Protokoll der Sitzung vom 13.09.2006

Mit diesem Haushaltsentwurf muten wir den Lehrerinnen und Lehrern, den Polizisten und überhaupt allen Beschäftigten im öffentlichen Dienst, in den Kommunen und vielen Vereinen und Verbänden, bei denen im Doppelhaushalt gekürzt wird, eine Menge zu. Dies dient dazu, die Handlungsfähigkeit mittel- und langfristig zu sichern und wiederherzustellen. Ich kann deshalb den Protest der Beschäftigten, den sie heute Nachmittag vor dem Landeshaus zum Ausdruck bringen werden, und ihre Betroffenheit verstehen.

Unser Ziel, die Neuverschuldung zu halbieren und einen verfassungsgemäßen Haushalt in absehbarer Zeit zu verabschieden, bedeutet nach wie vor, dass Kürzungen unumgänglich sind und dass Steuermehreinnahmen zur Reduzierung der neuen Kredite eingesetzt werden müssen. Insofern, Herr Finanzminister, unterstützt die SPD-Landtagsfraktion ausdrücklich Ihre Position. Steuermehreinnahmen müssen zur Senkung der Neuverschuldung genutzt werden und wir dürfen diesen Kurs nicht aufweichen:

(Beifall bei SPD und CDU)

Keiner der beiden Koalitionspartner kann sich bei dem, was in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren ansteht, im Windschatten des anderen bewegen. Der Erfolg wird sich nur dann einstellen, wenn wir die nächsten Haushalte im Team von roten und schwarzen Kabinettsmitgliedern und beiden Fraktionen voranbringen, wie es schon bisher seit dem 27. April 2005 läuft. Das ergibt eine gute Zusammenarbeit.

(Beifall bei SPD und CDU)

Beide Koalitionsparteien entwickeln natürlich Perspektiven, Visionen und Programme; Kollege Wadephul ist in anderem Zusammenhang schon darauf eingegangen. Maßgeblich für die Arbeit in der großen Koalition ist für uns allerdings ausschließlich der Koalitionsvertrag. Denn er ist das Ergebnis davon, dass zwei Parteien eine Regierung bilden und in der Regierungsarbeit auch Kompromisse eingehen, die nicht 1:1 mit dem identisch sind, was in Programmen steht.

Durch den Beschluss des Landesparteitages haben wir uns auf zwei Abweichungen geeinigt: Das ist zum einen die Kürzung beim kommunalen Finanzausgleich und zum anderen die Reduzierung bei den Sonderzahlungen. Wer weitere im Koalitions

(Dr. Johann Wadephul)

vertrag vereinbarte Ziele einseitig infrage stellt und eigentlich einen Kompromiss vom Kompromiss fordert, muss wissen, dass dann über die Grundlage für eine gemeinsame Arbeit diskutiert werden muss.

Ich bin optimistisch, dass wir mehr erreichen, als uns viele zugetraut haben. Dass wir den Koalitionsvertrag abarbeiten, ist zu Recht die Erwartung der Menschen. Zu Recht wird auch erwartet, dass mehr geleistet wird.

Wir sagen den Menschen in Schleswig-Holstein und das gehört zu den Aufgaben, wenn man Regierungsverantwortung hat und dafür wird man manchmal etwas hart rangenommen -, wohin die Reise geht: Das sind schmerzhafte Einschnitte, aber es gibt keine Alternative. Die Menschen verlangen Offenheit und Ehrlichkeit, auch wenn es schmerzhaft ist. Und am Ende werden sich diese Offenheit und diese konsequente Richtung auszahlen. Eine kurzfristige populistische Hoffnung, die geweckt würde, wäre der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich die große Koalition in Berlin betrachte, so habe ich manchmal den Eindruck, dass dort genauso wie beim HSV noch an der Teamfähigkeit gearbeitet werden muss.

Die Menschen erwarten zu Recht, dass auch in Berlin aufgezeigt wird, welche Ziele die große Koalition in dieser Legislaturperiode erreichen will. Diese Perspektive ist für mich zumindest beim Thema Gesundheitsreform noch nicht klar zu erkennen. Es sind bisher eher Zielsetzungen - und das sage ich mit selbstkritischem Blick auf die eigene Partei -, die an die wenig ruhmreiche Gesundheitspolitik der Vergangenheit erinnern. Rot-Grün hatte den Beitragszahlern eine Senkung der Krankenkassenbeiträge in Aussicht gestellt. Diese Senkung ist bis heute nicht erfolgt und nun deutet sich mit der Gesundheitsreform eine weitere Erhöhung der Beiträge an. Dies können die Menschen nicht begreifen und es ist draußen auch nicht zu erklären.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, woran hat sich eine Gesundheitsreform zu orientieren?

Erstens. Das Prinzip der solidarischen Krankenversicherung und das ungeteilte Recht auf die medizinisch notwendige Versorgung müssen aufrechterhalten werden.

Zweitens. Wir wollen keine neue Bürokratie für den geplanten Gesundheitsfonds aufbauen. Der Beitragseinzug muss bei den Kassen verbleiben.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Drittens; das betrifft jetzt wieder die Landespolitik. Landesspezifischen Benachteiligungen bei der Gesetzesnovelle - wie zum Beispiel weiteren Budgetabsenkungen bei den Krankenhäusern - müssen wir auf Bundesebene energisch gegenübertreten, und zwar gerade wegen des UK S-H.

(Beifall bei der SPD)

Ein letzter Punkt; das ist sozialdemokratisches Herzblut. Im weiteren politischen Prozess müssen wir darauf drängen, dass auch die private Krankenversicherung mit in die Solidargemeinschaft einbezogen wird. Ich glaube, dann sind wir auf dem richtigen Weg und dann ist es eine Reform, die diesen Namen auch verdient.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ein weiteres Thema, das uns auch in Zukunft beschäftigen wird, ist die Föderalismusreform. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass das, was wir kritisch vorgetragen haben, nicht berücksichtigt worden ist. Natürlich ist es unbestreitbar, dass aufgrund der Föderalismusreform I die komplizierten und langwierigen Verfahren zwischen Bundesrat, Bundesregierung, Bundestag entschlackt worden sind, aber jetzt kommt es darauf an, in den neuen Feldern, wo wir als Landtag die Zuständigkeit haben, zusammen mit der Landesregierung und mit den anderen norddeutschen Ländern zu Übereinkünften zu kommen, damit hier nichts auseinanderfleddert, was dann eher an die napoleonische Kleinstaaterei erinnert als an einen modernen föderalen Bundesstaat.

Ein Punkt, der mir doch gewisse Sorgen bereitet, ist das Thema Föderalismusreform II. Dazu muss man deutlich sagen, auch wenn sich bestimmte Ministerpräsidenten, die nicht meiner Partei angehören, im Süden Deutschlands an einem wunderschönen See treffen: Welche Zukunft Deutschland im föderalen System hat, wird nicht im Süden entschieden, daran müssen alle beteiligt werden. Es gibt keine Alternative zu einem solidarischen Föderalismus, wie wir ihn in der Vergangenheit auch gehabt haben, sonst werden wir den Prozess der Deutschen Einheit überhaupt nicht vollenden können.

(Beifall bei der SPD)

(Lothar Hay)

Ein weiterer kritischer Punkt, weil es auch um Interessen des Landes Schleswig-Holstein geht, ist das Thema Unternehmensteuerreform. Da gilt für meine Fraktion: Erst kommt das Land und dann der Bund.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir können sicher das Ziel unterstützen, mit einer solchen Reform noch zu einer besseren Positionierung deutscher Unternehmen im internationalen, vor allem im europäischen Steuervergleich zu kommen. Allerdings müssen zur korrekten Einordnung der Situation nicht nur die Steuersätze, sondern die tatsächliche Steuerbelastung mit herangezogen werden. Es gibt genügend Studien darüber.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Steuerbelastung und Steuersätze sind unterschiedlich.

Wichtig ist für uns die Aufkommensneutralität. Das heißt, wir erwarten, dass dann auch über eine Gegenfinanzierung nicht nur intensiv nachgedacht wird, sondern dass auch Entscheidungen getroffen werden, was das Schließen von Steuerschlupflöchern betrifft, was andere Tatbestände der Steuerabsetzfähigkeit betrifft. Ich kann nicht akzeptieren, wenn sich die parlamentarische Staatssekretärin im Bundesfinanzministerium hinstellt und sagt: Wir gehen davon aus, dass die Unternehmensteuerreform mittelfristig mindestens 5 Milliarden € minus in den Kassen der öffentlichen Haushalte bedeuten wird. Dann kann ich mir genau ausrechnen, was das für das Land Schleswig-Holstein bedeutet, nämlich dass eventuell alle Konsolidierungsbemühungen, die wir hier mit unserem Doppelhaushalt machen, in Zukunft durch eine solche Unternehmensteuerreform gefährdet werden und wir fangen dann wieder von vorn an. Das kann doch nicht das Ziel sein. Da vertraue ich aber auch unserem Ministerpräsidenten, dass er dieses Thema in Berlin aufgreifen wird.

(Beifall bei SPD und CDU)

Man kann erkennen, dass diese Position, die ich gerade vorgetragen habe, von immer mehr Politikern erkannt wird; 12 von 16 SPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden haben dieses deutlich Richtung Berlin gemeldet und haben das auch mit dem Fraktionsvorsitzenden Peter Struck diskutiert.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Was ist mit den anderen vier?)

- Das sind diejenigen, Frau Heinold, die Ihnen wahrscheinlich näherstehen, wie zum Beispiel die in Rheinland-Pfalz, die sagen, wir haben so viel

Geld im Haushalt, wir brauchen uns darüber nicht zu unterhalten.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Rheinland-Pfalz hat mehr Schul- den als wir!)

Wenn wir jetzt den Doppelhaushalt 2007/2008 angehen und deutlich machen, in welche Richtung das geht, dann sind wir uns sicherlich bewusst, dass wir noch eine schwere Bergetappe vor uns haben. Es wäre klug, wenn wir uns auf die richtige Übersetzung einstellen, damit wir nicht am nächsten steileren Anstieg verhungern. Deshalb bin ich froh über die Vorsorgepolitik, die Finanzminister Wiegard immer in seinen Vorschlägen mit drin hat. Wir wissen auch nicht, wie das Thema Mehrwertsteuererhöhung sich letztendlich auf die Konjunktur auswirkt. Ich halte sehr viel davon, konservativ heranzugehen, Vorsorge zu treffen und nicht Hoffnungen zu wecken, die wir nicht einhalten können.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Wir halten an dem Ziel für 2008 fest, die Nettokreditaufnahme auf rund 1,2 Milliarden € zu senken. Genauso richtig und wichtig ist das Ziel, bis zum Jahre 2010 die Neuverschuldung auf 850 Millionen € zu senken. Die Möglichkeiten weiterer Einnahmesteigerungen - sagte ich gerade - sind abhängig von der konjunkturellen Entwicklung. Ich weiß nur eines: Alle Versuche, über Steuerpolitik zu einer Belebung der Konjunktur beizutragen, haben nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis versagt. Deshalb sollten wir uns auf so etwas auch nicht verlassen. Deshalb konzentrieren sich unsere Konsolidierungsmaßnahmen in erster Linie auf den Bereich der Ausgaben. Im Personalbereich, aber auch bei den Zuwendungen wird es zu weiteren Veränderungen kommen müssen. Daneben sind schon Initiativen ergriffen, müssen noch mehr Initiativen über den Bundesrat ergriffen werden, um belastende Steuergesetze, um belastende Gesetze so zu gestalten, dass sie zu einer Entlastung der Länder beitragen und damit letztendlich der Haushaltskonsolidierung dienen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben uns die Entscheidung, nachdem uns der Landesparteitag diese Möglichkeit eröffnet hat, nicht leicht gemacht, eine Kürzung bei den Sonderzahlungen vorzunehmen. Wir haben versucht, auch gemeinsam mit unserem Innenminister Ralf Stegner, diese Kürzungen so sozialverträglich wie möglich zu staffeln. Der verständliche Protest wird bleiben, da diese Sonderzahlungen natürlich für sehr viele ein fester Einkommensbestandteil sind. Wir sehen dazu

(Lothar Hay)

aber keine Alternative, deshalb werden wir an diesem Kurs auch festhalten.

Die geplanten Kürzungen im Bereich des kommunalen Finanzausgleichs von 120 Millionen €, die nach wie vor zu Diskussionen mit der kommunalen Familie führen, haben zu vielen Sitzungen geführt. Letztendlich haben wir im Koalitionsausschuss eine Möglichkeit der Kompensation gefunden, eine Kombination von direkten Entlastungen, Abfederungsmaßnahmen, Entnahmen aus dem Kommunalen Investitionsfonds und einer mittelfristig konsequent umgesetzten Verwaltungsstrukturreform. Man hat immer wieder den Eindruck, dass das, was damals im Koalitionsausschuss vereinbart worden ist, schon teilweise in Vergessenheit geraten ist. Ich will einige wesentliche Punkte nennen, die natürlich nicht von heute auf morgen wirken. Wir müssen auch die gesetzlichen Voraussetzungen schaffen, Herr Kollege Geerdts. Insofern haben wir noch viel zu tun bis zur Verabschiedung des Haushaltes im Dezember. Ein Punkt ist dabei zum Beispiel die Beteiligung der Eltern an den Schülerbeförderungskosten in einer Größenordnung bis zu 11 Millionen €, eine Entscheidung, die in Eigenverantwortung der Landkreise getroffen werden muss und nicht hier im Landtag. Das ist kommunale Selbstverwaltung. Aufgrund der Situation der Haushalte muss dieses direkt in den Kreistagen entschieden werden und nicht hier im Landtag.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiterer Punkt ist die Entlastung der Kommunen aufgrund des Hartz-IV-Änderungsgesetzes 2006 um 10 Millionen €. Wenn wir bei den Personalkosten kürzen - Kürzungen bei den Sonderzahlungen -, bedeutet dies natürlich auch eine Kürzung bei den Personalkosten auf kommunaler Ebene. Herr Wiegard hat darauf hingewiesen, was der Landkreistag dazu entschieden hat.

Ein wichtiger Punkt, der bisher in dem Maße in der Öffentlichkeit noch gar nicht diskutiert worden ist, ist das Umswitchen, wenn man diesen Begriff einmal verwenden darf, von 20 Millionen € aus dem Schleswig-Holstein-Fonds für verstärkte kommunale Investitionen, nicht nur im kommunalen Straßen- und Wegebau, und der größte Brocken ist die Verwaltungsstrukturreform mit 30 Millionen € auf mittlere Sicht. Weil der letzte Punkt nicht sofort eintritt, muss es degressiv abbauend eine Entnahme aus dem Kommunalen Investitionsfonds geben.

Ein weiterer Punkt, weil hier immer so mit einem leicht ironischen Unterton über den Schlie-Bericht diskutiert wird: Da ist vieles drin, was man umsetzen muss, vieles, was hinterfragt werden muss. Ich