Protokoll der Sitzung vom 26.05.2005

Aber auch für die CDU ist dieser Entwurf peinlich, wird sie doch an ein ideologisches Produkt erinnert, das von tiefen Ressentiments gegenüber dem Naturschutz geradezu durchtränkt ist.

(Herlich Marie Todsen-Reese [CDU]: Du hast es immer noch nicht kapiert!)

Ich spüre, dass dies dem neuen Minister und seinem fachlich kompetenten Staatssekretär einige Bauchschmerzen bereitet. Da habe ich aber nicht so viel Mitleid.

Herr von Boetticher, Sie haben jetzt die Chance, sich von diesem Machwerk zu distanzieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für den SSW im Landtag erteile ich Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der uns heute vorliegende Gesetzentwurf der FDP zum Landesnaturschutzgesetz ähnelt dem Gesetzentwurf der CDU aus der vorherigen Legislaturperiode in der Tat in weiten Zügen. Seinerzeit hat der SSW dem Gesetzentwurf der CDU nicht vollends zugestimmt, da aus unserer Sicht wichtige Bereiche im Gesetzentwurf weggelassen wurden. Ich möchte aber gerade heute, da ich zehn Minuten Zeit habe, auch nicht verschweigen, dass der damalige Gesetzentwurf durchaus auch gute Ansätze hatte.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Nun aber zum vorliegenden Gesetzentwurf. Lobend hervorheben möchte ich vor allem, dass der Gesetzentwurf deutlich schlanker gefasst ist als die derzeit

(Lars Harms)

geltende Bestimmung. Das hatte ich damals auch schon gesagt. Hierzu muss ich ganz klar sagen, dass dies wirklich ein richtiger Schritt ist; denn wir haben uns alle vorgenommen, die Regelungsdichte im Land zu verschlanken.

Das fängt damit an, dass wortwörtliche Übernahmen von Bestimmungen des Bundesnaturschutzgesetzes herausgenommen wurden und stattdessen auf die entsprechende Passage im Bundesnaturschutzgesetz verwiesen wird. Hierbei handelt es sich nicht um eine inhaltliche Verschlankung; denn die Ziele des Gesetzes sollen ja nicht verringert werden. Es trägt aber trotzdem dazu bei, das Gesetz überschaubarer zu machen. Somit vereinfacht es auch den Gesetzestext.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Ein weiterer Punkt, den der SSW in diesem Zusammenhang begrüßt, ist die Tatsache, dass die FDP mehrere Verordnungsermächtigungen im Gesetzentwurf verankert hat. Herr Kollege Hentschel, dadurch wird das Gesetz leichter verständlich und übersichtlicher. Auch die Anwendbarkeit wird dadurch eindeutig verbessert. Trotz der genannten Vorteile möchte ich aber auch ganz klar deutlich machen, dass diese Möglichkeit mit einem großen Vertrauensvorschuss verbunden ist, mit dem die Landesregierung dann gegebenenfalls verantwortungsvoll umgehen muss.

Ein weiterer Punkt, den der SSW durchaus positiv, aber nicht unbedingt unkritisch sieht, ist die Streichung der Landschaftsrahmenpläne. Wir wissen, dass dies die naturschutzfachliche Planung ist, in der die überörtlichen Erfordernisse und Maßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes für die Planungsräume der Regionalpläne dargestellt werden. Wenn wir also wollen, dass diese Planungsebene wegfällt, dann muss auch sichergestellt werden, dass diese Erfordernisse und Maßnahmen im Landschaftsprogramm entsprechend aufgenommen werden. Dies dürfte letztendlich nicht so schwer fallen, da sowohl das Landschaftsprogramm als auch die Landschaftsrahmenpläne bisher von der obersten Naturschutzbehörde erstellt wurden. Insofern macht eine Zusammenfassung Sinn.

In diesem Zusammenhang möchte ich aber auch kurz auf die Rolle der Gemeinden eingehen. Bei der Erstellung des Landschaftsprogramms müssen die geltenden Landschaftspläne nach Auffassung des SSW stärker und verbindlicher als bisher berücksichtigt werden. Dies würde auch die positiven Effekte haben, dass die Planungshoheit der Gemeinden gestärkt wird und dass die kommunalen Vertreter motiviert werden; denn diese fühlen sich gerade von diesen übergeordneten Plänen stark betroffen und

würden sich freuen, wenn man ihre Arbeit vor Ort ernst nehmen würde.

(Beifall bei SSW, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Ein weiterer positiver Aspekt im Gesetzentwurf ist der § 8 Abs.1 Nr. 4, in dem es um die Genehmigungsverfahren geht. Danach gilt die Genehmigung der beantragten Eingriffe einschließlich der vorgesehenen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen als erteilt, wenn die zuständige Naturschutzbehörde nicht innerhalb von sechs Wochen nach Eingang entschieden hat. Das Motto lautet also: Keine Entscheidung ist auch eine Entscheidung. Dies begrüßen wir, da somit die Umsetzung von Projekten deutlich erleichtert wird, ohne dass Einflussmöglichkeiten durch das Naturschutzrecht eingeschränkt werden. Das ist eine Lösung, die durchaus einen Kompromiss darstellt.

Fraglich ist aus unserer Sicht jedoch, was passiert, wenn ein nach dem Gesetzentwurf unzulässiges Projekt dadurch als genehmigt gilt, dass die Behörde die Genehmigung nicht rechtzeitig innerhalb von sechs Wochen versagt hat. Gilt das Projekt dann als genehmigt oder ist es immer noch unzulässig? Diese Frage müssen wir im Ausschuss genau beantworten, damit sichergestellt ist, dass hier nichts schief läuft.

Der in § 10 des Gesetzentwurfs geregelte Vorrang des Vertragsnaturschutzes wird vom SSW stark befürwortet. Das haben wir immer gesagt. Aus unserer Sicht ist dies genau der richtige Weg, um in der Bevölkerung für eine breite Akzeptanz von Naturschutzmaßnahmen zu sorgen. Schutzgebiete können weiterhin wie gehabt ausgewiesen werden, aber bei den Maßnahmen sollte der Vertragsnaturschutz Vorrang haben, bevor man sich ordnungsrechtlicher Maßnahmen bedient. Inwieweit dies rechtlich so durchgestanden werden kann und wie eine solche Regelung in der Praxis umgesetzt werden kann, müssen wir im Ausschuss noch einmal prüfen. Grundsätzlich gilt aber, dass der vorgeschlagene Weg richtig ist.

Eine Regelung des bestehenden Naturschutzgesetzes, die mit einem negativen Effekt behaftet ist, ist der bestehende § 41, den Sie mit „Enteignung“ überschrieben haben. Hier bin ich der Auffassung, dass eine Änderung dieser Regelung durchaus sinnvoll ist. Die FDP hat ja auch daran gedacht, diesen Paragraphen zu streichen. Wenn wir den Naturschutz nämlich mit derartigen Begriffen versehen, dann fügen wir ihm mehr Schaden zu, als dass es hilft.

(Beifall bei SSW und FDP)

Wir begrüßen den von der FDP eingeschlagenen Weg, die Pflicht zum Naturschutz festzuschreiben und dabei das Recht auf Entschädigung zu gewäh

(Lars Harms)

ren, wenn es aufgrund von Naturschutzgesetzen oder -verordnungen zu Einschränkungen kommt. Dieser Schritt ist aus unserer Sicht der richtige Weg, weil dadurch sowohl der Naturschutz zugelassen als auch eine Entschädigung sichergestellt wird.

(Beifall bei SSW, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Es gibt im vorliegenden Gesetzentwurf aus unserer Sicht aber natürlich auch Punkte, denen wir sehr kritisch gegenüberstehen. Insbesondere im Unterabschnitt I des Gesetzentwurfs fehlen nach Auffassung des SSW wichtige Bereiche. So sind in dem Entwurf keine Regelungen für Naturerlebnisräume mehr vorgesehen. Ich glaube dies ist ein Schritt zurück; denn gerade die Naturerlebnisräume sind ein elementarer Teil der Umweltbildung. Bisher waren sie eine Auszeichnung für Kommunen und andere Träger, die sich um den Naturschutz bemüht haben. Diese Gebiete sind „unschädlich“, da sie nicht mit Restriktionen versehen sind. Sie wirken stattdessen motivierend und sie werden von den Kommunen selbst ausgewählt. Dies hat dazu geführt, dass die Kommunen einen freiwilligen Naturschutz vor Ort durchführen. Damit schärft man bei den Menschen langfristig das Bewusstsein für die Natur. Deswegen brauchen wir Naturerlebnisräume.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Deshalb finden wir es auch mehr als bedauerlich, dass Sie in Ihrem Entwurf vorsehen, den Landesnaturschutzbeauftragten abzuschaffen, und dass im Entwurf keine Regelungen mehr zur Akademie für Natur und Umwelt vorkommen. Gerade die Umweltakademie hat den Kommunen in den Bereichen des Natur- und Umweltschutzes immer mit qualifiziertem Rat zur Seite gestanden. Somit hat sich die Akademie insbesondere auf kommunaler Ebene einen guten Ruf erarbeitet.

Ebenso fehlen im Unterabschnitt I klare Formulierungen zu Landschaftsschutzgebieten und Biosphärenreservaten. Mir ist klar, dass Biosphärenreservate natürlich auch im Bundesnaturschutzgesetz geregelt sind. Hier vermissen wir insbesondere deutliche Aussagen zu den Landschaftsschutzgebieten. Was wird aus diesen Gebieten und welchen Schutzstatus sollen sie stattdessen erhalten? Auch diese Frage können wir dann im Ausschuss erörtern. Hier steckt möglicherweise noch mehr Naturschutz drin, wenn Landschaftsschutzgebiete auf einmal einen stärkeren Schutzstatus erhalten, indem sie Naturparks oder auch Naturschutzgebiete werden. Auch das muss man be

denken. Irgendetwas muss man mit diesen Gebieten tun, bevor man diese Schutzkategorie streicht.

Hervorheben möchte ich die Tatsache, dass die FDP die gartenbauliche Nutzung künftig nicht mehr als Eingriff in Natur und Landschaft darstellt. Hier hat sich die FDP den Spielraum des § 18 Abs. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes zunutze gemacht, in dem den Ländern die Möglichkeit eingeräumt wird, im Hinblick auf Eingriffe nähere Vorschriften zu erlassen. Leider müssen wir feststellen, dass die FDP diese Option nicht vollends ausgenutzt hat; denn es finden sich keine Regelungen zu Küstenschutzmaßnahmen. Auch Küstenschutzmaßnahmen stellen nach unserer Auffassung Eingriffe dar, die sich eben nicht negativ auf den Naturhaushalt auswirken. Deshalb sollten sie rechtlich nicht als Eingriffe gewertet werden.

(Konrad Nabel [SPD]: Das hatten wir schon!)

- Richtig, lieber Kollege Nabel, das hatten wir schon. Wir geben aber die Hoffnung nicht auf, dass auch bei Ihnen einmal die Erkenntnis reift, dass Küstenschutz für unser Land wichtig ist.

(Beifall bei SSW, FDP und vereinzelt bei der CDU)

Leider müssen wir aber auch feststellen, dass einige Formulierungen im Gesetzentwurf dazu führen könnten, dass bestimmte Grundintentionen des Naturschutzgesetzes inhaltlich aufgeweicht werden, da in bestimmten Paragraphen unverbindlichere und weichere Formulierungen benutzt werden. Es ist auch rechtlich manchmal ein Problem, wenn man aus einem „muss“ ein „soll“ macht. Deswegen sagen wir lieber: Macht es verbindlich, dann weiß man, woran man ist. Mit der Formulierung „soll“ beschwört man Streit, Gerichtsverfahren und ich weiß nicht, was noch alles, herauf. Hier halten wir also weiterhin verpflichtende Formulierungen für sinnvoll und zielgerecht.

Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass im Landesnaturschutzgesetz eindeutige Kriterien festgelegt werden müssen, die deutlich machen, welche Ausnahmen nach § 20 Abs. 3 zulässig sind und welche nicht. Hier brauchen wir für bauliche Anlagen an Gewässern klare Regelungen.

Ebenso brauchen wir klare Regelungen im Zusammenhang mit der Stiftung Naturschutz. Dem Entwurf der FDP ist zu entnehmen, dass sie auch den Weisungen des Ministeriums unterstehen soll. Damit wäre sie aber keine unabhängige Stiftung mehr. Deshalb muss die Passage in § 42 Abs. 2 herausgenommen werden. Gleichzeitig sollte unter Nr. 2 im gleichen Paragraphen festgelegt werden, dass die

(Lars Harms)

Grundstücke durch die Stiftung Naturschutz nicht nur zu pflegen sind, sondern dass auch die Betreuung der Grundstücke durch die Stiftung sicherzustellen ist. Das fehlt dort noch.

Abschließend möchte ich noch kurz auf den § 52 des Gesetzentwurfs eingehen, in dem es um die Erstattung von Auslagen geht. Hier soll das Land nach Ansicht der FDP künftig auf die Erstattung ihrer Auslagen bei behördlichen Gestattungen verzichten. Angesichts der derzeitigen Finanzlage des Landes Schleswig-Holstein halte ich diesen Passus für nicht vertretbar. Schließlich muss auch bei anderen Genehmigungen und Gestattungen gezahlt werden.

Aus Sicht des SSW hat der Entwurf der FDP zum Landesnaturschutzgesetz durchaus gute Ansätze, aber ich habe mehrmals darauf verwiesen, dass wir bei einigen Passagen des Entwurfs durchaus auch Änderungsbedarf sehen.

Trotzdem begrüßen wir den Gesetzentwurf und die Initiative. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Den Gesetzentwurf und unsere heutige Debatte sehe ich als kreativen Beitrag zur Meinungsbildung für einen Gesetzentwurf, der noch von den Koalitionsfraktionen kommen soll. Ich würde mich freuen, wenn wir hier mit einer möglichst breiten Mehrheit und mit einem möglichst breiten Konsens Naturschutzgesetze verabschieden. Vielleicht ist dies in einer neuen Kombination möglich. Wenn nicht, dann wäre das schade. Wir vom SSW wollen auf jeden Fall unseren Beitrag dazu leisten.

(Beifall bei SSW, FDP und des Abgeordne- ten Jürgen Feddersen [CDU])

Ich danke dem Kollegen Harms. - Für die Landesregierung hat Herr Landwirtschaftsminister Dr. Christian von Boetticher das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein herzlicher Dank an die FDP, dass sie mir erlaubt, meine Jungfernrede in diesem Haus über ein wichtiges Werk, nämlich über das rechtliche Hauptwerk des Naturschutzes, zu halten! Vielleicht zuvor ein grundlegendes Wort: Herr Hildebrand, ich habe am Anfang Ihrer Rede ein paar positive Worte zum Naturschutz vermisst. Man kann sehr viel über Naturschutz und Ordnungsrecht philosophieren, aber ich glaube, eines sollte uns in diesem Hause verbinden, nämlich dass wir auch in dieser Legislaturperiode dafür sorgen wollen, dass die Gewässer ein bisschen

reiner werden, dass die Luft ein bisschen besser wird und dass sich auch der ökologische Zustand der Landschaft ein wenig verbessert. Ich glaube, wir alle wollen, dass wir im Laufe der Jahre mehr Naturschutz haben. Das sollte im Vordergrund stehen, egal wie nachher eine Rechtsdebatte darüber geführt wird,

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

denn - und das steht auch in der Koalition eindeutig im Vordergrund - die Natur hat einen hohen Eigenwert. Wir wollen Ökonomie und Ökologie in einen Ausgleich bringen, denn beide sind gleichrangig zu sehen.

(Beifall bei der CDU)