Wenn das das Begründungselement für die Einführung ist, gilt das in gleicher Weise. - Wir wollen schließlich und endlich das bereits seit Jahren in der politischen Debatte befindliche Landesverfassungsgericht einrichten. Schließlich mussten die Oppositionsführerschaft und die Antragsbefugnis
für eine Normenkontrollklage vor dem Verfassungsgericht neu geregelt werden. Künftig sollte nämlich nicht nur ein Drittel der Mitglieder des Landtages einen solchen Normenkontrollantrag vor dem Verfassungsgericht stellen dürfen, sondern bereits eine Fraktion.
Das sind die Eckpunkte unseres Gesetzentwurfes, den wir auch hier und heute erneut als Änderungsantrag zur Abstimmung stellen, ergänzt um neue Regelungen zur Information des Parlaments durch die Landesregierung.
Diesem doch umfassenden Gesetzentwurf setzt die Koalition nun ihren Gesetzentwurf entgegen, der nicht so weit reicht wie der von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW, aber in den Bereichen, die auch die große Koalition aufgreift, fast identisch ist mit unserem Entwurf. Insoweit hat es seinerzeit auch verwundert, dass CDU und SPD mit einem eigenen Gesetzentwurf ins Parlament gegangen sind, anstatt die wenigen Änderungen in Form von Änderungsanträgen im Ausschuss oder hier im Parlament einzubringen.
Die Unterschiede zwischen unserem Gesetzentwurf und dem von SPD und CDU sind folgende: CDU und SPD haben den Schutz der genannten sozialen Minderheiten nicht geregelt. Neben der besonderen Förderung von Pflegebedürftigen wurde die besondere Förderung von Menschen mit Behinderung von CDU und SPD nicht berücksichtigt. Was mich besonders schmerzt, auch angesichts der öffentlichen Debatte, die die Union bundesweit führt, ist die Tatsache, dass der Schutz von Kindern und Jugendlichen im Gesetzentwurf nicht geregelt ist
und dass der Tierschutz fehlt. Ursprünglich sah der Gesetzentwurf von CDU und SPD vor, die Antragsbefugnis für Normenkontrollklagen bei einem Drittel der Mitglieder des Landtages zu belassen. Bei diesem letzten Punkt aber hat es in den Ausschussberatungen eine Entwicklung gegeben, die wir ausdrücklich begrüßen. Wir erkennen es ausdrücklich an, dass sich CDU und SPD darauf haben einigen können, die Antragsbefugnis vor dem Verfassungsgericht dahin gehend zu ändern, dass bereits zwei Fraktionen oder eine Fraktion plus SSW in der Lage wären, Gesetze vor dem Verfassungsgericht überprüfen zu lassen, die für verfassungswidrig gehalten werden.
Das macht auch grundsätzlich Sinn. Ansonsten kämen wir in eine komische Situation auf der Grundlage des Koalitionsvertrages, der ja wenigstens gelegentlich noch Gültigkeit haben soll. Man stelle sich vor, die Opposition hielte ein Gesetzesvorhaben für verfassungswidrig wie beispielsweise das neue Polizeirecht von Innenminister Stegner. Dann müssten, um einen Normenkontrollantrag vor dem Verfassungsgericht zu ermöglichen, auch Abgeordnete der Regierungskoalition diesen Antrag unterschreiben, also gerade auch Abgeordnete, die im Parlament für dieses Gesetz gestimmt haben. Das wäre absurd, insbesondere dann, wenn vorher eine namentliche Abstimmung stattgefunden hätte. Das haben Union und SPD in gleicher Weise erkannt und die Minderheitenrechte in diesem Landtag garantiert. Wie gesagt, dafür bedanke ich mich noch einmal ausdrücklich.
Allerdings geht der Gesetzentwurf von CDU und SPD nicht weit genug. Wir wollen es ausreichen lassen, dass bereits eine Fraktion ein Gesetz vor dem Landesverfassungsgericht auf seine Verfassungsmäßigkeit überprüfen kann. Das entspricht auch dem Geist der Verfassung. Als die Landesverfassung ursprünglich geschaffen wurde, gab es lediglich CDU und SPD im Landtag. Beide Fraktionen erreichten regelmäßig über 40 % der Sitze. Das heißt, dass die seinerzeitige Drittelregelung dafür geschaffen wurde, dass die Oppositionsfraktion als Fraktion immer einen Normenkontrollantrag stellen konnte, aber selbst dann dazu in der Lage war, wenn sich einige Abgeordnete aus ihren eigenen Reihen anders entschieden. Ein Drittel der Abgeordneten des Landtages reichte aus.
Wir wollen, dass es heute ausreicht, dass eine Fraktion oder die Gruppe des SSW selbstständig vor das Gericht zieht, wenn die Auffassung besteht, dass ein Gesetz mit den Grundregeln unserer Landesverfassung nicht im Einklang steht. Wir glauben auch nicht, dass wir hier in vorauseilendem Gehorsam Vorkehrungen gegen den Einzug einer extremistischen Partei treffen müssen, obwohl ich dafür ein gewisses Verständnis habe. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, den Einzug einer solchen Gruppierung politisch zu verhindern.
Auch an anderer Stelle besteht beim CDU/SPD-Gesetzentwurf Nachbesserungsbedarf. So ist es erstaunlich, dass es insbesondere die Sozialdemokraten nicht vermocht haben, die Union davon zu überzeugen, dass der Schutz der Sinti und Roma, besonderer sozialer Minderheiten, der Schutz von Kindern und Jugendlichen sowie die besondere
Förderung von Menschen mit Behinderung in den Gesetzentwurf aufgenommen werden. Das ist vor allem vor dem Hintergrund der Debatte aus dem Januar 2005 enttäuschend. Herr Kollege Puls, damals scheiterte ein Gesetzentwurf von SPD und Grünen, der in diesem Regelungsbereich wörtlich dem heutigen Gesetzentwurf entspricht, an der Sperrminorität der Union.
Ich möchte den Kollegen Puls nicht zitieren, er hat sein eigenes Zitat aus der damaligen Debatte gebracht, warum es einen europarechtlichen Regelungsbedarf in dieser Sache gibt. Ich hätte mir gewünscht, dass die Diskussionen im Ausschuss hierzu intensiver geführt worden wären, um die Union davon zu überzeugen, dass sie europarechtlich dazu verpflichtet ist, eine solche Regelung in die Verfassung aufzunehmen.
Ähnliches gilt für den Schutz von Menschen mit Behinderung beziehungsweise von sozialen Minderheiten. Hier ist das Diskriminierungsverbot wegen der politischen, weltanschaulichen, religiösen Überzeugung, des Geschlechts, der sexuellen Identität, der sozialen Stellung oder der Sprache gemeint. Es war der SPD-Fraktion im Januar 2005 so wichtig, diese Regelungen in die Landesverfassung aufzunehmen, dass sie damals eine namentliche Abstimmung hier im Landtag hat durchführen lassen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie werden den Bürgerinnen und Bürgern erklären müssen - das ist nicht allein ein Hinweis auf die Koalitionsvereinbarung -, warum diese Passagen nun keinen Eingang in den gemeinsamen Gesetzentwurf mit der Union gefunden haben
beziehungsweise warum die SPD heute gegen einen Gesetzentwurf von FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW stimmen wird, der wörtlich dem damaligen SPD-Entwurf entspricht, den Sie in namentlicher Abstimmung haben abstimmen lassen. Wir sind gespannt, wie Sie das erklären.
- Ich rede nicht von Holger Astrup, der kann alles erklären. Ich meine die Sozialdemokraten vor Ort.
Und die Union wird erklären müssen, warum sie die Regelungen, die die CDU auf Bundesebene gerade in ein Antidiskriminierungsgesetz hineinge
Auf jeden Fall befinden wir uns mit unserem Entwurf auf der Seite der meisten Anzuhörenden, die schriftlich Stellung genommen haben. Über 80 % der Stellungnahmen befürworten eine Aufnahme des Schutzes sozialer Minderheiten in die Landesverfassung. Insbesondere der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung befürwortet dies ausdrücklich.
Der Kollege Hentschel wird gleich etwas zu dem Abstimmungsprozedere sagen. Es wird ein Antrag auf namentliche Abstimmung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP gemeinsam in einem einzigen Punkt gestellt. Das muss ich deshalb sagen, weil ja auf der Grundlage des Koalitionsvertrages beide großen Fraktionen erklärt haben, sie würden die notwendige Mehrheit herstellen, wenn sich zwei Fraktionen darauf verständigt haben. Wir haben uns darauf verständigt.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Vorsitzenden, Karl-Martin Hentschel, das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich beginne mit dem einfachen Thema, mit dem Parlamentsinformationsgesetz. Insbesondere wir als Opposition haben natürlich ein großes Interesse daran, rechtzeitig informiert zu sein.
Aber auch für die großen Fraktionen ist es unbefriedigend, wenn die Regierung Staatsverträge paraphiert, die das Parlament noch gar nicht gesehen hat und bei denen im Nachhinein eine Änderung kaum noch möglich ist, weil dann alle anderen Bundesländer mitmachen müssten. Dies gilt natürlich umso
mehr bei Stellungnahmen der Regierung zu Vorhaben der Europäischen Union. Je mehr Entscheidungen in Brüssel getroffen werden, desto wichtiger ist es, dass das Parlament von Anfang an in Entscheidungsprozesse einbezogen wird.
Meine Damen und Herren, ich habe schon im Ausschuss deutlich gemacht, dass wir nicht mit allen Formulierungen des Gesetzes einverstanden sind, aber ich weiß auch, dass wir hiermit heute gemeinsam Neuland betreten. Es wird sich in der Praxis zeigen, ob das neue Gesetz die Erwartungen erfüllt. Deswegen macht es Sinn, die Regelungen nach ein oder zwei Jahren zu überprüfen. Ich rechne dann mit dem gemeinsamen Willen dieses Hauses, das Gesetz gegebenenfalls zu korrigieren, wenn sich das als sinnvoll herausstellt. Aus diesen Gründen verzichten wir heute auf Änderungsanträge zum Parlamentsinformationsgesetz und werden dem Gesetzentwurf in der vorliegenden Fassung zustimmen.
Meine Damen und Herren, jetzt komme ich zur Landesverfassung. Bereits meine Vorgängerinnen im Amt der innenpolitischen Sprecher von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben bei jeder Debatte über Verfassungsänderungen stets betont, dass sich Verfassungen nicht auf die Aufzählung gesellschaftlicher Realitäten beschränken dürfen. Dieser Auffassung schließe ich mich ausdrücklich an. Wenn wir über Staatsziele reden, dann handelt es sich sowohl um Leitbilder der Politik als auch um formulierte Ambitionen des gewählten Parlamentes, also um eine Aufgabe, die wir uns selbst stellen. Umso bedauerlicher ist es, dass einige dieser selbst gesteckten Ziele, die in der letzten Legislaturperiode, wie schon mehrfach erwähnt, auch von der SPD unterstützt worden sind, heute keine ausreichende Mehrheit in diesem Hause finden werden. Mit der Festschreibung des von uns vorgeschlagenen Antidiskriminierungsgrundsatzes könnte der Landtag ein wichtiges Signal für ein demokratisches weltoffenes solidarisches Schleswig-Holstein setzen.
Das wäre wichtig vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Attraktivität von mehr oder weniger diffusen rechtsextremen Weltbildern.
Ebenso bedauere ich, dass es immer noch nicht möglich ist, die Roma und Sinti in die Verfassung aufzunehmen. Die in Schleswig-Holstein seit dem 15. Jahrhundert, also seit sechshundert Jahren, lebende Volksgruppe der Sinti und Roma sind eine
regionale Minderheit, die in der europäischen Konvention der Menschenrechte und Grundfreiheiten als Minderheit neben den Dänen und Friesen steht, nur leider noch nicht in der schleswig-holsteinischen Verfassung. Ich bedaure sehr, dass es dafür hier nicht die ausreichende Mehrheit gibt.
Auch die Aufnahme des Schutzes der Minderjährigen findet wohl heute keine Mehrheit. Ich kann mir das wirklich nur ganz schwer erklären, welche Diskussionsprozesse bei der Union vonstatten gegangen sind, dass sie zu dieser Entscheidung gekommen ist, in den Fragen des Schutzes der Minderjährigen, des Schutzes der Behinderten hier nicht zuzustimmen und zu sagen, das wollen wir nicht in der Verfassung haben. Gleichzeitig werden aber die Pflegebedürftigen aufgenommen. Ich kann mir die Diskussion einfach nicht vorstellen. Was ist bei Ihnen da drüben eigentlich abgelaufen?
Was ich mir vorstellen kann ist, warum Sie den Tierschutz ablehnen, obwohl Sie auf Bundesebene zugestimmt haben. Das entspricht einer offensichtlich besonders konservativen Geisteshaltung der CDU in Schleswig-Holstein. Das ist bekannt, das wird sich aber eines Tages auch noch ändern, da bin ich sicher.
Ich möchte noch etwas zum Schutz von Kinderrechten sagen. Das ist für uns insofern bedeutsam, weil wir immer wieder in Diskussionen vor dem Problem des Eingriffs in die Familie stehen. Wir haben den Schutz der Familie in der Bundesverfassung. Wir haben hier schon mehrfach diskutiert, eine verpflichtende Vorsorgeuntersuchung für zweijährige Kinder einzuführen. Wir als Grüne haben dazu einen Antrag gestellt. In solchen Fragen stehen immer Familienrechte gegen Kinderrechte. Ist es möglich, trotz der Familienrechte Eingriffe zugunsten der Kinder vorzunehmen, wenn es offensichtlich notwendig ist, dass Kinder geschützt werden? Alle wissen, dass der Schutz der Kinder nicht erst mit sechs Jahren beginnt, sondern dass er schon im Kleinkinderalter beginnen muss. Von daher lese ich Ihnen noch einmal vor, was wir in die Landesverfassung schreiben wollen:
„Kinder und Jugendliche stehen unter dem besonderen Schutz des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der anderen Träger der öffentlichen Verwaltung.“