Protokoll der Sitzung vom 12.10.2006

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Genauso ist es!)

Andererseits gerät das Staatsmonopol aus Europa unter Druck, weil es den Regeln des Binnenmarktes widerspricht. Um das Monopol zu begründen, reicht es eben nicht aus, dass der Staat mit einem Teil der Einsätze politisch und gesellschaftlich anerkannte Zwecke fördern will, zum Beispiel den Breitensport oder den Kampf gegen die Drogensucht.

Genau diese Förderungen geraten bei einem verfassungsmäßigen, aber möglicherweise trotzdem europarechtswidrigen Staatsmonopol in Gefahr. Denn Lotterien sind Markenprodukte. Auf solchen Märkten ist kräftige Werbung unerlässlich, um Marktanteile halten oder neue gewinnen zu können. Ich warne die Unbesorgten davor: Wenn englische Sportwettenanbieter auf dem deutschen Markt mit den entsprechenden Quoten in Konkurrenz zu unseren in Erscheinung treten, dann werden sie unsere deutschen Anbieter relativ schnell und bedingungslos verdrängen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb verspricht die Waschmittelindustrie uns stets, mit ihren neuesten Mitteln würde unsere Wäsche noch sauberer und frischer. Wer auf einem solchen Markt nicht wirbt, geht schlicht und ergreifend unter.

Dies gilt auch im Glücksspiel; das zeigt die Entwicklung bei der Oddset-Wette. Seitdem die Werbung eingestellt werden musste, sanken die Umsätze um 40 %. Um die Wirkungen des Werbeverbots zu verdeutlichen, können wir diesen 40-prozentigen Einnahmeausfall für alle staatlichen Lotterien annehmen und auf den Haushaltsentwurf 2007/2008 übertragen: Das Land erwartet aus der Totalisatorsteuer, der Lotteriesteuer und den Konzessionsabgaben 2007 und 2008 jeweils 121 Millionen € Einnahmen.

40 % Einnahmeverlust bedeuten jährlich 48 Millionen € weniger, also statt 121 Millionen € nur noch 72 Millionen €. Beim Kampf gegen die Drogensucht würden zum Beispiel jährlich 800.000 € fehlen, bei der Schuldnerberatung 1,2 Millionen €, bei der Sportförderung 2,5 Millionen €.

Und das wäre nicht unwahrscheinlich. Denn nach dem aktuellen Entwurf für einen neuen LotterieStaatsvertrag dürfte Werbung für öffentliches Glücksspiel nicht gezielt zur Teilnahme auffordern, anreizen und ermuntern.

Ich frage mich, was wir mit der Jackpotauslosung der letzten Woche gemacht hätten. Allein die Be

(Präsident Martin Kayenburg)

richterstattung darüber war aufgrund der Höhe des auszuschüttenden Gewinns Anreiz und Ermunterung zum Spiel.

(Beifall bei FDP und CDU)

Sie müsste Hinweise auf den Jugendschutz, die Suchtgefahr und Hilfsmöglichkeiten enthalten und wäre in Fernsehen und Internet ganz verboten.

Das ifo Institut schätzt, dass dieser Staatsvertrag, der abgeschlossen werden soll, bis 2010 in Deutschland 15.000 Arbeitsplätze vernichten würde und so selbstverständlich zu niedrigerer Wirtschaftsleistung, niedrigeren Staatseinnahmen und höheren Staatsausgaben führte. Allerdings ist das Erschreckendste an diesem Staatsvertrag die Fremdsperre für vermeintlich spielsuchtgefährdete Menschen. Ich zitiere:

„Die [Veranstalter öffentlichen Glücksspiels] sperren Personen vom Spielbetrieb aus... von denen sie... aufgrund von Meldungen Dritter wissen oder annehmen müssen, dass sie überschuldet sind, ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkommen oder Spieleinsätze riskieren, die in keinem Verhältnis zu ihrem Einkommen stehen.... Die Aufhebung der Sperre ist frühestens nach einem Jahr... möglich. [Darüber] entscheidet der Veranstalter, der die Sperre verfügt hat. Die Aufhebung setzt voraus, dass der Veranstalter vorher die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Spielers prüft...“

Aus wessen Hirn ist eine solche Formulierung entsprungen? Im Extremfall wird also ein Mensch auf Zuruf seines missliebigen Nachbarn für mindestens ein Jahr vom Lottospiel ausgeschlossen und erst wieder zugelassen, wenn die Teilzeitaushilfskraft an der Lottoannahmestelle seine Steuerbescheide überprüft hat. Vorsichtig ausgedrückt: Diese Vorschriften wären offenkundig rechtswidrig.

(Beifall bei FDP und CDU)

Bleiben wir beim Beispiel Lotto: Übertragen wir Forschungsergebnisse aus anderen europäischen Ländern auf Deutschland, dann wären hier bis zu 4 ‰ der Spielsüchtigen lottosüchtig. Das wären von den bis zu 130.000 behandlungsbedürftigen spielsüchtigen Menschen in Deutschland gut 500. Das sind 500 von 26 Millionen Lottospielern oder zwei Hunderttausendstel. Das sind 500 traurige Schicksale, wohl wahr. Ihnen sollte individuell geholfen werden. Deswegen aber in ganz Deutschland die Lotto-Toto-Prohibition und die Staatswirtschaft im Glücksspiel auszurufen, ist absolut unsinnig. So

werden nur zweifelhafte Anbieter begünstigt, die sich angemessener Regulierung entziehen werden.

Gespielt wird und wurde zu allen Zeiten und überall auf der Welt. Staatliche Monopole werden dies nicht ändern und es auch nur begrenzt eindämmen können. Das ist auch nicht verhältnismäßig,

(Beifall bei FDP und CDU)

denn die allermeisten Sportwetter und Lottospieler sind Menschen, die für ein bisschen Spaß und Nervenkitzel sowie für eine wirklich sehr kleine Chance auf große Gewinne bereit sind, ein bisschen Geld auszugeben. Wir sind für einen konstruktiven Umgang mit den Entwicklungen im Lotteriewesen. Wir sind für ein Konzessionsmodell.

Staatliche und private Anbieter aus dem In- und Ausland sollen eine Konzession für Lotterien und/ oder Sportwetten in Deutschland erhalten, wenn sie die gesetzlichen Anforderungen über die persönliche Zuverlässigkeit und fachliche Eignung erfüllen. Diese Anforderungen sind klar und einheitlich festzulegen. Die offiziell zugelassenen Anbieter sollen sich dazu verpflichten müssen, Minderjährige vom Spiel auszuschließen und Spielsucht einzudämmen. Diese Maßnahmen und ihre Ergebnisse sind - selbstverständlich unter Berücksichtigung des Datenschutzes - offenzulegen.

Für den Jugendschutz ist es zum Beispiel sehr wichtig, Internetspiele mit Kreditkarten bezahlen zu können, denn deren Inhaber müssen volljährig sein. Verbote der Kreditkartenzahlung, wie sie jüngst in den USA ausgesprochen wurden, sind deshalb kontraproduktiv. Der Wettbewerb zwischen den offiziell zugelassenen Anbietern wird dazu führen, dass der verantwortungsbewusste Umgang mit der Gefahr der Spielsucht ein Qualitätsmerkmal der Anbieter werden wird. Sicher ist das nicht das Wichtigste, aber es ist möglicherweise ein bedeutendes Merkmal. Hingegen würde der offizielle Ausschluss privater Anbieter zweifelhaften OnlineAnbietern aus unzugänglichen Standorten Tür und Tor zum deutschen Glücksspielmarkt öffnen. Diejenigen, die die Gefahren des Glücksspiels mit einem Staatsmonopol eindämmen wollten, hätten die Gefahren durch eben dieses Monopol vergrößert. Die Erfahrungen der Prohibition in den USA lassen grüßen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Staatliche Lotterie-Konzessionen sind selbstverständlich ein Vermögen wert. Ein Teil davon sollte in die Staatskasse fließen, damit die bereits besprochenen politisch und gesellschaftlich anerkannten Zwecke weiterhin gefördert werden können.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall bei der FDP)

Im Haushaltsentwurf sind beispielsweise Sport, Schuldnerberatung, Bekämpfung der Drogensucht, Bildung, Kultur, pflegerische Versorgung der Bevölkerung sowie gesundheitspolitische, soziale und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen aufgeführt. Wenn der vorliegende Entwurf für einen neuen Lotterie-Staatsvertrag nicht entsprechend dieser Punkte überarbeitet wird, dann sollte die Landesregierung ihn ablehnen. Dazu fordern wir sie auf. Wir hoffen, dass einer der wenigen vernünftigen Ansätze der Kollegen Arp und Wadephul nicht erneut auf dem Altar angeblicher Koalitions- oder Parteiraison geopfert werden wird.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki. - Für die zweite antragstellende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Um die Aufrechterhaltung des staatlichen Glückspielmonopols hat sich eine heftige öffentliche Debatte entwickelt. Dabei geht es um private Wettanbieter, um Wettbetreiber, um die Bekämpfung der Spielsucht, um die Sicherung des Jugendschutzes und um viel Geld. Das ist Geld, das zurzeit in die klammen Haushaltskassen der Länder fließt. Das sind Einnahmemöglichkeiten, die private Anbieter dem Staat streitig stellen.

Allein Schleswig-Holstein nimmt bei leicht sinkender Tendenz circa 60 Millionen € an Lotteriesteuer ein. Hinzu kommen die Einnahmen aus der Konzessionsabgabe in Höhe von noch einmal rund 68 Millionen €. Aus diesen Mitteln wird der Sport gefördert. Das wurde bereits erwähnt. Es werden weiter Verbraucherinsolvenzberatung und Maßnahmen gegen Suchtmittelmissbrauch gefördert. Es ist vereinbart und festgeschrieben, dass alle anderen Mittel auch in gemeinnützige Projekte fließen. Das ist Geld, das uns sonst für diese Bereiche fehlen würde.

Der Streit um das staatliche Lottomonopol wird öffentlich und mit harten Bandagen ausgetragen. Ein Höhepunkt war mit Sicherheit die Verhaftung der Vorstände des Internetwettanbieters bwin während einer Pressekonferenz in Monaco.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Rechtswidrig!)

Deshalb begrüßen wir es, dass die FDP das Thema auf die Tagesordnung des Landtages gesetzt hat. Inhaltlich sind wir allerdings weit von dem Ansinnen der FDP entfernt. Deshalb haben wir einen eigenen Antrag eingebracht. Die FDP macht es sich aus unserer Sicht zu einfach. Das staatliche Sportwettenmonopol soll abgeschafft werden. Im Gegenzug sollen private Veranstalter von Sportwetten zugelassen werden. Damit ist aber weder die Frage beantwortet, wie die Einnahmen des Staates gesichert werden können, noch ist die Frage beantwortet, wie wir der Spielsucht entgegenwirken können und wie der Sportwettenmarkt auch zukünftig reguliert werden kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus Sicht meiner Fraktion ist dabei auch zu berücksichtigen, dass es einen deutlichen Unterschied der Spielsuchtpotenziale bei Lotto und bei Sportwetten gibt. Während die Suchtgefahr beim normalen Mittwochs- und Samstagslottospieler als eher gering eingeschätzt werden kann, ist Spielsucht bei permanenten Glücksspielangeboten und insbesondere bei Sportwetten ein deutlich ernster zu nehmendes Problem. Vergrößert wird die Gefahr der Spielsucht, wenn zukünftig an jeder Kasse eines Supermarktes permanent und niedrigschwellig für Glücksspiele und Wetten geworben werden könnte und wenn die aggressive Telefonwerbung weiter zunähme.

Deshalb beantragt meine Fraktion heute, dass sich der Schleswig-Holsteinische Landtag für den Erhalt des staatlichen Lotteriemonopols ausspricht. Aus unserer Sicht hat das Bundesverfassungsgericht im März mit seiner Entscheidung die Zulässigkeit des staatlichen Lotteriemonopols grundsätzlich bestätigt. Bedingung ist allerdings, dass der Staat als Anbieter des Glücksspiels sein Monopol so ausübt, dass es konsequent am Ziel der Spielsuchtbekämpfung ausgerichtet wird. So verstehen wir auch den Entwurf des neuen Lotterie-Staatsvertrages, der mit den Stimmen Schleswig-Holsteins auf den Weg gebracht wurde. Hier ist eine deutliche Einschränkung der Werbung für Lotterieangebote vorgesehen. Damit wird den Zielen der Spielsuchtbekämpfung und des Jugendschutzes entsprochen.

Das Bundeskartellamt hat mit Beschluss vom 29. August 2006 den staatlichen Lotto-Gesellschaften untersagt, den Markt weiterhin mit strikter Gebietsaufteilung zu beherrschen. Meine Fraktion ist der Auffassung, dass die bisherige Regulierung des Vertriebs der staatlichen Glücksspielangebote mit der bestehenden Gebietsaufteilung nicht länger zu halten ist. Deshalb sprechen wir uns dafür aus, dass der Schleswig-Holsteinische Landtag eine Liberali

(Wolfgang Kubicki)

sierung des Vertriebs von staatlichen Glückspielangeboten befürwortet und dass damit zukünftig private Vertreiber zuzulassen sind. Damit wäre dem Beschluss des Bundeskartellamts Genüge getan. Führen wir diese Liberalisierung gleichzeitig mit der im neuen Staatsvertrag vorgesehenen stark eingeschränkten Werbung ein, so ist die Gefahr einer aggressiven Werbung durch Private nahezu ausgeschaltet. Zu einer Verstärkung der Spielsucht wird es dann aus unserer Sicht trotz Liberalisierung des Vertriebs nicht kommen können.

Nun ein paar Worte zu den Vorstellungen der CDU: Sie hat ein bundesweit beachtetes Papier zur Neuordnung des Lottomarktes vorgelegt. Herr Kollege Arp, natürlich freuen Sie sich, darüber im „FOCUS MONEY“ als Mitautor des Papiers erwähnt zu werden.

(Hans-Jörn Arp [CDU]: Das ist doch was, oder nicht?)

„FOCUS Money“ verweist dabei auf eine exklusive Studie des ifo Instituts, die belegen soll, dass eine Freigabe des Glücksspielmarktes Arbeitsplätze schafft. Auftraggeber der Studie ist die Altenholzer Firma FLUXX, die gutes Geld mit dem Vertrieb von Glücksspielen verdient. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Herr Arp, dass eine Firma mithilfe eines von ihr finanzierten Gutachtens um ihren Markt kämpft, ist selbstverständlich. Die Seriosität dieser Studie ist damit aus unserer Sicht allerdings infrage zu stellen.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Dass das Magazin „FOCUS-MONEY“ die Abschaffung des staatlichen Glücksspielmonopols puscht, überrascht nicht. Wenn man mit einem Klick auf die Internetseite von „FOCUS-MONEY“ geht, sieht man schnell, wo der Wetthase läuft: Wer Lotto spielen will, kann bei „FOCUS-MONEY“ gleich über einen sponsered Link zu „TIPP 24“ gelangen und seinen Internet-Lottoschein ausfüllen. Aber nicht nur das, „TIPP 24“ zeigt auch gleich, wie ab jetzt mit dem Handy auf Jackpotjagd gegangen werden kann.

Deshalb noch einmal für die CDU zum Mitschreiben: Dass Firmen für ihre Interessen kämpfen, ist selbstverständlich. Das Fraktionen diese Positionen völlig unkritisch übernehmen, ist mehr als unverständlich.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe der Abgeordneten Hans-Jörn Arp [CDU] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Da sind die Ministerpräsidenten aller Bundesländer - auch Schleswig-Holsteins - klüger gewesen. Sie haben mit der Stimme der schleswig-holsteinischen Landesregierung im Juni den Entschluss gefasst, dass ein neuer Lotterie-Staatsvertrag erarbeitet wird, welcher die Anforderungen der SportwettEntscheidung des Bundesverfassungsgerichts umsetzt.