesondere bei jungen Männern der Fall. Ein Grund von vielen ist sicherlich, dass Familie und Beruf schwer in Einklang zu bringen sind. Junge Frauen und Männer wollen eben beides: Sie wollen Erfolg im Beruf und ein Familienleben mit Kindern, sie wollen genügend Zeit für die Kinder haben. Deswegen bin ich davon überzeugt, dass wir um Kinderwünsche realisieren zu können - einen guten Mix aus Infrastruktur, finanzieller Unterstützung für Familien und Zeit brauchen.
Der Ihnen vorliegende Bericht gibt über die politischen Aktivitäten bei uns im Land Schleswig-Holstein Auskunft. Ich möchte in meiner Rede drei Aspekte ansprechen. Erstens geht es um die aktuelle Diskussion um die familienpolitischen Leistungen - damit beziehe ich natürlich die Bundesdebatte mit ein -, zweitens um den Aufbau von Lobbystrukturen in unserem Land und drittens um die besondere Situation vernachlässigter, sozial und gesundheitlich gefährdeter Kinder.
Zunächst zur familienpolitischen Leistung: Jahr für Jahr werden - so die Aussagen der Bundesregierung - 150 Milliarden € für familienpolitische Leistungen ausgegeben. Unser Weltwirtschaftsinstitut in Kiel hat sogar 240 Milliarden € errechnet, je nach
dem, was einbezogen wird. Ich meine, dass zu Recht eine Debatte darüber entbrannt ist, ob die über Jahrzehnte historisch gewachsene Förderlandschaft heute noch zielführend ist.
Transparenz muss und soll hergestellt werden. Akzente sollen neu gesetzt werden, aber so einfach ist es nicht. Es arbeiten auf Bundesebene bereits einige Parteien und Fraktionen an dieser Thematik, ohne dass wir bislang von einem neuen großen Wurf wüssten. Es ist auch nicht einfach.
Machen wir uns nichts vor: Wir laufen in Deutschland - anders als zum Beispiel in Frankreich oder Skandinavien - immer noch Gefahr, faule Kompromisse zu machen. Ich bin davon überzeugt, dass wir endlich konsequent die Erwerbsarbeit von Frauen als ein von ihnen gewünschtes Lebenskonzept zulassen müssen.
Fördern - auch finanziell - müssen wir aber die Entwicklung der Kinder. Für diese müssen wir die Steuermittel einsetzen und nicht für ein Taschengeld für Ehefrauen. Deshalb begrüße ich in diesem Zusammenhang auch die neue Offenheit für das Thema Ehegattensplitting.
Das neue Elterngeld weist in die richtige Richtung. Aber wir sind uns alle darüber im Klaren, dass es des konsequenten Ausbaus der Tagesbetreuung für Null- bis Dreijährige bedarf, sonst verpufft diese Leistung und war letztlich nicht mehr als eine Umverteilung der Gelder von unten nach oben.
Mit dem Elterngeld möchte ich übrigens nicht die praktischen Probleme erleben, die wir im letzten Jahr mit der Bearbeitung und Auszahlung des Kindergeldes und Kinderzuschlages nicht nur in Schleswig-Holstein erlebt haben.
(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das kann man dreimal unterstrei- chen!)
Deshalb habe ich die Bundesfamilienministerin gebeten, auf zügige Vorlage der Umsetzungsbestimmungen zu achten, und ich habe das zuständige Landesamt für soziale Dienste beauftragt, schon
jetzt alle Vorkehrungen zu treffen, die eine zeitnahe und servicefreundliche Auszahlung ab dem 1. Januar 2007 sicherstellen.
Außerdem unterstütze ich die Entstehung von Familienbüros, um eine umfassende Beratung zur Durchsetzung materieller Ansprüche von Eltern und Kindern in unserem Land zu gewährleisten. Wir werden Anfang nächsten Monats ein erstes Familienbüro an der Westküste eröffnen.
Ein zweites Thema ist, dass Familien in unserem Land eine Lobby brauchen. Wir haben die Jugendämter, wir haben aber keine adäquaten Institutionen - auch keine informellen -, die Lobbyarbeit für Familien betreiben. Deshalb fördere ich mit der Errichtung einer Servicestelle in meinem Ministerium die lokalen Bündnisse in Schleswig-Holstein. In letzter Zeit hat sich das Tempo deutlich beschleunigt. Es gibt inzwischen elf lokale Bündnisse in unserem Land. Eine kleine Broschüre, die wir aktuell erstellt haben, gibt Auskunft über die Orte, über die Zusammensetzung, über die Schwerpunkte der Arbeit dieser lokalen Bündnisse, die dann über die Servicestelle landesweit verzahnt werden. Ich verspreche mir davon eine Dynamik für die Familienpolitik in unserem Land.
Außerdem möchte ich das Signal setzen, dass Kinder in unserem Land willkommen sind und dass Familien wahrgenommen werden. Deshalb richte ich in jüngster Zeit an alle Eltern neugeborener Kinder einen Willkommensbrief und überreiche ihnen dazu eine Erstinformationsbroschüre mit vielerlei Informationen von A wie Alleinerziehung bis Z wie Zuwanderung. Dieses Material liegt seit einem Monat in Krankenhäusern, Familienbildungsstätten und anderen familienbezogenen Beratungsdiensten aus. Ich denke, auch das ist ein deutliches Signal, dass Kinder und Familien in unserem Land willkommen sind und die erforderliche Unterstützung erhalten sollen.
Außerdem hat das Kabinett im Mai beschlossen, alle Kabinettsvorlagen auf ihre Familienverträglichkeit zu checken. Seitdem haben die Ministerien den Auftrag zu prüfen, ob die Kabinettsvorlage von politischer Relevanz ist, ob sie zur Verbesserung der Situation von Familien beiträgt, ob sie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördert, aber auch, ob sie das Zusammenleben der Generationen und damit die Fürsorge für alte Menschen tatsächlich verbessert oder ob diese politische Beschlussfassung für die Familien in Schleswig-Holstein eher
von Nachteil ist. Ich kann vermelden, dass diese politische Beschlussfassung schon ihr erstes Ergebnis hatte: Der Kollege Austermann und ich haben im Kabinett die Entscheidung herbeigeführt, im Bundesrat zum Ausdruck zu bringen, dass die Kindergeldregelung, die die Absenkung von 27 Jahre auf 25 Jahre vorsieht, aus familienpolitischer Sicht von Nachteil und deswegen problematisch ist.
Nun, meine sehr geehrten Damen und Herren, zu einem sehr sensiblen Thema, dem der Erziehung und Förderung von Kindern. Ich denke, wir alle wissen, dass es Eltern generell gelingt, die Herausforderungen der Erziehung von Kindern zu meistern. Zu ihrer Unterstützung steht auch - das zeigt der vorgelegte Bericht - neben der Kindertagesbetreuung eine breite Infrastruktur, von den Familienbildungsstätten bis hin zu migrationsspezifischen Beratungsstellen, zur Verfügung. An der Weiterentwicklung dieser kommunalen Angebote ist die Landesregierung interessiert und sie leistet auch ihren Anteil.
Das Projekt „Welcome“ aus der letzten Legislaturperiode ist dafür ein gutes Beispiel. In dieser Legislaturperiode haben wir uns vorgenommen, soziale und gesundheitliche Frühwarnsysteme auf den Weg zu bringen. Das Programm „OptiKids“, das in Neumünster gestartet ist, steht für den gesundheitlichen Bereich, speziell für Ernährungsprobleme, und das Programm „Schutzengel für Schleswig-Holstein“ steht für das Problem der Vernachlässigung und Gewalt.
Ich bin froh, Ihnen sagen zu können, dass auch in Zeiten knapper Kassen und schwierigster Verhältnisse zwischen dem Land und der kommunalen Ebene alle Kreise und kreisfreien Städte mit uns übereingekommen sind, ein solches Netzwerk aufzubauen. Unsere Prämisse heißt: Früher wahrnehmen, schneller handeln, besser kooperieren, damit kein Kind durch das Netz fällt. Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Im Spätsommer beginnt in allen Kreisen und kreisfreien Städten das Netzwerk sozialer und gesundheitlicher Hilfen „Schutzengel für Schleswig-Holstein“.
Meine Bitte lautet: Unterstützen auch Sie vor Ort dieses Angebot nach Kräften. Zeigen Sie Interesse, stellen Sie Öffentlichkeit her. Versuchen Sie, diese Konzepte weiterzuentwickeln. Lassen Sie uns gemeinsam an dem Ziel arbeiten, dass kein Kind verloren geht, dass das Signal an die Gesellschaft geht, dass wir uns kümmern.
Das Wohl der Kinder sollte für uns im Mittelpunkt stehen, die Botschaft auch an jene Eltern, die sich
in schwierigsten Verhältnissen befinden und manchmal keine andere Lösung sehen, als ihre Kinder zu vernachlässigen oder sie sogar noch mehr zu Schaden kommen zu lassen. Ihnen sollten wir das Signal geben: Ihr seid nicht allein mit euren Problemen; wir können euch helfen, entweder indem das Kind bei euch und mit euch aufwachsen kann oder indem es Alternativen zum Beispiel in Pflege- und Adoptivfamilien gibt.
Ohne Zweifel brauchen wir also für die Schwächsten unserer Gesellschaft mehr Verantwortung. Das Netz der Hilfen muss verlässlicher und dichter geknüpft sein, die öffentliche Wahrnehmung muss geschärft werden. Wir müssen uns verantwortlich fühlen und kümmern. Deshalb setzen wir uns als Landesregierung auch für mehr Verbindlichkeit bei den Früherkennungsuntersuchungen ein. Wir haben die Bundesratsinitiative unterstützt und wir haben auf der Jugendministerkonferenz im Mai entsprechende Beschlüsse herbeigeführt.
Der Bundesrat hat auf Initiative Hamburgs und Schleswig-Holsteins eine Entschließung gefasst, die das Ziel hat, eine höhere Verbindlichkeit der Früherkennungsuntersuchungen vorzusehen. Das Familienministerium in Berlin hat angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode eine Initiative für den besseren Schutz gefährdeter Kinder voranzutreiben und auch finanziell zu unterlegen. Wir können von Schleswig-Holstein aus sagen: Wir sind an dem Thema dran, wir sind dabei.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, alle Aktivitäten der Landesregierung haben wir in einem eigenen schleswig-holsteinischen Kinder- und Jugend-Aktionsplan gebündelt. Damit geht das Signal an alle Aktiven in unserem Land, ob hauptamtlich oder ehrenamtlich: Diese Landesregierung nimmt die Zukunft Ihrer Kinder ernst. An ihnen wollen wir nicht sparen.