Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 17. Tagung des Schleswig-Holsteinischen Landtages. Das Haus ist ordnungsgemäß einberufen und beschlussfähig. Erkrankt ist Frau Abgeordnete Susanne Herold. Ich wünsche der Kollegin von hier aus gute Besserung.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen eine Aufstellung der im Ältestenrat vereinbarten Redezeiten übermittelt. Der Ältestenrat hat sich verständigt, die Tagesordnung in der ausgedruckten Reihenfolge mit folgenden Maßgaben zu behandeln: Zu den Tagesordnungspunkten 3, 5 bis 8, 10, 12, 14, 15, 16, 22, 32, 33 und 38 ist eine Aussprache nicht geplant. Von der Tagesordnung abgesetzt werden soll Tagesordnungspunkt 40; die Beratung wird für die Januar-Tagung vorgesehen. Zur gemeinsamen Beratung sind die Tagesordnungspunkte 35 und 36 vorgesehen: „Ausbau von Frühförderung und Einführung einer verbindlichen Vorsorgeuntersuchung für Zweijährige“ und „Gesundheit von Kindern schützen - Gesundheitsvorsorge ganzheitlich und verbindlich organisieren“. Anträge zur Fragestunde liegen nicht vor.
Wann die weiteren Tagesordnungspunkte voraussichtlich aufgerufen werden, ergibt sich aus der Ihnen vorliegenden Übersicht über die Reihenfolge der Beratungen der 17. Tagung. Wir werden heute und morgen unter Einschluss einer zweistündigen Mittagspause jeweils längstens bis 18 Uhr tagen. Am Freitag ist der Schluss der Sitzung gegen 14:30 Uhr zu erwarten. Eine Mittagspause ist Freitag nicht vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.
Meine Damen und Herren, auf der Tribüne begrüße ich ganz herzlich Schülerinnen und Schüler des Thor-Heyerdahl-Gymnasiums aus Kiel mit ihren Lehrkräften. - Seien Sie uns herzlich willkommen!
Außerdem sehe ich unsere früheren Kollegen, Herrn Prof. Dr. Wiebe, Herrn Plüschau und Herrn Poppendiecker. - Auch Ihnen ein herzliches Willkommen!
„Also, hallo, wo soll ich anfangen … vielleicht im 7. Schuljahr: Ich war in einer Klasse, in der ich drei gute Freunde hatte. Ich bin pappen geblieben … Ich denke, dass der ganze Dreck damit anfing, dass einer von der Hauptschule (ich bin auf Real) nach Schulschluss zu unserer Schule kam und mich schlagen wollte, keine Ahnung warum, vielleicht hat ihm mein Gesicht nicht gepasst oder ich stand auf seinem Schatten. … Ich habe mich versteckt, seitdem hatte ich Angst. Diese Angst schlägt so langsam in Wut um. Ich fresse die ganze Wut in mich hinein, um sie irgendwann auf einmal rauszulassen und um mich an all denen zu rächen, die mir mein Leben versaut haben. Ich meine diese ganz Harten, die meinen, sie müssten mit 12 in der Ecke stehen und sich zuqualmen. Das sind die, die immer nur auf die Schwächeren gehen können.
Für die, die es noch nicht genau verstanden haben: Ja, es geht hier um Amoklauf! Ich weiß selber nicht, woran ich bin, ich weiß nicht mehr weiter, bitte helft mir!“
Das sind die Worte, die viele Tage vor dem tatsächlichen Amoklauf in Emsdetten im Internet zu lesen waren. Dieser Hilferuf - so, wie er formuliert ist wurde nicht gehört. Ich möchte nicht behaupten, dass es sich hier um ein Opfer handelt, sondern in erster Linie natürlich um einen Täter, um jemanden, der 37 Menschen verletzt und viele andere in Todesangst versetzt hat. Aber aus diesem Hilferuf wird deutlich, dass viele gesellschaftliche Dinge falsch gelaufen sind. Wenn wir über Emsdetten oder Erfurt diskutieren, diskutieren wir nicht nur über das Thema der sogenannten Killerspiele.
Politiker führen oft Diskussionen, die die Tagesordnung beherrschen, mal war es die Rütli-Schule, dann war es das Thema Unterschicht, das ist dann ein, zwei Tage in den Medien, Lösungen werden nicht gefunden und dann geht es weiter in der Dis
Wir müssen aufpassen, dass wir hier nicht Politaktionismus vortäuschen oder tatsächlich durchführen, der in der Jugend zu Unverständnis führt. Wenn wir hier über „Killerspiele“ reden, reden wir über einen Teil von Jugendkultur für viele Hunderttausende, vielleicht sogar Millionen junger Menschen. Bei allen rechtlichen Bedenken, die wir haben und formulieren können, müssen wir aufpassen, dass wir als Politiker, auch als ältere Generation das Unverständnis nicht so formulieren, dass wir bei der jungen Generation, die wir mitnehmen müssen, auf Ablehnung stoßen.
Das Thema lautet: Auswirkungen von sogenannten Killerspielen. Also müssten wir eigentlich die Wissenschaft heranziehen. Wir können aber schnell feststellen, dass uns die Wissenschaft hier nur sehr bedingt weiterhilft. Sie finden eigentlich für alles eine These: dass die Mitleidschwelle gesenkt wird das wird sehr häufig formuliert -, dass es nicht gewaltverstärkend wirkt, dass es gewaltverstärkend wirkt. Es gibt sogar Wissenschaftler, die die Katharsis-These formulieren und sagen, es wirke eher aggressionsmindernd.
Wir müssen uns eher auf den gesunden Menschenverstand verlassen und ein bisschen schauen, was in den Kinderzimmern tatsächlich passiert. Es ist ja kein Geheimnis, dass durch die Fraktionen, durch die Politikerschaft hindurch unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema existieren, ob es ein Verbot dieser Spiele geben soll oder nicht. Deswegen will ich einmal kurz die geltende Rechtslage aufzeigen.
Es gibt die Unterhaltssoftware-Selbstkontrolle. Es gibt die Indizierung dieser Spiele, die in der Regel ab 16, teilweise sogar erst ab 18 zugänglich sind. Es gibt die berühmt-berüchtigte Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, die diese Spiele vollständig indizieren kann. Es gibt § 131 StGB, der ohnehin erlaubt, gewaltverherrlichende Medien unter Strafe zu stellen.
Wenn wir uns über die Frage unterhalten, ob man so etwas verbieten kann, werden wir schnell auf den Umstand stoßen, dass diese Medien in der Regel raubkopiert sind, also ohnehin gar nicht über den Handel an die Endverbraucher gelangen.
Wir kommen an der wirklichen Frage nicht vorbei: Wollen wir als Staat eingreifen, durch Verbote reglementieren oder soll es Verantwortung geben oder finden wir einen Mittelweg zwischen diesen beiden Polen?
Wir müssen uns in diesem Zusammenhang über viele andere Dinge unterhalten. Auf den Mediatagen Nord, die kürzlich abgehalten wurden, hat die ULR eine Studie vorgestellt, die auf Gewaltvideos, schwerste Pornografie, Enthauptungsszenen und Ähnliches auf Handys hinweist. Danach hat fast die Hälfte aller befragten Jugendlichen so etwas schon einmal auf dem Handy gehabt. Wir dürfen uns nicht nur auf das Thema Computerspiele kaprizieren, wir müssen tatsächlich ein bisschen weiter schauen.
Wir müssen allerdings auch zugeben, dass wir mit den Konzepten zur Stärkung der Medienkompetenz erst am Anfang stehen. Ich kann in diesem Zusammenhang auf die Große Anfrage der CDU-Fraktion zur Medienpolitik verweisen. Wir stehen hier noch am Anfang.
Wenn wir über Medienkompetenz sprechen, dann reden wir meistens über die Schüler, über die Jugendlichen. Wir müssen allerdings auch über Lehrer und Eltern reden.
Ich glaube nicht, dass uns das alleinige Verbot von Killerspielen - Sie haben meinen Worten vielleicht entnommen, dass ich persönlich einem solchen Verbot skeptisch gegenüberstehe - weiterhilft. Ich glaube vielmehr, dass wir das Thema multikausal angehen müssen. Der Hamburger Innensenator hat auf der Innenministerkonferenz eine Initiative gestartet, um das Thema multikausal anzugehen. Wir sollten uns berichten lassen, wie es weitergeht.
Es ist meiner Meinung nach auch wichtig, an dieser Stelle zu sagen, dass die heutige Jugend nicht gewalttätiger ist als meine Generation oder andere Generationen zuvor. Es gibt nur andere Mittel und Wege, Gewaltdarstellungen zu verbreiten. Darauf müssen wir reagieren. Wir müssen den Leuten klarmachen, dass sie nicht wegschauen dürfen, dass die Verantwortung des Einzelnen zählt - gerade die der Lehrer und der Eltern. Wir müssen schauen, was in den Kinderzimmern passiert, und dies ist durch ein Verbot allein sicherlich nicht zu regeln.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Herbst hat sehr deutlich gemacht, dass ein Verbot von Killerspielen allein nicht ausreichend ist. Natürlich müssen wir uns darum kümmern, dass Jugendschutz ernst genommen wird, dass Jugendschutz umgesetzt wird und dass bestehende Gesetze und Verbote eingehalten werden. Von daher müssen wir uns über Fragen unterhalten, wie ein konsequenter, wirksamer Kinder- und Jugendschutz in den Medien vonstattengehen kann.
Dazu gehört natürlich, dass wir uns über die Frage unterhalten, ob diese Selbstkontrolle wirkt. Ist es wirklich so, dass diese regulierte Selbstkontrolle, die in diesem Bereich angesagt ist, zu Ergebnissen führt, dass der Zugang und der Besitz von Killerspielen oder anderer Ware ähnlicher Art aus dem Internet erschwert werden können?
Wir müssen uns überlegen, ob Altersfreigrenzen eingehalten werden und ob es beispielsweise möglich ist, den Zugang zu Video- und Verleihautomaten so zu konzipieren, dass auch nur 18-Jährige an die entsprechenden Filme oder Spiele gelangen können. Es gilt aber natürlich auch, sich auf internationaler Ebene dafür einzusetzen, dass diese Standards nicht nur bei uns, sondern auch im europäischen und internationalen Ausland gelten. Denn was nützt es uns, wenn wir Spiele verbieten, sich aber Personen wie der von Niclas Herbst beschriebene Jugendliche Waffen aus dem Internet bestellen? Wir müssen uns insofern nicht nur über Spiele, sondern auch über Waffen unterhalten. Dies ist auch sehr bedrohlich und schlimm.
Pädagogische Jugendschutzarbeit im Medium Internet heißt also, sich gegen Sexualität in Form von Gewalt zu wehren, und es bedeutet, sich mit Kinderpornografie und Gewalt auseinanderzusetzen. Es heißt ferner, sich mit Gewalt in Computerspielen auseinanderzusetzen, und es bedeutet, sich mit politischer Gewalt auseinanderzusetzen. Denn auch die Rechtsextremisten nutzen das Internet zur Verbreitung ihrer gewaltanreizenden und gewaltverherrlichenden Parolen beziehungsweise, um ihren fanatischen Hass weiterzugeben.
All dies ist im Internet zu bekommen und diesem können wir nur entgegenwirken, wenn wir es erreichen, die Medienkompetenz von Jugendlichen und Kindern zu stärken. Wir müssen sie dazu bewegen, sich aus dem Internet beziehungsweise aus
den neuen Medien das herauszufiltern, was entwicklungsfördernd und für sie nützlich ist. Wir müssen den Medien entgegentreten, die dazu führen, dass Gewalttätigkeit angeregt wird oder dass Gewalttätigkeit in eine Lebenswelt überführt, in der Kinder und Jugendliche einen Realitätsverlust erleiden. Dann würden sie nur noch Spuren im Internet hinterlassen und im Internet leben und das Internet als ihr Lebensumfeld empfinden.
Wir müssen genau hinsehen. Dies brachte auch ein Kommentar in den „Kieler Nachrichten“ zum Ausdruck und ich glaube, dieses genaue Hinsehen ist wichtig, wenn Eltern, Erzieher, Lehrer, aber auch wir in der Politik nach Auswegen suchen. Wir müssen genau hinsehen, wo die Kinder und Jugendlichen sind, die den Realitätsbezug verlieren und in der virtuellen Welt des Internets leben. Wir müssen dann schauen, wie wir auf jeden Einzelnen zugehen können und ihn aus dieser virtuellen Welt entreißen können.
Medienkompetenz bedeutet, diese Medien für sich so zu erschließen, dass sie entwicklungsfördernd sind und im Spiel pädagogisch und sinnvoll eingesetzt werden können. Diesbezüglich gibt es Unternehmungen und Aktivitäten in Schleswig-Holstein, die helfen. Die Aktion Kinder- und Jugendschutz macht hier eine sehr gute Arbeit. Wer einmal auf die Internetseite der Aktion Kinder- und Jugendschutz geht, sieht, dass nicht nur positive Dinge angeboten werden, sondern dass auch ein aktiver Austausch mit den gefährdenden Dingen vonstatten geht. Kinder und Jugendliche können sich in Foren einbringen und mitreden. Ich glaube, dass das ein wichtiger Ansatz in diesem Bereich ist. Wir dürfen nämlich nicht nur mit dem Zeigefinger arbeiten, sondern müssen die aktive Auseinandersetzung fördern.
Es ist erschreckend, dass man heutzutage nicht einmal mehr einen PC braucht, um auf ziemlich erschreckende Dinge in diesem Bereich zu stoßen. Vor allen Dingen ist es heute mit den modernen Handys möglich, sich jederzeit Gewalt- und Pornovideos auf dem Handy anzuschauen. Wir hatten gerade die Medientage in Kiel. Dort hat eine Studie belegt, dass jeder dritte Jugendliche solche Videos schon einmal auf seinem Handy hatte. Wenn man die Jugendlichen fragt, warum sie solche Videos auf ihren Handys haben, dann bekommt man als Begründung gesagt, dass sie cool sein wollen, dass sie mitreden wollen oder dass sie gegenüber anderen angeben wollen.
Natürlich werden wir nicht alle Handys verbieten können, aber wir müssen uns mit dieser Problematik auseinandersetzen und deutlich machen, dass das eigentlich nicht cool ist. So etwas ist nämlich ziemlich armselig.
Ganz heftig ist die Variante, die sich „Happy Slapping“ nennt. Jugendliche laufen los, verprügeln andere Jugendliche und drehen darüber Videos. Diese Videos werden über die Handys weiterverbreitet oder sogar ins Netz gestellt. Diese Form von selbstproduzierten Videos ist sehr bedenklich, weil sie zum einen verboten ist und weil die Opfer zum anderen entsetzlich darunter leiden. In diesem Zusammenhang geht es nicht nur darum, Jugendliche vor etwas zu warnen, sondern auch Betroffenen Hilfe anzubieten, damit sie solche Erlebnisse verwinden können.
Deswegen brauchen wir eine Medienerziehung, die dazu führt, dass Kinder befähigt werden, mit Medien verantwortungsbewusst umzugehen, und wir brauchen eine Erziehung, die vor allen Dingen deutlich macht, dass Kinder und Jugendliche Nein zu Gewalt sagen. Denn dann sind sie vor solchen Geschichten gefeit und in der Lage, sich damit konstruktiv auseinanderzusetzen.