Wenn wir eine Kreisreform machen, muss der Bürger alle Aufgaben, die er jetzt beim Kreis erledigt, in Zukunft direkt in seiner Kommune erledigen können und dazu brauchen wir eine passende Kommunalstruktur.
Aber auch für die Wirtschafts- und Strukturpolitik ist das unsinnig, denn wenn ich in Zukunft die Zentralen Orte mit den Ämtern zusammenlege, frage ich: Wo ist bisher die Wirtschafts- und Strukturpolitik wirklich gemacht worden? - Von den unabhängigen direkt gewählten Bürgermeistern der Zentralen Orte. Wenn ich mir das bei uns im Kreis Lütjenburg, Probstei und so weiter ansehe, so waren es immer die Bürgermeister der Zentralorte, die handlungsfähig waren, die wirtschaftspolitische Impulse setzen konnten, die etwas angestoßen haben. Die Ämter waren dazu nie in der Lage, denn mit 20 Gemeinden in einem Amt kann der Amtsdirektor, der abhängig ist, nicht handeln, denn er müsste 20 Gemeinderäte fragen. Deswegen haben RheinlandPfalz und Niedersachsen die Gesamtgemeinden geschaffen, genau aus dem Grunde, mit demokratisch gewählten Gemeindegremien und mit einem direkt gewählten Bürgermeister.
Wenn Sie dazu nicht bereit sind, dann lähmen Sie die Struktur im ländlichen Raum, Sie machen die Handlungsfähigkeit des ländlichen Raumes wirtschaftspolitisch kaputt.
Meine Damen und Herren, ich komme jetzt zum Verwaltungsmodernisierungsgesetz. Der Autor sitzt ja noch hier. In seiner Regierungserklärung vom 25. Mai 2005 kündigte der Ministerpräsident an, den aus den Fugen geratenen Haushalt durch Stellenabbau wieder in den Griff zu bekommen. Ich zitiere aus der Pressemitteilung:
„Um der öffentlichen Hand noch weitere Spielräume für die Senkung von Personalund Sachkosten zu erschließen, geht die Regierung jetzt mit Hochdruck an die Reform der öffentlichen Verwaltung und den Abbau von Bürokratie.“
Dieses Anliegen war dem Ministerpräsidenten so wichtig, dass er dafür einen eigenen Staatssekretärsposten eingerichtet hat und eine 50-köpfige Abteilung im Finanzministerium.
Anfang dieses Jahres hat dieser „Spezialsekretär“ dann sein Vorhaben präsentiert. Er wollte fast 1.000
Stellen einsparen. Nun liegt das erste Ergebnis vor. Herausgekommen ist nach eineinhalb Jahren Arbeit die Drucksache 16/1006. Diese Drucksache sollte sich jeder hier im Saale, auch die Regierungsfraktionen, denn sie sind verantwortlich dafür, ansehen. Wie viel wird eingespart? Haben Sie die Vorlage gelesen? Sind es 1.000 Stellen? - Nein. Sind es 500 Stellen? - Nein. Sind es 100 Stellen? - Nein. Sind es wenigstens 10 Stellen? - Nein. Es ist nicht einmal eine Stelle.
Laut dieser Vorlage werden 0,4 Stellen eingespart. Der Höhepunkt ist aber, von den 0,4 Stellen hat die SPD-Fraktion heute zu 0,2 Stellen Dissens erklärt. Das heißt, es bleiben nur 0,2 Stellen über.
Es sollen 800.000 € beim Land plus 200.000 € bei den Kommunen eingespart werden, weil man jetzt die Gratifikationen abschafft. Da werden einige traurig sein.
Mein Fazit: Herr Schlie zog aus, um Gold zu schürfen, und heraus kamen nicht einmal Peanuts, sondern nur zerdrückte Erdnussschalen. Dafür haben 50 Beamte über ein Jahr lang gearbeitet. Es lohnt sich gar nicht, über dieses Gesetz zu debattieren.
Zum Bereich Nutzen für die Wirtschaft, steht in diesem Gesetzentwurf interessanterweise, es nützte der Wirtschaft insofern, weil die Freigabe des Landeswappens Werbemaßnahmen mit dem Landeswappen erleichtere. Ich gratuliere, Herr Staatssekretär.
Herr Schlie, hören Sie auf, das Parlament mit solchen Gesetzesvorlagen zu belästigen. Wahrscheinlich kosten die Beratungen in Regierung und Parlament einschließlich der damit verbundenen Anhörungen mehr, als mit diesem Gesetz in den kommenden zehn Jahren eingespart wird.
Ich habe deshalb einen Vorschlag an Herrn Carstensen, den Ministerpräsidenten, den Sie ihm vielleicht übermitteln können, Herr Stegner und Herr Wiegard, und auch an Herrn Wiegard, da Sie ja die zuständigen Minister sind: Lösen Sie diese Entbürokratisierungsspezialabteilung auf, dann sparen wir 50 Stellen, und das sind nach meiner Rechnung, weil die Beamten etwas höher bezahlt werden, rund 3 Millionen € im Jahr, also das Dreifache als mit
dem vorliegenden Gesetz. Schaffen Sie die Stelle des überflüssigen Staatssekretärs ab, und zwar sofort.
Meine Damen und Herren, zwei der drei großen Vorhaben der Regierung zur Reform der Verwaltung liegen heute auf dem Tisch. Diese beiden zusammen aufgerufenen Gesetze haben inhaltlich nicht viel gemeinsam, sie haben aber eines gemeinsam, sie zeigen die Mutlosigkeit dieser großen Elefanten, die hier eine Koalition gebildet haben, um die Verwaltung und das Land endlich zu reformieren. Dieser Elefant ward schwanger und gebar eine Mücke. Schade, ich hätte wenigstens eine Maus erwartet.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hentschel. Das Wort für den SSW im Landtag hat Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der geneigte Leser wird kaum seine Enttäuschung über den dünnen Inhalt der beiden vorliegenden Gesetzentwürfe verbergen können.
Im Artikelgesetz zur Verwaltungsmodernisierung werden mutig elf Gesetze angepackt und scheinbar gnadenlos entbürokratisiert. Bei näherem Hinsehen zeigt sich der wirkliche Umfang des Vorhabens. Genannt sind schon fünf Punkte von dem Kollegen Hildebrand, die will ich wegen der Zeit nicht noch einmal aufzählen. Diese fünf Punkte beschränken sich auf Regelungen, die von der Verwaltung bisher nicht oder kaum angewandt wurden, auf interne Gratifikationsregelungen, verwaltungsinterne Aufsichts- beziehungsweise Kompetenzregelungen sowie Regelungen, die der Steuerung und der Kontrolle der Verwaltung dienen. Keine neue Regelung ist, für sich genommen, als Mittel zur Entbürokratisierung zu verstehen. Dass Regelungen, die die Verwaltung nicht oder nicht mehr anwendet, von Zeit zu Zeit quasi ausgemistet werden, sollte selbstverständlich sein, aber als Entbürokratisierung lässt sich das wohl kaum bezeichnen, denn schließlich ist der Bürger davon überhaupt nicht behelligt worden. Erst bei der Reduzierung der Aufsichts- und
Zustimmungsregelungen innerhalb der Behörden kämen reale Beiträge zur Entbürokratisierung zum Tragen. Wirklich durchschlagende Beispiele findet man hier auch nicht.
Ich möchte zwei Beispiele dazu nennen. Erstens müssen Stammgäste eines Hotels beim Besuch innerhalb von zwei Jahren den Hotelmeldeschein nicht erneut handschriftlich ausfüllen, es reicht eine Unterschrift. Zweitens sollen Abschusspläne in Jagdbezirken des Landes von den unteren Jagdbehörden genehmigt werden können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so geht es weiter. Das mag alles löblich sein, aber ein Durchbruch bei der Bekämpfung der Bürokratie sieht doch wohl anders aus. Das sind Sandkrumen im Vergleich zu dem Berg, den es einzuebnen gilt. Deshalb sage ich noch einmal, ein Zuwachs an Bürgernähe ist dabei nicht zu entdecken.
Bei der Wirtschaftlichkeit sieht es im Übrigen nicht anders aus. Eingespart wird nach eigener Einschätzung der Landesregierung circa 1 Million €, wobei die Streichung der Jubiläumszuwendung bereits 90 % dieser Einsparung ausmacht. Das ist ja bereits gesagt worden. Gesagt worden ist auch, dass dadurch künftig 0,4 Stellen wegfallen. Ich finde aber, diese Zahl hat es verdient, noch einmal genannt zu werden.
Gesagt wurde von dem Kollegen Hildebrand, dass die neue Abteilung für Entbürokratisierung ungefähr 2 Millionen € im Jahr kostet, davon der neue Abteilungsleiter 150.000 € jährlich. Diese Bilanz zulasten der vollmundigen Versprechen der Regierung kann so allein im Raum stehen bleiben. Im Klartext: Die Kosten für die Einsparbemühungen übersteigen bei Weitem die realisierten Einsparungen.
Der SSW sieht mit Sorge, dass sich das Außerkraftsetzen politischer Steuerungs- und Controllingmechanismen als heikler Punkt entpuppt. Regelungen, die politisch getroffen werden, um Verwaltungshandeln zu steuern und zu kontrollieren, sind aus der Sicht der Verwaltung natürlich leicht verzichtbar. Doch diejenigen, die die Regeln gesetzt haben, sollten auf diese bestehen. Darum sage ich noch einmal, was ich in einem Zusammenhang auch gesagt habe: Nicht alles, was Arbeit macht, ist auch Bürokratie. Minister Döring hat meines Erachtens völlig zu Recht auf den ausgeprägten Hang der Verwaltung zur Selbststeuerung hingewiesen. Die Verselbstständigung der Verwaltung ist damit nur noch höflich beschrieben. Ich warne daher davor, leichtfertig diese Instrumente unter dem Mantel der Entbürokratisierung zu entsorgen.
Wir hatten in einer anderen Landtagsdebatte vorgeschlagen, mit dem im Ausland bewährten Standardkostenmodell möglichst trenngenau zwischen verwaltungsverursachendem Aufwand für Bürger und Unternehmen einerseits und verwaltungssteuernden Auflagen der Politik andererseits zu unterscheiden. Der Stand der Gleichstellung, Ausmaß und Qualität der Nebentätigkeiten von Beamten sowie die Datenabfrage ohne Identifikationsmerkmale sind Aspekte, auf die wir in den Ausschussberatungen und der Anhörung ein besonderes Augenmerk werfen werden. Die Politik sollte ihre eigenen Kontrollmöglichkeiten nicht leichtfertig aus der Hand geben. Dazu gehören ganz einfach auch Kennzahlen und Daten.
Bei dem zweiten Gesetzentwurf handelt es sich der Sache gemäß ebenfalls um ein Artikelgesetz, da mehrere Gesetze auf einmal novelliert werden. Kernpunkte sind hier die Festlegung der 8.000-Einwohnergrenze für Kommunalverwaltungen, die Zusammensetzung der vergrößerten Amtsausschüsse sowie die Ermächtigung der Landesregierung, Verwaltungen zusammenzuschließen, in deren Zuständigkeit weniger als 8.000 Einwohner fallen.
Die SSW-Position zur Amtsverfassung ist bekannt. Wir wollen die Selbstverwaltung wieder unmittelbar machen und sie dadurch stärken. Die jetzige Amtsordnung genügt in der praktischen Anwendung nicht immer den demokratischen Prinzipien. Diese demokratischen Defizite werden durch die vorgeschlagene Regelung in bedenklichem Umfang weiter verstärkt.
Dieses ist angesichts der latenten Verfassungswidrigkeit der Regelung ein abenteuerliches Gebaren der Landesregierung. Es wird sich zweifellos die kommunale Selbstverwaltung zukünftig auf der Ebene der Ämter abspielen. Daher kann es nicht ausreichen, die Willensbildung über Stimmenkontingente wie bei einer Aktionärsversammlung abzuwickeln. Die unverzichtbare Repräsentativität gemeindlicher Meinungsbildung wird dadurch bis zur Unkenntlichkeit reduziert. Die Honorationenverwaltung des 19. Jahrhunderts wird somit wieder eingeführt und damit eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den direkt gewählten Gemeindevertretern zementiert.
Dann haben wir die Gemeinderatsmitglieder im Amtsauschuss mit Stimmenkontingent und einfache Gemeinderatsmitglieder mit Abnickfunktion, mächtige und ohnmächtige, beide aber von den Bürgern
in die Räte gewählt, nur zählen die Stimmen unterschiedlich. Ich finde, das ist ein klarer Verstoß gegen die Verfassungsrechte.
Der Sozialdemokrat Kurt Hamer hat bereits 1974 diese negative Tendenz klar gesehen und eindeutig kritisiert. Ich zitiere:
„Entweder ist der gewählte Vertreter überhaupt nicht mehr an wichtigen Entscheidungen beteiligt wie bei den Zweckverbänden und Ämtern oder aber andere Gremien als die unmittelbar von der Bevölkerung gewählten präjudizieren durch mühsam ausgehandelte und ausbalancierte Kompromisse die Beschlüsse der Gemeindevertretungen.“
Wir wollen den gewählten Gemeindevertreter wieder für möglichst alle kommunalen Aufgaben seines Bereichs zuständig machen. Kurt Hamers Worte sind auch nach drei Jahrzehnten aktueller, als es uns lieb sein kann.